Kostenlos

Die schwarze Tulpe

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Acht volle Tage waren auf diese Art ruhig dahingeflossen. Am neunten, einem stürmischen kalten Morgen, saß Baerle wieder ganz in sein Glück vertieft, die herrliche Tulpe genau betrachtend, in dein einsamen Kerker. Draußen tobte und heulte der Wind, er riß Mauersteine und Dachziegel herab, entwurzelte Bäume und verursachte ein furchtbares Getöse. Diesmal hörte Cornelius nichts, er vernahm weder den schweren Tritt des Kerkermeisters noch das Knarren der Thüre, entsetzt, einer Leiche ähnlich, schrack er zusammen, als Gryphus mit zornentflammtem Auge vor ihm stand.

Er hatte in den Händen des Gefangenen einen Gegenstand bemerkt, mit dem er sich ernsthaft zu beschäftigen schien, er war seiner Meinung nach einem großen Verbrechen auf der Spur, wie ein Raubthier nach seiner Beute, stürzte er auf Cornelius zu.

Ein unerklärbares Verhängniß schien es bestimmen zu wollen, daß der rohe Mann mit seinen groben schwieligen Händen gerade mitten in den zerbrochenen Krug, auf jene Stelle langte, wo die werthvolle, ein wenig enthüllte Zwiebel verborgen lag.

Und es war dies gerade jene Hand, die unter dem Gelenke gebrochen, van Baerle mit so großer Kunst und Geschicklichkeit vollkommen wieder eingerichtet hatte.

»Was macht Ihr da?« schrie Gryphus; »endlich einmal habe ich Euch ertappt.«

Zugleich wühlte er mit der Hand tiefer in der Erde.

Cornelius zitterte am ganzen Körper, er vermochte nur die wenigen Worte: »Ich habe nichts,« hervorzubringen, so sehr hatte ihn die unverhoffte Erscheinung des Kerkermeisters und die Gewißheit eines unglücklichen Ausganges niedergedrückt.

»Was! nennt Ihr das Nichts? Einen Krug mit, Erde angefüllt, glaubt Ihr mir etwas weiß zu machen, gewiß habt Ihr ein wichtiges und schweres Geheimniß da. Verborgen.«

»Lieber Gryphus,« bat Cornelius, bebend, wie der Vogel, dem eine rohe Faust die Jungen zu rauben versucht.

Gryphus bemühte sich so eben die Erde umzuwühlen.

»Um Gottes Willen, gebt acht Herr,« rief Cornelius, bleich und am ganzen Leibe zitternd.

»Zum Satan auch, aus was soll ich den acht, geben?«

»Fort Elender,« schrie Cornelius und mit krampfhafter Anstrengung entriß er dem Gefangenenwärter den Krug, diesen nun unter seine beiden Hände bergend.

Diese Bewegung, die mit ihr ganz deutlich an den Tag gelegte Angst des Gefangenen, bestärkte in Gryphus nur noch mehr den Verdacht, daß er hier einem wichtigen Staatsgeheimnisse, einer neuen, gegen Wilhelm von Oranien angezettelten Verschwörung; auf die Spur gekommen sei. Zugleich bemerkte er aber, wie Baerle ganz die Positur zu einer kräftigen und geschickten Vertheidigung seines Schatzes angenommen, weshalb er es für räthlich zu finden schien, sich einer Waffe zu bedienen. Er schwang aus dieser Absicht, den ihn stets begleitenden Knotenstock, und ging auf den Gefangenen los.

Allein auch diese Bewegung überzeugte ihm augenblicklich, daß es dem Letzteren weniger um seinen Kopf, als um den in seinen Händen befindlichen Gegenstand zu thun war.

Er änderte demnach unverzüglich seinen Angriffsplan, und trachtete sich auf eine geschickte Weise des zerbrochenen Kruges zu bemeistern.

