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Johanna dArc die Jungfrau von Orleans

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Achtes Kapitel.
Die Salbung

Man hatte anfangs geglaubt, dass der König nach Orleans kommen würde, und es wäre recht und billig gewesen, diese Ehre einer Stadt zu erweisen, die ihm auf eine so edle Weise treu blieb; daher hatten die Bürger und Geistlichen, die ihn erwarteten, die Häuser und Straßen wie zum Fronleichnamsfeste schmücken lassen; aber die Hoffnung dieser guten Leute wurde getäuscht: der König blieb zu Sully, ohne nach Orleans zu kommen. Von Sully ging er nach Châteauneuf an der Loire; endlich kam er von Châteauneuf an der Loire nach Gien, und da er eine furchtbare Armee bei sich hatte, forderte er die Capitaine auf, welche die Städte Bonny, Cosne und la Charité besetzt hielten, wieder unter seine Herrschaft zurückzukehren; aber diese Aufforderung war vergeblich, und die Befehlshaber dieser verschiedenen Plätze blieben englisch.

Johanna war nach Sully gegangen, wo sie den König zum ersten male sah, der sie sehr ehrenvoll empfing. Wie dringend sie aber auch bat, so war doch ihr Einfluss nicht groß genug, um es dahin zu bringen, dass er den Connetabel wieder zu Gnaden aufnahm. Der König erklärte vielmehr, so groß war der Einfluss des Herrn von la Trömme auf ihn, dass zu seinem großen Missfallen in der Schlacht von Patay ein Mann ihm gedient habe, den er als seinen Feind betrachte. Andere Seigneurs, unter ihnen der Herzog von Alencon selbst, schlossen sich dann der Johanna an, erwirkten aber eben so wenig etwas, als sie. Da nun der Connetabel sah, dass er dem Könige wider dessen Willen dienen müsse, fasste er deshalb seinen Entschluss, und brach, um fortzufahren, das Land zu reinigen, zur Belagerung von Marchenois auf.

Als Karl VII. zu Gien war, begab sich Johanna zum zweiten male zu ihm. Die Nachricht ihrer Ankunft wurde vom Könige, wie das erste mal, mit großer Freuds aufgenommen, und er befahl, sie augenblicklich einzuführen. Johanna näherte sich Karl mit ihrer gewöhnlichen Ehrfurcht, dann kniete sie vor ihm nieder, und sprach:

»Teuerster König, Ihr seht, dass mit Hilfe Gottes und Eurer treuen Diener, Eure Angelegenheiten bisher gut besorgt wurden, wofür Ihr dem Herrn allein danken müsst, denn der Herr hat Alles getan; jetzt müsst Ihr Euch vorbereiten, Eure Reise nach Rheims anzutreten, um dort gesalbt und gekrönt zu werden, wie es weiland mit Euren Vorfahren, den Königen von Frankreich, geschah. Die Zeit dazu ist, gekommen, und es gefällt Gott, dass dies getan werde, weil ein sehr großer Vorteil daraus für Euch hervorgehen soll, denn nach Eurer Krönung wird Euer königlicher Name an Achtung und Ehre bei dem Volke Frankreichs zunehmen, während er zugleich Euren Feinden furchtbarer werden wird. Hegt weder Zweifel noch Furcht deshalb, dass sie die Städte inne haben, die Schlösser und Plätze der Champagne, durch welche Ihr ziehen müsst, denn mit Hilfe Gottes und Eurer tapferen Capitaine, werden wir Euch auf solche Art geleiten, dass Ihr sicher durchziehen werdet. Versammelt also Eure Krieger, teuerster König, damit wir den Willen Gottes vollziehen.«

Wie schwierig auch das von Johanna vorgeschlagene Unternehmen war, da es in der Gegend, durch die man ziehen musste, um sich nach Rheims zu begeben, von Feinden wimmelte, so hatte doch das junge Mädchen durch das von ihr betätigte gottselige Betragen und durch die von ihr geleisteten militärischen Dienste, einen solchen Einfluss erworben, dass dieser Vorschlag, der, hätte ihn der tapferste und geschickteste Capitain gemacht, gleich im ersten Augenblicke für unausführbar wäre erachtet worden, sogleich der Gegenstand einer ernsten Prüfung wurde. Es entspann sich nun ein lebhafter Zwist zwischen jenen, welche meinten, dass man Johanna's Eingebungen folgen müsse, und jenen, die der Ansicht waren, die Entmutigung der Engländer zu benützen, um unmittelbar den Krieg in die Normandie, den Mittelpunkt ihr« Macht, zu spielen. Dann, da Jeder seine Partei unterstützte, schlug der Herzog von Alencon, der für die Salbung war, ganz leise vor, neue Fragen an Johanna zu stellen, um sich über die Quelle ihrer Eingebungen noch mehr aufzuklären. Der König und mehrere seiner Räte schlossen sich dieser Ansicht an; aber sie fürchteten, dass diese Indiskretion dem jungen Mädchen missfallen möchte, als sie selbst ihren Wünschen entgegen kam:

