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Die Dame von Monsoreau

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Dreizehntes bis sechzehntes Bändchen

Erstes Kapitel
Die Kleinen Ursachen und die großen Wirkungen

Catharina war bei diesem ersten Teile der Unterredung in sichtbarem Nachtheil. Eine solche Niederlage war so wenig vorhergesehen, und besonders so ungewohnt, dass sie sich fragte, ob ihr Sohn so entschieden in seinen Weigerungen wäre, wie er dies zu sein schien, als plötzlich ein kleines Ereignis das Angesicht der Dinge veränderte.

Man hat zu drei Vierteilen verlorene Schlachten durch eine Veränderung des Windes gewinnen sehen, et vice versa: Marengo und Waterloo sind ein doppeltes Beispiel hiervon. Ein Sandkorn verändert den Lauf der mächtigsten Maschine.

Bussy war, wie gesagt, in einem nach dem Alkoven des Herrn Herzogs von Anjou ausmündenden Gange so gestellt, dass er nur von dem Prinzen gesehen werden konnte; aus seinem Verstecke schob er den Kopf durch einen Spalt der Tapete in den Augenblicken vor, wo er seine Sache bedeutend gefährdet glaubte.

Seine Sache war, wie man begreift, der Krieg um jeden Preis: man musste sich in Anjou behaupten, so lange Herr von Monsoreau hier war, den Mann so überwachen und die Frau besuchen.

Diese außerordentlich einfache Politik verwickelte indessen die Politik von Frankreich im höchsten Grade; bei großen Wirkungen kleine Ursachen.

Deshalb trieb Bussy mit vielen Blicken, mit wütenden Mienen, mit gewaltigen Gebärden, mit furchtbaren Augen und gerunzelter Stirne seinen Herrn zur Starrköpfigkeit an. Der Herzog hatte bange vor Bussy, ließ sich antreiben, und man sah ihn wirklich äußerst hartnäckig.

Catharina war also auf allen Punkten geschlagen, und sie dachte nur noch an einen ehrenvollen Rückzug, als ein kleines Ereignis, ein Ereignis, nicht minder unerwartet, als die Halsstarrigkeit des Herrn Herzogs von Anjou, ihr Entsatz bot. Plötzlich, während der lebhaftesten Unterredung von Mutter und Sohn, während des kräftigsten Widerstandes des Herrn Herzogs von Anjou fühlte Bussy, dass man ihn unten am Mantel zerrte. Begierig, nichts von der Unterredung zu verlieren, streckte er seine Hand, ohne sich umzuwenden, nach der Stelle aus, wo man an ihm zog, und fand ein Faustgelenke; an diesem Gelenke fortfahrend, fand er einen Arm, nach dem Arm eine Schulter, und nach der Schulter einen Menschen.

Als er nun sah, dass die Sache wohl der Mühe wert war, wandte er sich um.

Der Mensch war Remy.

Bussy wollte sprechen, doch Remy legte einen Finger auf seinen Mund und zog dann seinen Herrn ganz sachte in das anstoßende Zimmer.

»Was gibt es denn, Remy?« fragte der Graf sehr ungeduldig, »und warum störst Du mich in einem solchen Augenblick?«

»Ein Brief,« erwiderte Remy ganz leise.

»Der Teufel soll Dich holen! wegen eines Briefes entreißest Du mich einem so wichtigen Gespräche, wie ich es so eben mit Monseigneur dem Herzog von Anjou führte.«

Remy schien durchaus nicht durch diesen Vorwurf aus der Fassung gebracht.

»Es ist ein Unterschied zwischen den Briefen,« sagte er.

»Allerdings,« dachte Bussy, »woher kommt dieser?«

»Von Méridor.«

»Oh! von Méridor, versetzte Bussy lebhaft, »ich danke, mein guter Remy, ich danke.«

»Ich habe also nicht mehr Unrecht?«

»Kannst Du je Unrecht haben? Wo ist der Brief?«

»Ah! gerade der Umstand, dass ihn der Bote nur Euch allein übergeben wollte, ließ mich glauben, er wäre von großer Wichtigkeit.«

»Der Bote hat Recht; ist er da?«

»Ja.«

»Führe ihn hierher.«

Remy öffnete die Türe, und eine Art von Stallknecht trat ein.

