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– Wer da?

– Ein Mensch, bei Gott! sagte eine starke Stimme; hast Du geglaubt, dass das Geld von selbst kommen würde?

– Nein, gewiss nicht, erwiderte Bruno, aber ich hätte nicht geglaubt, dass der, welcher es überbrachte, kühn genug wäre mich zu erwarten.

– Dann kanntest Du den Fürsten Herkules von Butera nicht.

– Wie! Sie sind es selbst, gnädiger Herr? sagte Bruno, indem er seine Büchse wieder auf seine Schulter warf, und mit dem Hut in der Hand auf den Fürsten zuschritt.

– Ja, ich bin es, Schelm; ich bin es, der gedacht hat, dass ein Bandit eben so gut Geld nötig haben könnte, wie ein anderer Mensch, und ich habe meinen Geldbeutel nicht einmal einem Banditen verweigern wollen. Nur habe ich den Einfall gehabt, es ihm selbst zu überbringen, damit der Bandit nicht glauben möchte, dass ich es ihm aus Furcht gäbe.

– Eure Exzellenz ist ihres Rufes würdig, sagte Bruno.

– Und Du, bist Du des Deinigen würdig? antwortete der Fürst.

– Das kommt auf den an, den man mir bei Ihnen gemacht hat, gnädiger Herr; denn ich muss mehr als einen haben.

– Nun denn, fuhr der Fürst fort, ich sehe, dass es Dir weder an Verstand noch an Entschlossenheit fehlt; ich liebe die Leute von Herz überall, wo ich sie antreffe. Höre, willst Du diesen calabresische n Anzug gegen eine Uniform als Hauptmann vertauschen und gegen die Franzosen kämpfen? ich übernehme es, Dir eine Compagnie auf meinen Gütern zu errichten, und Dir die Epauletten zu kaufen.

– Ich danke, gnädiger Herr, ich danke, sagte Bruno; Ihr Anerbieten ist das eines großmütigen Fürsten; aber ich habe eine gewisse Rache zu vollziehen, die mich noch für einige Zeit lang in Sizilien zurückhält, nachher wollen wir sehen.

– Es ist gut, sagte der Fürst, Du bist frei, aber glaube mir, Du würdest besser thun, es anzunehmen.

– Ich kann nicht, Exzellenz.

– So nimm hier die Börse, welche Du von mir verlangt hast, Pack Dich damit zum Teufel, und hüte Dich, Dich nicht vor der Tür meines Hotels hängen zu lassen.6

Bruno wog die Börse in seiner Hand.

– Wie mir scheint, gnädiger Herr, ist diese Börse sehr schwer.

– Weil ich nicht gewollt habe, dass ein Schuft, wie Du, sich rühme, der Freigebigkeit des Fürsten von Butera eine Summe bestimmt zu haben, und ich statt der zwei Hundert Unzen, welche Du von mir verlangt hast, drei Hundert hineingetan habe.

– Welches die Summe auch sein möge, die es Ihnen beliebt hat, mir zu überbringen, gnädiger Herr, sie wird Ihnen getreulich wieder zurückerstattet werden.

– Ich schenke, aber borge nicht, sagte der Fürst.

– Und ich borge oder ich stehle, aber ich bettle nicht, sagte Bruno.

Nehmen Sie Ihre Börse zurück, gnädiger Herr, ich werde mich an den Fürsten von Ventimille oder von le Cattolica wenden.

– Wohl an! es sei, sagte der Fürst.

Ich habe niemals einen eigensinnigeren Banditen gesehen, als Dich; vier Schelme Deiner Art würden mich um meinen Verstand bringen und um d Leb wohl!

– Leben Sie Wohl, gnädiger Herr, und möge die heilige Rosalie Sie in ihren Schutz nehmen!. . .

