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Die Dame von Monsoreau

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Sechstes Kapitel
Chicot ist immer mehr König von Frankreich

Es schlug Mitternacht: die Pforten des Louvre schlossen sich gewöhnlich um Mitternacht, doch Heinrich hatte weislich berechnet, der Herzog von Anjou würde unfehlbar an diesem Abend im Louvre schlafen gehen, um dem Verdachte, den der Tumult von Paris während der vorhergehenden Stunden in dem Geiste des Königs entstehen lassen könnte, weniger Spielraum zu gönnen.

Der König hatte also Befehl gegeben, die Tore bis um ein Uhr offen zu halten.

Um ein Viertel auf ein Uhr kam Quélus herauf und meldete: »Sire, der Herzog ist zurückgekehrt.«

»Was macht Maugiron?«

»Er ist als Schildwache unten geblieben, um zu sehen, ob der Herzog nicht ausgehen würde.«

»Es ist keine Gefahr.«

»Also…« sagte Quélus mit einer Bewegung, um dem König anzudeuten, man dürfte nur noch handeln.

»Also… lassen wir ihn ruhig schlafen gehen,« erwiderte Heinrich.

»Wer ist bei ihm?«

»Herr von Monsoreau und seine gewöhnlichen Edelleute.«

»Und Bussy?«

»Herr von Bussy ist nicht dabei.«

»Gut!« sprach der König, für den es eine große Erleichterung war, seinen Bruder seines besten Degens beraubt zu wissen.

»Was befiehlt der König?« fragte Quélus.

»Man sage Épernon und Schomberg, sie mögen sich beeilen, und man benachrichtige Herrn von Monsoreau, dass ich ihn zu sprechen wünsche.«

Quélus verbeugte sich und vollzog seinen Auftrag mit aller Eile, die dem menschlichen Willen die Leidenschaft des Hasses und die Rachgier, in einem Herzen vereinigt, zu verleihen im Stande sind.

Fünf Minuten nachher traten Épernon und Schomberg ein, der eine neu angekleidet, der andere hübsch von der Farbe befreit; nur die Vertiefungen des Gesichts hatten eine bläuliche Tinte beibehalten, welche nach der Behauptung des Baders erst in Folge mehrerer Dampfbäder verschwinden sollte.

Nach den zwei Mignons erschien Herr von Monsoreau.

»Der Herr Kapitän der Garden Eurer Majestät hat mir angekündigt, sie erwiese mir die Ehre, mich zu sich zu berufen,« sprach der Oberstjägermeister sich verbeugend.

»Ja, mein Herr,« sagte der König, »ja, als ich diesen Abend spazieren ging, fand ich die Sterne so glänzend und den Mond so schön, dass ich dachte, wir dürften bei einem so herrlichen Wetter morgen eine vortreffliche Jagd machen; es ist erst Mitternacht, Herr Graf; geht auf der Stelle nach Vincennes ab, lasst mir einen Dambock stellen, und wir jagen morgen.«

»Aber, Sire,« erwiderte Monsoreau, »ich glaubte, Eure Majestät hätte die Gnade gehabt, auf morgen Monseigneur von Anjou und Herrn von Guise zu bescheiden, um einen Anführer der Ligue zu ernennen.«

»Nun, mein Herr, hernach?« sagte der König mit dem stolzen Tone, dem so schwer zu antworten war.

»Hernach, Sire, hernach… es wird an Zeit gebrechen.«

»Es gebricht dem, der sie anzuwenden weiß, nie an Zeit, Herr Oberstjägermeister; deshalb sage ich Euch: Ihr habt Zeit, diesen Abend abzureisen, insofern Ihr sogleich abreist. Ihr habt Zeit, einen Dambock in dieser Nacht zu stellen, und Ihr werdet Zeit haben, die Equipagen bis morgen um zehn Uhr bereit zu halten. Geht also, und zwar auf der Stelle! Quélus und Schomberg, lasst Herrn von Monsoreau auf meinen Befehl das Thor des Louvre öffnen, und lasst es, abermals auf meinen Befehl, wieder schließen, wenn er weggegangen ist.«

Der Oberstjägermeister ging ganz erstaunt hinaus.

»Das ist eine Laune des Königs?« fragte er die jungen Männer im Vorzimmer.

»Ja,« antworteten sie lakonisch.

Herr von Monsoreau sah, dass von dieser Seite nichts herauszubekommen war, und schwieg.

»Oh! Oh!« murmelte er in seinem Innern, einen Seitenblick auf die Gemächer des Herzogs von Anjou werfend, »es scheint mir, das riecht nicht gut für Seine Königliche Hoheit.«

Doch es gab kein Mittel, den Prinzen zu warnen; Quélus und Schomberg blieben, der eine an der rechten, der andere an der linken Seite des Oberstjägermeisters.