»Hier ist Herr von Bussy,« sagte er, auf den Grafen deutend.

»Gib; ich bin derjenige, nach welchem Du fragst,« sprach Bussy und drückte ihm eine halbe Pistole in die Hand.

»Oh! ich kenne Euch wohl,« sagte der Stallknecht, dem Grafen den Brief reichend.

»Und sie hat Dir diesen Brief übergeben?«

»Nein, nicht sie, er

»Wer er?« fragte Bussy, rasch die Handschrift anschauend.

»Herr von Saint-Luc.«

»Ah! Ah!«

Bussy war leicht erbleicht, denn bei dem Worte: er, hatte er geglaubt, es wäre vom Manne und nicht von der Frau die Rede, und Herr von Monsoreau hatte das Vorrecht, Bussy erbleichen zu machen, so oft er an ihn dachte.

Bussy wandte sich ab, um zu lesen und beim Lesen die Aufregung zu verbergen, welche jeder Mensch zu offenbaren befürchten muss, wenn er einen wichtigen Brief erhält und nicht Cesare Borgia, Macchiavel, Catharina von Medicis oder der Teufel ist.

Er hatte Recht, dass er sich umwandte, der arme Bussy, denn kaum hatte er den uns bekannten Brief durchlaufen, als ihm das Blut in das Gehirn stieg und auf seine Augen schlug, wie ein in Wut geratenes Meer, so dass er von bleich purpurrot wurde, einen Augenblick ganz betäubt blieb, und im Gefühle, er würde fallen, sich auf einen Lehnstuhl beim Fenster niederließ.

»Gehe,« sagte Remy zu dem über die Wirkung des Briefes, den er überbracht, sehr erstaunten Stallknecht.

Und er schob ihn an den Schultern zur Türe hinaus.

Der Stallknecht eilte rasch fort, denn er glaubte, die Nachricht wäre eine schlimme gewesen, und befürchtete, man würde ihm seine halbe Pistole wieder nehmen.

Remy kehrte zu dem Grafen zurück, schüttelte ihn beim Arm und rief:

»Gottes Tod!, antwortet mir auf der Stelle, oder beim heiligen Aesculap! ich lasse Euch an allen vier Gliedern zur Ader.«

Bussy erhob sich; er war nicht mehr rot, er war nicht mehr betäubt: er war düster.

»Sieh,« sagte er, »sieh, was Saint-Luc für mich getan hat.«

Und er reichte Remy den Brief.

Remy las gierig.

»Nun,« sprach er, »mir scheint, dies Alles ist sehr schön, und Herr von Saint-Luc ist ein äußerst artiger Mann.

Es leben die Leute von Geist, welche eine Seele auf eine geschickte Weise in das Fegefeuer zu expedieren wissen!«

»Das ist unglaublich!« stammelte Bussy.

»Es ist allerdings unglaublich, doch das tut nichts. Unsere Stellung ist nun ganz und gar verändert; ich werde in neun Monaten eine Gräfin von Bussy unter meinen Kunden haben. Alle Teufel! seid unbesorgt, ich accouchire wie Meister Ambroise Paré.«

»Ja,« sprach Bussy, »sie wird meine Frau werden.«

»Mir scheint, es ist zu diesem Behufe nicht viel Großes mehr zu tun, und sie war es bereits mehr, als sie die ihres Gatten gewesen ist.«

»Monsoreau tot!«

»Todt!« wiederholte der Haudouin, »das steht geschrieben.«

»Oh! es ist mir, als träumte ich, Remy. Wie! ich werde das Gespenst nicht mehr sehen, das stets bereit war, sich gegen mich und das Glück zu erheben? Remy, wir täuschen uns.«

»Wir täuschen uns nicht im Geringsten. Lest beim Teufel noch einmal! Auf die Klapperrosen gefallen, seht, und zwar so hart, dass er daran gestorben ist! Ich habe schon öfters bemerkt, dass es sehr gefährlich ist, auf Klapperrosen zu fallen; doch ich glaubte, die Gefahr bestünde nur für die Frauen.«