»Messeigneurs,« sagte sie, »im Namen Gottes habet kein Geheimnis vor mir, denn ob Ihr laut oder leise sprecht, ich weiß vollkommen, was Ihr denkt, Ihr wollt, dass ich Euch wiederhole, was meine Stimmen hinsichtlich Eurer Salbung mir sagten? Wohl an, ich sage Euch: Ich schickte mich auf meine gewöhnliche Art zum Gebete an, und beklagte mich, dass weder der Herzog von Alencon noch der Graf von Dunois dem glauben wollten, was ich ihnen sagte, dass Ihr ohne Hindernis gesalbt und gekrönt würdet; dann erwiderten mir die Stimmen:

»Magd Gottes, geh selbst zum edlen Dauphin, geh, geh, und wir werden Dir beistehen.«

»Und sogleich bin ich aufgebrochen; denn seitdem ich diese Stimmen höre, bin ich von einem großen Zu» trauen und einer großen Überzeugung erfüllt, und da sie mich niemals täuschten, tu ich unverzüglich, was sie mir gebieten.«

Und diese Worte sprechend, schlug Johanna die Augen zum Himmel empor, und ihre ganze Physiognomie nahm den Charakter einer erhabenen Begeisterung an.

»Aber,« fragte nun der König, bereits zur Hälfte überzeugt, »wenn wir zuerst den Zug in die Normandie vornähmen, und nachher die Salbung?«

»Die Salbung zuerst und vor Allem, edler Dauphin,« antwortete die Jungfrau, »oder ich werde Euch sonst nicht mehr helfen können.« :''

»Warum, Johanna?« fragte der König.

»Weil ich nicht viel über ein Jahr mehr leben werde,« erwiderte Johanna, traurig den Kopf schüttelnd. »Wie so,« sagte der König, »und was wird Euch denn nach diesem Zeitraume begegnen?«

»Ich weiß es nicht,« entgegnete Johanna, »meine Stimmen haben es mir nicht gesagt; aber so viel weiß ich, dass meine Sendung sich darauf beschränkt, die Belagerung von Orleans aufzuheben, und Euch zur Salbung nach Rheims zu führen. Laßt uns also aufbrechen, edler Dauphin, und zwar so bald als möglich, denn dies ist Gottes Wille.«

Das junge Mädchen sprach mit einer solchen Überzeugung, dass das Zutrauen, welches sie auf Gott setzte, in das Herz aller Anwesenden überging, und dass, wie schwierig auch dieses neue Unternehmen schien, da es, im Grunde doch minder bedeutend war, als jene, die sie bereits mit so großem Glücke ausführte, einstimmig beschlossen wurde, nach ihrem Wunsche zu handeln, und unverweilt nach der Stadt Rheims zu ziehen, ohne einen Versuch zu machen, die Normandie wieder zu.bekommen, und selbst ohne sich mit den Städten Cosne und la Charit« zu beschäftigen.

»Der König sendete folglich Voten durch das Land, um die Capitaine einzuladen, die ihn auf dieser großen Reise begleiten sollten, und als alle Auserwählten versammelt waren, nachdem er von der Königin Abschied genommen, die deshalb von Bourges nach Gien kam, und welche man wegen der Gefahren des Unternehmens nicht nach Rheims mitzunehmen wagte, ordnete er die Vorhut, die, unter den Befehlen der Jungfrau, das Land ausspähen sollte, durch welches er ziehen musste, und brach von Gien gerade am Tage des heiligen Petrus auf, ohne Umweg nach Rheims zu, und durch das Land ziehend, wie wenn das Land ihm gehörte.