»O!« rief er, während es ihm gelungen war, den oberen Rand desselben zu erfassen, »seht nur, wie man Eueren Worten trauen kann, Ihr liefert da seinen sehr klaren Beweis, daß Ihr ein schändlicher Verräther seid.«

»Laßt mich, laßt mir meine Tulpe.«

»Was, Tulpe? ho, ho, ho Vögelchen, ich bin unter Schurken alt und grau geworden, mich fängt man nicht so leicht.«

»Ich lege Euch einen Eid darauf ab.«

»Schweigt mit Eueren erbärmlichen Ausflüchten und lasset augenblicklich los, oder ich rufe die Wache.«

»Ja, ruft sie nur, wenn Ihr meine arme Blume durchaus haben wollt, so sollt Ihr sie nur mit meinem Leben erkaufen.«

In diesem Augenblicke gelang es Gryphus, nochmals mit seiner schweren Hand gerade mitten in die Erde zu reichen. Durch einen raschen und heftigen Druck kam er beinahe bis auf den Boden des Gefäßes, fühlte daselbst einen harten Gegenstand, zog diesen rasch hervor und in derselben Minute lag die glänzend schwarze Zwiebelknospe aus dem Boden. Cornelius hatte sie nicht bemerkt, er glaubte seine theuere Blume gerettet und sprang triumphirend zum Fenster, während Gryphus mit einem mächtigen Fußtritte, die herrliche Zwiebel zu Brei zertrümmerte. Da fiel Baerles Blick ebenfalls auf die blutenden Reste seiner Hoffnungen seines Stolzes. Er stieß einen furchtbaren, einen entsetzlichen Schrei aus, es war ein Ruf, der Angst und unheilbaren Schmerz verkündete, und selbst den schrecklichen Kerkermeister gerührt haben würde, der einigen Jahre früher die Spinnerin, den einzigen Trost und Zeitvertreib eines Gefangenen tödtete. In diesem Augenblicke schwand seine Besinnung, er war seiner geistigen Thätigkeit nicht mehr mächtig, Nacht umwölkte den ohnehin düstern Blick. In seiner Seele tauchte ein furchtbares Bild auf, er wollte Rache, blutige Rache nehmen. Mit beiden Händen, die ganze jungendliche kraft zu Hilfe nehmend, hob er den schweren Krug mit der noch übrig gebliebenen Erde, triumphirend fiel sein wuthentbrannter Blick auf das erwählte Opfer, noch eine Secunde und dieses mußte sich leblos zu seinen Füßen wälzen. Aber in diesem entsetzlichen Augenblicke, in dieser schaudererregenden Minute, die aus einem gemüthlichen ruhigen Menschen, einen elenden Mörder gemacht haben würde, ertönte ein durchdringender Schrei, ein Schrei, der eine Welt von Schmerzen, Angst und Bangen in sich schloß. Cornelius hatte die Stimme erkannt, unwillkürlich fielen die Hände herab, das Auge ganz den furchtbaren Ausdruck verlierend, richtete sich nach jener Seite, wo der Ton hergekommen war, und dort zwischen der schweren eisernen Thüre stand zitternd, blaß, mit gefalteten Händen, dies Tochter des Kerkermeisters.

Wenige Secunden nachher war sie rasch zwischen den Gefangenen und ihren Vater getreten.

Der Krug fiel zugleich zur Erde, und zerbrach mit Getöse in tausend Stücke. Gryphus erkannte die Gefahr, der er kaum entronnen, sein Zorn machte sich durch heftige Drohungen und Flüche Luft.