Einen Augenblick glaubte er, die zwei Mignons hätten besondere Befehle und hielten ihn gefangen; erst als er sich außerhalb des Louvre befand und die Tore wieder hinter sich schließen hörte, sah er ein, dass sein Verdacht unbegründet war.

Nach zehn Minuten kamen Schomberg und Quélus zum König zurück.

»Nun stille, und folgt mir alle Vier,« sprach der König.

»Wohin gehen wir?« fragte Épernon, stets klug.

»Diejenigen, welche mitkommen, werden es sehen,« antwortete der König.

»Vorwärts!« sagten gleichzeitig die vier jungen Leute. Die Mignons befestigten ihre Degen, häkelten ihre Mäntel zu und folgten dem König, welcher sie, eine Laterne in der Hand, durch den uns bekannten Gang führte, durch den wir mehr als einmal die Königin Mutter und den König Karl IX. zu ihrer Tochter und ihrer Schwester, der guten Margot, haben gehen sehen, deren Gemächer erwähntermaßen der Herzog von Anjou für sich genommen hatte.

Ein Kammerdiener wachte im Gang; doch ehe er Zeit hatte, sich umzudrehen, um seinen Herrn zu benachrichtigen, fasste ihn Heinrich bei der Hand, befahl ihm, zu schweigen, und schob ihn seinen Begleitern zu, welche denselben in ein Kabinett stießen und einschlossen.

Der König drehte also selbst den Knopf des Zimmers um, in welchen Monseigneur der Herzog von Anjou zu schlafen pflegte.

Der Herzog war so eben zu Bette gegangen, freudig gewiegt durch die Träume des Ehrgeizes, welche die Ereignisse des Abends in ihm erzeugten: er hatte seinen Namen mit Begeisterung nennen und den des Königs brandmarken hören. Geführt von dem Herzog von Guise hatte er das Volk von Paris vor ihm und seinen Edelleuten sich öffnen sehen, während die Edelleute des Königs ausgezischt, verhöhnt und beschimpft wurden. Nie, seit dem Anfange dieser langen Laufbahn voll dumpfer Schleichwege, voll schüchterner Komplotte, voll unterirdischer Minen, war er in der Volksgunst und folglich in der Hoffnung so weit vorgerückt gewesen.

Er hatte auf den Tisch einen Brief niedergelegt, den ihm Herr von Monsoreau im Auftrage von Herrn von Guise übergeben, welcher ihn zugleich auffordern ließ, sich unfehlbar am andern Tage bei dem Lever des Königs einzufinden.

Der Herzog bedurfte einer solchen Aufforderung nicht, denn er hatte sich selbst gelobt, in der Stunde des Triumphs nicht zu fehlen. Doch sein Erstaunen war groß, als er die Türe des geheimen Ganges sich öffnen sah, und sein Schrecken erreichte den höchsten Grad, als er erkannte, sie hätte sich so unter der Hand des Königs geöffnet.

Heinrich hieß durch ein Zeichen seine Gefährten auf der Türschwelle bleiben und ging, ernst, die Stirne gefaltet und ohne ein Wort zu sprechen, auf das Bett von Franz zu.

»Sire,« stammelte der Herzog, »die Ehre, welche mir Eure Majestät erweist, ist so unvorhergesehen …«

»Dass sie Euch erschreckt, nicht wahr?« entgegnete der König, »ich begreife das; doch nein, nein, bleibt, mein Bruder, steht nicht auf.«

»Aber, Sire, erlaubt mir…« versetzte der Herzog zitternd und den Brief an sich ziehend, den er so eben gelesen hatte.

»Ihr last?« fragte der König.

»Ja, Sire.«

»Eine interessante Lektüre, ohne Zweifel, da sie Euch bis zu einer so vorgerückten Stunde der Nacht wach erhielt.«

»Oh! Sire,« antwortete der Herzog mit einem eisigen Lächeln, »nichts Interessantes, der kleine Abendbote.«

»Ja,« sagte Heinrich, »ich begreife, der Abendbote, der Bote von Venus; doch nein, ich täusche mich; man verschließt nicht mit Siegeln von solchem Umfang die Billets, die man durch Iris oder Merkur bestellen lässt.«

Der Herzog verbarg den Brief gänzlich.

»Er ist diskret, dieser liebe Franz,« sprach der König mit einem Gelächter, das zu sehr dem Knirschen der Zähne glich, als dass sein Bruder nicht hätte darüber erschrecken sollen.

Er strengte sich indessen an und suchte wieder einige Sicherheit zu gewinnen.