»Aber Diana,« sagte Bussy, ohne auf die Possen von Remy zu hören, und nur den Wendungen seines Gedankens folgend, der sich in allen Richtungen in seinem Geiste drehte, »aber Diana wird nicht in Méridor bleiben können. Ich will es nicht. Sie muss an einen andern Ort gehen, an einen Ort, wo sie vergessen kann.«

»Ich glaube, Paris wäre zu diesem Behufe ziemlich gut,« sprach der Haudouin, »in Paris vergisst man leicht.«

»Du hast Recht; sie wird wieder von ihrem kleinen Hause in der Rue des Tournelles Besitz ergreifen, und die zehn Monate Witwenschaft bringen wir im Dunkeln zu, wenn überhaupt das Glück still und dunkel sein kann, und die Heirat wird für uns der andere Morgen der Seligkeit des vorhergehenden Tages sein.«

»Das ist wahr,« sprach Remy, »doch um nach Paris zu gehen …«

»Nun?«

»Brauchen wir etwas.«.

«Was?«

»Den Frieden in Anjou.«

»Ganz richtig,« rief Bussy, »sehr richtig. Oh! mein Gott, wie viel Zeit ist verloren, und unnötig verloren.«

»Damit wollt Ihr sagen, Ihr werdet zu Pferde steigen und nach Méridor eilen.«

»Nein, ich wenigstens nicht, doch Du; ich bin durch unüberwindliche Hindernisse hier zurückgehalten; überdies wäre meine Gegenwart in einem solchen Augenblick beinahe unschicklich.«

»Wie kann ich sie sehen? Soll ich mich im Schlosse zeigen?«

»Nein; begib Dich zuerst nach dem alten Schlage, vielleicht geht sie dort, mich erwartend, spazieren; erblickst Du sie nicht, so eile nach dem Schlosse.«

Und dem jungen Manne, auf den ihn die Erfahrung wie auf ein anderes Ich zählen gelehrt hatte, die Hand drückend, nahm er rasch wieder seinen Platz im Gange hinter der Tapete des Alkovens ein.

Catharina suchte in der Abwesenheit von Bussy das Terrain wieder zu gewinnen, das sie durch seine Gegenwart verloren hatte.

»Mein Sohn,« sagte sie, »ich glaubte, eine Mutter müsste sich stets mit ihrem Kind verständigen können.«

»Ihr seht, meine Mutter, dass dies zuweilen nicht der Fall ist,« antwortete der Herzog von Anjou.«

»Wenn sie es will, wird es stets geschehen.«

»Madame, wenn sie es wollen, hättet Ihr sagen müssen,« versetzte der Herzog, und suchte, zufrieden mit diesem stolzen Worte, Bussy, um durch einen billigenden Blick von ihm belohnt zu werden.

»Aber ich will es!« rief Catharina, »versteht Ihr mich? Franz, ich will es.«

Und der Ausdruck der Stimme bildete einen scharfen Kontrast mit den Worten, denn die Worte waren befehlend und die Stimme beinahe flehend.

»Ihr wollt es?« entgegnete der Herzog von Anjou lächelnd.

»Ja, ich will es, und alle Opfer werden mir leicht werden, um zu diesem Ziele zu gelangen.«

»Ah! ah!« rief Franz, »alle Teufel!«

»Ja, ja, liebes Kind; sagt, was fordert Ihr, was wollt Ihr? Sprecht! befehlt!«

»Oh! meine Mutter!« entgegnete Franz, beinahe verlegen über einen so vollständigen Sieg, der ihm nicht die Möglichkeit ließ, ein strenger Sieger zu sein.

 

»Hört, mein Sohn,« sprach Catharina mit ihrem einschmeichelndsten Tone, »nicht wahr, Ihr sucht nicht ein Königreich in Blut zu tauchen? Das ist nicht möglich, denn Ihr seid weder ein schlechter Franzose, noch ein schlechter Bruder.«

»Mein Bruder hat mich beleidigt, Madame, und ich bin ihm nichts mehr schuldig, weder als meinem Bruder, noch als meinem König.«

»Doch ich, Franz, ich, Ihr könnt Euch nicht über mich beklagen.«

»Allerdings, Madame, denn Ihr habt mich verlassen,« erwiderte der Herzog, im Glauben, Bussy wäre immer noch da und könnte ihn, wie vorher, hören.