Übrigens war der König von einer größeren Macht umgeben, als er jemals gehabt hatte; denn mit feinem guten Glücke war die Treue ihm von allen Seiten zurückgekehrt, und Jeder war, gelegentlich der Salbung, mit einem solchen Diensteifer herbeigeeilt, dass man beschloss, alle jene mitzunehmen, die sich einfinden würden, mit Ausnahme des Connetabel, gegen den er noch immer einen Groll hegte. Nun aber waren Alle, zu denen die Kunde dieser Reise gelangte, herbeigeeilt, und Jeder hielt es für eine so große Ehre, dabei zu sein, dass sehr edle Ritter, die durch den Krieg zu Grunde gerichtet waren, und nichts besaßen, um sich wieder große Schlachtrosse zu kaufen, als Bogenschützen und Schildknappen kamen, die nächsten besten Pferde besteigend, die sie fanden, und unter dieser ganzen Menge gab es keinen Einzigen, der den geringsten Zweifel über den glücklichen Erfolg des Unternehmens erhob, so sehr war jetzt Johanna als ein frommes Mädchen, und eine gottselige Begeisterte betrachtet.

Sie ritt, wie gesagt, bei der Vorhut, immer völlig gerüstet, alle Strapazen wie ein Kriegscapitain ertragend, immer die Erste zum Aufbruch, die Letzte zur Rückkehr, und ihre Leute unter Weges in so schöner Ordnung führend, dass Dunois und la Hiré es nicht besser hätten tun können; daher war eine solche Disziplin der Gegenstand einer großen Bewunderung für die Capitaine und Krieger, welche kaum fünf Monate früher, Johanna aus ihrem Dorfe einfach, arm und als eine geringe Bäuerin ankommen, und sie nun die Angelegenheiten des Königreiches gleich den vertrautesten Räten des Königs führen sahen; und diese Bewunderung nahm um so mehr zu, wenn sie, ihr sich nähernd, ihr Leben so schön und so gut, ihr Gespräch so sanft und so bescheiden fanden, und sie, immer andächtig, bei allen Kirchen, um zu beten, halten, und in jedem Monate, einmal wenigstens, beichten, und in der Kommunion den kostbaren Leib unseres Erlösers empfangen sahen.

Am ersten Tage war die Jungfrau von Gien aufgebrochen, und in ein Dorf, vier Meilen jenseits, gezogen, um dort zu übernachten: dies war die Entfernung, die sie während des ganzen Weges zwischen ihrer Vorhut und der Hauptarmee des Königs einhalten sollte, die so miteinander leicht verkehren konnten. Der König reiste am folgenden Tage ab, und marschierte, immer der Johanna nachfolgend, gerade nach Auxerre. Auxerre hielt zu den Engländern; als daher die Bürger die französische Armee vor ihren Mauern ankommen sahen, ließen sie den König bitten, weiter zu ziehen, und erboten sich, ihm eine Kontribution zu bezahlen.

Johanna wollte, dass man nicht darauf eingehe, mit dem Bemerken, dass der König, in seinem Königreiche befindlich, nur zu befehlen brauche, und die Stadt ihm ihre Tore öffnen würde; allein die Bürger hatten bereits die verwundbare Stelle gefunden, und sich an den Herrn von Trémoille gewendet, so dass der allmächtige Ratgeber den König beredete, nicht bei einer Belagerung sich aufzuhalten, die sich in die Länge ziehen, und wobei er eine kostbare Zeit verlieren könnte.

 

Der Antrag der Bürger wurde also angenommen, und der König erhielt als Unterwerfungszeichen eine kleine Summe, während, wie man versichert, der Herr von Trémoille für seinen Teil mehr als sechstausend Thaler empfangen hatte. Die Capitaine des Rates des Königs waren über diese Erpressung sehr missvergnügt, und vorzüglich Johanna, die im Momente der Abreise nur einen Thaler für den Mann an dem rückständigen Golde, den man den Soldaten schuldete, hatte erwirken können, und die so durch einen Günstling das Geld verschleudern sah, dessen die armen Krieger so sehr bedurften.

Dennoch lagerte der König, wie um der Besitzergreifung willen, drei Tage lang vor Auxerre, und während dieser drei Tage sorgte die Stadt für alle seine Bedürfnisse, so wie für jene seiner Armee; dann machte er sich auf den Weg, nach Saint-Florentin ziehend, das sich ganz und völlig seiner Bootmäßigkeit unterwarf: er verweilte dort nur, um auszuruhen, und begab sich, nach Empfang des Eides der Treue von den Personen, nach Troyes, welche Stadt ihn sehr beunruhigte, da sie eine große, mit Mauer befestigte Stadt war, und eine englische Garnison bei tausend Mann stark hatte.

