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Die Dame von Monsoreau

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Fünftes Kapitel
In welcher Stimmung König Heinrich III. war, als Herr von Saint-Luc wieder am Hofe erschien

Seit der Abreise von Catharina dachte der König, wie groß auch sein Vertrauen zu dem Botschafter war, den er nach Anjou geschickt hatte, nur daran, sich gegen die Unternehmungen und Versuche seines Bruders zu waffnen.

Er kannte aus Erfahrung den Geist seines Hauses, er wusste Alles, was ein Kronprätendent, das heißt der neue Mann gegen den legitimen Besitzer, gegen den ärgerlichen und vorhergesehenen Mann, vermag.

Er belustigte sich, oder er langweilte sich vielmehr wie Tiber, indem er mit Chicot Ächtungslisten entwarf, in die man alle diejenigen in alphabetischer Ordnung eintrug, welche nicht großen Eifer im Beitritte zu seiner Partei zeigten.

Diese Listen wurden jeden Tag länger.

Und bei dem S und dem L, nämlich eher zweimal als einmal, schrieb der König jeden Tag den Namen von Herrn von Saint-Luc.

Der Zorn des Königs gegen seinen ehemaligen Liebling wurde indessen durch die Kommentare des Hofes, durch die treulosen Einflüsterungen der Höflinge und durch die bitteren Klagen und Anschuldigungen wegen der Flucht nach Anjou des Gatten von Jeanne von Cossé gut unterhalten, denn diese Flucht war ein Verrat seit dem Tage, wo der Herzog, selbst fliehend, seinen Lauf nach dieser Provinz gerichtet hatte.

Musste Saint-Luc nicht in der Tat, nach Méridor fliehend, als der Fourier des Herrn Herzogs von Anjou, der die Wohnungen des Prinzen in Angers in Bereitschaft halten lassen sollte, betrachtet werden? Mitten unter dieser Unruhe, unter dieser Bewegung war Chicot, der die Mignons aufforderte, ihre Dolche und Raufdegen zu schärfen, um die Feinde Seiner Allerchristlichsten Majestät zu zerhauen und zu zerstechen, war Chicot, sagen wir, herrlich anzuschauen.

Um so herrlicher anzuschauen, als Chicot, während er das Aussehen hatte, als spielte er die Rolle des Wichtigtuers, in der Tat eine viel ernstere Rolle spielte. Chicot brachte ganz allmählich und gleichsam Mann für Mann eine Armee für den Dienst seines Herrn auf die Beine.

Plötzlich eines Nachmittags, während der König mit der Königin speiste, deren Gesellschaft er bei jeder politischen Gefahr beharrlicher kultivierte, und an die er sich durch die Abreise von Franz natürlich auch wieder anschloss, trat Chicot, den Holzpuppen ähnlich, die man mit Hilfe eines Fadens auseinander zieht, mit ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen ein.

»Uff!« sagte er, sich vor Heinrich stellend.

»Was?« fragte der König.

»Herr von Saint-Luc,« antwortete Chicot.«

»Herr von Saint-Luc?« rief Seine Majestät.

»Ja.«

»In Paris?«

»Ja.«

»Im Louvre?«

»Ja.«

Auf diese dreifache Bejahung stand der König ganz rot und zitternd vom Tische auf.

Es wäre schwer gewesen, anzugeben, welches Gefühl ihn belebte.

»Verzeiht,« sagte er zur Königin, seinen Schnurrbart abwischend und seine Serviette auf den Stuhl werfend, »doch das sind Staatsangelegenheiten, welche die Frauen nichts angehen.«

»Ja,« sprach Chicot mit verstärkter Stimme, »das sind Staatsangelegenheiten.«

Die Königin wollte von der Tafel aufstehen, um ihrem Gemahl den Platz zu überlassen.

»Nein, Madame,« sprach Heinrich, »bleibt, wenn es Euch beliebt, ich will in mein Kabinett gehen.«

»Oh! Sire,« sagte die Königin mit der zärtlichen Teilnahme, welche sie beständig für ihren undankbaren Gemahl hegte, »ich bitte Euch, geratet nicht in Zorn.«

»Gott wolle es verhüten,« antwortete Heinrich, ohne zu bemerken, wie Chicot mit einer verschmitzten Miene seinen Schnurrbart drehte.

