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Die Cabane und die Sennhütte

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Viertes Kapitel
Cabane und Sennhütte

Monsieur Coumbes besaß in ausgezeichnetem Grade das Gefühl einer socialen Stellung. Er war keiner von denjenigen Leuten, welche den Liebesgott mit einer Setzwage anstatt des Scepters darstellen und welche von der Hand ihrer Köchin geschmiedete Fesseln annehmen; ei! er würde es nicht gewollt haben, und wenn diese Hand die Hand der Grazien gewesen wäre. Er gehörte selbst nicht einmal zu denen, welche denken, wenn die Thüre geschlossen, wenn der Tisch gedeckt und der Wein aufgestellt ist, wer kümmert sich darum, wo Babette untergebracht ist?

Er hegte eine allgemeine Abneigung gegen das ganze weibliche Geschlecht. Milette hatte die einzige Ausnahme von dieser Ansicht gebildet. Er erstaunte zu sehr darüber, um nicht seine Kaltblütigkeit zu behaupten, um nicht bei gesunder und vollständiger Vernunft zu bleiben, selbst in den Augenblicken, wo der König der Götter die einige verlor. Wenn der Gesang dieser Frau jene Einwirkung auf ihn äußerte, den die Frühlingssonne auf die Natur äußert, so ging sie nicht so weit, um ihn das Decorum, die Feierlichkeit der Geberden und der Sprache vergessen zu lassen, welche einem Herrn seiner Dienerin gegenüber zukommen. Und oft gerade in dem Augenblick, wenn die Glut der Sinne ihn vergessen lassen wollte, daß je zwischen ihnen ein Abstand geherrscht, protestierte die Würde des Monsieur Coumbes durch einige ernste Worte, durch einige stark motivierte Anweisungen hinsichtlich der Sorgen des Haushalts, welche die junge Frau erinnern mußten, daß ihr Herr, wie es auch scheinen möchte, sich niemals entschließen würde, in ihr etwas Anderes, als eine Dienerin zu sehen.

Die Leidenschaft spielt nicht immer in der Annäherung der beiden Geschlechter eine so wesentliche Rolle, wie es scheinen mag. Tausend verschiedene Gefühle können zu einem Verhältniß führen. Milette hatte Monsieur Coumbes nachgegeben, weil sie eine übergroße Dankbarkeit für die Dienste hegte, die er ihr geleistet; weil der Packträgermeister, rechtschaffen, geordnet und glücklich, mit einer seltenen Festigkeit der Ideen zum Vermögen gelangte fand er eine überzeugte Bewunderin. Der gewöhnliche Kopf des Besitzers der Cabane von Montredon war für ihre Augen mit einer Glorie umgeben; sie betrachtete ihn wie einen Halbgott, hörte ihn respektvoll an, theilte seine leidenschaftliche Vorliebe und war in seinem Gefolge dahin gekommen, eine armselige Hütte in wahrhaft olympischen Proportionen zu finden. Was Monsieur Coumbes auch von der Dienstfertigkeit der armen Frau verlangte, so hatte dieselbe doch keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sich kund zu geben: die Ueberzeugung von ihrer Untergebenheit ließ sie jede Weigerung als unmöglich ansehen.

Da sie sich nie übertriebenen Hoffnungen hingegeben hatte, so kannte sie auch die Täuschung nicht da sie keine Demüthigung fühlte; sie nahm ihre Stellung, wie ihr Herr sie ihr bereitete, mit einer zärtlichen und erkenntlichen Resignation an.

So vergingen die Jahre, indem sich in dem starken Koffer des Packträgermeisters Thaler auf Thaler häuften, indem er Butten Erde auf Butten Dung in dem Gärtchen zu Montredon schüttete. Aber ihre Bestimmung war verschieden; während der Nordwestwind Erde und Dung wegschleuderte, blieben die Thaler zurück, rundeten sich ab und vermehrten sich.