»Will mir Eure Majestät etwas allein sagen?« fragte der Herzog, dem eine Bewegung der vier an der Türe zurückgebliebenen Edelleute offenbarte, dass sie horchten und sich an dem Anfang der Szene ergötzten.

»Was ich Euch besonders zu sagen habe, Monseigneur,« sprach der König mit einem Nachdruck auf das Wort Monseigneur, welches das Ceremonial von Frankreich den Brüdern der Könige bewilligt, »werdet Ihr selbst geeignet finden, wenn ich es Euch heute vor Zeugen sage. Meine Herren,« fuhr er, sich gegen die vier jungen Leute umwendend fort, »hört wohl, der König erlaubt es Euch.«

Der Herzog hob den Kopf empor und sprach mit dem gehässigen, giftigen Blicke, den der Mensch der Schlange entlehnt hat:

»Sire, ehe Ihr einen Mann meines Ranges beleidigt, hättet Ihr mir die Gastfreundschaft des Louvre verweigern müssen; in dem Hotel Anjou hätte ich wenigstens die Freiheit gehabt, Euch zu antworten.«

»Ihr vergesst,« erwiderte Heinrich mit einer furchtbaren Ironie, »Ihr vergesst, dass Ihr überall, wo Ihr seid, mein Untertan seid, und dass meine Untertanen bei mir sind, überall, wo sie sind, denn Gott sei Dank, ich bin der König! … der König des Bodens! …«

»Sire,« rief Franz, »ich bin hier im Louvre … bei meiner Mutter.«

»Und Eure Mutter ist bei mir,« antwortete Heinrich. »Lasst uns die Sache abkürzen, Monseigneur: gebt mir dieses Papier.«

»Welches?«

»Bei Gott! das, welches Ihr last; das Papier, das offen auf Eurem Nachttische lag, und das Ihr verbargt, als Ihr mich erblicktet.«

»Sire, bedenkt!«

»Was?« fragte der König.

»Dass Ihr eine Forderung macht, welche eines guten Edelmanns unwürdig, aber dagegen eines Officianten Eurer Polizei würdig ist.«

Der König wurde leichenbleich und rief:

»Den Brief, Monsieur!«

»Einen Brief von einer Frau, Sire, bedenkt doch?«

»Es, gibt Briefe von Frauen, welche zu sehen sehr gut ist, während sie höchst gefährlich sind, wenn man sie nicht sieht; dies beweisen die Briefe, welche unsere Mutter schreibt.«

 

»Mein Bruder!«

»Den Brief, Monsieur!« rief der König mit dem Fuße stampfend, »oder ich lasse ihn Euch durch vier Schweizer entreißen!«

Der Herzog sprang aus seinem Bette, den Brief zerknittert in seinen Händen haltend, und offenbar in der Absicht, den Kamin zu erreichen, um ihn in das Feuer zu werfen.

»Ihr würdet das Eurem Bruder tun?« rief er.

Heinrich erriet seine Absicht und stellte sich zwischen ihn und den Kamin.

»Nicht meinem Bruder,« sprach der König, »sondern meinem Todfeinde? nicht meinem Bruder, sondern dem, Herzog von Anjou, der den ganzen Abend in den Straßen von Paris an dem Schweife von Herrn von Guise umher gelaufen ist! Meinem Bruder, der mir einen Brief von Einem oder dem Andern seiner Mitschuldigen zu verbergen versucht.«

»Diesmal ist Eure Polizei schlecht unterrichtet,« versetzte der Herzog.

»Ich sage Euch, dass ich auf dem Siegel die berüchtigten, drei gestümmelten Amseln von Lothringen gesehen habe, welche die Lilien von Frankreich aufzufressen trachten. Gebt mir, Mord und Tod! gebt mir, oder …«

Heinrich machte einen Schritt gegen den Herzog und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Franz fühlte nicht sobald die königliche Hand auf sich lasten, er hatte nicht sobald mit einem schiefen Blick die drohende Stellung der vier Mignons wahrgenommen, welche vom Leder zu ziehen anfingen, als er halb rückwärts gegen sein Bett auf die Knie stürzte und ausrief:

»Herbei! zu Hilfe! zu Hilfe! mein Bruder will mich töten!«

Diese Worte, das Gepräge eines tiefen Schreckens in sich tragend, das ihnen die Überzeugung verlieh, brachten ihren Eindruck auf den König hervor und erstickten seinen Zorn gerade dadurch, dass sie das Maß desselben größer voraussetzten, als es wirklich war. Er dachte, Franz könnte wirklich einen Mord befürchten, und dieser Mord wäre ein Brudermord gewesen. Da fasste es ihn wie ein Schwindel bei dem Gedanken, dass in seiner Familie, einer verfluchten Familie, wie alle diejenigen, in Kelchen ein Geschlecht aussterben soll, es erfasste ihn wie ein Schwindel bei dem Gedanken, dass in seiner Familie die Brüder einander durch Tradition mordeten.