Heinrich verließ rasch das Zimmer, Chicot folgte ihm.

Sobald er außen war, fragte Heinrich mit bewegter Stimme:

»Was will der Verräter hier?«

»Wer weiß?« versetzte Chicot.

»Ich bin fest überzeugt, er kommt als Abgeordneter der Stände von Anjou. Er kommt als Botschafter von meinem Bruder, denn so geht es bei Rebellionen; es sind trübe, kotige Wasser, in denen die Empörer alle Arten von Vorteilen fischen, die, wenn auch Anfangs schmutzig, provisorisch und scheinbar widerruflich, am Ende doch höchst ersprießlich, fest und unerschütterlich werden. Dieser hat die Rebellion gerochen und sich einen Geleitbrief daraus gemacht, um hierher zu kommen und mich zu verletzen.«

»Wer weiß?« sagte Chicot.

Der König sah den lakonischen Menschen an und sprach, beständig mit einem ungleichen Schritte, der seine Aufregung offenbarte, durch die Galerie forteilend:

»Es kann auch sein, dass er zurückkommt, um von mir seine Güter zu verlangen, deren Einkünfte ich zurückbehalte, was vielleicht ein wenig widerrechtlich sein dürfte, insofern er kein qualifiziertes Verbrechen begangen hat … wie?«

»Wer weiß?« fuhr Chicot fort.

»Ah!« rief der König, »Du wiederholst immer dasselbe, wie mein Papagei; Tod meines Lebens! Du machst mich endlich mit Deinem ewigen: Wer weiß? ungeduldig.«

»Ei, alle Teufel! hältst Du Dich denn für sehr belustigend mit Deinem ewigen Fragen?«

»Man antwortet doch wenigstens etwas.«

»Und was soll ich denn antworten? Hältst Du mich zufällig für das Fatum der Alten; hältst Du mich für Jupiter, für Apollo, oder für Manto? Ei! Du machst mich selbst mit Deinen albernen Vermutungen ungeduldig.«

»Herr Chicot …«

»Ferner, mein Herr Heinrich?«

»Chicot, mein Freund, Du siehst meinen Schmerz und lässt mich hart an.«

»Habe keinen Schmerz, Mord und Tod!«

»Aber die ganze Welt verrät mich.«

»Wer weiß? alle Götter! wer weiß!«

In Mutmaßungen sich verlierend, ging Heinrich in sein Kabinett hinab, wo sich auf die seltsame Nachricht von der Rückkehr von Saint-Luc bereits alle Vertraute des Louvre versammelt hatten; unter ihnen, oder an der Spitze derselben glänzte Crillon, das Auge in Feuer, die Nase rot, und den Schnurrbart empor stehend wie ein Hetzhund, der einen Kampf begehrt.

Saint-Luc stand mitten unter diesen drohenden Gesichtern; er fühlte um sich her den Zorn und die Entrüstung Aller brausen, kümmerte sich aber nicht im Geringsten darum. Seltsamer Weise hatte er seine Frau mitgebracht und auf ein Tabouret am Geländer des Bettes sitzen lassen.

Er selbst stützte die Faust auf seine Hüfte und schaute die Neugierigen und die Unverschämten mit demselben Blicke an, mit dem sie ihn anschauten.

Aus Rücksicht für die junge Frau hatten sich einige von den vornehmen Herrn, trotz ihrer Lust, Saint-Luc mit dem Ellenbogen zu stoßen, zurückgestellt und schwiegen, obgleich es ihr Wunsch war, ein paar unangenehme Worte an ihn zu richten.

In diesem leeren Raume und in diesem Stillschweigen bewegte sich der Exgünstling.

Bescheiden in ihren Reisemantel gehüllt, wartete Jeanne mit niedergeschlagenen Augen.

Stolz in seinen Mantel drapiert, wartete Saint-Luc in einer Haltung, welche die Herausforderung mehr hervorzurufen, als zu fürchten schien.

Die Anwesenden endlich warteten, um herauszufordern und um zu erfahren, warum Saint-Luc an diesen Hof zurückkam, wo ihn Jeder, begierig einen Teil von seiner ehemaligen Gunst an sich zu reißen, sehr unnütz fand.