Sie vermehrten sich so gut, daß Monsieur Coumbes nach fünfzehn Jahren am Montag jeder Woche eine Schwäche empfand, wenn er Montredon, einen Feigenbaum, sein Gemüse und eine Beete verlassen mußte, um ein schmales Zimmer in der Rue de la Darfe wieder zu erreichen, und daß diese wöchentlichen Krisen von Woche zu Woche heftiger wurden. Die Liebe zu der Cabane und die Liebe zum Reichthum kämpften eine Weile mit einander in seinem Herzen. Gott selbst verweigerte es nicht, in der streitigen Sache auf Monsieur Coumbes zu wirken. Im Jahre des Heils 1845 fesselte er den besonderen Feind dieses Mannes in den Schluchten des Berges Ventoux, und schickte uns einen milden und feuchten Sommer. Der Sand von Montredon that zum erstenmal Wunder, seitdem der Packträgermeister seine Villa besaß. Der Salat vertrocknete nicht im Keim, die Bohnen schossen schnell auf, die schwachen Stengel der Goldäpfel bogen sich unter ihren gerippten Aepfeln; und an einem Sonnabend, als Monsieur Coumbes in seinem Garten ankam, zählte er, indem eine Ueberraschung seinem Glück gleich kam, zweihundertsiebenundsiebzig Blüthen auf einem Erbsenbeete. Er erwartete so wenig diesen ungehofften Erfolg, daß er sie aus der Ferne für Schmetterlinge gehalten hatte. Dieses Ereigniß besiegte allen seinen Widerstand. Sobald sich eine Blume in dem Garten des Monsieur Coumbes öffnete, würde es nicht zu viel gesagt sein, daß er bei ihrem Erblühen zugegen war. Er verkaufte seine Stelle, zog seine Gelder ein und brachte sie unter, vermiethete sein Zimmer anderweitig und ließ sich gänzlich in Montredon nieder.

Milette sah diese Veränderung der Wohnung nicht gern.

Während wir uns übermäßig über die Thaten und Handlungen des Besitzers der Cabane ausgelassen, haben wir eine Person ein wenig vernachlässigt, welche eine gewisse Rolle in dieser Erzählung spielen soll. Freilich hätte das Dasein dieser Person während der siebzehn Jahre, die wir eben überschritten haben, unseren Lesern nur ein mittelmäßiges Interesse eingeflößt. Wir wollen von dem Kinde Miletten's und Pierre Manas‘, reden.

Er hieß Marius, wie viele Marseiller. So pflanzt die Erkenntlichkeit der Bewohner des alten Marseille die Erinnerung des Helden fort, der ihr Land vor den Einfällen der Cimbern schützte; ein rührendes Beispiel, welches sie noch der Bewunderung derjenigen empfiehlt, welche die die Franzosen nennt. Er hieß also Marius.

Zu der Zeit, wohin wir gekommen sind, war er im vollen Sinne des Worts ein hübscher Knabe, einer von jenen jungen Leuten, welchen die Frauen nicht begegnen können, ohne den Kopf umzuwenden wie ein Pferd beim Blasen der Trompete.

Wir wollen es unseren Leserinnen überlassen, sich nach ihrem Gefallen das Bild unseres jungen Marius auszumalen, indem sie ihren besonderen Geschmack befolgen, wobei wir sie voraus um Verzeihung bitten, wenn in der Folge dieser Erzählung die Wahrheit uns nöthigt, der Vorliebe zu widersprechen, welcher wir in diesem Augenblick zu Gefallen zu reden suchen.

Die arme Milette liebte ihren Sohn zärtlich; sie hatte eine Menge Gründe dazu, wovon der beste war, daß sie, so natürlich dieses Gefühl sein mochte, sich Zwang anzuthun genöthigt war.

Ohne Abneigung gegen Marius zu empfinden, liebte ihn Monsieur Coumbes nicht. Er war völlig unfähig, die Mutterfreuden zu schätzen; aber er rechnete zu gut, um nicht die Kosten abzumessen.