»Geht,« sprach Cornelius mit von innerer Aufregung noch zitternder Stimme; »Ihr müßt ein feiger, elender Wicht, ein roher Mensch sein, wenn Ihr einem armen Gefangenen den einzigen Trost, seine ganze Freude raubt.«

»Vater!« rief Rosa, »o, was habt Ihr da gethan, ja Ihr wißt es nicht; aber Euere Handlung steht nahe am Verbrechen.«

»Was höre ich da, mein Töchterlein?« schrie Gryphus, sich gegen Rosa wendend, »kümmerst Du Dich da auch schon um Dinge, die Dich nichts angehen; vorwärts, sieh daß Du so schnell als möglich weiter kommst.«

»Elender, entsetzlicher Mensch,« rief Cornelius, seine Augen in Thränen badend.

Gryphus sah endlich doch ein, daß es sich nur um die Tulpe handle, und nun mehr über seine Brutalität und Roheit beschämt, suchte er den begangenen Fehler: wenigstens in Etwas zu bessern.

»Wenn es sich bloß um eine Tulpe handelt,« sprach er, »so sollt Ihr so viele bekommen, daß Ihr gar nicht Zeit haben werdet, Euch mit Allen abzugeben, ich glaube auf dem Dachboden wenigstens dreihundert Stücke bemerkt zu haben.«

»Und wenn Ihr Millionen oder Milliarden von Zwiebeln besitzt, so haben sie alle zusammen nicht im Entferntesten den Werth derjenigen, die Ihr mir da zertreten habt.«

»So, so, mein Freundchen, jetzt komme ich doch erst zu der Ueberzeugung, daß diese Zwiebel irgend eine geheime Kraft besessen hat, die Ihr, wenn sie vollkommen ausgebildet gewesen wäre, mit Euern teuflischen Künsten gegen Seiner Hoheit unsern gütigen Statthalter gebrauchen wolltet. Jetzt danke ich Gott, daß ich dies erbärmliche Vorhaben vernichtete, und bedauere nur, wie es viele mit mir thun, Euern Kopf noch auf den Schultern sitzen zu sehen.«

»Vater, lieber Vater,« rief Rosa.

»Ja, ja, ja, ich habe sie zerstört, ich habe es vernichtet, das niederträchtige Werk, fangt aber nur wieder an wenn Ihr wollt, und seid zugleich versichert, daß ich es wieder so machen werde, wie diesmal. Ich habe es Euch vorhergesagt, unter meiner Aufsicht soll Euch das Leben so sauer als nur immer möglich gemacht werden.«

»Elender, erbärmlicher Wicht, stöhnte Cornelius, und gleichsam als wolle er den Ueberresten seiner zertrümmerten Freude und Hoffnung noch die letzte Ehre erweisen, bückte er sich zu Boden nieder, um sie aufzulösen.

Rosa neigte sich, so viel sie dies von ihrem Vater unbemerkt thun konnte zu ihm herab und flüsterte ihm leise zu: »Tröstet Euch, morgen werden wir die andere pflanzen.«

Gleich einem lindernden Balsam schlossen sich, durch diese wenigen Worte geheilt, die blutenden Wunden des Unglücklichen.

IV.
Rosas Liebhaber

Kaum hatte noch Rosa diese wenigen Worte gesprochen, als man auf der Stiege schwere Schritte, und zugleich eine rauhe Stimme vernahm, die laut nach Gryphus fragte.

»Vater!« rief Rosa, »hört Ihr nicht!«

»Nun was gibt es?«

»Herr Jakob fragt nach Euch, er scheint beunruhigt zu sein.«

»Es ist ganz natürlich. Wegen dieser Sache wurde ja so viel Lärm gemacht, daß es mich gar nicht wundert, wenn man glauben würde, ich sei nahe daran gewesen, erschlagen zu werden.« Es ist entsetzlich was für ein Ungemach und welchen Schaden einem die Gelehrten auf jede nur mögliche Art und Weise zufügen.«

Hierauf deutete er mit der Hand nach der Thüre, und sprach zu Rosa:

»Vorwärts, Töchterlein.«

Rosa gehorchte unverzüglich, die schwere Thüre wurde abgeschlossen, und nur Gryphus war noch in der Ferne zu hören.