Mit einem Worte, die Erwartung war, wie man sieht, groß, als der König erschien.

Heinrich trat ein, ganz bewegt, ganz damit beschäftigt, sich selbst aufzuregen: dieses beständige Aufblasen bildet meistenteils das, was man bei den Fürsten die Würde nennt.

Er trat ein, gefolgt von Chicot, welcher die ruhige, würdige Miene angenommen hatte, die ein König von Frankreich hätte annehmen sollen, und die Haltung von Saint-Luc betrachtete, was Heinrich III. ganz zuerst hätte tun müssen.

»Ah! mein Herr, Ihr hier!« rief sogleich der König, ohne auf diejenigen, welche ihn umgaben, zu merken, und hierin dem Stiere der spanischen Arena ähnlich, der in den Tausenden von Menschen nur einen beweglichen Nebel und in dem Regenbogen der Fahnen nur die rote Farbe erblickt.

»Ja, Sire,« antwortete einfach und bescheiden Saint-Luc, indem er sich ehrfurchtsvoll verbeugte.

Diese Antwort fiel dem König so wenig auf, diese Haltung voll Ruhe und Ehrfurcht teilte seinem geblendeten Geiste so wenig die Gefühle einer vernünftigen Bezähmung mit, welche die Achtung vor Andern im Vereine mit der eigenen Würde rege machen muss, dass der König ohne Unterbrechung fortfuhr:

»In der Tat, Eure Gegenwart im Louvre überrascht mich auf eine ganz seltsame Weise.«

Auf diesen rohen Ausfall trat eine Totenstille um den König und seinen Günstling ein.

Es war das Schweigen, das auf dem Kampfplatz um zwei Gegner eintritt, welche eine Lebensfrage zu entscheiden im Begriffe sind.

Saint-Luc brach dieses Stillschweigen zuerst und sagte mit seiner gewöhnlichen Zierlichkeit und ohne dass er durch den königlichen Zorn im Geringsten beunruhigt zu sein schien:

»Sire, ich staune nur über Eines: darüber, dass Eure Majestät unter den Umständen, in denen sie sich befindet, mich nicht erwartet hat.«

»Damit wollt Ihr sagen, mein Herr?« versetzte Heinrich mit einem ganz königlichen Stolze sein Haupt erhebend, das bei großen Veranlassungen einen unvergleichlichen Ausdruck von Würde annahm.

»Sire,« antwortete Saint-Luc, »Eure Majestät ist einer Gefahr preisgegeben.«

»Einer Gefahr!« riefen die Höflinge.

»Ja, meine Herren, einer großen, wirklichen, ernsten Gefahr, einer Gefahr, wobei der König von dem Höchsten bis zum Niedrigsten aller derjenigen bedarf, welche ihm ergeben sind; und überzeugt, dass es bei einer Gefahr, wie bei der von mir bezeichneten, keinen schwachen Beistand gibt, komme ich, um zu den Füßen meines Königs das Anerbieten meiner untertänigen Dienste niederzulegen.«

»Ah! ah!« rief Chicot, »siehst Du, mein Sohn, ich hatte Recht, wenn ich sagte: Wer weiß?«

Heinrich III. antwortete Anfangs nicht: er schaute die Versammlung an, die Versammlung war bewegt und verletzt; doch Heinrich erkannte bald in dem Blicke der Anwesenden die Eifersucht, die sich im Grunde der meisten Herzen regte.

 

Er schloss daraus, dass Saint-Luc etwas getan hatte, dessen die Mehrzahl der Versammelten nicht fähig war, nämlich etwas Gutes.

Er wollte sich jedoch nicht auf den ersten Schlag ergeben und antwortete nach kurzem Stillschweigen:

»Mein Herr, Ihr habt nur Eure Pflicht erfüllt, denn Ihr seid uns Eure Dienste schuldig.«

»Alle Untertanen des Königs sind dem König ihre Dienste schuldig, ich weiß es, Sire,« sprach Saint-Luc, »doch in den gegenwärtigen Zeitläuften vergessen viele Menschen ihre Schulden zu bezahlen. Ich, Sire, komme, um die meinigen abzutragen, und fühle mich glücklich, wenn Eure Majestät die Gnade hat, mich stets unter die Zahl ihrer Schuldner zu rechnen.«