Milette opferte für die Erziehung ihres Kindes den bescheidenen Lohn, den Monsieur Coumbes ihr so pünktlich zahlte, als wenn ihr Gesang ihn nicht zuweilen begeistert hätte, und Monsieur Coumbes beklagte die arme Frau und bedauerte die Opfer, die sie sich aufzuerlegen genöthigt war, um diesem kleinen Burschen das Abc lernen zu lassen, und erleichterte dieselben gewöhnlich durch das sparsame Mitleid, welches er ihr bezeugte und welches er nicht nur durch Beileidsbezeugungen, sondern auch durch heftige Verweise, die er dem Knaben zu Theil werden ließ, kund gab.

Als dieser Letztere herangewachsen war, gestaltete sich die Sache anders! Monsieur Coumbes hatte zu einem persönlichen Trost einen Grundsatz erfunden, den wir allen denjenigen empfehlen, welchen die Aufrichtigkeit ihres Spiegels unangenehme Wahrheiten sagt: er behauptete, daß ein hübscher Bursche nothwendigerweise ein schlechtes Subject sei; und Marius wurde entschieden ein hübscher Bursche. Die Stirn des Monsieur Coumbes wurde finsterer, wenn er ihn ansah. Er schalt Milette, daß sie eine thörichte Zärtlichkeit für ihr Kind zeige, indem er behauptete, daß ihre Liebe zu ihm sie von ihren häuslichen Pflichten ablenke. Er beklagte sich wiederholt über die Nachlässigkeit, die sie, wie er sagte, bei der Zubereitung irgend eines Gerichts gezeigt, und schrieb dieselbe der Zerstreuung zu, die dieser herbeiführe, den er zum voraus den Taugenichts nannte, und zu gleicher Zeit übte er vermöge seiner Folgerichtigkeit eine beständige Wachsamkeit über eine Börse aus; denn er hielt es bei den Augen, die der junge Mann besaß, für unmöglich, daß er sie ihm nicht einst rauben sollte.

Die Folge dieser Stimmung des Monsieur Coumbes war, daß Milette sich genöthigt sah, sich zu verbergen, um ihr Kind zu umarmen. Dieser schien es nicht zu bemerken. Er besaß einen angebornen Adel der Seele, die erhabenen Gesinnungen, die seine Mutter auszeichneten.

Milette hatte ihn mit der Vergangenheit unbekannt gelassen; sie hatte ihm Nichts von ihrer traurigen Geschichte erzählt, aber sie wiederholte ihm ohne Aufhören, daß er denjenigen lieben und verehren müsse, welchen sie niemals anders als seinen Wohlthäter nannte; und das Kind hatte sich gezwungen, die Erkenntlichkeit kund zu geben, wovon ein Herz überströmte, und die er empfunden haben würde, selbst wenn Monsieur Coumbes keinen weiteren Anspruch gehabt hätte, als die Zuneigung, die er einer Mutter einzuflößen gewußt hatte, welche Marius so zärtlich liebte.

Wenn Marius, als er größer wurde, fortfuhr, Monsieur Coumbes viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu erweisen, so fügte er noch eine Geduld ohne Grenzen und voll Respekt hinzu. Es war einleuchtend, daß der junge Mann bei einem Scharfblick errathen zu haben glaubte, daß festere Bande, als die der Wohlthat zwischen dem Packträgermeister und ihm herrschten.

Was ihn in diesem Glauben bestärken konnte, war, daß Monsieur Coumbes, als er sich nach und nach gewöhnt hatte, ihn Vater zu nennen, Nichts dagegen hatte. Als Monsieur Coumbes Marseille verließ, um nach Montredon zu ziehen, war Milettens Sohn seit einem Jahre als subalterner Commis in ein Handlungshaus eingetreten, und jeden Abend machte er sich aus dem Staube, um seine Mutter zu umarmen. Es war dieser Abendkuß, den sie verlieren sollte, welcher Milette das Bedauern einflößte, welches ihr die Stadt zu verursachen schien. Sie wurde so traurig, daß Monsieur Coumbes es bemerkte. Er war so freudig über die ganze Linie zu siegen, alle Spötter zum Schweigen gebracht zu haben, welche behauptet hatten, um Bäume in einem Garten zu haben, würde er genöthigt sein, sich die Decorationen von dem großen Theater zu borgen, so daß er sein Glück nicht durch Miletten's Gesicht wollte stören lassen.