»Warte nur mein lieber Freund Jakob, ich komme gleich.«

Cornelius war nun wieder allein; ganz seiner schmerzhaften Betrachtung, seinem tödtenden Nachdenken preisgegeben.

 

Der Kopf sank auf seine Brust, die Arme hingen schlaff herab, Thränen entquollen gleich einem reißenden Bache den Augen. Alles war ja hin, Freude, Hoffnung, Ruhm und Ehre.

Die Kinder seiner rastlos thätigen Phantasie, die Sproßen unausgesetzter geistiger Anstrengung, waren durch die Hand eines elenden rohen Menschen vernichtet worden.

In allen andern Lagen hätte ihn dies Unglück gänzlich zu Boden gedrückt und den Sieg über seine jugendliche Körperkraft und Gesundheit davongetragen.

Aber diesmal leuchtete ihm ja noch ein glänzender Hoffnungsstern.

Es war Rosa.

Am Abende erschien das Mädchen wie gewöhnlich.

Ihr Schmerz schien gewichen, das schöne Antlitz hatte einer unverkennbaren Freude Platz gemacht, sie verkündete dem Gefangenen mit leuchtenden Blicken, daß sich ihr Vater in der Folge nicht mehr im Entferntesten seiner Lieblingsbeschäftigung widersetzen und es sogar gerne sehen werde, wenn Cornelius sich mit der Tulpe beschäftige.

»Wie kommt Ihr zu dieser auffallenden und sonderbaren Ueberzeugung?« sprach Cornelius mit schmerzhaft bewegter Stimme.

»Daher, weil ich sie aus dem eigenen Munde hörte.«

»Dann hat er gewiß die Absicht, mich nochmals zu überlisten.«

»O nein! im Gegentheile, sein rohes Verfahren scheint ihn zu reuen.«

»Auch möglich, leider aber zu spät.«

»Aber bemerken muß ich Euch noch, daß diese Reue nicht aus ihm selbst entsprang.«

»Woher kam sie denn?«

»Wenn Ihr nur Gelegenheit gehabt hättet, zusehen, wie erboßt sein Freund war, als er die Ursachen des hier stattgehabten Lärmes erfuhr.«

»Ihr meint den Herrn Jakob, er bleibt also noch immer Euer treuer Begleiter?«

»Er verläßt uns beinahe gar nicht.«

Und Rosa lächelte bei diesen Worten so naiv und schelmisch, daß sich die ganze Reinheit und Unschuld ihres Herzens in den Augen abspiegelte. Dieses einzige liebenswürdige Miene reichte hin, die trübe Wolke zu verscheuchen, die sich auf der Stirne des Gefangenen gelagert hatte.

»Wie hatte sich aber diese seltsame Sache eigentlich gestaltet?« fragte Cornelius.«

»Wir gingen zum Abendessen. Mein Vater wurde von Jakob um eine genaue Mittheilung des hier stattgehabten Auftrittes befragt, und zögerte gar nichts diese mit allen Einzelheiten zu erzählen, und sich zugleich seiner Heldenthat, der Zertrümmerung der Tulpenzwiebel, nämlich zu rühmen.«

Cornelius seufzte tief, aber dieser Seufzer glich eher dem Röcheln eines Sterbenden.

Rosa fuhr fort:

»Ja diesem Augenblicke hättet Ihr Herrn Jakob sehen sollen. Er verlor mit einem Male ganz seine Fassung. Die Haare standen ihm zu Berge, die Augen sprühten Flammen, die Brust hob und senkte sich so mächtig, daß sie beinahe zu bersten drohte, mit einem Satze war er bei meinem Vater und hatte diesen am Halse erfaßt. Wie schrie er, was habt Ihr gemacht? Zertreten habe ich die verrätherische Zwiebelknospe, daß kein Stückchen mehr daran geblieben ist. Elender Wicht, entsetzlicher Mann, Ihr habt da ein Verbrechen begangen, daß selbst Euer Blut nicht zu sühnen vermag. Und dabei heulte der Unmensch so furchtbar, daß mir sein Anblick unerträglich wurde, und ich mich nur nach einem Gegenstande umsah, durch den ich meinem bedrängten, und selbst auf das Höchste überraschten Vater zu Hilfe eilen konnte. Nach einigen Secunden ließ er jedoch ab, und sank ermattet auf seinen Stuhl zurück, sich das Gesicht mit den Händen verdeckend.«