Der Fürst entfernte sich, die Hände in den Taschen seiner hirschledernen Weste, und sein Lieblingslied pfeifend. Bruno blieb regungslos, indem er ihn sich entfernen sah, und erst, als er ihn aus dem Gesicht verloren hatte, zog auch er sich nach seiner Seite zurück, indem er einen Seufzer ausstieß.

Am folgenden Tage empfing der abgebrannte Gastwirt aus den Händen Alis die drei Hundert Unzen des Fürsten von Butera.

VI

Einige Zeit nach dem so eben von uns erzählten Auftritte erfuhr Bruno, dass eine von vier Gendarmen und einem Brigadier begleitete Geldsendung von Messina nach Palermo abgehen würde.

Das war das Lösegeld des Fürsten von Moncada-Paterno, welches in Folge einer Finanzberechnung, die der Erfindungsgabe Ferdinands IV. die größte Ehre macht, das neapolitanische Budget rund machen sollte, statt, wie es seine erste Bestimmung war, den Schatz der Casauba zu vergrößern. – Hier ist übrigens die Geschichte, so wie sie mir an Ort und Stelle erzählt worden ist; da sie eben so merkwürdig als authentisch ist, so glauben wir, dass sie der Mühe wert ist, erzählt zu werden; außerdem wird sie einen Begriff von der sonderbaren Weise geben, mit welcher die Auflagen in Sizilien erhoben werden.

Wir haben in dem ersten Teile dieser Geschichte gesagt, wie der Fürst Moncada-Paterno von Seeräubern der Raubstaaten bei dem kleinen Dorfe Fugello gefangen genommen wurde, als er von der Insel Pontellerie zurückkehrte; er wurde mit seinem ganzen Gefolge nach Algier geführt, und der Preis seines Lösegelds und der seines Gefolges wurde in freundschaftlicher Übereinkunft auf die Summe von fünfmal hunderttausend Piaster (2, 500, 000 Franken) festgesetzt, wovon die Hälfte vor seiner Abreise, die Hälfte nach seiner Rückkehr nach Sizilien zahlbar war.

Der Fürst schrieb an seinen Intendanten, um ihm die Lage mitzuteilen, in welcher er sich befände, und dass er ihm so schnell als möglich die zweimal hundert fünfzigtausend Piaster zu senden habe, gegen welche er seine Freiheit wieder erlangen sollte. Da der Fürst von Moncada-Paterno einer der reichsten Gutsbesitzer von Sizilien war, so wurde die Summe leicht zusammengebracht und schnell nach Afrika abgesandt; getreu seinem Versprechen, wie ein wahrer Anhänger des Propheten, setzte der Dey von Algier den Fürsten von Paterno nun auf sein Ehrenwort in Freiheit, vor Ablauf eines Jahres die noch fehlenden zweimal hundert fünfzigtausend Piaster zu übersenden. Der Fürst kehrte nach Sizilien zurück, wo er sich damit beschäftigte, das für seine zweite Zahlung notwendige Geld zusammenzubringen, als ein Befehl Ferdinands IV., der sich auf folgenden Beweggrund stützte, dass, da er mit der Regentschaft von Algier im Kriege wäre, er nicht wolle, dass seine Untertanen seine Feinde bereicherten, er Einspruch in die Hände des Fürsten lege und ihn auffordere, die in Rede stehenden zweimal hundert fünfzigtausend Piaster in den Schatz von Messina, zu bezahlen. Der Fürst von Paterno, der ein Mann von Ehre und zu gleicher Zeit ein getreuer Untertan war, gehorchte dem Befehle seines Gebieters und der Stimme seines Gewissens, so dass das Lösegeld ihm siebenmal hundert fünfzigtausend Piaster kostete, von denen zwei Drittel an den ungläubigen Seeräuber gesandt und das andere Drittel in Messina an den Fürsten von Carini, den Bevollmächtigten des christlichen Seeräubers, ausgezahlt wurden. Diese Summe war es, welche der Vizekönig nach Palermo, dem Sitze der Regierung, unter der Bedeckung von vier Gendarmen und einem Brigadier ab sandte; dieser letztere war außerdem beauftragt, im Namen des Fürsten seiner geliebten Gemma einen Brief zu übergeben, die er aufforderte, zu ihm nach Messina zu kommen, wo Regierungsangelegenheiten ihn noch einige Monate zurückhalten sollten.