Nicht ohne Gründe hatte der König diese Zweifel «hoben, denn kaum war die Vorhut im Angesicht der Stadt, als die Engländer mutig herauszogen, und den Leuten des Königs den Kampf anboten; diese, an eine solche Kühnheit nicht gewöhnt, vorzüglich wenn sie im Geleite der Jungfrau marschierten, stürzten auf die Feinde, und trieben sie nach kurzem Kampfe in die Stadt zurück.

Indessen kam der König an, und lagerte mit seinem Heere um die Stadt herum, in der Hoffnung, dass die englische Besatzung in Folge dieser einfachen Drohung unterhandeln würde; aber wider seine Erwartung verflossen so fünf oder sechs Tage, ohne dass die Belagerten auf eine der ihnen gemachten Verheißungen oder Drohungen antworteten.

Die Lage war bedenklich, und würde ohne eine Art von Wunder, das nun geschah, noch kritischer geworden sein; vor beinahe vier oder fünf Monaten hatte sich ein Franziskaner, Namens Bruder Richard, der zur Partei des Königs hielt und predigend durch das Land zog, zu Troyes aufgehalten, und alle seine Predigten, die er während der Adventszeit gehalten, mit den Worten geschlossen: »Sät reichlich Bohnen, meine Brüder, sät reichlich, ich sag' es Euch, denn jener, welcher sie ernten soll, wird bald kommen.« Da man ein großes Vertrauen auf die Weisheit des Bruders Richard setzte, hatte Jeder diesem Befehle gehorcht, Gott die Sorge überlassend, ihn von der Bedeutung desselben zu unterrichten: nun aber waren die Bohnen gesät, groß gewachsen, reif geworden, und man schickte sich an, sie zu ernten, als König Karl mit seinem Heere erschienen war: jetzt war er offenbar der verkündigte Ernter, und zu gleicher Zeit, da die Armee, der es an Lebensmitteln gebrach, Gott pries, eine gute und gesunde Nahrung so «n Ort und Stelle zu finden, sagten sich die Einwohner der Stadt ganz leise, dass es eine große Sünde sei, als Franzose und Christ gegen einen Fürsten sich zu verteidigen, dem Gott so offenbar beistehe, so, dass es ungeachtet der von den Engländern gegebenen stolzen Antworten, in der Stadt eine royalistische Partei gab, ganz, bereit, wenn sie zu einer gewissen Macht käme, dem Könige Karl VII. die Tore zu öffnen.

Und in der Tat war es für den König notwendig, dass diese Partei schnell die Mehrzahl bilde; denn nach fünf oder sechs Tagen des Wartens begannen die Bohnenfelder, wie ergiebig sie auch sein mochten, sehr gelichtet zu sein; daher wurden am siebenten Tage die Herzog von Alencon und von Bourbon, der Graf von Vendôme und mehrere andere von den Edelsten und Einsichtvollsten, zum Könige zusammengerufen, bei dem sich Monseigneur der Erzbischof von Rheims befand, und da begann man zu beratschlagen, was zu tun sei.

Johanna hatte man von dieser Beratung absichtlich entfernt gehalten; denn da man durch ihre Ansicht in diese widrige Lage geraten war, befürchtete man, dass ihr großes Vertrauen auf ihre Offenbarungen, die diesmal nicht stichhaltig schienen, sie dahin bringen möchte, ihre Meinung geltend zu machen, und die Armee in eine noch widrigere Lage zu versetzen.

»Nun stellte Jeder, durch Johanna's Abwesenheit ermutigt, die Gefahr in ihrer ganzen Größe hin. Ungeachtet des den Landleuten gemachten Versprechens, dass die von ihnen gelieferten Lebensmittel bezahlt werden sollten, waren sie durch solche Verheißungen so oft getäuscht worden, dass sie nichts brachten; andererseits führte die Armee weder Kanonen, noch Steingeschütze, noch irgend eine Belagerungsmaschine bei sich, und die nächste Stadt, von wo man sie konnte bringen lassen, war Agin, und von Agin nach Troyes waren dreißig Meilen.