 

Er erlaubte ihr folglich, ihren Sohn jeden Sonntag kommen zu lassen.

Fünftes Kapitel
Worin man sieht, daß es zuweilen unangenehm ist, schöne Erbsen in seinem Garten zu haben

Um die Mitte des Sommers des Jahres 1845 geschah ein Ereigniß, welches auf seltsame Weise auf das Leben des Monsieur Coumbes einwirkte. Eines Abends, als er sich des Schattens seines Feigenbaums, vereint mit dem seines Hauses erfreute und halb zurückgelehnt auf seinem Stuhle saß, den Kopf auf die letzte Querstange gelehnt, folgte er mit dem Auge nicht den vergoldeten Wolken, die nach Westen hinzogen, sondern dem Fortschritte der Feigen, die sich abkundeten, am Stiel jedes der Blätter eines Baumes, und die er bereits zum voraus kostete, als er das Geräusch der Stimmen von zwei Personen vernahm, die an dem Gitterzaun von Rohr, welcher seinen Garten nach der Straße hin einschloß, vorübergingen. Die eine Stimme sagte zu der anderen:

»Wahrhaftig, Sie sollen sogleich über die Beschaffenheit des Sandes urtheilen; weder in Bonneveine, noch in Aygalades, noch in Blancarde, weder für Gold noch für Silber könnten. Sie finden, was Sie hier sehen werden. Der König von Frankreich, mein Herr, der König von Frankreich hat nichts Aehnliches in seinem Garten!«

In demselben Augenblick, und während Monsieur Coumbes mit klopfendem Herzen darüber nachdachte, an wen diese Lobeserhebungen möchten gerichtet sein, blieben die Personen vor dem kleinen hölzernen Gitterthore stehen, welches seine Wohnung einschloß. Der Eine von ihnen war ein Grundbesitzer aus der Nachbarschaft, der Andere ein junger Mann, den Monsieur Coumbes zum ersten Mal in Montredon sah.

Der Erstere blieb stehen, deutete auf den Garten, der in seiner ganzen Fülle von Grün prangte, und vorzüglich auf das Erbsenbeet, welches sich bei dem Hauche des Seewindes wellenförmig bewegte, und rief mit einer Geberde, die seinem Ausdruck. Feierlichkeit verlieh:

»Sehen Sie!«

Monsieur Coumbes wurde roth wie ein junges Mädchen, dem man zum ersten Mal ein Compliment wegen ihrer Schönheit macht, und er war fast im Begriff, die Augen niederzuschlagen.

Der junge Mann betrachtete den Garten mit geringerer Begeisterung, als der Andere, aber dennoch mit anhaltender Aufmerksamkeit; dann entfernten sich beide, und Monsieur Coumbes konnte nicht schlafen. – Die ganze Nacht träumte er von den Complimenten, die er an die höfliche Person richten wollte, sobald er ihr begegnen würde.

Am folgenden Tage begoß er seine Lieblingspflanzen und Milette war ihm dabei behilflich, als er wieder ein Geräusch hörte, welches diesmal nicht von der Straße herkam, sondern von der Seite, wo ein langer Raum von Dünen seine Wohnung von einem halben Dutzend Häusern trennte, die man das Dorf Madrague nannte, welcher Raum bis dahin wüst gelegen und nur Schilfgras, Imortellen und wilde Nelken getragen, die sie je nach der Jahreszeit mit ihren weißen, gelben oder rosenfarbigen Blumen tapezierten.

»Wer zum Henker kommt da?« sagte Monsieur Coumbes, von dem Honig angelockt, den er am Abend gekostet hatte. Dann, ohne Milette Zeit zu lassen, ihm zu antworten, trug er einen Stuhl an einer Einfassung von Rohr dahin, und es leise aus einander schiebend begann er, sich in den Stand zu setzen, eine Neugierde zu befriedigen.

