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Erinnerungen eines Policeman

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3

Ich muß aufrichtig gestehen, daß ich etwas besorgt war, als ich auf Oak-Cottage zuging. Levasseur, dessen Klugheit nicht in Abrede zu stellen war, konnte ja meine wirkliche Stellung entdeckt und die Absicht haben, mich in eine Falle zu locken. Ich hatte ihn nicht oft gesehen, aber ich hatte ihn scharf beobachtet und hielt ihn für einen Charakter, der kein Verbrechen scheut, um sich zu rächen.



Später zeigte es sich, daß ich ihn ganz richtig beurtheilt hatte.



Aber trotz der Gefahr, der ich entgegenging, wurde mein Entschluß nicht wankend. Ich hatte meine Pistolen sorgfältig geladen und von meiner Frau Abschied genommen. Sie merkte, daß ich ungewöhnlich bewegt war und ein gefahrvolles Abenteuer zu bestehen hatte; aber ich entwand mich ihren Armen, die mich gern zurückgehalten hätten, und sagte, wie der Bauer von Yorkshir. Ich will das Pferd gewinnen, oder den Sattel dabei verlieren.



Um fünf Uhr Abends war ich in Oak-Cottage. Ich fand Levasseur in sehr heiterer Stimmung.



»Der Tisch ist gedeckt,« sagte er; »aber die Höflichkeit macht uns zur Pflicht, noch zwei andere Gäste zu erwarten.«



»Noch zwei Gäste?« erwiederte ich. »Gestern Abends versprachen Sie mir ja, daß wir allein seyn würden.«



»Das ist wahr,« antwortete Levasseur unbefangen; »aber ich hatte vergessen, daß zwei Freunde bei dem Geschäfte betheiligt sind; sie würden auch ungerufen kommen . . . Wir werden übrigens genug zu essen haben, und Sie dürfen nicht fürchten, hungrig vom Tische aufzustehen.«



Der Thürklopfer wurde in Bewegung gesetzt.



»Da sind sie schon!« sagte Levasseur; »Sie sehen, daß wir nicht lange zu warten haben.«



Er ging rasch hinaus, um seine Geiste einzulassen.



Ich sah durch die Vorhänge; meine Erwartung bestätigte sich: die beiden Gäste waren Lebreton und Dubarle.



Im ersten Augenblicke stand die Gefahr, in der ich mich befand, in furchtbarer Größe vor meiner Seele; ich ergriff unwillkürlich die Pistolen in den Taschen und war entschlossen eilends das Haus zu verlassen und Jeden, der mir in den Weg treten würde, niederzuwerfen; aber zum Glück für Bellebon faßte ich mich schnell, und die ruhige Ueberlegung gewann die Oberhand. Dubarle hatte mich in seinem Comptoir gesehen; wenn er mich erkannte, so war ich in einer bedenklichen Lage. Aber die Sache war nicht zu ändern, Pflicht und Ehre geboten mir, das Aeußerste zu wagen.



Meine Aufmerksamkeit wurde bald auf Levasseur’s laute Stimme gelenkt. Ich lauschte und gewann die Ueberzeugung daß Lebreton weniger strafbar, oder vielmehr weniger verstockt war, als seine Mitschuldigen.



Lebreton wollte von dem Geschäfte mit Lewi Samuel nichts wissen, er verlangte eine Unterhandlung mit dem Wechselhause Bellebon, dem er gegen die anfangs geforderten tausend Pfund Sterling durchaus die Banknoten und Wechsel zurückgeben wollte ; aber Dubarle und Levasseur waren weit entfernt seine Meinung zu theilen und sich durch Bitten rühren zu lassen. Sie wollten durchaus die sich darbietende Gelegenheit benutzen, um England sobald wie möglich zu verlassen. Vergebens bat Lebreton um einiges Mitleid für das Wechselbaus, das ihn und seine Familie seit zehn Jahren ernährt hatte. Die beiden herzlosen Gauner verhöhnten ihn und geboten ihm Schweigen, und da Lebreton nicht nachgeben wollte, so schreckte man ihn mit der Drohung, die ganze Schuld auf ihn zu schieben.



Als die drei Glücksritter in das Speisezimmer traten, wo ich sie erwartete, stellte mich Levasseur seinen beiden Gästen vor. Dubarle schien etwas betroffen, als er mich erblickte. Ein kalter Schauer überlief mich, ich war auf Alles gefaßt.



