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Die Dame von Monsoreau

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Achtzehntes Kapitel
Roland

Durch die Verstärkung, welche dem Herzog von Anjou zugekommen war, konnte er zahllose Rekognoszierungen um den Platz her vornehmen.

Begleitet von seinen Freunden ritt er mit einem kriegerischen Gefolge umher, auf das die Bürger von Angers sich im höchsten Maße stolz zeigten, obschon die Vergleichung dieser gut berittenen, gut equipirten Edelleute mit den zerrissenen Geschirren und den verrosteten Waffen der städtischen Miliz nicht gerade zum Vorteil der letzteren ausfiel.

Man besuchte zuerst die Wälle, dann die Gärten, welche an die Wälle stießen, dann das an die Gärten stoßende Land, und endlich die auf diesem Lande zerstreuten Schlösser, und nicht ohne ein gewisses Gefühl sehr scharf hervortretender Anmaßung spottete der Herzog im Vorübersehen, in ihrer Nähe, oder mitten unter ihnen, über die Waldungen, die ihm so bange gemacht, oder mit denen ihm Bussy so bange gemacht hatte.

Die angevinischen Edelleute kamen mit Geld; sie fanden an dem Hofe des Herzogs von Anjou eine Freiheit, welche sie entfernt nicht an dem Hofe von Heinrich III. trafen, und mussten unfehlbar ein lustiges Leben in einer Stadt führen, welche, wie es jede Hauptstadt sein soll, ganz geneigt war, die Börsen ihrer Gäste zu plündern.

Es waren noch nicht drei Tage vergangen, als Antraguet, Ribeirac und Livarot bereits Verbindungen mit den am meisten in Pariser Moden und Manieren verliebten adeligen Angevins gemacht hatten. Es versteht sich von selbst, dass diese würdigen Herren verheiratet waren und hübsche junge Frauen hatten.

Es geschah auch nicht für sein Privatvergnügen, wie diejenigen glauben dürften, welche die Selbstsucht des Herzogs von Anjou kennen, dass er so schöne Cavalcaden in der Stadt machte. Nein. Diese Spazierritte gereichten zum Vergnügen der Pariser Edelleute, welche ihn aufgesucht, der angevinischen Herren und besonders der angevinischen Damen.

Gott musste sich vor Allem darüber freuen, da die Sache der Ligue die Sache Gottes war.

Dann musste der König unzweifelhaft wütend darüber werden.

Endlich wurden die Damen dadurch beglückt.

So war die große Dreieinigkeit der Zeit vertreten: Gott, der König und die Damen.

Die Freude erreichte den höchsten Grad an dem Tage, wo man mit herrlicher Ausrüstung zweiundzwanzig Reitpferde, dreißig Zugpferde und vierzig Maultiere, welche mit den Sänften, den Wagen und den Fourgons die Equipagen des Herrn Herzogs von Anjou bildeten, anlangen sah.

Alles dies kam wie durch einen Zauber von Tours für die mäßige Summe von fünfzigtausend Thalern, welche der Herr Herzog von Anjou zu diesem Behufe geopfert hatte.

Es ist nicht zu leugnen, die Pferde waren gesattelt, aber die Sättel blieb man den Sattlern schuldig; es ist nicht zu leugnen, die Kisten hatten herrliche Schlösser, doch sie waren leer. Der letztere Artikel gereichte ihnen beim Prinzen zum Lobe, denn er hätte sie durch Erpressungen füllen können. Aber es lag nicht in der Natur des Prinzen, zu nehmen, er liebte es mehr, zu entwenden.

Nichtsdestoweniger brachte die Erscheinung dieses Zugs eine großartige Wirkung in Angers hervor.

Die Pferde kamen in die Ställe, die Wagen wurden in den Remisen aufgereiht. Die Kisten ließ man durch die innigsten Vertrauten des Prinzen tragen. Man konnte nur sehr sicheren Händen die Summen anvertrauen, welche sie nicht enthielten.

Endlich schloss man die Tore des Palastes vor der Nase der geschäftigen Menge, welche in Folge dieser Vorsichtsmaßregel überzeugt war, der Prinz habe eine Summe von zwei Millionen in die Stadt bringen lassen, während es sich im Gegenteil darum handelte, eine beinahe ähnliche Summe, auf welche die leeren Kisten rechneten, hinauszuschaffen.

Der Ruf des Herzogs von Anjou in Beziehung auf Überfluss war von diesem Tage an fest begründet, und die ganze Provinz blieb nach dem Schauspiele, welches sie vor ihren Augen hatte vorgehen sehen, überzeugt, er wäre reich genug, um im Falle der Noth gegen ganz Europa Krieg zu führen.

