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Die Taube

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Don Sancho rief um Hilfe. Marias Frauen eilten herbei, aber Allee war vergebens; sie war gestorben, von einem so geschickten Mörder ermordet, daß er nur einen Stoß geführt und sie nicht einen Schrei ausgestoßen hatte, da die Frauen, welche in dem benachbarten Zimmer schliefen, Nichts gehört hatten.

Der König brachte die ganze Nacht an dem Bette seiner Geliebten zu, indem er über um so schrecklichere Rache Pläne brütete, als er, obgleich er nicht wußte, wer der Mörder wäre, zu ahnen glaubte, von wo der Streich ausginge. Mit Tagesanbruch langte sein Gefolge mit der Leiche Don Hernands an. Don Sancho ließ beide auf ein Paradebett legen, und zog dann an der Spitze seiner kleinen Truppe fort, nach Lissabon.

Als er an den Thoren der Stadt ankam, fand er sie geschlossen. Er machte die Runde um die Stadt: überall Steine, Eisen und Holz. Er blies in sein Horn, Niemand antwortete; man hätte glauben können, es sei eine ausgestorbene oder bezauberte Stadt.

Don Sancho, welcher fast allein war und Nichts zu unternehmen vermochte, beschloß nach Coimbra zugehen und mit der Besatzung dieser Festung zurückzukehren. Er machte sich daher nach Coimbra auf den Weg, und langte dort am folgenden Morgen früh an. Die Thore von Coimbra waren wie die von Lissabon verschlossen.

Don Sancho hatte keine andere Hoffnung mehr, als auf Setuval. Er ging über den Zecre, den Tajo und den Zatas, und nach Verlauf von drei Tagen langte er vor Setuval an. Setuval war wie Coimbra und Lissabon verschlossen.

Die Prophezeihung des Bischofs von Evora war in Erfüllung gegangen, und Don Sancho sah das, was er zu sehen gewünscht hatte.

Während diesen verschiedenen Reisen hatte sich sein Gefolge nach und nach vermindert; in Coimbra hatte er nur noch zehn Mann bei sich, in Setuval hatte er nur noch drei, an den Grenzen von Spanien war er allein.

Von aller Welt verlassen, zog sich Don Sancho nach Toledo zurück, wo der König von Castilien ihm eine Zufluchtstätte gewährte.

In seinem ganzen Reiche war ihm nur Don Martin von Freytas, der Gouverneur des Schlosses La Horta treu geblieben; unglücklicher Weise hatte Don Sancho ihn seit langer Zeit vergessen.

Und dennoch hatte Don Martin von Freytas die Thore verschließen lassen.

IV

Als der König Alphons III. erfahren, daß ganz Portugal sich mit Ausnahme der Festung La Horta seiner Gewalt unterworfen hätte, sandte er Don Manrique von Carvajal mit vier Tausend Mann gegen diese ab.

Don Martin hatte gleichfalls alle seine Vorsichtsmaßregeln getroffen, um nicht unvorbereitet überfallen zu werden, er hatte alle seine Vasallen versammelt, alle Lebensmittel herbeischaffen lassen, welche die Festung aufnehmen konnte, und auf den Wällen alle Maschinen und Wurfwerkzeuge aufgestellt, welche zu jener Zeit im Gebrauch waren; es ging daraus hervor, daß er zwei Hundert Mann Besatzung, Lebensmittel für sechs Monate und Kriegsbedarf für zehn Stürme hatte.

Eines Morgens meldete man Don Martin von Freytas, daß man die Banner Don Manriques von Carvajal erblicke, die sich in der Ebene entfalteten. Don Martin befahl allen Trompetern, alle ihre besten Stücke zum Zeichen der Freude zu blasen. Sie machten einen so großen Lärm, daß Don Manrique von Carvajal sie von der andern Seite des Mondego hörte und zu dem Grafen Rodrigo gewendet, der unter ihm commandirte, sprach: »Es scheint, daß auf dem Schlosse La Horta ein Fest gefeiert wird.«

Am Abend hielt Don Manrique auf drei Pfeilschüsse weit von den Mauern der Festung an, und sandte einen Herold,ab, um Don Martin von Freytas zu befehlen, Don Alphons III.,als König von Portugal anzuerkennen, und ihn die Schlüssel der Festung zu übergeben. Don Martin von Freytas antwortete, daß er Alphons III. nicht kenne, und daß er nur Don Sancho die Schlüssel übergeben würde.