Die Vorsicht, mit welcher ich mich von dem Commis abgewandt hatte, als ich durch das Comptoir in das Cassazimmer ging, kam mir indeß gut zu Statten, und überdies war ich sehr gut verkleidet, Dubarle wurde bald ruhiger, als Levasseur lachend die Fingermanipulation erzählte, die mir sein Vertrauen erworben hatte. Als sich die ehrenwerthe Gesellschaft über das Pech des armen Trelawney satt gelacht hatte, wurden die Speisen aufgetragen und wir setzten uns an den Tisch.



Das Diner war glänzend. Aber ich erinnere mich nicht, in meinem Leben eine solche Marter ertragen zu haben, wie bei dieser Mahlzeit. Die verstohlenen Blicke Dubarle’s, der nur halb beruhigt war, wurden immer lauernder und ängstlicher. Zum Glück war Levasseur sehr gut bei Laune und Lebreton, der durch Reue und Angst gefoltert wurde, beachtete gar nicht was um ihn vorging.



Endlich ging das qualvolle Diner zu Ende, und man servirte das Dessert und den Kaffee. Ich trank viel, und zwar in doppelter Absicht, theils um mich etwas zu betäuben, theils um das Mistrauen Dubarles nicht noch zu vermehren.



Der für die Ankunft Lewi Samuels festgesetzte Augenblick war nahe. Plötzlich neigte sich Dubarle zu mir und flüsterte mir zu :



»Mich dünkt, Mr. Williams, daß ich Sie schon irgendwo gesehen habe.«



»Das ist wohl möglich,« antwortete ich ganz unbefangen und zuversichtlich. »Es gibt viele Leute, die mich schon gesehen haben, und gewisse Personen haben mich sogar zu viel gesehen.«



»Da haben Sie vollkommen Recht!« sagte Levasseur lachend. »Trelawney zum Beispiel.«



»Das ist möglich« erwiederte Dubarle, der immer argwöhnischer zu werden schien; »aber ich möchte Mr. Williams wohl einmal ohne Perrücke sehen, sein eigenes Haar wird ihm gewiß besser zu Gesicht stehen.«



»Sie sind ein Gimpel, lieber Dubarle,« sagte Levasseur. »Sie verlangen wohl gar, daß Mr. Williams, der seine guten Gründe hat eine Perrücke zu tragen, sein eigenes Haar zur Schau ausstellt? Es gibt Leute, die sein Gesicht, wie es Gott erschaffen hat, gern sehen möchten.«



Dubarle gab sich zufrieden ; aber es war leicht zu sehen, daß er seinem Gedächtniß beständig durch forschende Blicke zu Hilfe zu kommen und sich zu entsinnen suchte, wo er mein Gesicht schon gesehen.



Endlich verkündete der Thürklopfer zu meiner großen Freude die Ankunft eines Fremden. Dieser konnte nur Lewi Samuel, oder vielmehr mein College Jackson seyn. Er war der Mann, auf den ich zählen konnte.



Wir standen vom Tische auf. Ich trat ans Fenster; der vermeinte Jude war für die Rolle, die er zu spielen hatte, trefflich costümirt.



Levasseur, der hinausgegangen war, erschien bald mit dem angeblichen Samuel.



Jackson stutzte, als er die drei Gegner erblickte; zumal Dubarle, der groß und stark war, mochte ihm wohl einen vorübergehenden Schrecken einjagen. Er faßte sich schnell; aber er vergaß den sorgfältig einstudirten jüdischen Dialect und sagte in gutem Englisch:



»Mein Freund Williams hatte mir gesagt, daß wir allein seyn würden, Mr. Levasseur.«



»Wir haben es mit Freunden zu thun, Mr. Samuel, mit zwei Freunden, die an dem Geschäft betheiligt sind. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen ein Glas Wein anbiete und auf Ihre Gesundheit trinke. Ich sehe, daß Sie ein englischer Jude sind.«



»Ja, ich bin ein Engländer,« antwortete Samuel.



Eine kurze Pause folgte.



»Ihre Ankunft,« fuhr Levasseur fort, »gibt mir die Gewißheit, daß Sie bereit sind, das bewußte Geschäftchen zu machen, nicht wahr, Mr. Samuel?«



»Ja , vorausgesetzt, daß Sie billige Bedingungen stellen.«



»Billige Bedingungen? Sie werden sehen, daß ich mit mir handeln lasse,« erwiederte Levasseur mit seinem gewohnten frechen Gelächter. »Aber wo ist das Gold, womit Sie die Papierchen kaufen wollen? Zeigen Sie mir wenigstens ein kleines Sümmchen; etwas muß ich sehen.«



»Wenn wir einig werden,« erwiederte Samuel, »so ist eine halbe Stunde genügend, das Geld zu Ihrer Verfügung zu stellen; Sie können leicht denken, daß ich keinen Sack mit zwei – bis dreitausend Guineen bei mir trage, und zumal . . .«



Jackson fing ebenfalls an zu lachen.