»Ah! Ihr wollt meinen Tod?« sprach Catharina mit düsterem Tone. »Wohl, es sei, ich werde sterben, wie eine Frau sterben muss, die ihre Kinder sich gegenseitig erwürgen sieht.«

Es versteht sich, dass Catharina nicht im Geringsten zu sterben Lust hatte.

»Oh! sagt das nicht, Madame, Ihr verwundet mir das Herz!« rief Franz, dessen Herz nicht im Geringsten verwundet war.

Catharina zerfloss in Tränen.

Der Herzog nahm seine Mutter bei den Händen und suchte sie zu beschwichtigen, wobei er beständig unruhige Blicke nach dem Alkoven warf.

»Doch was wollt Ihr?« sagte sie, »sprecht wenigstens Eure Forderungen aus, damit wir wissen, woran wir uns zu halten haben.«

»Was wollt Ihr selbst? Sprecht, meine Mutter, ich höre Euch.«

»Ich wünsche, dass Ihr nach Paris zurückkehrtet, liebes Kind, ich wünsche, dass Ihr an den Hof des Königs, Eures Bruders, der Euch die Arme entgegenstreckt, zurückkämet.«

»Ei, Tod meines Lebens! Madame, ich sehe klar, nicht er streckt mir die Arme entgegen, sondern die Zugbrücke der Bastille.«

»Nein, kommt zurück, kommt zurück, und bei meiner Ehre, bei meiner Mutterliebe, bei dem Blute unseres Herrn Jesu Christi (Catharina bekreuzte sich), Ihr werdet von dem König empfangen werden, als ob Ihr der König wäret und er der Herzog von Anjou.«

Der Herzog schaute hartnäckig nach dem Alkoven.

»Willigt ein,« fuhr Catharina fort, »willigt ein, mein Sohn; wollt Ihr andere Apanagen, sprecht, wollt Ihr Leibwachen?«

»Ei! Madame, Euer Sohn hat mir bereits gegeben, und zwar Ehrenwachen, da er seine vier Mignons dazu erwählte.«

»Hört, antwortet mir nicht so: die Wachen, die er Euch zu geben hat, werdet Ihr Euch selbst wählen; Ihr sollt einen Kapitän haben, wenn es sein muss, und dieser Kapitän wird, wenn es auch sein muss, Herr von Bussy werden.«

Erschüttert durch dieses letzte Anerbieten, für welches Bussy, wie er denken musste, empfänglich sein würde, warf der Herzog noch einen Blick nach dem Alkoven, zitternd, er würde einem flammenden Auge und weißen, im Schatten bleckenden Zahnen begegnen. Doch, o welch ein Erstaunen! er sah im Gegenteil Bussy, lachend, freudig, und durch zahlreiche billigende Zeichen des Kopfes Beifall spendend.

»Was soll das bedeuten?« dachte er, »wollte Bussy nur den Krieg, um Kapitän meiner Leibwachen zu werden?«

»Ich muss also einwilligen?« sprach der Herzog laut, und als fragte er sich selbst.

»Ja! Ja! ja!« machte Bussy mit den Händen, mit den Schultern und mit dem Kopfe.

»Ich müsste also Anjou verlassen, um nach Paris zurückzukehren?« fuhr der Herzog fort.

«Ja! Ja! ja!« machte Bussy mit einer immer mehr zunehmenden Billigungswut.

»Ganz gewiss, liebes Kind,« sprach Catharina, »doch ist es denn so schwer, nach Paris zurückzukehren?«

»Meiner Treue,« sagte der Herzog zu sich selbst, »ich begreife das nicht. Es war unter uns verabredet, dass ich Alles verweigern sollte, und jetzt rät er mir den Frieden und die Umarmungen.«

»Nun!« fragte Catharina ängstlich, »was antwortet Ihr?«

»Meine Mutter, ich werde mir die Sache überlegen,« sprach der Herzog in der Absicht, sich mit Bussy über diesen Widerspruch zu verständigen, »und morgen …«

»Er ergibt sich,« dachte Catharina. »Gut, ich habe die Schlacht gewonnen.«

»Bussy hat im Ganzen vielleicht Recht,« sagte der Herzog zu sich selbst.

Und sie trennten sich nach gegenseitiger Umarmung.