»Nein,« sagte er, »Ihr täuscht Euch, mein Bruder, der König führt gegen Euch nichts Böses in der Art dessen, was Ihr befürchtet, im Schilde; Ihr habt wenigstens gekämpft, erklärt Euch für besiegt. Ihr wisst, dass der König der Gebieter und Herr ist, oder wenn Ihr es nicht wusstet, so wisst Ihr es wenigstens jetzt. Wohl! so sagt es nicht nur leise, sondern auch ganz laut.«

»Oh! ich sage es, mein Bruder, und verkündige es laut,« rief der Herzog.

»Sehr gut. Diesen Brief also … denn der König befiehlt Euch, ihm diesen Brief zu übergeben.«

Der Herzog ließ das Papier fallen.

Der König hob es auf, faltete dasselbe, ohne es zu lesen, zusammen, und verschloss es in seiner Tasche.

»Ist das Alles?« fragte der Herzog mit seinem schielenden Blicke.

»Nein,« erwiderte Heinrich, »Ihr müsst noch wegen dieser Rebellion, welche glücklicher Weise keinen ärgerlichen Erfolg gehabt hat, das Zimmer hüten, bis mein Verdacht in Beziehung auf Euch völlig zerstreut ist. Ihr seid hier bequem, die Wohnung ist Euch bekannt und hat nicht zu sehr das Aussehen eines Gefängnisses; bleibt hier. Ihr werdet wenigstens jenseits der Türe gute Gesellschaft haben, denn für heute Nacht bewachen Euch diese vier Herren. Morgen früh werden sie von einem Posten von Schweizern abgelöst.«

»Doch meine Freunde, kann ich sie sehen?«

»Wen nennt Ihr Eure Freunde?«

»Herrn von Monsoreau zum Beispiel, Herrn von Ribeirac, Herrn Antraguet, Herrn von Bussy.«

»Oh ja!« sagte der König, »sprecht mir auch noch von diesem.«

»Sollte er das Unglück gehabt haben, Eurer Majestät zu missfallen?«

»Ja.«

»Wann dies?«

»Immer, und diese Nacht besonders.«

»Diese Nacht, was hat er denn in dieser Nacht getan?«

»Er hat mich in den Straßen von Paris beschimpfen lassen.«

»Euch, Sire?«

»Ja, mich, oder meine Getreuen, was dasselbe ist.«

»Bussy hat Jemand in den Straßen von Paris in dieser Nacht beschimpfen lassen? Man hat Euch getäuscht, Sire.«

»Ich weiß, was ich sage, Monsieur.«

»Sire,« rief der Herzog mit triumphierender Miene, »Herr von Bussy hat sein Hotel seit zwei Tagen nicht verlassen! Er liegt zu Hause, krank, vom Fieber geschüttelt.«

Der König wandte sich gegen Schomberg um.

»Wenn ihn das Fieber schüttelte,« sprach der junge Mann, »so geschah es wenigstens nicht in seinem Hause, sondern in der Rue Coquillère.«

»Wer hat Euch gesagt, dass Herr von Bussy in der Rue Coquillère war?« fragte der Herzog von Anjou sich erhebend.

»Ich habe ihn gesehen.«

»Ihr habt Bussy auf der Straße gesehen?«

»Bussy, frisch, munter, freudig … er sah aus wie der glücklichste Mensch der Welt und war begleitet von seinem gewöhnlichen Akolyten, von diesem Remy, von diesem Stallmeister, von diesem Arzt, was weiß ich!«

»Dann begreife ich es nicht,« sagte der Herzog erstaunt: »ich habe Herrn von Bussy am Abend besucht; er lag tief unter der Decke und muss mich selbst getäuscht haben.«

»Es ist gut,« sprach der König, »Herr von Bussy wird wie die Anderen und mit den Anderen bestraft, sobald die Sache aufgeklärt ist.«

Der Herzog dachte, den Zorn des Königs auf Bussy überfließen zu lassen, wäre ein gutes Mittel, ihn von sich abzuwenden, und versuchte es nicht, seinen Edelmann weiter zu verteidigen.

»Wenn Herr von Bussy dies getan hat,« sagte der Herzog, »wenn er, nachdem er sich mit mir auszugehen geweigert, allein ausgegangen ist, so hatte er ohne Zweifel Absichten, die er mir, dessen Ergebenheit für Eure Majestät er kennt, nicht zugestehen wollte.«

»Ihr hört, meine Herren, was mein Bruder behauptet,« sagte der König,«er behauptet, er habe Herrn von Bussy nicht bevollmächtigt.«

»Desto besser,« versetzte Schomberg.