Nach der gründlichen Darstellung dieser Schwierigkeiten, forderte der König seinen Kanzler auf, die Stimmen zu sammeln, um zu erfahren, was zu tun sei. Jedermann war der Meinung, dass man die Belagerung aufheben, und hinter die Loire sich zurückkehren müsse, denn, sagte man, wenn der König nicht in eine kleine Stadt, wie Auxerres, einziehen konnte, würde es ihm niemals gelingen, Troyes zu erobern, das eine große, gut gerüstete und gut verteidigte Stadt sei; aber als man zu dem Exkanzler Meister Robert le Manon kam, sprach er allein gegen Alle die Ansicht aus, dass man Geduld fassen, und das Werk weiter verfolgen müsse, »denn,« sagte er zum Könige, »da Ihr, teuerster und ehren wertester König, diese Reise unternahmt, geschah es nicht durch das Vertrauen, das Ihr auf menschliche Kräfte setztet, sondern durch die Zuversicht, die Euch Johanna einflößte. Nun aber ist mein Rat,« fuhr er fort, »dass, da diese Reise in Folge des Einflusses der Jungfrau beschlossen wurde, die Jungfrau bei dem Beschluss hier gegenwärtig sein soll, den man fassen wird damit sie diesen Beschluss billigen oder bekämpfen könne.«

Da er diese Worte ausgesprochen hatte, klopfte man stark an die Türe; der Türsteher öffnete; und man sah Johanna erscheinen.

Dann machte das junge Mädchen einige Schritte vorwärts, und sagte nach einer Verneigung vor dem Könige:

»Sire, meine Stimmen setzten mich in Kenntnis dass man hier wichtige Dinge berate, und ich bin gekommen; denn so der Rat der Menschen gut ist, ist jener des Herrn noch besser.«

»Seid willkommen, Johanna,« äußerte der Kanzler, »denn der König und sein Rath sind jetzt in großer Verlegenheit hinsichtlich dessen, was zu tun ist;« und er wiederholte ihr Wort für Wort Alles, was vor ihrer Ankunft gesprochen wurde, indem er ihr die Ansicht eines Jeden mit voller Freimütigkeit auseinander setzte.

»Sire,« fragte nun Johanna, »wird man das glauben, was ich sagen werde?«

»Johanna,« antwortete der König, »zweifelt nicht im geringsten daran; wenn Ihr mögliche und vernünftige Dinge sagt, werden wir Euch gerne glauben.«

Dann wendete sie sich zu den Rächen, und fragte:

»Noch einmal, meine Herren, wird man mir glauben?«

»Je nach dem, was Ihr sagen werdet, Johanna,« erwiderte der Kanzler.

»Wohl an, so wisst, edler Dauphin,« sagte Johanna nieder, zum Könige sich wendend, »dass diese Stadt Euer ist, und dass sie, wenn Ihr nur noch zwei oder drei Tage vor ihr verweilen wollt, Euch durch Gewalt der Liebe sich unterwerfen wird.«

»Aber was bringt Euch dahin, Johanna,« fragte der König, »mir diese Versicherung zu geben?«

»Ach!« antwortete das junge Mädchen, »ich habe keinen andern Beweis, kein anderes Zeichen, als das Versprechen, das meine Stimmen mir gaben; aber es dünkt mir, bisher oft genug die Wahrheit gesagt zu haben, um mir aufs Wort zu glauben, vorzüglich wenn ich nichts Schwierigeres verlange, als zwei oder drei Tage zu warten.«

»Johanna,« entgegnete hierauf der Kanzler, nachdem er Jeden mit den Blicken gefragt hatte, »wenn man nur gewiss wüsste, dass die Stadt sich in sechs Tagen ergäbe, so würde man wohl auch bis dahin warten; aber wer verbürgt uns, dass Ihr die Wahrheit sprecht?«

»Es ist die Wahrheit, wie Alles, was ich bisher sagte, zweifelt nicht daran,« erwiderte Johanna ruhig.

»Nun denn,« sagte der König, »es geschehe also, wie Ihr es wünscht, Johanna; aber glaubt mir, dass Ihr da eine große Verantwortlichkeit auf Euch nehmt.«

»Man lasse mich handeln,« entgegnete Johanna, »und ich stehe für Alles gut.«

»Handelt also,« versetzte der König, »denn Ihr sprecht mit einem solchen Tone der Überzeugung, dass sich wohl Jeder in Eure Ansicht fügen muss.«

Johanna verneigte sich vor dem Könige, verließ dann sogleich den Roth, stieg zu Pferde, nahm eine Lanze, und setzte, von ihrem Standartenträger gefolgt, Ritter, Schildknappen und Krieger in Bewegung, damit sie Reisbunde, Faschinen, Balken, und sogar Türen und Fenster herbeitrugen, um die Annäherungswerke zur Stadt zu erleichtern, und möglichst nahe an den Mauern ein kleines Steingeschütz und einige Kanonen von kleinem Kaliber, die sich bei der Armee befanden, aufzustellen, eben so genaue und bestimmte Befehle erteilend, wie wenn sie all ihr Lebtage nichts Anderes getan hätte, als Belagerungen befehligen, zu Jedermanns Verwunderung, vorzüglich der gemeinen Leute, die im Genuss des Glückes, eine geringere Wissenschaft zu besitzen, als die Vornehmen, auch mehr Glauben hegten.