Durch diese beharrliche Sanftheit und Demut entwaffnet, machte Heinrich einen Schritt gegen Saint-Luc und sprach:

»Ihr kommt also aus keinem andern Beweggrund zurück, als aus dem von Euch genannten, Ihr kommt ohne Auftrag, ohne Botschaft, ohne Geleitbrief?«

»Sire,« antwortete lebhaft Saint-Luc, an dem Tone, in dem der König sprach, erkennend, dass in seinem Herrn Groll und Zorn erloschen waren, »Sire, ich komme ganz einfach zurück, um zurückzukommen, und zwar in größter Eile. Nun kann mich Eure Majestät in einer Stunde in die Bastille werfen, in zwei Stunden erschießen lassen; doch ich werde meine Pflicht getan haben. Anjou steht in Flammen, die Touraine ist im Begriffe, sich zu empören, und die Guyenne erhebt sich, um ihr die Hand zu reichen. Der Herzog von Anjou bearbeitet den Westen und Süden von Frankreich.«

»Und er wird gut unterstützt, nicht wahr?« rief der König.

»Sire,« sprach Saint-Luc, der den Sinn der Worte des Königs verstand, »weder Ratschläge, noch Vorstellungen halten den Herzog auf; und Herr von Bussy, so fest er ist, vermag Euren Bruder nicht über den Schrecken zu beruhigen, den Eure Majestät ihm eingeflößt hat.«

»Ah! ah! der Rebell zittert also?« versetzte Heinrich in seinen Schnurrbart lächelnd.

»Bei Gott! das ist ein geschickter Mann,« sagte Chicot sein Kinn streichelnd.

Und den König mit dem Ellenbogen stoßend, fügte er bei:

»Geh' auf die Seite, Heinrich, dass ich Herrn von Saint-Luc die Hand drücken kann.«

Diese Bewegung erschütterte den König. Er ließ Chicot dem Ankömmling sein Kompliment machen, ging dann langsam auf seinen alten Freund zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach:

»Sei willkommen, Saint-Luc.«

»Ah! Sire, endlich finde ich also meinen viel geliebten Herrn wieder!« rief Saint-Luc, dem König die Hand küssend.

»Ja, doch ich finde Dich nicht wieder,« entgegnete Heinrich, »oder ich finde Dich wenigstens so abgemagert, mein armer Saint-Luc, dass ich Dich nicht erkannt hätte, wenn Du vorübergegangen wärst.«

Bei diesen Worten ließ sich eine weibliche Stimme hören.

»Sire,« sagte diese Stimme, »das ist der Kummer, Eurer Majestät missfallen zu haben.«

Obgleich diese Stimme sanft und ehrfurchtsvoll klang, so bebte doch Heinrich.

Diese Stimme war ihm so widrig, als Augustus der Lärmen des Donners.

»Frau von Saint-Luc,« murmelte er. »Ah! es ist wahr, ich hatte es vergessen.«

Jeanne warf sich ihm zu Füßen.

»Steht auf, Madame,« sagte der König, »ich liebe Alles, was den Namen Saint-Luc trägt.«

Jeanne nahm die Hand des Königs und näherte sie ihren Lippen.

Heinrich zog sie rasch zurück.

»Vorwärts,« sprach Chicot zu der jungen Frau, »vorwärts, bekehrt den König, Ihr seid schön genug dazu.«

Doch Heinrich wandte Jeanne den Rücken, schlang seinen Arm um den Hals von Saint-Luc und ging mit ihm in seine Gemächer.

»Also der Friede ist geschlossen, Saint-Luc?« sagte er.

»Sprecht, die Gnade ist bewilligt, Sire,« antwortete der Höfling.

»Madame,« sagte Chicot zu Jeanne, welche unentschlossen zurückgeblieben war, »eine gute Frau darf ihren Gatten nicht verlassen, besonders, wenn ihr Gatte in Gefahr ist.«

Und er schob Jeanne Heinrich und Saint-Luc auf den Fersen nach.

Sechstes Kapitel
Worin von zwei wichtigen Personen dieser Geschichte die Rede ist, welche der Leser seit einiger Zeit aus dem Blicke verloren hatte

Es gibt eine, es gibt sogar zwei Personen dieser Geschichte, über deren Begebenheiten und Handlungen der Leser Rechenschaft von uns zu verlangen befugt ist.