»Warum desto besser?«

»Weil uns Eure Majestät vielleicht machen lassen wird, was wir machen wollen.«

»Es ist gut! es ist gut! man wird später sehen,« sprach Heinrich. »Meine Herren, ich empfehle Euch meinen Bruder, habt für ihn während dieser ganzen Nacht, wo Euch die Ehre zu Teil wird, ihm als Wache zu dienen, jede Rücksicht, die man einem Prinzen von Geblüt, das heißt, dem Ersten des Königreiches nach mir schuldig ist.«

»Oh, Sire!« sprach Quélus mit einem Blicke, der den Herzog schauern machte, »Sire, seid unbesorgt, wir wissen, was wir Seiner Hoheit schuldig sind.«

»Es ist gut; Gott befohlen, meine Herren,« sprach Heinrich.

»Sire!« rief der Herzog, mehr erschrocken über die Abwesenheit des Königs, als er es über die Anwesenheit desselben gewesen war, »wie! ich bin im Ernste gefangen! wie! meine Freunde können mich nicht besuchen? wie! es wird mir verboten sein, auszugehen?«

Und der Gedanke an den andern Tag ging ihm durch den Kopf, an diesen andern Tag, an dem seine Gegenwart bei Herrn von Guise so notwendig war.

»Sire,« sagte der Herzog, als er sah, dass der König nahe daran war, nachzugeben, »lasst mich wenigstens bei Eurer Majestät erscheinen; bei Eurer Majestät ist mein Platz. Ich bin dort eben so gut Gefangener, als anderswo, und besser bewacht, als an allen möglichen Plätzen. Sire, bewilligt mir die Gnade, bei Eurer Majestät bleiben zu dürfen.«

Auf dem Punkte, der Bitte des Herzogs von Anjou zu willfahren, in der er nichts Ungeeignetes erblickte, wollte der König mit einem Ja antworten, als seine Aufmerksamkeit von seinem Bruder abgezogen, und nach der Türe durch einen sehr langen und beweglichen Körper gelenkt wurde, der mit den Armen, mit dem Kopfe, mit dem Halse, mit Allem, was er zu rühren vermochte, die verneinendsten Gebärden machte, die man ersinnen und, ohne die Knochen zu verrenken, ausführen konnte.

Es war Chicot, der Nein machte.

»Nein,« sagte Heinrich zu seinem Bruder, »Ihr seid sehr gut hier, Monsieur, und es ist mir genehm, dass Ihr hier bleibt.«

»Sire,« stammelte der Herzog.

»Sobald es Belieben des Königs von Frankreich ist, muss Euch das genügen, Monsieur,« fügte Heinrich mit einer hochmütigen Miene, welche den Herzog vollends niederschmetterte, bei.

»Ich sagte doch, ich wäre der wahre König von Frankreich!« murmelte Chicot.

Siebentes Kapitel
Wie Chicot einen Besuch bei Bussy machte und was daraus erfolgte

Am Tage nach dieser Nacht frühstückte Bussy gegen neun Uhr Morgens ruhig mit Remy, der ihm in seiner Eigenschaft als Arzt stärkende Speisen und Getränke verordnete; sie plauderten über die Ereignisse des vergangenen Abends, und Remy suchte sich der Legenden zu erinnern, auf welche sich die Fresken der kleinen Kirche Sainte-Marie-l'Egyptienne bezogen.

»Sage doch, Remy,« fragte ihn plötzlich Bussy, »glaubtest Du nicht den Edelmann zu erkennen, den man in eine Küpe tauchte, als wir an der Ecke der Rue Coquillere vorüberkamen?«

»Allerdings, Herr Graf, und zwar dergestalt, dass ich mich seit diesem Augenblick seines Namens zu entsinnen suche.«

»Du hast ihn also nicht bestimmt erkannt?«

»Nein, er war bereits sehr blau.«

»Ich hätte ihn befreien sollen,« sagte Bussy, »es ist eine Pflicht von Leuten von Stand, sich gegen den Pöbel Hilfe zu leisten; doch in der Tat, Remy, ich war zu sehr mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt.«

»Wenn wir ihn aber nicht erkannten,« sprach der Haudouin, »so hat er sicherlich uns erkannt, uns, die wir unsere natürliche Farbe hatten, denn es kam mir vor, als rollte er schreckliche Augen im Kopfe umher und zeigte uns mit irgend einer Drohung die Faust.«

»Bist Du dessen gewiss, Remy?«

»Ich stehe für die furchtbaren Augen, bin jedoch weniger gewiss über die Faust und die Drohung,« erwiderte der Haudouin, der den reizbaren Charakter von Bussy kannte.