Diese Stimmen waren nichts mehr oder weniger, als die von drei oder vier Arbeitern; aber diese Arbeiter trugen Taue, Pfähle und Meßstangen; sie zogen Winkel auf dem wüsten Terrain, welches die Cabane des Monsieur Coumbes begrenzte, und dieser war kein Mann, der nicht gefragt hätte, was dies bedeuten solle?

Man sagte ihm, daß ein Bewohner von Marseille, angelockt vielleicht von der glänzenden Aussicht, welche die Wohnung des Monsieur Coumbes den Vorübergehenden darbot, diese Strecke Land gekauft habe und dort eine Villa nach dem Muster der einigen erbauen lassen wolle.

Monsieur Coumbes war ziemlich gleichgültig bei dieser Nachricht. Er war nicht Menschenhafter aus Grundsatz. – Er hatte die Einsamkeit mehr angenommen, als sie aufgesucht; die Gesellschaft seiner Mitmenschen hatte. Nichts, was ihn anzog, obgleich er nicht dahin gekommen war, sie zu fliehen.

Dennoch empfand er bald die Unbequemlichkeiten davon. Am folgenden Tage gruben die Maurer einen Graben längs dem leichten Zaun, der die beiden Wohnungen trennte. Monsieur Coumbes erneuerte seine Fragen und es wurde ihm geantwortet, daß sein künftiger Nachbar das Rohr nicht für eine genügende Einfassung halte und beabsichtige, so weit es ihn selber angehe, es durch ein mächtiges Viereck von Steinen zu ersetzen.

Die Gleichgültigkeit des Monsieur Coumbes ging bei diesen Worten in das Gegentheil über. Er bedachte, daß diese unnützen Befestigungen machen würden, daß er die Aussicht auf das Meer und das Cap Croisette verlieren würde, und in demselben Augenblick begeisterte er sich wie wahnsinnig für ihre Schönheiten. Dann demüthigte dieser Bau den einigen. Dieses Rohr mußte eine sehr klägliche Figur gegen die schöne Mauer seines Nachbarn spielen. Im Vergleich mit einer Villa würde seine Cabane beträchtlich in der öffentlichen Meinung sinken. Diese letzte Rücksicht war so stark, daß er sogleich einen Maurer aus der Nachbarschaft kommen ließ und ihn anwies, es seinem Nachbar gleich zu thun.

Diese Ausgabe war dem Geiste der Ordnung und Sparsamkeit, der in allen Handlungen des Monsieur Coumbes herrschte, sehr zuwider; aber seine Eigenliebe als Besitzer wußte alle diese Vorwürfe zum Schweigen zu bringen. Er sagte sich, daß eine Mauer seinen Garten viel besser schützen werde, als das Rohr es bisher gethan; daß sie überdies noch den Vorzug habe, das Obst und das Gemüse, welches ihm jetzt nicht fehlen könne, vor den Dieben zu schützen. Und als die vierfache Mauer vollendet war, hatte sie ein so gutes Aussehen, sie war so weiß, so zierlich verstrichen; die Flaschenstücke, womit man den oberen Rand verziert hatte, schimmerten so hübsch in der Sonne, daß Monsieur Coumbes eine lebhafte Erkenntlichkeit gegen den empfand, der mit diesem Bau den Anfang gemacht und ihn zu dieser Ausgabe bestimmt hatte.

Monsieur Coumbes fuhr also fort zu fischen, zu graben und so gut er konnte glücklich zu sein, und er kümmerte sich nicht weiter um seinen Nachbar, als daß er an die hübschen Partien dachte, die sie in Gesellschaft machen könnten, wenn er vielleicht das Fischen lieben sollte.