Nun begannen die Einwohner von Troyes, bei dem Anblicke der großen Vorbereitungen, die man gegen sie machte, auf den Mauern sich zu versammeln, und laut zu murren. In diesem Momente, mochte es Zufall oder ein Zeichen des Himmels sein, umgauckelte ein Schwarm von weißen Schmetterlingen Johanna's Standarte, so zahlreich, dass sie eine Wolke schienen. dies sehend, ließen es die Bürger der Stadt nicht länger dabei bewenden, schrien über Wunder, und erklärten den Engländern, dass es Gott beleidigen hieße, jener zu widerstehen, die von ihm abgesandt sei, und sie, möge es der Wille der Krieger sein, oder nicht, unterhandeln wollten.

Ihrerseits ernannten die Krieger, nicht sehr abgeneigt, auf eine Ausgleichung einzugehen, aus Furcht, es möchte ihnen dasselbe widerfahren, wie jenen zu Jargau, Einige unter ihnen, um den Bischof und die angesehensten Bürger der Stadt zu begleiten, die sich unverzüglich vereinigt hatten, um dem Könige entgegen zu kommen. Am nämlichen Abende, und während Johanna immer noch ihre Vorbereitungen fortsetzte, sah also Karl, zu seinem großen Erstaunen, die Tore der Stadt sich öffnen, und eine zahlreiche Deputation sich ihm nähern. Sie schlug dem Könige so billige Bedingungen vor, dass sie auf der Stelle angenommen wurden; diese Bedingungen bestanden darin, dass die Krieger mit heiler Haut und ihrem Eigentum heimziehen, und die Bewohner der Stadt sich seiner Bootmäßigkeit unterwerfen sollten.

Am nämlichen Abende gab es ein großes Fest und große Freude in der Stadt; denn die Bürger konnten nicht einmal warten, bis der Feind abgezogen war, um die Freude auszudrücken, die sie fühlten, wieder Franzosen geworden zu sein; und da sie wussten, dass bei dem Heere arme Leute seien, die seit fünf oder sechs Tagen nur von Bohnen und Getreideähren lebten, sendeten sie in das Lager eine beträchtliche Zahl von Wagen mit Lebensmitteln, die unter die Krieger verteilt wurden, und Jeder, vom Könige bis zum geringsten Soldaten, pries Johanna, dass sie in einer so schwierigen Lage standhaft auf Gott vertraute, wofür Gott sie augenscheinlich belohnte.

Am folgenden Tage zog die englische Besatzung durch das eine Thor ab, während die Bogenschützen des Königs durch das andere einzogen, und sich in allen Straßen, durch die er kommen musste, in Reih und Glied stellten; aber bei diesem Abzug erhob sich ein großer Streit: die Engländer wollten ihre Gefangenen mitnehmen, behauptend, dass sie unter der Bedingung unterhandelt hätten, mit ihrem Eigentum aus der Stadt abzuziehen, und dass die Kriegsgefangenen, bis zur Erlange des Lösegelds, das Eigentum derjenigen, die sie zu Gefangenen machten, unter jenem Eigentum begriffen sein mussten.

Johanna ihrerseits behauptete, dass man unter Eigentum nur Pferde, Waffen und Geld verstanden habe. Man verharrte also bei dieser Ansicht, und wollte sie nicht ändern, als König Karl sagen ließ, dass die Engländer für ihre Gefangenen nur einen billigen Preis festzusetzen brauchten, und dass er sie loskaufen würde. Die Engländer, welche auf dem Punkte standen, sie ohne Lösegeld wegnehmen zu sehen, zeigten sich nachgiebig, so dass, da der König ihre Bedingungen angenommen, und ihnen die verlangte Summe gesendet hatte, die armen Gefangenen frei wurden, mit gerührtem Herzen die Jungfrau preisend, der sie ihre Freiheit verdankten, und die Freude dieser Unglücklichen war um so größer, als sich unter ihnen viele arme Schottländer befanden, die in ihrer eigenen Heimat keine großen Mittel besaßen, und um so mehr, wie man begreift, da sie 500 Meilen davon entfernt waren.