»Dann muss man erfahren, wer dieser Edelmann ist, Remy, denn ich kann eine solche Beleidigung nicht so hingehen lassen.«

»Wartet doch! wartet doch!« rief der Haudouin, als wäre er aus dem kalten Wasser heraus, oder in das heiße Wasser hineingekommen, »oh! mein Gott, ich habe es, ich kenne ihn.«

»Wie so?«

»Ich habe ihn schwören hören.«

»Ich glaube es wohl, bei Gott! es würde Jedermann in einer solchen Lage geschworen haben.«

»Ja, aber, er hat deutsch geschworen.«

»Bah!«

»Er hat Gott verdamme gesagt.«

»Dann ist es Schomberg.«

»Er selbst, Herr Graf, er selbst.«

»Wenn dem so ist, mein lieber Remy, so halte Deine Salben bereit.«

»Warum dies?«

»Weil binnen Kurzem an seiner Haut oder an der meinigen etwas zu flicken sein wird.«

»Ihr werdet nicht so töricht sein, Euch töten zu lassen, während Ihr Euch einer so guten Gesundheit erfreut und so glücklich seid,« sprach Remy, mit dem Auge blinzelnd. »Verdammt, die heilige Maria, die Ägypterin, hat Euch bereits einmal auferweckt; sie könnte müde werden, ein Wunder zu tun, das Christus selbst nicht zweimal versuche.«

»Im Gegenteil, Remy, Du kannst Dir gar nicht vorstellen, welch einen Genuss es bereitet, wenn man glücklich ist, sein Leben gegen das Leben eines Andern einzusetzen. Ich versichere Dich, dass ich mich nie gern geschlagen habe, wenn ich große Summen im Spiele verloren, meine Geliebte bei einem Fehltritt ertappt, oder mir irgend etwas vorzuwerfen hatte; so oft aber im Gegenteil meine Börse rund, mein Herz leicht und mein Gewissen rein ist, gehe ich keck und lustig auf den Kampfplatz: dann bin ich meiner Hand sicher. Ich lese in der Tiefe der Augen meines Gegners; ich werfe ihn mit meinem Glücksstrahl nieder; ich bin in der Lage eines Menschen, der beim Würfelspiel im Vorteil ist und den Wind Fortuna's das Geld seines Gegners sich zutreiben fühlt. Nein, dann bin ich glänzend und meiner gewiss. Ich würde mich unstreitig heute bewunderungswürdig schlagen, Remy,« sprach der junge Mann, dem Doktor die Hand reichend, »denn mit Deiner Hilfe bin ich sehr glücklich.«

»Wartet einen Augenblick,« versetzte der Haudouin, »Ihr werdet Euch dennoch, wenn es Euch gefällig ist, dieses Vergnügens berauben. Eine mir befreundete schöne Dame hat mir Euch empfohlen und mich schwören lassen, Euch unversehrt zu erhalten, unter dem Vorwand, Ihr wäret Ihr das Leben schuldig, und man hätte nicht die Freiheit, über das, was man schuldig ist, zu verfügen.«

»Guter Remy,« sagte Bussy, sich in die Woge des Geistes versenkend, welche dem verliebten Menschen Alles, was man sagt und was man tut, zu hören und zu sehen gestattet, wie man hinter einer Gaze im Theater die Gegenstände ohne ihre Ecken und ohne die Rauheiten ihrer Töne erblickt … ein köstlicher Zustand, der beinahe ein Traum ist, denn während wir mit der Seele dem zarten, treuen Gedanken folgen, sind unsere Sinne zerstreut durch das Wort oder die Gebärde eines Freundes.

 

»Ihr nennt mich guter Remy,« sprach der Haudouin, »weil ich Euch Frau von Monsoreau habe wiedersehen lassen; doch werdet Ihr mich auch noch guter Remy nennen, wenn Ihr von ihr getrennt seid, und leider naht der Tag, wenn er nicht bereits eingetreten ist.«

»Was sagst Du?« rief Bussy mit heftigem Tone. »Wir wollen nicht hierüber scherzen, Meister Haudouin.«

»Ei! mein Herr, ich scherze nicht; wisst Ihr nicht, dass sie nach Anjou abreist, und dass mich selbst der Schmerz trifft, von Mademoiselle Gertrude getrennt zu werden? … Ah!«

Bussy konnte sich eines Lächelns über die scheinbare Verzweiflung von Remy nicht erwehren.

»Du liebst sie sehr?« fragte er.