An dem Abend, wo die Bedeckung bei Bauso vorüber kommen musste, ließ Bruno seine vier korsischen Hunde los, ging mit ihnen durch das Dorf, dessen Herr er geworden war, und legte sich an der Heerstraße zwischen Divicto und Spadafora in den Hinterhalt, er befand sich ungefähr seit einer Stunde dort, als er das Rollen eines Munitionswagens und den Trab eines Reiterhaufens hörte. Er sah nach, ob die Pfanne seiner Büchse mit Pulver versehen wäre, versicherte sich, dass sein Dolch aus der Scheide ging, pfiff seinen Hunden, die sich zu seinen Füßen legten, und wartete, mitten auf der Heerstraße stehend. Einige Minuten nachher erschien die Bedeckung an der Wendung eines Weges und näherte sich bis auf die Entfernung von ungefähr fünfzig Schlitten demjenigen, der sie erwartete; nun erblickten die Gendarmen einen Mann und riefen: Wer da? – Pascal Bruno, antwortete der Bandit, und auf ein eigentümliches Pfeifen fielen die auf dieses Manöver abgerichteten Hunde über die kleine Schar her.

Bei dem Namen Pascal Bruno hatten die vier Gendarmen die Flucht ergriffen, die Hunde verfolgten aus natürlichem Antrieb die, welche flohen.

Allein geblieben, zog der Brigadier seinen Säbel und sprengte auf den Banditen zu.

Pascal setzte mit derselben Kaltblütigkeit und derselben Langsamkeit, als ob er sich anschicke, nach einer Scheibe zu schießen, seine Büchse an seine Schulter, entschlossen, erst dann Feuer zu geben, wenn der Reiter nur noch zehn Schritte weit von ihm entfernt, wäre, als in dem Augenblicke, wo er den Finger an den Drücker legte, Pferd und Reiter in den Staub fielen, das kam daher, weil Ali Bruno gefolgt war, ohne ihm etwas davon zu sagen, und, als er ihn von dem Brigadier angegriffen sah, wie eine Schlange aus die Straße gekrochen war und mit seinem Yatagan die Kniekehle des Pferdes durchschnitten hatte; was den Brigadier anbelangt, der sich nicht hatte zurückhalten können, so rasch und unerwartet war sein Sturz gewesen, so war er mit dem Kopfe auf das Pflaster gefallen und in Ohnmacht gesunken.

Bruno näherte sich ihm, nachdem er sich versichert, dass er nichts mehr zu fürchten hätte; er brachte ihn mit Hilfe Ali’s in den Wagen, dem er einen Augenblick zuvor zur Bedeckung diente, und indem er den Händen des jungen Arabers die Zügel der Pferde übergab, befahl er ihm, den Wagen und den Brigadier nach der Feste zu führen. Was ihn anbelangt, so ging er nach dem verwundeten Pferde, nahm den Karabiner von dem Sattel, an welchem er befestigt war, suchte in den Halftern, nahm daraus eine Rolle Papier, welche sich darin befand, pfiff seinen Hunden, die mit blutigem Rachen zurückkehrten, und folgte dem Fange, den er gemacht hatte.

 

In dem Hofe der kleinen Feste angelangt, verschloss er das Thor hinter sich, nahm den noch immer ohnmächtigen Brigadier auf seine Schultern, trug ihn in ein Zimmer und legte ihn auf die Matratze, auf welche er gewohnt war, sich selbst ganz angekleidet zu werfen; hierauf stellte er entweder aus Vergessen oder aus Unvorsichtigkeit den Karabiner, den er von dem Sattel genommen hatte, in eine Ecke und verließ das Zimmer.