In der Nacht schlug Don Manrique sein Lager um La Horta herum auf, und sandte am folgenden Morgen, den Herold ein zweites Mal ab, um dieselbe Aufforderung zu wiederholender Herold kehrte mit derselben Antwort zurück.

Der Tag verfloß in gegenseitiger Beobachtung. Am folgenden Morgen kehrte der Herold mit Tagesanbruch ein drittes Mal nach der Festung zurück. Don Martin antwortete, wie er es die die beiden ersten Male gethan hatte.

Don Manrique von Carvajal bereitete sich zum Sturm vor, und Don Martin von Freytas ihn abzuwehren; beide kannten sich als weise und tapfere Feldherrn; weder der Eins noch der Andere vernachlässigte daher nur das Mindeste.

Der Sturm war schrecklich, erbittert, blutig. Nach zwölf Stunden des Kampfes, Mann gegen Mann, nachdem er die Thürme mit seinen sechs Tausend Armen umschlungen, nachdem er drei Male die Hand auf die Zinnen der Wälle gelegt hatte, war Don Manrique von Carvajal gezwungen, sich zurückzuziehen, zwei Hundert Mann in den Gräben der Festung todt zurücklassend.

Vier andere Stürme folgten einander ebenso nutzlos, ebenso mörderisch. Nachdem er Tausend seiner, besten Soldaten verloren hatte, beschloß Don Manrique von Carvajal das Schloß, welches er nicht mit Gewehren nehmen konnte, durch Hunger zu besiegen, und verwandelte diese Belagerung in eine einfache Einschließung.

Von diesem Augenblicke an gelangte nichts mehr bis zu der Festung, und das Schloß La Horta wurde durch eine unüberschreitbare Linie von der übrigen Welt getrennt. Vier Monate lang ertrug Don Martin von Freytas diese Einschließung, ohne daß er darüber in, große Besorgniß zu empfinden schien; als er aber sah, daß sein Feind sich nicht anschickte, die Belagerung aufzuheben, und daß ihm nur noch für zwei Monate Lebensmittel übrig blieben, setzte er alle auf halbe Ration. Durchs diese Maßregel machte er aus den zwei Monaten, die ihm übrig blieben; vier.

Don Manrique hielt Stand. Nach Verlauf von zwei andern Monaten war Don Martin genöthigt, die Vertheilung nochmals auf die Hälfte herabzusetzen; dieses Mal war keine Möglichkeit mehr vorhanden, die Vertheidigung durch eine neue Herabsetzung zu verlängern, Jedermann empfing gerade das, was er durchaus nothwendig hatte, um nicht vor Hunger zu sterben.

Die Lebensmittel erschöpften sich; die Festung enthielt nur für sechs Monate Lebensmittel, und sie hatte sich zehn gehalten. Man aß die Pferde, dann die Hunde, dann die Katzen, dann die Ratten und die Mäuse,dann endlich fing man an das Leder der Geschirre zu kochen, um zu sehen, ob es nicht möglich sei, es zu genießen.

Don Manrique rührte sich nicht von der Stelle. Man sah von der Höhe der Festung Heerden von Ochsen und Hammeln in sein Lager kommen; das Leben der Belagerer verfloss in Festen, und wenn die Nacht ruhig war, so hörten die Schildwachen ihre Trinklieder.

Mit den Belagerten war es ganz das Gegentheil; die Noth vermehrte sich mit jedem Tage, schwach, bleich und abgezehrt, vermochten sie kaum die Last ihrer Waffen zu tragen. Es waren keine Männer mehr, es waren Gespenster, und wenn es Don Manrique eingefallen wäre, einen sechsten Sturm zu wagen, so wäre er gewiß leicht mit dem unglücklichen Anhängern Don Sanchos fertig geworden. Aber er zog es vor, sie vor Hunger sterben zu lassen, das dauert länger, war aber sicherer.

Don Martin von Freytas war in Verzweiflung, denn er sah ein, daß es keine Möglichkeit sei, sich länger zu halten und sah, daß er sich von einem Augenblick zum anderen würde ergeben müssen. Sein Widerstand war im Sterben; es war eine Frage der Zeit; schon rechnete er nur noch nach Tagen, und bald sollte er nur noch nach Stunden rechnen.

Dieser Augenblick kam herbei. Nachdem sie selbst das Laub der Bäume verzehrt, hatte die Besatzung eines Morgens durchaus Nichts mehr zu essen, sie fastete einen ganzen Tag, indem sie sich nicht zu beklagen wagte, da Don Martin von Freytas seit zweien fastete.