»Zumal, wenn man sich in gewisse Gesellschaften begibt, nicht wahr, Mr. Samuel?« setzte Levasseur mit ihm eigenen Schamlosigkeit hinzu. »Ja, ich muß gestehen, daß ich Ihre Vorsicht ganz begreiflich finde . . . Doch zur Sache. Sagen Sie aufrichtig, unter welchen Bedingungen sind Sie bereit zu escomptiren?«



»Ich will’s Ihnen sagen, wenn ich die Wertpapiere gesehen habe.«



Levasseur stand auf und verließ ohne zu antworten das Zimmer.



Nach zehn Minuten kam er zurück und zählte die aus Bellebon’s Casse gestohlenen Banknoten und Wechsel langsam auf den Tisch.



Jackson stand auf, bückte sich auf den Tisch, betrachtete die Papiere und schrieb den Gesamtbetrag in sein Notizenbuch.



Ich war ebenfalls aufgestanden und meine ganze Aufmerksamkeit schien auf ein neben dem Camin hängendes Gemälde gerichtet.



Der Augenblick war entscheidend, denn das zwischen mir und Jackson verabredete Zeichen konnte weder verändert noch verzögert werden.



Dubarle hatte sich vom Tische entfernt ; sein unruhiger, argwöhnischer Blick war auf den vermeinten Juden gerichtet.



Alexander Lebreton hatte den Kopf in beide Hände gestützt; er schien ganz stumpfsinnig zu seyn und an Allem, was um ihn vorging , nicht den mindesten Antheil zu nehmen.



Als die Wertpapiere gezählt und sorgfältig geprüft waren, warf mir Jackson einen Seitenblick zu und sah sich zugleich im Zimmer um. Dieser Blick gab mir zu verstehen, daß der entscheidende Augenblick gekommen sey und enthielt zugleich eine Aufforderung, aus meiner Hut zu seyn.



Er nahm nun die Banknoten und zählte sie mit sehr vernehmllcher Stimme.



»Eins, zwei, drei, vier . . . fünf’«



Das Wort fünf war das Zeichen. Kaum hatte Jackson dieses Wort gesprochen, so stürzte er auf den neben ihm sitzenden Lebreton los. Zugleich schob ich ein Bein zwischen Dubarle’s Knie und warf ihn zu Boden.



Er fiel mit dem Kopf gegen einen kleinen Marmortisch und wurde durch den Fall so betäubt, daß er bewußtlos liegen blieb. Ich brauchte nur einen Blick auf ihn zu werfen, um mich zu überzeugen, daß er außer Stande war, Widerstand zu leisten. Ich ließ ihn daher auf dem Fußboden liegen und stürzte auf Levasseur los, ehe er Zeit hatte, sich zur Wehr zu setzen. Mit der linken Hand drückte ich ihm die Kehle zusammen und mit der rechten hielt ich ihm die Pistole an die Stirn.

 



Lebreton leistete keinen Widerstand.



»Hurra! hurra!« rief Jackson und hielt die kostbaren Papiere frohlockend empor. »Hurra! wir haben gesiegt. Der Erfolg übertrifft unsere Hoffnungen.«



Die Gauner wurden geknebelt, ehe sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten. Mit Levasseur machte ich den Anfang, und als er wehrlos gemacht war, band ich dem noch immer ohnmächtigen Dubarle die Hände.



Kaum war Levasseur wieder zur Besinnung gekommen, so begann er zu heulen wie ein Wahnsinniger; er stieß mit dem Kopf gegen Tische und Stühle. Er würde sich den Schädel eingestoßen haben, wenn Jackson mir nicht geholfen hätte, ihn festzuhalten.



Lebreton war ruhig, Dubarle gab kaum ein Lebenszeichen.



Nachdem wir die Wechsel und Banknoten sorgfältig in eine Brieftasche gelegt hatten, trieben wir die drei Industrieritter vor uns her und verließen das Haus, ohne Jemand zu begegnen.



Madame Levasseur war nicht zu Hause; es lag auch wenig daran, denn es war nicht Absicht, sie zu verhaften.



Um neun Uhr Abends waren die Diebe in Newgate hinter Schloß und Riegel.



Nachdem ich sie dem Gefangenenwärter übergeben hatte, eilte ich zu dem jungen Banquier. Die Freunde Bellon’s war so groß, wie vorher sein Schmerz gewesen war, und ich nahm an seinem Glück so aufrichtigen Antheil wie früher an seinem Unglück. Er sch