Fünf Minuten nachher schlug der Brigadier die Augen wieder auf, blickte um sich, fand sich an einem Orte, der ihm gänzlich unbekannt war, und da er sich unter der Herrschaft eines Traumes glaubte, so befühlte er sich selbst, um zu wissen, ob er wirklich wache. Jetzt, da er einen Schmerz an der Stirn fühlte, legte er die Hand daran, und da er sie voller Blut zurückzog, so wurde er gewahr, dass er verwundet wäre. Diese Wunde war ein Anhaltspunkt der Erinnerung für sein Gedächtnis, nun erinnerte er sich, dass er von einem einzigen Manne angehalten, feiger Weise von seinen Gendarmen verlassen und dass in dem Augenblicke, wo er auf diesen Mann zu sprengte, sein Pferd gestürzt wäre. Was weiter vorgefallen, davon erinnerte er sich nichts mehr.

Dieser Brigadier war ein Tapferer; er fühlte, welche Verantwortlichkeit auf ihm laste, und sein Herz wurde vor Zorn und vor Scham beklommen, er blickte in dem Zimmer um sich, indem er sich zu orientieren versuchte, aber Alles war ihm gänzlich unbekannt. Er stand auf, ging an das Fenster und sah, dass es auf das Feld ginge. Nun fasste er eine Hoffnung, nämlich die, aus diesem Fenster zu springen, bewaffnete Macht zu holen und mit ihr zurückzukehren, um seine Revanche zu nehmen; er hatte das Fenster bereits aufgemacht, um diesen Plan auszuführen, als er einen letzten Blick in das Zimmer warf und seinen Karabiner fast an dem Kopfende seines Bettes stehend erblickte; bei diesem Anblicke klopfte ihm das Herz heftig, denn ein anderer Gedanke, als der der Flucht, bemächtigte sich seiner sogleich, er sah nach, ob er wirklich allein wäre, und nachdem er sich versichert, dass er von Niemand gesehen sei noch es werden könnte, ergriff er rasch die Waffe, in welcher er ein weit gewagteres Mittel der Rettung, aber ein weit schnelleres der Rache sah, versicherte sich rasch, dass Pulver auf der Pfanne wäre, indem er sie aufschlug, dass sie geladen wäre, indem er den Ladestock in den Lauf stieß, indem er sie hierauf wieder an denselben Ort stellte, legte er sich nieder, als ob er noch nicht wieder zur Besinnung gekommen wäre. Kaum lag er auf dem Bette ausgestreckt, als Bruno wieder eintrat.

Er trug einen brennenden Tannenzweig in der Hand, den er in das Kamm warf und der seine Flamme dem darin vorbereiteten Holze mitteilte; hierauf ging er an einen in der Mauer angebrachten Schrank, nahm aus ihm zwei Teller, zwei Gläser, zwei Krüge Wein, eine gebratene Hammelkeule, stellte das Ganze auf den Tisch und schien abzuwarten, dass der Brigadier wieder aus seiner Ohnmacht erwache, um ihm mit diesem improvisierten Mahle Ehre zu erweisen.

Wir haben das Zimmer gesehen, in welchem der Auftritt vorgefallen ist, den wir erzählen; es war ein mehr langes als breites Zimmer, das nur ein einziges Fenster an einer Seite, eine einzige Tür an der andern, und das Kamin zwischen beiden hatte. Der Brigadier, der jetzt Hauptmann der Gendarmerie in Messina ist und der uns diese Umstände selbst erzählt hat, lag, wie wir bemerkt, neben dem Fenster; Bruno stand vor dem Kamine, die Augen nach der Seite der Thür geheftet, und schien sich immer mehr in ein tiefes Sinnen zu versenken.