Zweites Kapitel
Wie Herr von Monsoreau die Augen öffnete, schloss und wieder öffnete, was zum Beweise diente, dass er noch nicht ganz tot war

Es ist etwas Süßes um einen Freund, um so süßer, je seltener es ist. Remy gestand sich das selbst, während er auf einem der besten Pferde aus den Ställen des Prinzen durch das Feld jagte. Gern hätte er Roland genommen, doch Herr von Monsoreau war ihm in diesem Punkte zuvorgekommen, und er musste sich mit einem andern Pferde begnügen.

»Ich liebe Herrn von Bussy sehr,« sagte der Haudouin zu sich selbst, »und ich glaube, dass Herr von Bussy mich ebenfalls ungemein liebt, deshalb bin ich heute so freudig, denn ich habe heute Glück für zwei.«

Dann fügte er mit voller Brust atmend bei: »In der Tat, mir scheint, mein Herz ist nicht mehr weit genug.«

»Lass sehen,« fuhr er sich selbst befragend fort, »wie soll ich Frau Diana begrüßen?«

»Ist sie gravitätisch, zeremoniös, düster, stumme Verbeugungen und eine Hand auf dem Herzen; lächelt sie, Pirouetten und eine Polonaise, die ich ganz allein ausführen werde.

»Ist Herr von Saint-Luc noch im Schlosse, ein Vivat und Danksagungen in lateinischer Sprache. Er wird nicht traurig sein, da bin ich fest überzeugt.

»Ah! ich nähere mich.«

Das Pferd hatte wirklich, nachdem es die gewöhnlichen Wege verfolgt, seinen Reiter bis in die Gegend der Mauer getragen.

»Oh! die schönen Klapperrosen!« sagte Remy, »das erinnert mich an unsern Oberstjägermeister; diejenigen, auf welche der arme Mann gefallen ist, können nicht schöner sein, als diese hier.«

Remy näherte sich der Mauer immer mehr.

Plötzlich blieb das Pferd, die Nüstern weit geöffnet, das Auge starr, stille stehen.

Remy ritt zuvor im starken Trab, erwartete dieses Anhalten nicht, und wäre beinahe über den Kopf von Mithridates geflogen.

So hieß das Pferd, das er statt Rolands genommen hatte.

Remy, durch die Übung ein Reiter ohne Furcht, stieß seinem Tiere die Sporen in den Bauch: Mithridates rührte sich nicht; er hatte ohne Zweifel diesen Namen wegen der Ähnlichkeit erhalten, welche sein halsstarriger Charakter mit dem des Königs von Pontos bot.

Erstaunt senkte Remy seine Augen nach dem Boden, um zu suchen, was für ein Hindernis sein Pferd aufhalte; doch er sah nichts, als eine große Blutlache, welche allmählich während sie sich mit einem rosenfarbigen Schaume bekränzte, die Erde und die Blumen einsogen.

»Halt!« rief er, »sollte Herr von Saint-Luc hier Herrn von Monsoreau durchbohrt haben!«

Remy schaute wieder von der Erde auf und sah rings umher.

In einer Entfernung von zehn Schritten erblickte er im Gebüsche steife Beine und einen Körper, welcher noch viel steifer zu sein schien.

Die Beine waren ausgestreckt, der Leib war an die Mauer angelehnt.

»Sieh da, der Monsoreau,« sagte Remy. Hic obiit Nimrod. Ah! wenn die Witwe ihn so den Raben und Geiern ausgesetzt lässt, so ist es ein gutes Zeichen für uns, und die Leichenrede wird in Pirouetten und in einer Polonaise gehalten werden.«

Remy, war abgestiegen, machte einige Schritte in der Richtung des Körpers, und sagte sodann:

»Es ist drollig, er liegt hier tot, vollkommen tot, und dennoch ist das Blut dort. Ah! hier ist eine Spur. Er wird von dort hierhergekommen sein; oder vielmehr der gute Herr von Saint-Luc, der die Menschenfreundlichkeit selbst ist, wird ihn an diese Mauer angelehnt haben, damit ihm das Blut nicht in den Kopf steigt. Ja, so ist es, er ist meiner Treue tot; die Augen offen und ohne Grimasse, mausetot, eins, zwei!«

Remy machte in der Luft zwei Stöße mit seinem Finger.