Dieses Vertrauen sollte dahin wirken, dass die Bürger in Geduld die neuen Abgaben annehmen würden, welche der Prinz, unterstützt durch die Ratschläge seiner Freunde, von den Angevins zu erheben gedachte. Übrigens kamen die Angevins den Wünschen des Herzogs von Anjou beinahe entgegen.

Man bedauert nie das Geld, das man den Reichen leiht oder schenkt.

Der König von Navarra, der im Rufe der Armuth stand, hätte nicht den vierten Teil des Erfolgs erlangt, den der Herzog von Anjou mit dem Rufe des Reichthums erlangte. Doch kehren wir zu dem Herzog zurück.

Der würdige Prinz lebte als Patriarch in einem Überflusse an allen Gütern des Landes, und Jedermann weiß, dass Anjou ein gutes Land ist.

Die Straßen waren bedeckt mit Reitern, welche nach Angers eilten, um dem Prinzen ihre Unterwürfigkeit zu bezeigen oder ihre Dienste anzubieten.

Herr von Anjou betrieb seinerseits Rekognoszierungen: diese zielten immer auf die Auffindung irgend eines Schatzes ab.

Bussy brachte es dahin, dass keine von diesen Rekognoszierungen bis zu dem Schlosse, welches Diana bewohnte, getrieben wurde.

Bussy behielt sich diesen Schatz für sich allein vor, und plünderte auf seine Weise den kleinen Winkel der Erde, der sich, nach gehöriger Verteidigung auf Gnade und Ungnade ergeben hatte.

Während Herr von Anjou rekognoszierte und Bussy plünderte, kam aber Herr von Monsoreau, auf seinem Jagdpferde reitend, vor den Toren von Angers an.

Es mochte ungefähr vier Uhr Nachmittags sein; um zu dieser Stunde anzulangen, hatte Herr von Monsoreau an demselben Tage sechzehn Lieues gemacht. Seine Sporen waren auch rot und sein mit Schaum bedecktes Pferd halb tot.

Die Zeit war vorüber, wo man an den Toren der Stadt den Ankommenden Schwierigkeiten machte: man war jetzt so stolz, so hochmütig in Angers, dass man ohne Widerspruch ein Bataillon Schweizer hätte passieren lassen, und wäre dieses Bataillon von dem braven Crillon selbst befehligt worden.

Herr von Monsoreau, der nicht Crillon war, ritt geradezu und sagte nur:

»Zum Palast von Monseigneur dem Herzog von Anjou.«

Er hörte die Antwort nicht, welche die Wachen hinter ihm brüllten; sein Pferd schien sich nur durch ein Wunder von Gleichgewicht, das gerade von der Schnelligkeit, mit der es marschierte, herrühren musste, auf den Beinen zu halten; das arme Tier lief ohne Bewusstsein von seinem Leben, und es war zu wetten, dass es fallen würde, sobald es anhielte.

Es hielt vor dem Palast; doch Herr von Monsoreau war ein vortrefflicher Reiter, das Pferd war von Race: das Pferd und der Reiter blieben stehen.

»Der Herr Herzog,« rief der Oberstjägermeister.

»Monseigneur ist auf Rekognoszierung ausgeritten,« antwortete die Schildwache.

»Wohin?« fragte Herr von Monsoreau.

»Da hinaus,« antwortete die Wache, nach einer der vier Kardinalgegenden des Himmels deutend.

»Teufel!« rief Monsoreau, »was ich dem Herzog sagen muss, hat große Eile; was soll ich machen?«

»Mettre t'abord fotre chifal a l'égurie,« antwortete der Soldat, der ein elsässischer Reiter war, »gar si fous ne l'abbuyez pas contre un mur il dombera20

»Der Rat ist gut, obgleich in schlechtem Französisch gegeben,« sagte Monsoreau. »Wo sind die Ställe, mein braver Mann?«

»La-pas!«21

In diesem Augenblick näherte sich ein Mann dem Grafen und nannte ihm seine Eigenschaft.

Es war der Haushofmeister.

Herr von Monsoreau antwortete ebenfalls durch die Aufzählung seines Namens, seines Vornamens und seiner Eigenschaften.

Der Haushofmeister verbeugte sich ehrfurchtsvoll; der Name des Oberstjägermeisters war längst in der Provinz bekannt.