Das war der Moment, welchen der Brigadier abgewartet hatte, ein entscheidender Moment, in welchem es sich darum handelte, Alles für Alles, Leben für Leben, Kopf für Kopf auf das Spiel zu setzen. Er richtete sich auf, indem er sich auf seine linke Hand stützte, streckte langsam und ohne Bruno aus dem Gesicht zu verlieren, die rechte Hand nach dem Karabiner aus, ergriff ihn zwischen dem Schloss und dem Kolben, blieb dann einen Augenblick lang so, ohne dass er eine Bewegung mehr zu machen wagte, erschreckt über das Klopfen seines Herzens, das der Bandit hätte hören können, wenn er nicht so sehr zerstreut gewesen wäre; als er endlich sah, dass er sich, so zu sagen, selbst hingäbe, fasste er wieder Vertrauen, warf einen letzten Blick auf das Fenster, sein einziges Mittel der Flucht, legte die Waffe an seine Schulter, zielte auf Bruno wie ein Mann, der weiß, dass sein Leben von seiner Kaltblütigkeit abhängt, und gab Feuer.

Bruno bückte sich ruhig, raffte irgend etwas zu seinen Füßen auf, betrachtete den Gegenstand bei dem Lichte, und indem er sich nach dem vor Erstaunen stummen und verblüfften Brigadier umwandte, sagte er zu ihm:

– Kamerad, wenn Ihr auf mich schießen wollt, so nehmt silberne Kugeln, sonst, seht, werden sie sich wie diese da abplatten.

Übrigens freut es mich, dass Ihr wieder zur Besinnung gekommen seid, denn ich fing an Hunger zu haben, und wir wollen zu Nacht essen.

Der Brigadier war mit gesträubten Haaren und mit Schweiß bedeckter Stirn in derselben Stellung geblieben.

Im selben Augenblicke ging die Tür auf und Ali stürzte, seinen Yatagan in der Hand, in das Zimmer.

– Es ist nichts, mein Sohn, es ist nichts, sagte Bruno in fränkischer Sprache zu ihm; der Brigadier hat seinen Karabiner abgeschossen, sonst nichts. Geh daher ruhig zu Bett und fürchte nichts für mich. Ali verließ das Zimmer, ohne zu antworten, und streckte sich vor der ersten Tür auf dem Pantherfelle aus, das ihm zum Bette diente.

– Nun! fuhr Bruno fort, indem er sich nach dem Brigadier umwandte und Wein in die beiden Gläser einschenkte, haben Sie mich nicht verstanden?

– Doch, antwortete der Brigadier, indem er aufstand, und da ich Sie nicht habe töten können, so will ich mit Ihnen trinken, wären Sie auch der Teufel.

Mit diesen Worten ging er festen Schrittes auf den Tisch zu, nahm das Glas, stieß mit Bruno an und leerte den Wein mit einem einzigen Zuge.

– Wie heißen Sie? sagte Bruno.

– Paolo Tommasi, Brigadier der Gendarmerie, Ihnen aufzuwarten.

– Nun denn! Paolo Tommasi, fuhr Bruno fort, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte, Sie sind ein Tapferer, und ich habe Lust, Ihnen ein Versprechen zu geben.

– Welches?

– Niemanden als Sie die dreitausend Dukaten verdienen zu lassen, die man auf meinen Kopf gesetzt hat.

– Sie haben da einen guten Einfall, antwortete der Brigadier.

– Ja, aber er muss erst noch reifen, sagte Bruno, da ich des Lebens noch nicht müde bin, so lassen Sie uns einstweilen zu Tische setzen und essen, wir werden späterhin weiter über die Sache sprechen.

– Darf ich das Zeichen des Kreuzes machen, bevor ich esse? sagte Tommasi.

– Vollkommen, antwortete Bruno.

– Ich fürchtete nämlich, dass Ihnen das unangenehm sein möchte. Man weiß zuweilen nicht.

– In keiner Weise.