»Seid Ihr bei Sinnen, fragte mein Vater sein in Unordnung gebrachtes Halstuch zu Recht richtend.«

«»Das hätte ich dem Herrn Jakob nie zugetraut,« unterbrach Cornelius das Mädchen »er scheint doch ein ehrenwerther Mann, eine edle kräftige Seele zu sein«

»Ich wiederhole es Euch nochmals, die Angst und Verzweiflung dieses Mannes ist nicht zu schildern. Er behandelte meinen Vater von diesem Augenblicke an mit einer Geringschätzung, die noch Niemand gegen ihn gezeigt hatte; und rief dabei unausgesetzt:

»Also zertreten habt Ihr Sie, zertreten, o, Gott und ganz gewiß vernichtet?«

»Dann kehrte er sich rasch zu mir:

»Ihr werdet mir gewiß Auskunft geben können, ob dies die einzige Zwiebel war, die der Gefangene besaß!«

»Wie, was sagt Ihr Rosa, danach hat er gefragt?«

»Mein Vater antwortete statt mir.

»Also glaubt Ihr, daß Cornelius mehrere solche Zwiebel besitze? Gut ich werde nicht ermangeln die Andern auch zu suchen.

»Bei diesen Worten sprang Jakob abermals wie wüthend auf, und packte meinen Vater beim Kragen. »Suchen wollt Ihr auch die Andern?« —

»Aber als wenn ihm ein besserer Gedanken gekommen wäre; er ließ ihn wieder los, und wendete sich zu mir:«

»Sagt mir liebes Mädchen, was hat der junge Mann gesprochen und gethan, als ihm dies Unglück widerfuhr?«

»Ich war sehr in Zweifel und Verlegenheit was ich eigentlich antworten sollte, da mir Euer Verbot einfiel, Niemanden unter keinem nur denkbaren Vorwande merken zu lassen, welches große Interesse Ihr selbst für die Tulpenzwiebel habt. Aus dieser höchst unangenehmen Lage befreite mich mein Vater, indem.er die Antwort selbst gab!«

»Was er gethan und gesprochen hat, wollt Ihr wissen? er schäumte und tobte wie ein Rasender.«

»Ich fiel dem Vater in die Rede« —

»Ja, aber wie konnte er es auch anders thun, da Ihr ihn so roh, beinahe unmenschlich behandelt habt.«

»Seid Ihr denn alle von Sinnen,« schrie mein Vater ganz aufgebracht, »Ihr macht da ein Wesen wegen einer elenden, erbärmlichen Tulpenzwiebel, während dem man aus dem Blumenmarkte zu Gorkum hunderte um einige Gulden bekommt.« Ich war sehr unvorsichtig als ich hierauf erwiederte – »Ja wohl, Zwiebel genug, aber keine solchen, die dieser Einzigen im Werthe gleich kommen.«

»Wie benahm sich Jakob bei diesen Worten?« fragte Cornelius schnell.«

»Ich gestehe Euch nur die Wahrheit, wenn ich sage, daß es mir vorkam, als wenn zwei Blitze aus seinen Augen sprühten.«

»Gut, aber diese Bewegung allein war gewiß nicht Alles, er setzte auch einige Worte hinzu?«

»Ihr habt es errathen, denn mit einer ihm sonst ganz fremden Freundlichkeit sprach er zu mir: »Ei mein schönes Kind, Ihr ahnet also, daß diese Zwiebel einen hohen Werth haben müsse.«