Plötzlich wich er verdutzt und mit aufgesperrtem Munde zurück; die zwei Augen, welche er offen gesehen hatte, waren wieder geschlossen, und eine Blässe, noch bleifarbiger als zuvor, hatte sich über das Gesicht des Hingeschiedenen verbreitet.

Remy wurde beinahe so bleich als Herr von Monsoreau; doch da er Arzt, das heißt ziemlich materialistisch war, so murmelte er, sich an der Nasenspitze kratzend:

»Credere portentis mediocre. Wenn er die Augen geschlossen hat, so ist er noch nicht tot.«

Und da ihm trotz seines Materialismus die Lage der Dinge sehr unangenehm wurde und sich seine Kniegelenke mehr, als es sich geziemte, bogen, so setzte er sich, oder er sank vielmehr an dem Baum nieder, an den er sich anlehnte, und befand sich dem Leichnam gegenüber.

»Ich weiß nicht,« sagte er, »ich weiß nicht, wo ich gelesen habe, dass nach dem Tode gewisse Tätigkeitsphänomene sich erzeugen, welche nur eine Auflösung der Materie, das heißt einen Anfang der Fäulnis, offenbaren.

»Teufel von einem Menschen! er muss uns selbst noch nach seinem Tode in den Weg treten, das ist schon der Mühe wert. Ja, meiner Treue, die Augen sind nicht nur gut geschlossen, sondern die Blässe hat sogar zugenommen, color albus chroma chloron, wie Valien sagt; color albus wie Cicero sagt, der ein sehr geistreicher Redner war; übrigens gibt es ein Mittel, zu erfahren, ob er tot ist, oder ob er es nicht ist: ich brauche ihm nur meinen Degen einen Fuß tief in den Leib zu stoßen; wenn er sich nicht rührt, so ist er sicherlich verschieden.«

Remy schickte sich an, diese menschenfreundliche Probe zu machen; er legte sogar schon die Hand an seinen Degen, als die Augen von Monsoreau sich abermals öffneten.

»Diese Erscheinung brachte gerade die entgegengesetzte Wirkung der ersten hervor; Remy richtete sich wie von einer Feder bewegt auf, und ein kalter Schweiß floss von seiner Stirne.

Diesmal blieben die Augen von Monsoreau weit aufgesperrt.

»Er ist nicht tot,« murmelte Remy, »er ist nicht tot. Wir sind in einer schönen Lage!«

Ein ganz natürlicher Gedanke regte sich nun in dem Geiste des jungen Mannes.

»Er lebt,« sagte er, »das ist wahr; doch wenn ich ihn töte, so wird er ganz und gar tot sein.«

Und er schaute Monsoreau an, der ihn ebenfalls mit einem so bestürzten Auge anblickte, dass man hätte glauben sollen!, er könnte in der Seele des Arztes lesen, welcher Art seine Absichten waren.

»Pfui!« rief plötzlich Remy, »pfui! welch ein abscheulicher Gedanke! Gott ist mein Zeuge, wenn er hier aufrecht auf seinen Beinen vor mir stünde und sein Schwert schwänge, so würde ich ihn mit freudigem Herzen töten. Doch so, wie er jetzt ist, ohne Kraft und zu drei Vierteilen tot, wäre es mehr als ein Verbrechen, wäre es eine Schändlichkeit.«

»Zu Hilfe!« murmelte Monsoreau, »zu Hilfe, ich sterbe!«

»Tod meines Lebens!« sprach Remy, »die Lage der Dinge ist kritisch. Ich bin Arzt und folglich ist es meine Pflicht, meines Gleichen, wenn es leidet, zu erleichtern. Es ist wahr, der Monsoreau ist so hässlich, dass ich bei, nahe das Recht hätte, zu sagen, er sei nicht meines Gleichen; doch er ist von demselben Geschlechte – genus Homo. Auf! wir wollen vergessen, dass ich der Haudouin heiße, wir wollen vergessen, dass ich der Freund von Herrn von Bussy bin, und unsere Pflicht als Arzt erfüllen.«

»Zu Hilfe!« wiederholte der Verwundete.

»Hier bin ich!« sprach Remy.