Der Brigadier machte das Zeichen des Kreuzes, setzte sich an den Tisch und begann die Hammelkeule wie ein Mann anzugreifen, der ein vollkommen ruhiges Gewissen bat und der weiß, dass er unter einem schwierigen Umstand Alles das getan hat, was ein tapferer Soldat zu tun vermag. Bruno leistete ihm wacker Gesellschaft, und gewiss, wenn man diese beiden Männer an demselben Tische essen, aus derselben Flasche trinken, aus derselben Schüssel schöpfen sah, so hätte man nicht geglaubt, dass jeder nach seiner Reihe und in dem Zeitraume von einer Stunde Alles das getan, was er vermocht, um den andern zu töten.

Es entstand ein Augenblick des Schweigens, das halb durch die wichtige Beschäftigung veranlasst war, der sich die Tischgenossen hingaben, halb durch die Gedanken, welche ihren Geist erfüllten. Paolo Tommasi brach es zuerst, um den doppelten Gedanken auszudrücken, der ihn beschäftigte.

– Kamerad, sagte er, man isst gut bei Ihnen, ich muss es zugeben, Sie haben guten Wein, das ist wahr; Sie machen die Honneurs Ihres Tisches wie ein guter Wirt vortrefflich; aber ich würde Alles das weit besser finden, wenn ich wüsste, wann ich von hier fortkäme.

– Ei, ich meine morgen früh.

– Sie werden mich also nicht als Gefangener behalten?

– Gefangener! was der Teufel wollen Sie, dass ich mit Ihnen anfange?

– Hm! sagte der Brigadier, das ist schon nicht übel. Aber, fuhr er mit sichtlicher Verlegenheit fort, das ist noch nicht Alles.

– Was gibt es noch? sagte Bruno, indem er ihm zu trinken einschenkte.

– Es gibt, es gibt, fuhr der Brigadier fort, indem er die Lampe durch sein Glas betrachtete, es gibt. . . sehen Sie, das ist eine ziemlich kitzlige Frage.

– Sprechen Sie; ich höre.

– Sie werden nicht bös werden?

– Ich meine, dass Sie meinen Charakter kennen müssten.

– Das ist wahr, Sie sind nicht empfindlich, ich weiß es wohl. Ich sage also, dass ich nicht allein auf dem Wege war.

– Ja, ja, es befanden sich noch vier Gendarmen darauf.

– O! ich spreche nicht von ihnen: ich spreche von einem . . . von einem gewissen Munitionswagen.

Da ist das Wort ausgesprochen.

– Er steht in dem Hofe, sagte Bruno, indem er nun auch die Lampe durch sein Glas betrachtete.

– Ich denke es mir wohl, antwortete der Brigadier, aber Sie werden begreifen, dass ich nicht ohne meinen Munitionswagen gehen kann.

– Sie werden daher auch mit ihm gehen.

– Und unangetastet?

– Hm! äußerte Bruno, es wird daran wenig in Bezug auf die Summe fehlen, ich werde nur das von ihr nehmen, was ich durchaus notwendig habe.

– Und sind Sie sehr in Not?

– Ich brauche dreitausend Unzen.

– Nun denn, das ist billig, sagte der Brigadier, und gar viele Leute würden nicht so zartfühlend sein.

– Übrigens seien Sie unbesorgt, ich werde Ihnen einen Empfangsschein geben, sagte Bruno.

– Ah, von Empfangsschein zu sprechen! rief der Brigadier aus, indem er aufstand, ich hatte Papiere in meinen Halftern!

– Machen Sie sich darum keine Sorgen, sagte Bruno, hier sind sie.

– Ach! Sie erzeigen mir einen großen Dienst, sie mir zurückzugeben.