Die Nacht verfloß so gut als möglich; jeder that, so viel er konnte, um zu schlafen; einigen gelang es, und sie träumten, daß sie an einem,glänzenden Mahle wären; diese erwachten aber noch weit hungriger als die, welche nicht geschlafen hatten.

Der Tag brach an. Don Martin hoffte nur noch auf ein Wunder, denn er war ein alter, wahrhaft gläubiger und frommer Ritter. Er ging in die Kapelle, um Gott zu bitten, es zu vollbringen; er bat ihn, sich zu erinnern, daß er zwei Mal in Palästina gewesen wäre und gar manchen Ungläubigen getötet hatte, ohne jemals dafür etwas verlangt zu haben. Aber der Umstand wäre so dringend, daß er nicht mehr anders könnte, als an seine Dienste zu erinnern, da man sie im Himmel zu vergessen schiene.

Als er sein Gebet verrichtet, verließ er die Kapelle voller Glauben. Seine Augen blickten um sich, und er sah einen Fischadler, der wie ein Blitz vom Himmel kam und sich auf den Fluß herabließ, Einen. Augenblick lang schien der Vogel auf der Oberfläche des Wassers zu kämpfen, dann erhob er sich aber wieder, indem er eine kostbare Forelle zwischen seinen Klauen davontrug.

Der Adler nahm nun seinen Flug nach dem Schlosse la Horta, und als er über die Feste zog, ließ er seine Forelle Don Martin von Freytas zu Füßen fallen.

Don Martin zweifelte nicht, daß das verlangte Wunder erfüllt wäre. Er raffte die Forelle auf, und ließ sie, so gut er es vermochte, zubereiten, indem er sie hierauf auf eine prachtvolle silberne Schüssel legte, ließ er sie Don Manrique von Carvajal mit einem Brief überbringen, daß er betrübt über diese Entbehrungen, welche er seit dieser langen Belagerung erdulden müßte, wahrend der er ihn nur Rind- und Hammelfleisch essen sähe, ihn bäte, eine Forelle aus seinem Fischkasten anzunehmen, um eine Veränderung in seiner Kost zu machen. Don Manrique dachte, daß Leute, welche ihren Feinden solche Geschenke schickten, im Ueberflusse leben müßten und daß er nur seine Zeit mit dem Versuche verlöre, sie durch Hunger zu nehmen. Er hob dem zu Folge noch am selben Tage die Belagerung auf, indem er nur jeden als Rebellen gegen den neuen König erklärte, der Verbindungen mit Don Martin oder mit irgend einem der Leute seines Gefolges hätte. Diese Erklärung wurde unter Trompetenschall in den umliegenden Städten und Dörfern bekannt gemacht.

 

Am folgenden Morgen waren alle Belagerer verschwunden. Es war Zeit! ein Tag mehr, und alle Belagerten wären todt.

Don Martin von Freytas hatte die Einschließung gewechselt, nur war diese mehr ausgedehnter. Erschreckt durch die Drohung Don Manriques von Carvajal, behandelten die umliegenden Dörfer Don Martin von Freytas,und seine kleine Schaar wie Parias. Diese waren genöthigt zu fischen und zu jagen, um ihr Leben zu fristen, denn Niemand wollte ihnen weder Fleisch noch Fische verkaufen. Was die jungen Mädchen betrifft, so flohen sie, wenn sie Zufällig einen Pagen oder einen Knappen auf der einen Seite erblickten, schnell nach der andern.

Nach Verlauf eines Jahres in Mitte dieser Art von Gesundheits-Cordon befand sich diese wackere Besatzung, welche sechs Tage des Sturmes und zehn Monate des Hungers ausgehalten hatte, durch die Desertion auf etwa zwanzig Mann beschränkt, da sie die Langeweile nicht zu ertragen vermochten. Die, welche geblieben, waren die Knappen und die Pagen, alles junge Leute von großer und vornehmer Familie, welche es für Feigheit hielten, ihren Feldherrn zu verlassen; indessen kam auch an sie die Reihe, wie die andern am Ende entmuthigt zu werden, und sie sandten einen unter sich an Don Martin von Freytas ab.

– Gnädiger Herr, sagte der Abgeordnete, ich komme im Namen meiner Gefährten, um Euch gehorsamst zu bitten, ihr Elend in Betracht zu ziehen.

– Ueber was beklagen sie sich? fragte Don Martin.