Mit der Demut eines Schriftstellers vom alten Stil beeilen wir uns, den Fragen entgegenzukommen, deren Gewicht wir gar wohl fühlen.

Es handelt sich zuerst um einen ungeheuren Mönch mit dicken Augenbrauen, roten, fleischigen Lippen, großen Händen und breiten Schultern, dessen Hals täglich um so viel abnimmt, als Brust und Backen an Entwickelung gewinnen.

Es handelt sich sodann um einen sehr großen Esel, dessen Seiten sich anmutig runden und füllen.

Der Mönch wird, jeden Tag einem von zwei Balken gestützten Fasse ähnlicher.

Der Esel gleicht bereits einer Wiege getragen von vier Spinnrocken.

Der Eine bewohnt eine Zelle im Sainte-Geneviève Kloster, wo ihn die volle Gnade des Herrn heimsucht.

Der Andere bewohnt den Stall desselben Klosters, wo er ganz behaglich an einer immer vollen Raufe lebt.

Der Eine antwortet auf den Namen Gorenflot.

Der Andere sollte auf den Namen Panurgos antworten.

Beide erfreuen sich, für den Augenblick wenigstens, des günstigsten Schicksals, das je ein Esel und ein Mönch geträumt haben mögen. Die Genovever umgeben ihren Gefährten mit jeder Fürsorge und Aufmerksamkeit, und den Gottheiten dritten Ranges ähnlich, welche den Adler von Jupiter, den Pfau von Juno und die Tauben von Venus pflegten, mästen die Laienbrüder Panurgos zu Ehren seines Herrn.

Die Küche der Abtei raucht beständig; der Wein aus den berühmtesten Gegenden von Burgund fließt in die umfangreichsten Humpen. Kommt ein Missionar, der für die Verbreitung des Glaubens die entferntesten Länder bereist hat, kommt ein geheimer Legat des Papstes, um Indulgenzen von Seiner Heiligkeit zu überbringen, so zeigt man ihm den Bruder Gorenflot, dieses doppelte Musterbild der predigenden und der streitenden Kirche, diesen Mann, der das Wort handhabt, wie der heilige Lucas, und das Schwert, wie der heilige Paulus; man zeigt ihm Gorenflot in seiner ganzen Herrlichkeit, das heißt wie er gerade in einem Schmause begriffen ist: man hat einen Tisch für den heiligen Bauch von Gorenflot ausgeschnitten und man bläst sich in einem edlen Stolze auf, indem man den frommen Reisenden sehen lässt, wie Gorenflot für sich allein die Ration der acht kräftigsten Appetitmänner des Klosters verschlingt.

Und wenn der Ankömmling andächtig dieses Wunder betrachtet, so spricht der Prior, die Hände faltend und die Augen zum Himmel aufschlagend:

»Welch eine bewunderungswürdige Natur, der Bruder Gorenflot liebt die Tafel und kultiviert die Künste; Ihr seht, wie er isst! Ah! wenn Ihr die Rede gehört hättet, die er in einer gewissen Nacht gehalten hat, eine Rede, worin er das Anerbieten machte, sich für den Triumph des Glaubens zu opfern! Das ist ein Mund, der spricht, wie St. Johannes Chrysostomus, und schlingt, wie der von Gargantua.«

Es zieht indessen mitten unter dieser Herrlichkeit zuweilen eine Wolke über die Stirne von Gorenflot, das Geflügel von Mans dampft vergebens unter seiner Nase, die kleinen Austern von Flandern enthüllen vergebens ihre Umrisse in der glänzenden Muschel; die verschiedenartig geformten Flaschen bleiben unberührt, obgleich der geöffnete Hals seine Düfte entsendet: Gorenflot ist düster, Gorenflot hat keinen Hunger, Gorenflot träumt.

Dann verbreitet sich das Gerücht, der würdige Genovever sei in einer Entzückung, wie der heilige Franz, oder in einer Ohnmacht, wie die heilige Theresa, und die Bewunderung verdoppelt sich.