 

Da gegen zehn Uhr Morgens alle Engländer aus der Stadt abgezogen waren, hielten die Seigneurs und Capitaine, prächtig gekleidet, ihren Einzug in dieselbe. Da man befürchtete, dass die Soldaten in Folge der von ihnen erduldeten großen Entbehrungen, bei den Bürgern einigen Schaden veranlassen möchten, blieben sie im Lager unter der Führung des Seigneur von Loré, und man sendete ihnen, wie am vorigen Tage, eine beträchtliche Zahl von mit Brot, Fleisch und Früchten reichlich beladenen Wagen.

Am folgenden Tage, auf die Ermahnung der Jungfrau, die sich keine Ruhe gönnen zu wollen schien, so lange der König nicht gesalbt sein würde, setzte Karl VII. seinen Weg nach Rheims fort; nun defilierte, zum Zeichen der Besitzergreifung, die ganze Armee, welche, wie gesagt, außerhalb der Tore lagerte, in schöner Haltung durch die Stadt, ohne dass irgend eine Unordnung daraus entstand. Ihrerseits leisteten die Bewohner der Stadt den Eid als gute und loyale Diener des Königs, einen Eid, dem sie fortan gewissenhaft treu blieben.

Und der König und die Seigneurs, denen immer noch die Jungfrau voraus zog, ritten so scharf, dass sie bald vor der Stadt Châlons in der Champagne ankamen. Während des ganzen Weges hegte man einige Besorgnis über die Art, wie man in dieser Stadt empfangen würde, als der König, den Mauern sich nähernd, die Tore öffnen, und den Bischof so wie die Angesehensten der Stadt entgegenkommen sah, die ihm den Eid des Gehorsames zu leisten verlangten. Der König wollte, wie zu Troyes, dass sein Heer außerhalb der Mauern lagere; aber die Bürger waren so vergnügt, dass sie die Soldaten in ihre Wohnungen aufzunehmen, und gut zu bewirten verlangten.

dies war auch der Fall in der Stadt Sept-Saulx, deren Schloss dem Erzbischof von Rheims gehörte, aber englische Besatzung hatte. Diese Besatzung, obgleich von zwei tapferen Edelleuten befehligt, die zur Partei der Engländer hielten, wollte die königliche Armee nicht erwarten, und zog ab, indem sie es den Bürgern frei stellte, sich zu ergeben oder zu verteidigen. Die Bürger waren kaum Herren dieser Freiheit, als sie dieselbe benützten, um ihre Tore zu öffnen, und dem Könige freudig entgegen zu kommen.

Diese Stadt lag nur vier Meilen von Rheims: es wurde also verabredet, dass man daselbst nur ausruhen, und der König am folgenden Tage Morgens mit dem Erzbischof wieder abreisen sollte, um seine Salbung zu erhalten; daher wendete man die ganze Nacht hindurch großen Fleiß an, um Alles in Bereitschaft zu setzen. Und es war ein Wunder, wie alle Sachen sich fanden, unter andern die königlichen Kleider, die, ohne dass man wusste, wie sie kamen, so prächtig, so schön und so neu waren, dass man hätte meinen mögen, der König habe sie zum voraus hin gesendet.

Da der Abt von Saint-Remy die heilige Ölflasche, deren Wächter er ist, nur nach dem Vollzuge gewisser Förmlichkeit zu verabfolgen pflegt, beauftragte der König mit deren Vollzuge den Marschall von Boussac, den Seigneur von Retz, den Seigneur von Graville und den Admiral Culant; alle Viere reisten mit ihren Bannern und unter starkem Geleite ab, den Abt von Saint-Remy zu holen. In der Abtei angekommen, leisteten die königlichen Boten den Eid, den Abt und die kostbare Reliquie, deren Träger er war, sicher nach Rheims zu geleiten, und nach Saint-Remy zurückzuführen; dann stiegen sie wieder zu Pferd, vom Abt begleitet, Jeder an einer Ecke des Baldachins reitend, unter dem er andächtig und feierlich, mit eben so großer Pietät, wie wenn er in seinen Händen den kostbaren Leib Unseres Herrn Jesu Christi gehalten hätte, dahin wandelte.

Sie zogen so ihres Weges, von einer großen Volksmenge geleitet, bis zur Kirche von Saint-Denis, wo sie stehen blieben, und wo der Erzbischof von Rheims, mit seinen priesterlichen Gewändern angetan, und von seinen Domherren begleitet, sie holte, und, nachdem er sie aus seinen Händen empfangen hatte, in die Kathedrale trug, und auf den Hochaltar stellte. Die vier Seigneurs, deren Hut sie anvertraut war, begaben sich mit ihr in die Kirche, zu Pferd und völlig gerüstet, und stiegen erst im Chor ab; auch behielten sie den Zügel ihrer Pferde in der linken Hand, während sie in ihrer rechten Hand ihr entblößtes Schwert trugen.