»Jetzt erst bemerkte ich die Größe des begangenen Fehlers. Ich beeilte mich ihn wo möglich wieder gut zu machen.«

»Ob sie einen besonderen Werth hat oder nicht, das ist mir völlig unbekannt. Die Erfahrung hat bei dem unausgesetzten Verkehr mit den Gefangenen in mir die Ueberzeugung begründet, daß diesen armen Geschöpfen jeder wie immer geartete Zeitvertreib ein Glück ist, welches den ganzen Bereich ihrer Seligkeit in sich schließt, und mit dessen Vernichtung man ein Verbrechen begeht.«

»Herr van Baerle ergötzte sich an seiner Tulpenzwiebel; als der einzige Gegenstand der Erheiterung, mußte sie für ihn einen unendlich hohen Werth haben und ihr Verlust auch einen eben so großen nicht zu lindernden Schmerz hervorrufen.«

»Aber,« fiel mein Vater ein: »Ich möchte nur wissen wie er zu der Zwiebel gekommen ist. Dieser Punkt ist eigentlich im gegenwärtigen Augenblicke für mich der wichtigste.«

»Ich wendete mich von meinem Vater ab, um seinem forschenden, auf mich gerichteten Blicke zu entgehen, begegnete aber dadurch den Augen Jakobs, der mich unverwandt ansah und gleichsam in meiner Seele lesen zu wollen schien. Ich fand es daher am gerathensten, mich durch eine rasche Entfernung aller noch möglichen Verlegenheiten zu entziehen, sprang auf und eilte fort.«

»Jakob hatte sich an meinen Vater gewendet, und sprach leise mit ihm. Schon war ich bei der Thüre, als ich ein Wort vernahm, das meine ganze Aufmerksamkeit erregte und mich bewog, im Zimmer zu bleiben.«

»Ich will Euch nun die ganze Unterhaltung, wie ich mir dieselbe genau gemerkt habe, hier mittheilen.«

»Jakob sprach also zu meinem Vater:«

»Ihr-habt ganz recht, wenn Ihr Euch Gewißheit verschaffen wollt, ob er noch mehrere Tulpenzwiebel besitzt, und ich glaube, dies zu bewerkstelligen, dürfte gar nicht schwer sein.«

»Wie, glaubt Ihr wohl, am Besten dabei zu verfahren?«

»Ihr müßt ihn, durchsuchen, und zwar genau durchsuchen; hat er die anderen Zwiebelknospen, so werden sie sich finden, und gebt genau acht, es müssen deren drei sein.«

»Wie, was!« rief Cornelius »er hat gesagt drei müßten es sein?«

»Nun werdet Ihr es wohl auch begreifen, daß mich diese Worte ebenso wie Euch überraschten. Ich blieb daher, wie bereits ein Mal gesagt im Zimmer, und wurde weder von meinem Vater noch von Jakob bemerkt.«

»Ja aber,« sagte mein Vater, »wer weiß auch, ober die Zwiebel bei sich hat?«

»Das macht nichts, hat er sie gerade nicht bei sich, so sind sie doch gewiß im Zimmer verwahrt. Ihr dürft ihn dann nur unter irgend einem Vorwande herabkommen lassen, und mir gestatten, daß ich das Gefängniß durchsuche.«

»So!« rief Cornelius, »ich fange langsam an zu begreifen, auch dieser Jakob muß irgend ein elender Schurke sein.«

»Das glaub’ ich selbst.«

»Antwortet mir auf eine sehr wichtige Frage,« »fuhr Cornelius fort.