»Mein Herr,« sagte er, »habt die Gnade, einzutreten und etwas auszuruhen. Monseigneur ist vor kaum zehn Minuten weg geritten und wird diesen Abend vor acht Uhr nicht zurückkehren.«

»Nicht vor acht Uhr diesen Abend!« versetzte Monsoreau, an seinem Schnurrbart nagend, »das hieße zu viel Zeit verlieren. Ich bin der Überbringer einer wichtigen Nachricht, welche Seine Hoheit nicht früh genug erfahren kann. Vermöget Ihr mir nicht ein Pferd und einen Führer zu geben?«

»Ein Pferd? wohl zehn, mein Herr,« sprach der Haushofmeister. »Was einen Führer betrifft, so ist das schwierig, denn Monseigneur hat nicht gesagt, wohin er reiten würde, und Ihr werdet durch Fragen eben so viel erfahren; auch möchte ich das Schloss nicht gern entblößen. Es ist einer von den scharfen Befehlen Seiner Hoheit.«

»Ah! ah!« entgegnete der Oberstjägermeister, »man ist also nicht in Sicherheit hier?«

»Oh! mein Herr, man ist stets in Sicherheit unter Männern wie die Herren Bussy, Livarot, Ribeirac, Antraguet, unsern unüberwindlichen Prinzen, Monseigneur den Herzog von Anjou, nicht zu zählen; doch Ihr begreift …«

»Ja, ich begreife, dass es minder sicher ist, wenn sie nicht da sind.«

»So ist es, mein Herr.«

»Ich nehme also ein frisches Pferd aus dem Stalle und suche den Herzog, unter Wegs mich nach ihm erkundigend, einzuholen.«

»Es ist Alles zu wetten, mein Herr, dass es Euch auf diese Art gelingen wird, Seine Hoheit zu treffen.«

 

»Man ist nicht im Galopp weg geritten?«

»Im Schritt, mein Herr, im Schritt.«

»Sehr gut! es ist also abgemacht; zeigt mir das Pferd, das ich nehmen kann.«

»Tretet in den Stall, mein Herr, und wählt selbst; sie gehören alle Monseigneur.«

»Vortrefflich.«

Monsoreau trat ein.

Zehn bis zwölf der schönsten und frischesten Pferde nahmen ein reichliches Mahl aus den mit dem wohlschmeckendsten Futter von Anjou vollgestopften Krippen ein.

»Hier wählt,« sprach der Haushofmeister.

Monsoreau ließ einen Kennerblick über die Reihe hinlaufen und sagte dann: »Ich nehme dieses braunrote Pferd; lasst es mir satteln.«

»Roland.«

»Es heißt Roland?«

»Ja; es ist das Lieblingspferd von Seiner Hoheit. Der Prinz reitet es jeden Tag; Herr von Bussy hat es ihm geschenkt, und Ihr würdet es sicherlich nicht im Stall finden, wenn Seine Hoheit nicht neue Pferde probierte, welche von Tours für sie angekommen sind.«

»Ah! es scheint, ich habe keinen schlechten Blick.«

Ein Stallknecht näherte sich.

»Sattelt Roland,« sagte der Haushofmeister.

Das Pferd des Grafen war selbst in den Stall gegangen und hatte sich auf der Streu ausgestreckt, ohne zu warten, bis man ihm Sattel und Zeug abnahm.

Roland war in ein paar Sekunden gesattelt.

Herr von Monsoreau schwang sich leicht auf und fragte zum zweiten Male, in welcher Richtung die Kavalkade sich entfernt habe.

»Sie ist durch dieses Thor gezogen und hat jenen Weg verfolgt,« sprach der Haushofmeister, Herrn von Monsoreau denselben Punkt bezeichnend, den bereits die Schildwache bezeichnet hatte.

»Meiner Treue,« sagte der Oberstjägermeister, indem er die Zügel nachließ und sah, dass das Pferd von selbst diesen Weg einschlug, »man sollte wahrlich glauben, Roland folge der Spur.«

»Oh! seid unbesorgt,« erwiderte der Haushofmeister, »ich habe Herrn von Bussy und seinen Arzt, Herrn Remy, sagen hören, es sei das gescheiteste Tier auf Erden; sobald es seine Gefährten riecht, holt es sie ein; seht die schönen Beine, sie würden den Neid eines Hirsches erregen.«

»Herrlich!« rief Monsoreau, sich auf die Seite neigend.

Das Tier entfernte sich in der Tat, ohne dass es einer Aufmunterung bedurfte, und verließ sehr entschlossen die Stadt; es machte sogar, um die Straße, welche sich kreisförmig links ausbog, abzukürzen, einen Seitenweg unmittelbar rechts.

Während das Pferd diesen Beweis von Verstand gab, schüttelte es den Kopf, als wollte es dem Gebiss entgehen, welches dasselbe auf seine Lippen pressen fühlte; es schien dem Reiter zu sagen, jeder beherrschende Einfluss wäre bei ihm unnötig, und je mehr es sich dem Tore der Stadt näherte, desto mehr beschleunigte es seinen Gang.