Es ist nicht mehr ein Mönch, es ist ein Heiliger? es ist nicht mehr ein Heiliger, sondern ein Halbgott. Einige gehen sogar so weit, dass sie behaupten, es sei ein vollkommener Gott.

»Stille!« murmelt man, »stören wir den Traum des Bruder Gorenflot nicht.«

Und man entfernt sich ehrfurchtsvoll.

Der Prior allein erwartet den Augenblick, wo Bruder Gorenflot irgend ein Lebenszeichen von sich gibt, nähert sich dem Mönche, nimmt ihn freundlich bei der Hand und befragt ihn ehrerbietig.

Gorenflot erhebt das Haupt und schaut den Prior mit verdutzten Augen an.

Er kommt aus einer andern Welt.

»Was machtet Ihr, mein würdiger Bruder?« fragt der Prior.

»Ich?« spricht Gorenflot.

»Ja, Ihr. Ihr machtet etwas.«

»Ja, mein Vater, ich entwarf eine Rede.«

»In der Art von derjenigen, welche Ihr so mutig in der Nacht der heiligen Ligue gehalten habt?«

So oft man ihm von dieser Rede spricht, beklagt Gorenflot seine Schwäche.

»Ja,« sagt er, einen Seufzer ausstoßend, »in derselben Art. Oh! welch ein Unglück, dass ich sie nicht aufgeschrieben habe.«

»Bedarf ein Mann, wie Ihr, des Aufschreibens, mein lieber Bruder? Nein, er spricht aus Eingebung er öffnet den Mund, und da das Wort Gottes in ihm ist, so fließt das Wort Gottes von seinen Lippen.«

»Ihr glaubt?« versetzt Gorenflot.

»Glücklich, der da zweifelt,« antwortet der Prior.

Gorenflot, der die Notwendigkeit seiner Stellung begreift und durch die Vorgänge gebunden ist, sinnt wirklich hie und da auf eine Rede. Marcus Tullius, Cäsar, St. Gregor, St. Augustin, St. Hieronymus und Tertullian zum Trotze beginnt die Wiedergeburt der heiligen Beredsamkeit mit Gorenflot. Rerum novus ordo nascitur.

Von Zeit zu Zeit, am Ende seines Mahles oder mitten unter seinen Entzückungen, erhebt sich Gorenflot und geht, als ob ein unsichtbarer Arm ihn forttrieb, geraden Weges in den Stall; hier schaut er liebevoll Panurgos an, der vor Vergnügen wiehert, und fährt dann mit seiner gewichtigen Hand durch die reichlichen Haare, in denen seine dicken Finger völlig verschwinden. Dann ist es mehr als Vergnügen, es ist Glück, Panurgos beschränkt sich nicht mehr auf das Wiehern, er wälzt sich.

Der Prior und drei bis vier Würdenträger des Klosters geleiten ihn gewöhnlich bei diesen Gängen und überhäufen Panurgos mit Schmeicheleien und Liebkosungen aller Art: der Eine bietet ihm Kuchen, der Andere Zwieback, der Dritte Macronen, wie einst diejenigen, welche sich Pluto günstig machen wollten, Cerberus Honigfladen boten. Panurgos lässt mit sich machen, was man will, er hat einen verträglichen Charakter; überdies kommen bei ihm die Extasen nicht vor, er hat keine Predigt zu machen, keinen Ruf aufrecht zu halten, als den der Halsstarrigkeit, der Trägheit und der Üppigkeit, und so findet er, dass ihm nichts zu wünschen übrig bleibt, und dass er der Glücklichste der Esel ist.

Der Prior schaut ihn voll Rührung an und spricht:

»Einfach und sanft, das ist die Tugend der Starken.«

Gorenflot hat gelernt, dass man im Lateinischen ita für ja sagt; das bedient ihn vortrefflich, und auf Alles, was man zu ihm spricht, antwortet er ita mit einer Abgeschmacktheit, welche ihre Wirkung nie verfehlt.

Ermutigt durch diese beständige Beipflichtung sagt der Abt manchmal zu ihm:

»Ihr arbeitet zu viel, mein lieber Bruder, und das macht Euch traurig im Gemüt.«

Gorenflot aber antwortet Messire Joseph Foulon, wie Chicot zuweilen Seiner Majestät Heinrich III. antwortet.