– Sie beklagen sich, gnädiger Herr, genöthigt zu sein, wie Bauern zu jagen und zu fischen, um zu leben, sie beklagen sich, in Niedrigkeit und Vergessenheit zu bleiben, während Viele, die ihnen weder an Abkunft noch an Muth gleichstehen, am Hofe mit Ehren überhäuft werden.

– Geht, denen, welche Euch senden, zu sagen, antwortete Don Martin von Freytas, daß die Jagd und das Fischen königliche, und keine gemeinen Vergnügungen sind, und daß der Beweis dafür ist, daß unser König Don Sancho, den Gott erhalten wolle, seinen Thron verloren, weil er zu viel gejagt hat. Fügt hinzu, daß, weit davon entfernt, in Niedrigkeit und Vergessenheit zu sein, der Name des geringsten unserer Pagen in diesem Augenblicke in ganz Portugal weit mehr gekannt ist, als der des ersten Herrn am Hofe des Königs Don Alphons, und daß in Ermangelung der Ehren, welche die Hofleute umgeben, sie die Ehre haben, welche die Getreuen unsterblich macht.

Der Abgeordnete kehrte zu denen zurück, welche ihn gesandt hatten und überbrachte ihnen buchstäblich die Antwort Don Martins von Freytas.

Sie faßten Geduld.

Es verfloß noch ein Jahr. Nach Verlauf dieses Jahres erschien ein Abgesandter des Königs Don Alphons vor dem Schlosse la Horta; er kam im Namen des Königs Don Alphons, Don Martin von Freytas zu melden, daß er ihm jetzt die Schlüssel der Feste übergeben könne, da der König Don Sancho in Toledo gestorben wäre.

– Sendet mir einen Geleitbrief, antwortete Don Martin von Freytas.

Vierzehn Tage nachher kehrte der Bote mit dem verlangten Geleitbriefe zurück.

Don Martin überließ die Bewachung des Schlosses seinem alten Knappen, der sein zweites Ich war, legte seinen stärksten Panzer an, umgürtete sich mit seinem stärksten Schwerte, nahm seine beste Lanze zur Hand, bestieg sein Schlachtroß und ritt so lange, bis er in Toledo anlangte. Kaum angelangt, ging er zu dem Landvogt.

– Ist es wahr, sagte er zu ihm, daß der König Don Sancho gestorben ist?

– Ja, antwortete ihm dieser.

– Wo ist er begraben? fragte Don Martin.

– In der Kirche der Minoriten.

– Ich danke.

Don Martin begab sich nach der Kirche der Minoriten.

– Ist es wahr, sagte er zu dem Meßner, daß der König Don Sancho in dieser Kirche begraben ist?

– Ja, antwortete dieser.

– Wo ist sein Grab? fragte Don Martin.

– Hier ist es.

– Hebt den Stein auf.

Der Meßner hob den Stein auf, und Don Martin erkannte den König.

Er warf sich auf die Kniee und verrichtete ein Gebet für das Heil seiner Seele, dann stand er wieder auf zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und legte ihn in die Hand des Tobten.

»Gnädiger Herr und theurer Sire, sagte er zu ihm hier ist der Schlüssel deines Schlosses la Horta, den ich Dir getreulich während Deines Lebens bewahrt, und den ich Dir getreulich nach Deinem Tode zurückgebe; ich habe meinen Schwur gehalten, schlafe in Frieden.«

Hierauf verschloß er das Grab wieder und brach nach Lissabon auf, wo er sich dem Könige Alphons III. melden ließ.

Neugierig, einen so außerordentlichen Mann zu sehen, ließ König Alphons III. ihn sogleich in seinen Rath treten, in welchem er in diesem Augenblicke den Vorsitz führte.

– Sire, sagte Don Martin von Freytas zu ihm, Ihr könnt jetzt vier Frauen der Königin mit ihren Rocken absenden, und sie werden das Schloß la Horta nehmen, das Don Manrique von Carvajal nicht mit vier Tausend Lanzen hat nehmen können.

– Schwöre mir Treue, wie Du sie meinem Bruder Don Sancho geschworen hast, und ich überlasse Dir nicht allein die Statthalterschaft, sondern ich schenke Dir außerdem das Schloß noch als Eigenthum, wie alles Gebiet, das es umgibt.

– Ich danke, Sire, antwortete Don Martin von Freytas, indem er den Kopf schüttelte und einem Seufzer ausstieß. Ich habe bereits einen Schwur gethan, und der ist mir zu theuer zu stehen gekommen.

Sechs Jahre nachher starb Don Martin von Freytas als Mönch und im Geruche der Heiligkeit in dem Franziskanerkloster von Setuval.

E N D E