»Nun?«

»Ihr erzähltet mir, daß Euch Jakob an dem Tage nachfolgte, an dem Ihr im Garten die von mir angegebene Rabatte vorbereitet habt?«

»Ja.«

»Er war mehr einem Schatten ähnlich, hinter de Bäumen geschlichen?«

»Ganz richtig«

»Er verlor nicht eine einzige Bewegung Eueres Rechens aus dem Auge?«

»Auch nicht eine!««

»Dann bin ich überzeugt«

»Nun.«

»Er folgt nicht Euch nach.«

»Wem sonst?«

»Er ist nicht in Euch verliebt.«

»Ja aber in wem dann?«

»Meiner Zwiebelknospe folgt er nach, er ist in meine Tulpe verliebt.«

»Was meint Ihr? – doch ja Ihr mögt recht haben.«

»Wollt Ihr Euch ganz überzeugen?«

»Gebt mir die Art und Weise an.«

»Nichts leichter als das!«

»So sagt es mir.«

»Ihr geht morgen wieder in den Garten, und wiederholt genau all dasjenige, was Ihr das erste Mal gemacht habt, nur leitet Ihr das Ganze so ein, daß Jakob hiervon in Kenntniß gesetzt werde. So bald Ihr merkt daß er nachfolgt und wie damals lauert, setzt zum Scheine eine Zwiebelknospe in die Erde, entfernt Euch hierauf, ohne ihn jedoch aus den Augen zu lassen. Es wird Euch gewiß nicht schwer fallen, irgend ein Versteck ausfindig zu machen, durch welches es Euch möglich wird, jede Bewegung des Mannes genau zu beobachten.«

»Ganz recht, »aber was nachher?«

»Wir werden unsere Maßregeln ganz nach seiner Handlungsweise einrichten«

Aber Rosa seufzte tief: – »Wie ich sehe, so liebt Ihr Euere Tulpenzwiebel unendlich.«

»Ja ich liebe sie unendlich, ich will und kann es auch nicht läugnen. Als Euer Vater mir das theuere Gut zertrümmert glaubte ich mit ihr einen Theil meines eigenen Lebens vernichtet.«

»Wie aber Cornelius, wenn Ihr noch einen Versuch wagen würdet?«

»Welchen?«

»Ihr nehmt z. B. den Vorschlag meines Vaters an.«

»Ich entsinne mich auf keinen.«

»Er hat Euch eine Unzahl Tulpenzwiebel versprochen.«

»Nun was weiter.«

»Nehmt ihrer so viele als Ihr benöthigt, zieht sie auf, und unter ihnen auch Euere Knospe.«

»Wenn Euer Vater allein zu fürchten wäre, dann könnte ich diesen Vorschlag anstandslos annehmen. Aber so begleitet ihn ja ein neuer Feind, dieser unselige Jakob.

»Auf den dachte ich gar nicht. Nun wenn es gleich mit euerer Knospe nicht geht, so nehmt doch immerhin den Vorschlag an, denn Ihr beraubt Euch sonst ganz, der so wohlthuenden Zerstreuung.«

Und diese Worte begleitete Rosa abermals mit einem zärtlichen und himmlischen Lächeln.

Cornelius schien wirklich einen Augenblick zu überlegen, man sah den innern Kampf deutlich in seinen Mienen ausgedrückt; »Nein, nein!« rief er mit einem Male, »nein, dieser Vorschlag kann und darf nicht angenommen werden, denn es hieße eben so viel, als mein ganzes Glück, meinen Ruhm und meine Hoffnung auf den Sand bauen. Rosa, morgen werdet Ihr die Zwiebelknospe nach meiner Instruktion pflanzen. Die dritte aber, die haltet in Euerem Schranke wohl verwahrt. Ich ahne im Stillen, daß auch der zweiten ein Unglück zustoßen, die letzte hingegen, zur glänzenden Vollendung gebracht werden wird. Aber darum schwört Ihr mir auch, daß Ihr dieß unscheinbare Kleinod, auf dem Platze, den es soeben einnimmt, den Augen der ganzen Welt entziehen wollt, Ihr schwört mir, Niemand Euer Geheimniß anzuvertrauen, und selbst für den Fall, wenn Feuer vom Himmel regnen, wenn der Löwenstein in Flammen aufgehen sollte, Euer ganzes eitles Geschmeide, Euere Ringe, Ketten, Perlen, Schnüre und Spitzen solange unberücksichtigt zu lassen, bis Ihr die Gewißheit habt, daß meine Zwiebelknospe gerettet und in Sicherheit ist. Das, das Rosa, müßt Ihr mir an diesem Tage des Unglücks zusagen.«