»In der Tat,« sprach Monsoreau, »ich sehe, man hat mir nicht zu viel gesagt; da du deinen Weg so gut weißt, Roland, so gehe.«

Und er legte die Zügel auf den Hals von Roland.

Auf dem äußeren Bollwerk angelangt, zögerte das Pferd einen Augenblick, um sich zu besinnen, ob es sich links oder rechts wenden sollte.

Es wandte sich links.

In diesem Augenblick ging ein Bauer vorüber.

»Habt Ihr eine Truppe von Reitern gesehen, Freund?« fragte Monsoreau.

»Ja, Herr,« antwortete der Bauer, »ich bin ihr dort vorne begegnet.«

Gerade in der Richtung, welche Roland gewählt, war der Bauer dieser Truppe begegnet.

»Gehe, Roland, gehe,« sprach der Oberstjägermeister, die Zügel seinem Pferde überlassend, das nun einen gestreckten Trab anschlug, in dem man natürlich drei bis vier Lieues in der Stunde machen musste.

Das Pferd folgte noch einige Zeit dem Bollwerk; dann wandte es sich plötzlich rechts und wählte einen Pfad, der das Feld quer durchschnitt.

Monsoreau bedachte einen Augenblick, ob er Roland nicht anhalten sollte; doch Roland schien seiner Sache so gewiss, dass er ihn gehen ließ.

Je mehr das Pferd vorrückte, desto mehr belebte es sich. Es ging vom Trab in Galopp über, und in weniger als einer Viertelstunde war die Stadt aus den Blicken des Reiters verschwunden.

Der Reiter schien ebenfalls seinerseits die Örtlichkeit immer mehr zu erkennen, je weiter er kam.

»Oh!« sagte er, als er in das Gehölze gelangte, »man sollte glauben, wir gingen nach Méridor; hat sich Seine Hoheit zufällig nach der Seite des Schlosses gewendet?«

Und die Stirne des Oberstjägermeisters verdüsterte sich bei diesem Gedanken, der sich nicht zum ersten Male seinem Geiste darbot.

»Oh! oh!« murmelte er, »ich ging zuerst zum Prinzen und verschob den Besuch bei meiner Frau auf morgen. Sollte ich das Glück haben, Beide zu gleicher Zeit zu sehen?«

Ein furchtbares Lächeln zog über die Lippen des Oberstjägermeisters hin.

Das Pferd lief immer fort und blieb mit einer Beharrlichkeit in seiner Richtung nach rechts, dass man daraus erkennen musste, wie sicher es seines Weges war.

»Bei meiner Seele! ich kann nun nicht mehr weit von dem Parke von Méridor entfernt sein,« dachte Monsoreau.

In diesem Augenblick fing das Pferd an zu wiehern. Zu gleicher Zeit antwortete ihm ein anderes Gewieher aus der Tiefe des Laubwerkes hervor.

»Ah! ah!« sagte der Oberstjägermeister, »Roland hat, wie es scheint, seine Gefährten wiedergefunden.«

Das Pferd verdoppelte seine Schnelligkeit und schoss wie ein Blitz unter den hochstämmigen Bäumen hin.

Plötzlich erblickte Monsoreau eine Mauer und ein in der Nähe dieser Mauer angebundenes Pferd.

Dieses Pferd wieherte zum zweiten Male und der Oberstjägermeister erkannte, dass dasselbe auch das erste Mal gewiehert hatte.

»Es ist Jemand hier!« sprach Monsoreau erbleichend.

Neunzehntes Kapitel
Was Herr von Monsoreau zu verkündigen hatte

Herr von Monsoreau ging von einem Erstaunen zum andern über; die Mauer von Méridor wie durch einen Zauber gefunden, dieses Pferd, welches das Pferd, das ihn gebracht, liebkoste, als gehörte es zu seiner vertrautesten Bekanntschaft … hierin lag in der Tat Stoff genug zum Nachdenken auch für den am wenigsten Argwöhnischen.

Als er sich näherte, und man kann wohl erraten, ob Herr von Monsoreau sich rasch näherte, bemerkte er den Verfall der Mauer an dieser Stelle; es war eine wahre Leiter, welche eine Bresche zu werden drohte; die Füße schienen sich Stufen im Stein gegraben zu haben und die frisch ausgerissenen Brombeerstauden hingen an ihren zerknickten Zweigen herab. Der Graf umfasste Alles mit einem Blicke, dann ging er von der Gesamtheit zu dem Einzelnen über.

Das Pferd verdiente den ersten Rang und erhielt ihn.

Das indiskrete Tier trug einen Sattel, der mit einer silbergestickten Schabracke verziert war.