»Holt mir einen Priester, einen Arzt.«

»Der Arzt ist gefunden und wird Euch vielleicht vom Priester freisprechen.«

»Der Haudouin!« rief Herr von Monsoreau, Remy erkennend, »durch welchen Zufall?«

Herr von Monsoreau blieb, wie man sieht, seinem Charakter getreu; in seinem Todeskampfe war er misstrauisch, fragte er. Remy begriff das ganze Gewicht der Frage. Dieser Wald war kein gebahnter Weg und man kam nicht hierher, ohne ein Geschäft zu haben; die Frage war also beinahe natürlich.

»Wie kommt Ihr hierher?« fragte abermals Monsoreau, dem der Argwohn wieder etwas Kraft verlieh.

»Bei Gott! weil ich eine Stunde von hier Herrn von Saint-Luc begegnet bin,« antwortete der Haudouin.

»Ah! meinem Mörder,« stammelte Monsoreau zugleich vor Schmerz und Zorn erbleichend.

»Da sagte er mir: ›Remy, lauft in den Wald, und an dem Orte, den man den alten Schlag nennt, werdet Ihr einen toten Mann finden.‹

»Todt!« wiederholte Monsoreau.

»Verdammt! er glaubte es,« sprach Remy, »Ihr müsst ihm deshalb nicht grollen; dann kam ich, sah ich, Ihr seid besiegt.«

»Und nun sagt mir, Ihr sprecht mit einem Manne, seid also unbesorgt, sagt mir, bin ich wirklich tödlich verwundet?«

»Oh Teufel!« versetzte Remy, »Ihr fragt mich viel, ich will es jedoch untersuchen.«

Wir bemerkten vorhin, das Gewissen des Arztes habe den Sieg über die Ergebenheit des Freundes davongetragen. Remy näherte sich also Monsoreau und zog ihm mit allen üblichen Vorsichtsmaßregeln seinen Mantel, sein Wamms und sein Hemd aus.

 

Der Degen war unter der rechten Brust zwischen der sechsten und siebenten Rippe eingedrungen.

»Hm!« sagte Remy, »habt Ihr starke Schmerzen?«

»Nicht in der Brust, sondern im Rücken.«

»Ah! lasst ein wenig sehen,« versetzte Remy, »in welchem Teile des Rückens?«

»Unterhalb der Schulter.«

»Das Eisen wird einen Knochen getroffen haben,« sprach Remy, »daher der Schmerz.«

Und er beschaute die Stelle, die ihm der Graf als den Sitz eines heftigeren Leidens bezeichnete.

»Nein,« sagte er, »nein, ich täuschte mich, das Eisen ist auf nichts gestoßen, es ist herausgekommen, wie es hineingekommen ist. Pest! ein hübscher Degenstich, Herr Graf; das lasse ich mir gefallen, es ist ein Vergnügen, die Verwundeten von Herrn von Saint-Luc zu behandeln. Ihr seid durch und durch gestoßen, mein lieber Herr.«

Monsoreau fiel in Ohnmacht, doch Remy kümmerte sich nichts um diese Schwäche.

»Ah! das ist es wirklich, Ohnmacht, sehr schwacher Puls; das muss so sein.« Er befühlte die Hände und die Beine: »Kälte an den Extremitäten.« Er legte das Ohr an die Brust: »Mangel des Geräusches vom Atemholen.« Er schlug sachte darauf: »Mattheit des Tones. Teufel, Teufel, die Witwenschaft von Frau Diana könnte wohl eine chronologische Angelegenheit sein.«

In diesem Augenblick befeuchtete ein leichter, rötlicher Schaum die Lippen des Verwundeten.

Remy, zog rasch aus seiner Tasche ein Bündel, nahm daraus eine Lancette, riss einen Streifen von dem Hemde des Verwundeten und drückte ihm den Arm zusammen. »Wir werden sehen,« sagte er, »wenn das Blut fließt, so ist Frau Diana vielleicht noch nicht Witwe. Doch wenn es nicht fließt… Ah! ah! es fließt meiner Treue. Verzeiht, mein lieber Herr von Bussy, verzeiht, doch man ist bei Gott vor Allem Arzt!«

Das Blut sprang wirklich, nachdem es gleichsam einen Augenblick gezögert hatte, aus der Wunde; beinahe zu derselben Zeit, wo es hervorkam, atmete der Kranke und öffnete die Augen.