»Ich glaube wohl … und sie erst … Wenn Ihr wüsstet, wie sie mich schlägt.«

»Und Du gibst das zu?«

»Aus Liebe für die Wissenschaft. Sie hat mich gezwungen, eine ausgezeichnete Pomade zu Tilgung der blauen Flecken zu erfinden.«

»Dann müsstest Du mehrere Töpfe an Schomberg schicken.«

»Sprechen wir nicht mehr von Schomberg; es ist abgemacht, dass wir ihn seinen Schmutz nach Belieben abwaschen lassen.«

»Ja, und lass uns auf Frau von Monsoreau oder vielmehr auf Diana von Méridor zurückkommen, denn Du weißt …«

»O mein Gott! ja, ich weiß.«

»Remy, wann reisen wir ab?«

»Ah! das vermutete ich; so spät als möglich, Herr Graf.«

»Warum dies?«

»Einmal, weil wir in Paris den lieben Herrn von Anjou, den Führer der Gemeinde, haben, der sich gestern Abend, wie mir scheint, in solche Geschichten gesteckt hat, dass er Eurer offenbar bedarf.«

»Und hernach?«

»Hernach, weil Herr von Monsoreau in Folge eines ganz besonderen Segens nichts vermutet, wenigstens in Beziehung auf Euch, und weil er wohl etwas vermuten dürfte, wenn er Euch zu gleicher Zeit wie seine Frau, welche nicht seine Frau ist, aus Paris verschwinden sehen würde.«

»Nun, was ist mir an seinen Vermutungen gelegen?»

»Oh! ja, doch mir liegt sehr viel daran, mein lieber Herr. Ich übernehme es, die im Duelle erhaltenen Degenstiche wieder zu flicken, denn da Ihr ein Fechter erster Stärke seid, so werdet Ihr nie sehr bedeutende Wunden bekommen; aber ich weise die Dolchstiche zurück, die im Hinterhalte beigebracht werden, besonders von eifersüchtigen Ehemännern; das sind Tiere, welche in solchen Fällen sehr hart stoßen; gedenkt nur des armen Herrn von Saint-Mégrin, der auf eine so abscheuliche Weise von unserem Freunde, Herrn von Guise um das Leben gebracht wurde.«

»Was willst Du, lieber Freund, wenn es in meinem Verhängnis liegt, von Herrn von Monsoreau getötet zu werden?«

»Nun?«

»Nun, so wird er mich töten.«

»Und acht Tage, einen Monat, ein Jahr nachher wird Frau von Monsoreau ihren Gatten heiraten, was Eure Seele, die dies von oben oder von unten sieht und sich nicht widersetzen kann, weil sie keinen Körper mehr hat, ungeheuer wütend machen muss.«

»Du hast Recht, Remy; ich will leben.«

»Ja, gut, doch mit dem Leben ist noch nicht Alles abgemacht, glaubt mir, Ihr müsst meine Ratschläge befolgen; Ihr müsst gegen den Monsoreau artig sein; er ist in diesem Augenblick furchtbar eifersüchtig auf den Herzog von Anjou, weil dieser, während Ihr zum Glück vor Fieber in Eurem Bette schauertet, unter den Fenstern der Dame wie ein abenteuernder Spanier auf- und abging und an seinem Aurilly erkannt wurde. Kommt ihm auf jede Weise entgegen, diesem guten Gatten, der es nicht ist; habt nicht einmal den Anschein, als fragtet Ihr, was aus seiner Frau geworden; es ist dies unnötig, da Ihr es doch wisst, und er wird überall ausstreuen, Ihr seid der einzige Edelmann, der die Tugenden von Scipio: Mäßigkeit und Keuschheit, besitze.«

»Ich glaube, Du hast Recht,« sprach Bussy, »da ich nicht mehr auf den Bären eifersüchtig bin, so will ich ihn zähmen, das wird höchst possierlich sein. Ah! verlange nun von mir, was Du willst, Remy; Alles ist mir leicht, denn ich bin glücklich.«

In diesem Augenblick klopfte Jemand an die Türe und die zwei Tischgenossen schwiegen.

»Wer ist da?« fragte Bussy.

»Monseigneur antwortete ein Page, »es ist unten ein Herr, der Euch sprechen will.«

»Mich sprechen, so frühe; wer ist es?«

»Ein großer Herr, in einem grünen Sammetkleid mit rosenfarbigen Strümpfen, ein etwas lächerliches Gesicht, sieht aber aus wie ein ehrlicher Mann.«

»Ei!« dachte Bussy ganz laut, »sollte es Schomberg sein?«

»Er hat gesagt: ein großer Herr.«

»Das ist wahr; oder der Monsoreau?«

»Er sagt: sieht aus wie ein ehrlicher Mann.«

»Du hast Recht, Remy, es kann weder der Eine noch der Andere sein; lasst ihn eintreten.«

Der Gemeldete erschien nach einem Augenblick auf der Schwelle.