In einer der Ecken war ein doppeltes F, das ein A durchschlang.

Das war ganz unzweifelhaft ein Pferd aus den Ställen des Prinzen, denn der Chiffre bedeutete Franz von Anjou.

Der Verdacht des Grafen wurde bei diesem Anblick zum wahren Aufruhr. Der Herzog war also hierher gekommen; er kam also oft, denn außer dem angebundenen Pferde gab es noch ein zweites, das den Weg wusste.

Monsoreau schloss, da der Zufall ihn auf diese Fährte geführt, so müsste er sie bis zum Ende verfolgen.

Dies lag in seinen Gewohnheiten als Oberstjägermeister und als eifersüchtiger Gatte.

Doch so lange er diesseits der Mauer bliebe, würde er offenbar nichts sehen.

Er band folglich sein Pferd neben dem andern Pferde an und begann mutig hinaufzuklettern.

Dies war etwas Leichtes, ein Fuß zeigte dem andern den Weg; die Hand hatte bereits gemachte Plätze, um sich darauf zu legen, die Krümmung des Armes war auf den Steinen an der Oberfläche des Mauerkamms abgezeichnet, und man hatte sorgfältig mit einem Jagdmesser eine Eiche ausgeschnitten, deren Zweige an dieser Stelle den Blick und die Gebärde hemmten.

So viel Anstrengung wurde mit dem erwünschten Erfolge gekrönt; Herr von Monsoreau war nicht sobald auf seinem Beobachtungsposten festgestellt, als er am Fuße eines Baumes eine Mantille von blauer Farbe und einen Mantel von schwarzem Sammet erblickte. Die Mantille gehörte unstreitig einer Frau und der schwarze Mantel einem Mann; übrigens brauchte man nicht sehr ferne zu suchen, der Mann und die Frau gingen fünfzig Schritte von da mit verschlungenen Armen, der Mauer den Rücken zuwendend und überdies durch das Blätterwerk des Gebüsches verborgen, spazieren.

Zum Unglück für Herrn von Monsoreau, der die Mauer nicht an seine Heftigkeit gewöhnt hatte, machte sich ein Stein von der Kappe los und fiel, die Zweige bis auf den Boden durchbrechend, hinab; hier erscholl er mit einem dumpfen Echo.

Bei diesem Geräusch wandten sich die Personen, deren Züge das Gebüsch Herrn von Monsoreau verbarg, wie es scheint, um und erblickten ihn, denn ein schriller, bezeichnender Schrei einer Frauenstimme ließ sich vernehmen, und ein Streifen im Laube verkündigte dem Grafen, dass sie wie zwei aufgescheuchte Rehe entflohen.

Bei dem Schrei der Frau fühlte Monsoreau den Angstschweiß auf seine Stirne steigen; er hatte die Stimme von Diana erkannt.

Unfähig, der Bewegung von Wut zu widerstehen, die ihn fortriss, stürzte er von der Mauer herab und durchschnitt, seinen Degen in der Hand, die Büsche und Zweige, um den Flüchtlingen zu folgen.

Doch Alles war verschwunden, Nichts störte mehr die Stille des Parks; kein Schatten im Grunde der Baumgänge, keine Spur auf den Wegen, kein Geräusch im Gehölze, wenn nicht der Gesang von Nachtigallen und Grasmücken, welche, gewöhnt die Liebenden zu sehen, nicht mehr von ihnen erschreckt wurden.

Was tun der Einsamkeit gegenüber? was beschließen? wohin laufen? Der Park war groß; man konnte diejenigen verfolgend, welche man suchte, denjenigen begegnen, welche man nicht suchte.

Herr von Monsoreau bedachte, dass die Entdeckung, die er gemacht, für den Augenblick genügte; überdies war er sich selbst der Herrschaft eines zu heftigen Gefühles bewusst, um mit der Klugheit zu handeln, die man einem so furchtbaren Nebenbuhler gegenüber zu entwickeln hatte, wie es Franz war; denn er zweifelte nicht daran, dieser Nebenbuhler wäre der Prinz. Sodann, wenn er es zufällig nicht war, so hatte er bei dem Herzog von Anjou eine sehr dringende Sendung zu vollziehen; überdies würde er, wenn er sich wieder bei dem Prinzen befände, wohl sehen, was er von seiner Schuld oder Unschuld zu denken hätte.

Auch kam ihm ein vortrefflicher Gedanke, der Gedanke, die Mauer an derselben Stelle, wo er sie bereits überstiegen hatte, wieder zu erklettern und mit dem seinigen das Pferd des von ihm ertappten Eindringlings im Parke fortzunehmen.