»Ah!« stammelte er, »ich glaubte, es wäre bereits Alles vorbei.«

»Noch nicht, mein lieber Herr, noch nicht, es ist sogar möglich…«

»Dass ich davon komme.«

»O mein Gott! Ja… wir wollen zuerst die Wunde schließen. Wartet, rührt Euch nicht. Seht Ihr, die Natur behandelt Euch in diesem Augenblick von Innen, wie ich Euch von Außen behandle. Ich lege einen Verband auf, sie macht ihren Klumpen. Ich lasse das Blut laufen, sie hemmt es. Ah! die Natur ist ein großer Wundarzt, lieber Herr. Halt! ich will Euch die Lippen abtrocknen.«

Remy fuhr mit einem Sacktuch über die Lippen des Grafen.

»Anfangs habe ich Blut mit vollem Munde ausgespien,« sagte der Verwundete.

»Seht Ihr, die Blutung ist bereits gestillt. Das geht gut, oder vielmehr desto schlimmer.«

»Warum, desto schlimmer?«

»Desto besser für Euch, allerdings; doch desto schlimmer! ich weiß, was ich sagen will. Mein lieber Herr von Monsoreau, ich befürchte, ich werde das Glück haben, Euch zu heilen.«

»Wie, Ihr befürchtet?«

»Ja, so ist es.«

»Ihr glaubt also, dass ich durchkommen werde?«

»Leider!«

»Ihr seid ein seltsamer Doktor, Herr Remy.«

»Was ist Euch daran gelegen, wenn ich Euch nur rette! …«

Remy hatte den Aderlass gestillt und stand auf.

»Wie, Ihr verlasst mich?« fragte der Graf.

»Ah! Ihr sprecht zu viel, mein lieber Herr. Zu viel sprechen schadet … Ich bin ein Narr, ich müsste ihm vielmehr den Rat geben, zu schreien.«

»Ich verstehe Euch nicht.«

»Zum Glück. Jetzt seid Ihr verbunden.«

»Nun?«

»Nun will ich in's Schloss gehen und Verstärkung holen.«

»Und ich, was soll ich während dieser Zeit tun?«

»Haltet Euch ruhig, rührt Euch nicht, atmet ganz sachte, sucht nicht zu husten, und stören wir vor Allem diesen kostbaren Klumpen nicht. Welches ist das nächste Haus?«

»Das Schloss Méridor.«

»Und wie finde ich den Weg dahin?« fragte Remy, völlige Unwissenheit heuchelnd.

»Entweder steigt Ihr über die Mauer und befindet Euch dann im Parke, oder Ihr folgt der Mauer und kommt an das Gitter.«

»Gut, ich laufe.«

»Ich danke, edler Mann,« rief Monsoreau.

»Wenn Du wirklich wüsstest, in welchem Grade ich dies bin, so würdest Du mir noch viel mehr danken,« stammelte Remy.

Und wieder sein Ross besteigend, ritt er im Galopp in der angegebenen Richtung fort.

Nach Verlauf von fünf Minuten kam er in das Schloss, dessen Bewohner insgesamt, geschäftig und beweglich wie Ameisen, deren Wohnung man zerstört hat, in allen Winkeln, in allen Ecken, in allen umliegenden Gebäuden, Höfen, Gärten und Gebüschen suchten, ohne den Platz finden zu können, wo ihr Herr lag, weil Saint-Luc, um Zeit zu gewinnen, eine falsche Fährte angegeben hatte.

Remy fiel wie ein Meteor mitten unter sie und schleppte sie auf den Weg, auf dem er gekommen war.

Er ging mit solchem Eifer bei seinen Aufträgen und Empfehlungen zu Werke, dass ihn Frau von Monsoreau unwillkürlich mit Erstaunen anschaute.

Ein sehr geheimer, sehr verschleierter Gedanke erschien in ihrem Geiste und trübte in einer Sekunde die engelische Reinheit dieser Seele.

»Ah! ich hielt ihn für den Freund von Bussy,« murmelte sie, während Remy, eine Tragbahre, Charpie, frisches Wasser, kurz alle zum Verbinden notwendige Dinge mitnehmend, forteilte.

Aesculap selbst hätte mit seinen Götterflügeln nicht mehr tun können.