–Ja, sagte Bruno, ich begreife es, denn ich habe mich von ihrer Wichtigkeit überzeugt; das erste ist Ihre Bestallung als Brigadier, und ich habe ihr eine Bemerkung hinzugefügt, welche bestätigt, dass Sie sich hinlänglich gut benommen haben, um Wachtmeister zu werden; das zweite ist mein Signalement, und ich habe mir erlaubt, ihm einige kleine Berichtigungen hinzuzufügen, zum Beispiel zu den besonderen Zeichen habe ich hinzugefügt, incantato (bezaubert); das dritte endlich ist ein Brief Sr. Exzellenz des Vizekönigs an die Gräfin Gemma von Castel-Nuovo, und ich habe zu viel Dankbarkeit gegen diese Dame, dass sie mir ihr Schloss leiht, um ihren Liebesbriefen Hindernisse in den Weg zu legen. Hier sind daher Ihre Papiere, mein Wackerer, ein letztes Glas auf Ihre Gesundheit. Morgen um fünf Uhr werden Sie sich wieder auf den Weg begeben; glauben Sie mir, es ist weit vorsichtiger, bei Tage als bei Nacht zu reisen, denn vielleicht würden Sie nicht immer das Glück haben, in so gute Hände zu fallen.

– Ich glaube, dass Sie Recht haben, sagte Tommasi, indem er seine Papiere einsteckte, und Sie scheinen mir ein noch weit rechtschaffenerer Mann zu sein, als viele rechtschaffene Leute, die ich kenne.

– Es freut mich sehr.

Sie mit solchen Ansichten zu verlassen, Sie werden dadurch weit ruhiger schlafen. Apropos, ich muss Sie vor einem warnen, nämlich nicht in den Hof hinabzugehen, denn meine Hunde könnten Sie leicht zerreißen.

– Ich danke für die Warnung, antwortete der Brigadier.

– Gute Nacht, sagte Bruno, und er verließ das Zimmer, indem er es dem Brigadier freistellte, sein Abendessen bis in das Unendliche zu verlängern oder sich schlafen zu legen.

Am folgenden Tage um fünf Uhr kehrte Bruno, wie es verabredet war, in das Zimmer seines Gastes zurück; dieser war schon aufgestanden und bereit, abzureisen; er ging mit ihm hinab und führte ihn an das Thor. Er fand dort den vollständig angespannten Munitionswagen und ein prachtvolles Reitpferd, auf welches man Sorge getragen, das ganze Geschirr dessen zu legen, das der Yatagan Ali’s dienstunfähig gemacht hatte. Bruno bat seinen Freund Tommasi, dieses Geschenk als ein Andenken von ihm anzunehmen. Der Brigadier ließ sich durchaus nicht bitten, schwang sich auf sein Pferd, peitschte das Gespann des Munitionswagens an und brach auf, indem er über seine neue Bekanntschaft entzückt zu sein schien.

Bruno sah ihn sich entfernen; als er dann zwanzig Schritte weit zurückgelegt, rief er ihm nach: – Vergessen Sie vor Allem nicht, der schönen Gräfin Gemma den Brief des Fürsten von Carini zu übergeben. – Tommasi nickte mit dem Kopfe und verschwand an die Ecke der Straße.

Wenn jetzt unsere Leser uns fragen, wie Pascal Bruno nicht durch den Karabinerschuss Paolo Tommasi’s getödtet worden ist, so werden wir ihnen das antworten, was uns Signor Cäsar Aletto, Notar von Calvaruso, geantwortet hat: – Nämlich, dass wahrscheinlich während des Weges von der Heerstraße nach der Feste der Bandit die Vorsichtsmaßregel getroffen hatte, die Kugel aus dem Karabiner zu ziehen.Was Paolo Tommasi anbelangt, so hat er es immer weit einfacher gefunden, zu glauben, dass Zauberei obwalte.

 

Wir überliefern die beiden Meinungen unsern Lesern und überlassen es vollkommen ihrem freien Willen, die anzunehmen, welche ihnen behagt.

6Auf dem Platze der Marine, der Tür des Fürsten von Butera gegenüber, finden die Hinrichtungen in Palermo statt.