Dieser Racheplan verlieh ihm Kräfte; er lief zurück und gelangte, keuchend und von Schweiß bedeckt, an den Fuß der Mauer.

Mit Hilfe der herabhängenden Zweige erreichte er den Kamm und sank dann wieder auf der andern Seite hinab; doch auf der andern Seile war kein Pferd mehr, oder besser gesagt, waren keine Pferde mehr.

Der vortreffliche Gedanke, den er gehabt, war, ehe er ihm gekommen, auch seinem Feinde gekommen, und sein Feind hatte ihn benutzt.

Herrn von Monsoreau entfuhr ein Gebrülle der Rache, während er die Faust dem boshaften Teufel wies, der sicherlich in dem bereits dichten Schatten des Gehölzes seiner spottete; doch da bei ihm der Wille nicht so leicht besiegt war, so strebte er kräftig gegen die auf einander folgenden Unglücksfälle an, welche es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, ihn niederzuschmettern, und auf der Stelle die Örtlichkeit, trotz der rasch einbrechenden Nacht, erforschend, raffte er alle seine Kräfte zusammen und kehrte nach Angers auf einem Querwege, der ihm seit seiner Kindheit bekannt war, zurück.

Zwei und eine halbe Stunde nachher langte er an dem Tore der Stadt,22 sterbend vor Durst, Hitze und Müdigkeit, an; doch die Aufregung des Geistes hatte dem Körper Kräfte gegeben, und es war immer derselbe willensstarke und zugleich heftige Mann.

Überdies hielt ihn ein Gedanke aufrecht: er würde die Schildwache, oder vielmehr die Schildwachen fragen; er würde von Thor zu Thor gehen; er würde hören, durch welches Thor ein Mann mit zwei Pferden zurückgekehrt wäre; er würde seine Börse leeren; er würde Geld versprechen und das Signalement dieses Mannes erfahren. Und früher oder später, wer es auch sein möchte, würde ihm dieser Mann seine Schuld bezahlen.

Er fragte die Schildwache, doch diese war erst seit Kurzem an ihrem Posten und wusste nichts; er trat in die Wachstube und erkundigte sich. Der von der Wache abgekommene Milizsoldat hatte vor ungefähr zwei Stunden ein herrenloses Pferd zurückkehren sehen, das ganz allein den Weg nach dem Palaste eingeschlagen. Der Soldat dachte, es wäre dem Reiter irgend ein Unfall begegnet und das gescheite Pferd hätte allein seinen Weg gesucht.

 

Monsoreau schlug sich vor die Stirne: er sollte entschieden nichts erfahren.

Er ging nun ebenfalls nach dem herzoglichen Schlosse. Hier herrschten großes Leben, großes Geräusch, große Freude; die Fenster glänzten wie Sonnen und die Küchen funkelten wie entzündete Öfen und strömten durch ihre Luftlöcher die Wohlgerüche von Wildbret und Würznelken aus, welche wohl fähig waren, den Magen vergessen zu machen, dass er ein Nachbar des Herzens ist.

Doch die Gitter waren geschlossen, und dadurch entstand eine Schwierigkeit: man musste sich dieselben öffnen lassen.

Herr von Monsoreau rief den Concierge und nannte sich, doch dieser wollte ihn nicht erkennen.

»Ihr wart aufrecht, und seid gebückt,« sagte er.

»Das ist die Müdigkeit.«

»Ihr wart bleich, und Ihr seid rot.«

»Das ist die Hitze.«

»Ihr wart zu Pferd, und kommt ohne Pferd.«

»Mein Pferd scheute, machte einen Seitensprung, warf mich aus dem Sattel und kehrte ohne Reiter zurück. Habt Ihr mein Pferd nicht gesehen?«

»Doch wohl,« antwortete der Concierge.

»In jedem Fall benachrichtigt den Haushofmeister.«

Sehr erfreut über diesen Auftrag, der ihn jeder Verantwortlichkeit überhob, ließ der Concierge Herrn Remy benachrichtigen.

Remy kam und erkannte Monsoreau vollkommen.

»Ei, mein Gott! woher kommt Ihr denn in einem solchen Zustande?« fragte er ihn.

Monsoreau wiederholte die Fabel, welche er bereits dem Concierge erzählt hatte.

»In der Tat,« sprach der Haushofmeister, »wir waren sehr unruhig, als wir das Pferd ohne Reiter zurückkommen sahen, Monseigneur besonders, den ich von Eurer Ankunft zu benachrichtigen die Ehre hatte.«

»Ah! Monseigneur schien unruhig,« versetzte Monsoreau.