 

In Rosas Mienen malte sich bei diesen, beinahe mit Enthusiasmus gesprochenen Worten, eine gewisse ernste Feierlichkeit und Trauer.

»Seid unbesorgt und ruhig,« sprach sie, »Ihr wißt ja ohnedies, daß mir Euere Wünsche Befehle sind.«

»Sollten unsere Feinde aber noch mehr versuchen,« fuhr Cornelius mit immer steigendem Accent fort, »solltet Ihr bemerken, daß Euch der Vater oder Jakob überall auf dem Fuße folgen, und wäre es auf diese Art möglich, sie zur Entdeckung des zwischen uns bestehenden Einverständnisses zu bringen, dann Rosa bitte ich, ich, der ich beinahe ohne Euch nicht mehr leben kann, mir ein Opfer zu bringen. Es ist entsetzlich wenn ich daran denke – aber es müßte dennoch sein, sich habe Niemand mehr auf dieser Welt und muß Euch dennoch bitten, von dem Augenblicke jener Wahrnehmung nicht mehr hierher zu kommen.«

Rosa antwortete Nichts, aber ein tiefer Seufzer, ein Strom von Thränen, der den schönen Augen entquoll, sprach deutlicher als dies Worte thun konnten.

»Was fehlt Euch?«

»Eine Bemerkung, die ich so eben mache, schmerzt mich tief.«

»Was aber habt Ihr bemerkt?«

»O, soll ich es Euch noch sagen, jetzt nachdem Ihr so deutlich erklärt habt, daß die Tulpe Euere ganze Sehnsucht und Hoffnung bildet, uns einen Platz in Eurem Herzen ausfüllt, der es unmöglich macht, noch eine andere Empfindung darin aufzunehmen.

Sie eilte fort.

Cornelius war wie vorn Schlage gerührt. Wenn ihn schon das Unglück des Nachmittags vollkommen niedergebeugt hatte, so schienen die überstandenen Qualen gegen jene, die nach Rosa’s Verschwinden in seiner Brust wütheten, nur geringfügige Kleinigkeiten. Er brachte eine jener furchtbaren Nächte zu, die dem Leser bekannt sein werden, der die zartesten Saiten seines Gefühles öfter zum höchsten Tone gespannt hatte.

Rosa hatte gezeigt, daß sie dem Gefangenen auch zürnen könne, es war sehr leicht möglich sie nachdem vorgefallenen nicht wieder zu sehen, und dann auch von seiner Tulpe keine Nachricht zu erhalten.

Wir sehen dadurch den extremen Charakter eines der leidenschaftlichsten Tulpenzüchter jener Zeit in seiner ganzen Macht entwickelt.

Aber zu unserm eigenen Bedauern, so wie auch zum Schmerze aller Freunde der Gartenbaukunst müssen wir gestehen, daß die Verzweiflung und Unruhe Baerles, diesmal weniger aus Liebe zu seiner Tulpe, sondern vielmehr aus Neigung zu Rosa entstand. Und so von der schrecklichen Ungewißheit gefoltert und gepeinigt, lag er schlaflos bis gegen drei Uhr Morgens auf seinem harten Bette, um welche Zeit endlich die körperliche Schwäche den Sieg davon trug und ihn entschlummern machte.

In seinem Traume schwebte die große schwarze Tulpe ihm unablässig vor den Augen.