»Wer weiß?«

»Vielleicht sind Euch unsere Speisen ein wenig zu plump,« fügt der Prior bei, »wünscht Ihr etwa, dass man eine Veränderung mit dem Bruder Koch vornehme? Ihr wisst, lieber Bruder: Quaedam saturationes minus succedunt

»Ita,« antwortet ewig Gorenflot, seine Zärtlichkeiten für seinen Esel verdoppelnd.

»Ihr liebkost Euren Panurgos ungemein, mein Bruder,« spricht der Prior, »sollte Euch die Reiselust wieder erfassen?«

»Oh!« antwortet Gorenflot mit einem Seufzer.

Diese Erinnerung ist es allerdings, was Gorenflot quält. Gorenflot, der Anfangs seine Verbannung aus dem Kloster als ein ungeheures Unglück betrachtet hatte, entdeckte in dieser Verbannung unaussprechliche und unbekannte Freuden, deren Quelle die Freiheit ist. Mitten in seinem Glücke nagt ein Wurm an seinem Herzen: das Verlangen nach Freiheit, Freiheit mit Chicot, dem lustigen Genossen, mit Chicot, den er liebt, ohne genau zu wissen warum, vielleicht, weil er ihn von Zeit zu Zeit schlägt.

»Ach!« spricht schüchtern ein Mönch, der das Spiel der Gesichtszüge von Gorenflot verfolgt hat, »ich glaube, Ihr habt Recht, würdiger Prior, der Aufenthalt im Kloster ermüdet den ehrwürdigen Bruder.«

»Nicht gerade,« erwidert Gorenflot, »doch ich fühle, dass ich für ein Leben des Kampfes, für die Politik des Kreuzweges und für die Predigt vom Weichsteine geboren bin.«

 

Und während er diese Worte spricht, beleben sich die Augen von Gorenflot; er denkt an die Pfannkuchen von Chicot, an den Anjouwein von Meister Claude Bonhommet, an die untere Stube des Füllhornes.

Seit dem Abend der Ligue oder vielmehr seit dem Morgen des andern Tages, wo er in sein Kloster zurückgekehrt ist, hat man ihn nicht mehr hinausgelassen; seitdem der König sich zum Haupt der Union gemacht, haben die Liguisten ihre Vorsicht verdoppelt.

Gorenflot ist so einfach, dass er nicht einmal daran denkt, seine Stellung zu benützen, um sich die Pforten öffnen zu lassen. Man hat ihm gesagt: Bruder, es ist verboten, hinauszugehen, und er ist nicht hinausgegangen.

Man vermutete die innere Flamme nicht, die ihm die Glückseligkeit des Klosters so drückend machte.

Als man sah, wie seine Traurigkeit von Tag zu Tag zunahm, sagte der Prior zu ihm: »Mein sehr geliebter Bruder, Niemand muss seinen Beruf bekämpfen, der Eurige ist, für Christus zu streiten; geht also, erfüllt die Sendung, die Euch der Herr anvertraut hat, wacht indessen nur über Eurem kostbaren Leben und kommt zum großen Tage zurück.«

»Zu welchem großen Tage?« fragte Gorenflot, einzig von seiner Freude erfüllt.

»Zum Fronleichnamsfeste.«

»Ita,« spricht der Mönch mit einer Miene tiefen Einverständnisses, »dass ich mich jedoch auf eine christliche Weise durch Almosen inspiriere, gebt mir etwas Geld,« fügte Gorenflot bei.

Der Prior beeilte sich, eine große Börse zu holen, die er Gorenflot öffnete. Gorenflot tauchte seine breite Hand hinein.

»Ihr werdet sehen, was ich dem Kloster zurückbringe,« spricht er, indem er in die weite Tasche seiner Kutte übergehen lässt, was er aus der Börse des Priors entlehnt hat.

»Nicht wahr, Ihr habt Euren Text, mein lieber Bruder?« fragte Joseph Foulon.

»Ja, gewiss.«

»Wollt ihn mir anvertrauen?«

»Gern; doch Euch allein.«

Der Prior näherte sich Gorenflot und horchte aufmerksam.

»Hört.«

»Ich höre.«

»Der Dreschflegel, der das Korn schlägt, schlägt sich selbst,« spricht Gorenflot.