»Sehr unruhig.«

»Und was sagte er?«

»Er gab Befehl, Euch bei ihm einzuführen, sobald Ihr kämet.«

»Gut! gönnt mir nur Zeit, um in den Stall zu gehen und nachzusehen, ob dem Pferde Seiner Hoheit nichts geschehen ist.«

Und er ging in den Stall und erblickte an dem Platze, wo er es genommen hatte, das gescheite Tier, das hier fraß, wie ein Pferd, welches das Bedürfnis fühlt, seine Kräfte wiederherzustellen.

Dann wandte sich der Oberstjägermeister nach der Speisehalle, ohne nur sich die Mühe zu geben, seine Kleider zu wechseln, denn er dachte, die Wichtigkeit der Nachricht, die er überbrachte, hätte den Vorrang vor der Etiquette.

Um eine herrlich bestellte und glänzend leuchtete Tafel versammelt, bearbeiteten alle Edelleute des Prinzen und Seine Hoheit selbst die Fasanenpasteten, das auf dem Roste gebratene Schwarzwildbret und die gewürzten Zwischenspeisen, welche sie mit dem schwarzen, so edlen und so weichen Weine von Cahors, oder mit dem treulosen, lieblichen und zugleich sprudelnden Anjou-Wein befeuchteten, dessen Dünste in den Kopf steigen, ehe die Topase, die er im Glase destilliert, völlig erschöpft sind.

»Der Hof ist vollzählig,« sagte Antraguet, rosig wie ein junges Mädchen und bereits trunken wie ein alter Reitersknecht, »vollzählig und vollständig wie der Keller Eurer Hoheit.«

»Nein, nein,« sagte Ribeirac, »es fehlt uns ein Oberstjägermeister. Es ist in der Tat eine Schande, dass wir das Mahl Seiner Hoheit verzehren, ohne selbst für die Bestellung desselben zu sorgen.«

»Ich stimme für irgend einen Oberstjägermeister,« rief Livarot, »gleichviel wer es ist, und möchte es auch Herr von Monsoreau sein.«

Der Herzog lächelte, denn er allein wusste die Ankunft des Grafen.

Livarot hatte kaum seine Worte und der Prinz kaum sein Lächeln vollendet, als die Türe sich öffnete und Herr von Monsoreau eintrat.

Der Herzog ließ, da er ihn erblickte, einen um so geräuschvolleren Ausruf ertönen, als er mitten unter dem allgemeinen Stillschweigen hörbar wurde.

»Hier ist er,« sprach der Herzog, »Ihr seht, dass wir vom Himmel begünstigt sind, meine Herren, da der Himmel uns auf der Stelle das schickt, was wir wünschen.«

Sehr verlegen über die sichere Haltung des Prinzen, welche bei Seiner Hoheit in ähnlichen Fällen nicht gewöhnlich war, verbeugte sich Monsoreau auf eine ziemlich linkische Weise und wandte den Kopf ab, geblendet wie eine Eule, die man plötzlich aus der Finsternis in das Sonnenlicht bringt.

»Setzt Euch und speist zu Nacht,« sagte der Herzog dem Grafen sich gegenüber einen Platz bezeichnend.

»Monseigneur,« antwortete Monsoreau, »ich habe sehr Durst, ich habe sehr Hunger, ich bin sehr müde; doch ich werde nicht eher trinken, nicht eher essen, nicht eher mich setzen, als bis ich mich bei Eurer Hoheit einer Botschaft von der höchsten Wichtigkeit entledigt habe.«

»Nicht wahr, Ihr kommt von Paris?«

»In aller Hast, Monseigneur.«

»Wohl, ich höre,« sprach der Herzog.

Monsoreau näherte sich Franz und sagte ihm, ein Lächeln auf den Lippen, Haß im Herzen, leise in das Ohr:

»Monseigneur, die Frau Königin Mutter kommt in großen Tagereisen; sie will Eure Hoheit besuchen.«

Der Herzog, auf den Jeder die Augen geheftet hielt, ließ eine plötzliche Freude durchdringen.

»Es ist gut,« sprach er, »ich danke, Herr von Monsoreau, heute wie immer finde ich in Euch einen treuen Diener; meine Herren, setzen wir das Abendmahl fort.«

Und er rückte seinen Stuhl, den er einen Augenblick weggeschoben hatte, um Monsoreau zu hören, wieder an den Tisch.

Das Bankett nahm seinen Fortgang; der Oberstjägermeister hatte nicht sobald, seinen Platz zwischen Ribeirac und Livarot nehmend, die Behaglichkeit eines guten Sitzes gekostet, er fand sich nicht sobald einem reichlichen Mahle gegenüber, als er plötzlich den Appetit verlor.

Der Geist gewann die Oberhand über die Materie.