»Ah! mein Gott,« rief Bussy, bei dem Anblick des Besuches hastig aufstehend, während Remy, ein bescheidener Freund, sich durch die Türe eines Kabinetts entfernte.

»Herr Chicot!« rief Bussy.

»Er selbst, Herr Graf,« antwortete der Gascogner.

Der Blick von Bussy heftete sich auf ihn mit dem Erstaunen, das in allen Buchstaben ausdrückt, ohne dass der Mund den geringsten Anteil an dem Gespräche zu nehmen nötig hat: »Mein Herr, in welcher Absicht kommt Ihr hierher?«

Ohne anders gefragt zu werden, erwiderte auch Chicot mit sehr ernstem Tone:

»Mein Herr, ich komme, um Euch einen kleinen Handel vorzuschlagen.«

»Lasst hören, mein Herr,« versetzte Bussy erstaunt.

»Was versprecht Ihr mir, wenn ich Euch einen großen Dienst leiste?«

»Das hängt von dem Dienste ab, mein Herr,« antwortete Bussy ziemlich verächtlich.

Der Gascogner stellte sich, als bemerkte er diese verächtliche Miene nicht, setzte sich nieder und sagte, seine langen Beine über einander kreuzend:

»Ich bemerke, dass Ihr mir nicht die Ehre erweist, mich zum Sitzen einzuladen.«

Bussy stieg die Röte in das Gesicht.

»Ihr müsst noch so viel zu der Belohnung beifügen, die mir zukommen wird, wenn ich Euch den fraglichen Dienst geleistet habe,« sagte Chicot.

Bussy antwortete nicht.

»Mein Herr,« fuhr Chicot, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, fort, »kennt Ihr die Ligue?«

»Ich habe viel davon sprechen hören,« antwortete Bussy, der nun dem, was ihm der Gascogner sagte, eine gewisse Aufmerksamkeit zu schenken anfing.

»Nun wohl, mein Herr, Ihr müsst folglich wissen, dass es eine Verbindung ehrlicher Christen ist, welche sich in der Absicht, auf eine religiöse Weise ihre Nachbarn, die Hugenotten, niederzumetzeln, vereinigt haben. – Gehört Ihr zu der Ligue, mein Herr? Ich gehöre dazu.«

»Aber, mein Herr…«

»Sagt nur Ja oder Nein.«

»Erlaubt mir zu staunen …«

»Ich gab mir die Ehre, Euch zu fragen, ob Ihr zur Ligue gehört; habt Ihr mich verstanden?«

»Herr Chicot,« sagte Bussy, »da ich die Fragen nicht liebe, deren Sinn ich nicht begreife, so bitte ich Euch, das Gespräch zu verändern, und ich werde noch einige dem Wohlanstand bewilligte Minuten warten, um Euch zu sagen, dass ich, insofern ich die Fragen nicht liebe, natürlich auch die Frager nicht liebe.«

»Sehr gut: der Wohlanstand ist wohlanständig, wie der liebe Herr von Monsoreau sagt, wenn er guter Laune ist.«

Bei dem Namen Monsoreau, den der Gascogner ohne eine scheinbare Anspielung aussprach, wurde Bussy wieder aufmerksam.

»Hm!« sagte er ganz leise, »sollte er etwas vermuten und mir diesen Chicot zugeschickt haben, um mich auszuforschen? …«

Dann laut:

»Lasst hören, Herr Chicot, kommt zur Sache, Ihr wisst, dass wir nur noch ein paar Minuten haben.«

»Optime! einige Minuten, das ist viel. In einigen Minuten sagt man sich vielerlei Dinge; ich sage Euch also, dass ich mich in der Tat der Mühe, Euch zu fragen, hätte überheben können, insofern Ihr, wenn Ihr nicht bei der heiligen Ligue seid, unzweifelhaft bald dabei sein werdet, da Herr von Anjou dabei ist.«

»Herr von Anjou, wer hat Euch das gesagt?«

»Er selbst, mit meiner Person sprechend, wie die Herren Juristen sagen, oder vielmehr schreiben, wie zum Beispiel der gute und liebe Herr Nicolas David schrieb … diese Fackel des forum parisiense, welche Fackel erloschen ist, ohne dass man weiß, wer sie ausgeblasen hat: Ihr begreift aber, dass Ihr, wenn der Herr Herzog von Anjou bei der Ligue ist, wohl nicht umhin könnt, auch dabei zu sein, Ihr, der Ihr beim Teufel sein rechter Arm seid! Die Ligue weiß zu gut, was sie tut, um einen einarmigen Führer anzunehmen.«

»Nun, Herr Chicot, und hernach?« sagte Bussy mit einem offenbar höflicheren Tone, als er bis dahin gehabt hatte.