»Oh! herrlich! oh! erhaben!« ruft der Prior.

Und aus Vertrauen die Begeisterung von Messire Joseph Foulon teilend, wiederholten die Anwesenden:

»Herrlich! erhaben!«

»Und nun, mein Vater, bin ich frei?« fragte Gorenflot voll Demut.

»Ja, mein Sohn,« rief der ehrwürdige Abt, »geht und wandelt auf dem Wege des Herrn.«

Gorenflot ließ Panurgos satteln, bestieg ihn mit Hilfe von zwei kräftigen Mönchen und ritt gegen sieben Uhr Abends aus dem Kloster weg.

Es war der Tag, an welchem Saint-Luc von Méridor ankam. Die von Anjou eingelaufenen Nachrichten erhielten Paris in Bewegung.

Nachdem Gorenflot der Rue Saint-Etienne gefolgt war, wandte er sich rechts und ritt an den Jacobinern vorbei, als plötzlich Panurgos stutzte: eine kräftige Hand hatte sich auf sein Kreuz gelegt.

»Wer da?« rief Gorenflot erschrocken.

»Gut Freund!« antwortete eine Stimme, welche Gorenflot zu erkennen glaubte.

Gorenflot hatte gute Lust, sich umzuwenden; doch wie die Seeleute, die, so oft sie sich einschiffen, ihren Fuß von Neuem an das Schwanken des Fahrzeugs gewöhnen müssen, so brauchte Gorenflot, so oft er seinen Esel bestieg, einige Zeit, um sein Gleichgewicht wieder zu erhalten.

»Was verlangt Ihr?« fragte er.

»Mein ehrwürdiger Bruder, wollt Ihr die Güte haben, mir den Weg zum Füllhorn zu zeigen?« erwiderte die Stimme.

»Alle Donner!« rief Gorenslot in der höchsten Freude, »es ist Herr Chicot in Person.«

»Ganz richtig,« antwortete der Gascogner, »ich wollte Euch im Kloster aufsuchen, mein lieber Bruder, als ich Euch herauskommen sah. Ich folgte Euch einige Zeit, aus Furcht, mich zu kompromittieren, wenn ich mit Euch sprechen würde; doch nun, da wir allein sind, seht Ihr mich vor Euch. Seid gegrüßt, Kuttenmann; beim Teufel! ich finde Euch sehr mager.«

»Und ich finde, bei meiner Ehre, Herr Chicot, dass Ihr dick geworden seid.«

»Ich glaube, wir schmeicheln einander Beide.«

»Aber was habt Ihr denn, Herr Chicot, Ihr scheint schwer beladen?«

»Es ist ein Viertel von einem Dambock, das ich Seiner Majestät gestohlen habe. Wir werden es auf dem Roste braten lassen,« antwortete der Gascogner.

»Lieber Herr Chicot!« rief der Mönch, »und was habt Ihr unter dem andern Arm?«

»Es ist eine Flasche Cyperwein, durch einen König an meinen König gesandt.«

»Lasst sehen,« sprach Gorenflot.

»Es ist der Wein, den ich besonders liebe,« versetzte Chicot, seinen Mantel auf die Seite schiebend, »und Du, Bruder Mönch?«

»Oh! oh!« rief Gorenflot den doppelten Heimfall erblickend und sich auf seinem Tiere so lustig gebärdend, dass Panurgos sich unter ihm bog, »oh! oh!«

In seiner Freude streckte der Mönch seine Arme zum Himmel empor und sang mit einer Stimme, welche die Fensterscheiben der Häuser rechts und links zittern machte, während ihn Panurgos mit seinem Iah-Schreien begleitete:

 
Musik mit ihren Reizen all'
Erfreut doch nur des Ohres Sinn:
Es kitzelt süß, nährt aber nicht
Die Blum', des Duftes Spenderin.
Dem Himmel darf das Aug' nur nahen,
Den es so gerne möcht' umfahen;
Drum lob ich mir den Wein vor Allem,
Ihn, den man riecht und trinkt und fühlt,
Nie hat Musik und Blum' und Himmel
Mich so ergötzt, erquickt, gekühlt.
 

Es war das erste Mal seit beinahe einem Monat, dass Gorenflot sang.