In traurige Gedanken versenkt, kehrte der Geist in den Park von Méridor zurück und schritt wieder wie ein aufmerksamer Pilger auf dem Pfade fort, der ihn zu der Mauer geführt hatte.

Er sah das wiehernde Pferd, er sah die verfallene Mauer, er sah die fliehenden Schatten der Liebenden, er hörte den Schrei von Diana, den Schrei, der in der tiefsten Tiefe seines Herzens wiederhallt hatte.

Gleichgültig gegen das Geräusch, gegen das Licht, gegen das Mahl, selbst vergessend, an wessen Seite und wem gegenüber er saß, begrub er sich in seine eigenen Gedanken, ließ er seine Stirne sich allmählich mit Wolken bedecken und aus seiner Brust einen dumpfen Seufzer hervorbrechen, der die Aufmerksamkeit der erstaunten Gäste rege machte.

»Ihr sinkt vor Müdigkeit zusammen, Herr Oberstjägermeister,« sagte der Prinz, »in der Tat, Ihr würdet wohl daran tun, wenn Ihr zu Bette ginget.«

»Meiner Treue, ja,« sprach Livarot, »der Rat ist gut, und wenn Ihr ihn nicht befolgt, so lauft Ihr Gefahr, auf Eurem Teller einzuschlafen.«

»Verzeiht, Monseigneur,« erwiderte Monsoreau den Kopf erhebend, »die Müdigkeit drückt mich in der Tat nieder.«

»Berauscht Euch, Graf,« sagte Antragnet, »nichts benimmt die Müdigkeit so sehr.«

»Und dann vergisst man, wenn man sich berauscht,« murmelte Monsoreau.

»Bah!« rief Livarot, »es nützt nichts, seht meine Herren, sein Glas ist noch voll.«

»Auf Eure Gesundheit, Graf,« sprach Ribeirac sein Glas in die Höhe haltend.

Monsoreau war genötigt, dem Edelmann zu willfahren, und leerte das seinige auf einen Zug.

»Er trinkt doch ganz gut, seht Monseigneur,« sagte Antraguet.

»Ja,« erwiderte der Prinz, der in dem Herzen von Monsoreau zu lesen suchte, »ja, vortrefflich.«

»Ihr müsst uns eine schöne Jagd machen lassen, Graf, Ihr kennt die Gegend,« rief Ribeirac.

»Ihr habt Equipagen, Waldungen,« sagte Livarot.

»Und sogar eine Frau,« fügte Antraguet bei.

»Ja,« wiederholte der Graf maschinenmäßig, »ja, Equipagen, Waldungen und Frau von Monsoreau, ja, meine Herren, ja.«

»Lasst uns ein Schwein jagen, Graf,« sagte der Prinz.

»Ich werde mich bemühen, Monseigneur.«

»Ei! bei Gott,« sprach einer von den angevinischen Edelleuten, »Ihr werdet Euch bemühen, das ist eine schöne Antwort, der Wald hat Überfluss an Schweinen. Wenn ich im alten Schlage jagen würde, wollte ich in fünf Minuten zehn auftreiben.«

Monsoreau erbleichte unwillkürlich: der alte Schlag war gerade derjenige Teil des Waldes, wohin ihn Roland geführt hatte.

»Ah! ja, ja, morgen, morgen,« riefen im Chor die Edelleute.

»Wollt Ihr morgen, Monsoreau?« fragte der Herzog.

»Ich stehe stets zu Befehlen Eurer Hoheit antwortete Monsoreau, »doch, wie Eure Hoheit vorhin zu bemerken die Gnade hatte, ich bin zu müde, um morgen eine Jagd zu führen. Dann muss ich die Gegend zuvor untersuchen und in Erfahrung bringen, wie es in unsern Wäldern steht.«

»Und dann lasst ihn, beim Teufel! doch auch seine Frau sehen,« sagte der Prinz mit einem gutmütigen, wohlwollenden Tone, der den armen Ehemann überzeugte, der Herzog wäre sein Nebenbuhler.

»Zugestanden! zugestanden!« riefen die jungen Leute voll Heiterkeit. »Wir geben Herrn von Monsoreau vier und zwanzig Stunden, um in seinen Waldungen Alles zu tun, was zu tun ist.«

»Ja, meine Herren, gewährt mir diese Frist und ich verspreche Euch, sie gut anzuwenden,« erwiderte der Graf.

20Bringt zuerst Euer Pferd in den Stall, denn wenn Ihr es nicht an eine Mauer anlehnt, so wird es fallen.
21Dort!
22recht ordentlich für 64 Kilometer entlang der Loire, das muss man ihm erst mal nachmachen