Dann kam der König, prachtvoll gekleidet, legte in die Hände des Erzbischofs alle gewöhnlichen Eide ab. kniete sich nieder, und wurde von Monseigneur dem Herzog von Alencon, zum Ritter geschlagen; dann schritt der Erzbischof zur Weihung, vom Anfange bis zum Ende alle in der römischen Kirchenordnung für die Bischöfe vorgeschriebenen Zeremonien und Feierlichkeiten vollziehend, so zwar, dass die Zeremonie von neun Uhr Morgens bis zwei Uhr Nachmittags währte, und während dieser ganzen Zeit stand die Jungfrau neben ihm, ihre Standarte in ihrer Hand tragend; dann endlich wurde der König gesalbt; man setzte ihm die Krone auf das Haupt, und in diesem Momente rief Jedermann: Heil! und als zu gleicher Zeit die Trompeten schmetterten, war's ein so großes und so freudiges Getöse, dass es schien, als müssten darob die Gewölbe der Kathedrale einstürzen.

Nach Vollendung der Zeremonie warf sich Johanna dem Könige zu Füßen, küsste ihm die Knie, und sprach:

»Edler König, der Wille Gottes ist nun geschehen; Ihr habet so eben Eure würdige Salbung empfangen, und dadurch gezeigt, dass Ihr der einzige und wahre König von Frankreich seid, und das Königreich Euch gehören soll. Nun aber ist meine Sendung vollbracht, und ich habe nichts mehr zu tun, weder am Hofe, noch bei dem Heere; erlaubt mir also, dass ich in mein Dorf mich zurückziehe, zu meinen Eltern, damit ich dort lebe, wie es einer niedrigen und armen Bäuerin geziemt; und dies tuend, Sir, werde ich eine größere Dankbarkeit für meine einfache Entlassung fühlen, als wenn Ihr mich zur größten Dame Frankreichs, nach der Königin, ernennen würdet.«

»Johanna,« antwortete der König, der seit langer Zeit diese Bitte erwartete, »Alles, was ich an diesem Tage bin, verdanke ich Euch; Ihr habt mich vor fünf Monaten arm und schwach zu Chinon geholt, und mich stark und triumphierend nach Rheims geführt; Ihr seid also die Gebieterin, und es steht Euch weit mehr zu, anzuordnen, als zu bitten. Aber Ihr werdet mich nicht so verlassen; freilich bin ich gesalbt und gekrönt, dennoch bleibt mir, damit die Zeremonie vollständig sei, noch übrig, die Wallfahrt nach Corbigny zu machen, wo, wie Ihr wisst, der Leib des glorreichen heiligen Marcoul sich befindet, der aus unserem Stamme ist. Kommt also mit mir nach Corbigny, Johanna, nachher werdet Ihr tun, was Ihr wollt.«

»Ach! Ach!« versetzte Johanna, »meine Stimmen hatten mir gesagt, ich sollte heute noch abreisen; dies ist das erste mal, dass ich ihnen ungehorsam bin, und ich besorge sehr, es möchte mir deshalb ein Unglück begegnen.«

Der König versuchte, Johanna zu beruhigen; aber ohne auf all das zu antworten, was er ihr sagen konnte, blieb sie traurig und niedergeschlagen, so zwar, dass sie, die Kirche verlassend, in die sie triumphierend getreten war, die Miene einer Verurteilten zeigte. Als sie jedoch vor der Türe ankam, hob sie den Kopf wieder empor, und stieß einen lauten Freudenschrei aus: sie hatte unter der Menge so eben ihren jungen Bruder Peter erkannt, der aus Domremy sich auf und davon machte, und bis nach Rheims gekommen war, um zu sehen, ob wohl seine Schwester jene Frauenperson sei, von der man durch ganz Frankreich so große Wunder erzählte. Johanna stürzte in seine Arme, denn Peter war, wie man weiß, ihr viel geliebter Bruder, und verlebte den ganzen Tag mit ihm im Gespräche von ihren Eltern, ihrem alten Pfarrer und ihrem Dorfe. Alle segneten sie in die Wette, und lobpriesen sie, wie wenn sie bereits heilig, und im Paradiese gewesen wäre.