Indessen, als er einige Zeit später einen Blick auf die Arbeiten warf, die einen raschen Fortschritt nahmen, bemerkte er, daß sie von einer Wichtigkeit waren, die er bis dahin nicht hatte vermuthen können, und zum ersten Mal fühlte er einen neidischen Gedanken im Herzen. Aber er beeilte sich, ihn zurückzudrängen. Wenn die Cabane des Nachbarn die grandioseste wurde, so blieb die seinige doch die hübscheste in Montredon. Hatte er je die schöne Fregatte des Königs, welche er mit dem Schatten ihrer Segel das Meer bedecken sah, beneidet, wenn er mit seiner hübschen Jolle manöverirte?

Er machte sein Herz nicht so leicht von diesen bösen Ideen frei, daß er doch nicht ein geheimes Gefühl der Freude empfinden sollte, als er bemerkte, daß das Gebälk des Hauses eines Nachbarn schwer und massiv sei; daß es mehrere Fuß über das Mauerwerk hinausragte und endlich, daß es durch einen Mangel an richtigem Verhältniß das Gebäude entstellte, welches es bedecken sollte. Aber die Dachdecker, die Tischler und die Maler kamen – diese brachten Dachziegel von neuer Form, jene fügten an alle Etagen Balkons, so zierlich gearbeitet, daß sie Spitzen glichen, die letzteren bemalten die Wände, so daß sie wie reich geäderte tannene Planken aussahen und sie machten ihre Sache so gut, daß nach und nach Harmonie in das Gebäude kam, und daß es ein ländliches aber sehr elegantes Aussehen erhielt.

Es war eine Sennhütte, und die Sennhütten, die damals noch nicht so gewöhnlich waren, wurden sehr bewundert. Wir wollen indessen nicht behaupten, daß Bewunderung das Gefühl war, welches diese bei Monsieur Coumbes erregte. Er betrachtete sie mit einer Miene der üblen Laune, eine starken Augenbrauen zusammengezogen und seine Lippen zusammengekniffen; und noch einmal hatten seine Vernunft und sein gesunder Sinn einen Kampf gegen die leidenschaftlichen Eingebungen seines Stolzes zu bestehen. Er siegte noch diesmal darüber, aber immer nur beinahe; denn obgleich eine Neugierde lebhaft erregt war, so daß er eifrig wünschte, den Namen des glücklichen Eigenthümers dieser neuen Besitzung zu wissen, konnte er sich nicht entschließen zu gehen und die Arbeiter zu fragen. Es schien ihm, als ob eine Röthe die Furcht hätte verrathen müssen, welche ihm diese künftige Rivalität verursachte. Er war verlegen, unruhig, und sah nur verstohlen die röthlichen Mauern der Cabane an, die ihn nichtsdestoweniger so stolz und glücklich machten.

Dieser Name beschäftigte ihn ohne Aufhören, ungeachtet der Sorge, die er anwendete, jeden Gedanken zu entfernen, der ihn an die neue Sennhütte erinnerte. Der Zufall übernahm es, ihn davon in Kenntniß zu setzen.

Das benachbarte Bauwerk war so rasch vorgeschritten, daß noch einige Gemüse den Glanz beurkundeten, der den Garten des Monsieur Coumbes charakterisierte. Der Staub von dem Mörtel und Kalk, den die Maurer durch die Atmosphäre verbreiteten, hatte diese Gemüse auf ärgerliche Weise überzogen, und der Packträger, eine Bürste in der Hand und einen Wassereimer zu seinen Füßen, war beschäftigt, die davon zu befreien.

Er hörte einen Wagen rollen und diesen Wagen vor den Gitterthor anhalten, welches den Garten des Nachbars schloß.

Am Morgen hatte er einige Zurüstungen bemerkt, welche andeuteten daß die Arbeiter den neuen Besitzer erwarteten, und da Monsieur Coumbes nicht zweifelte, daß er es sei, so kletterte er auf seinen Stuhl und erhob leise den Kopf über die Mauer, welche die beiden Gebiete trennte. Er sah die Arbeiter im Hofe gruppiert; Einer derselben hatte einen ungeheuren Blumenstrauß in der Hand. Er sah ihn dem Wagen sich nähern und ihn Einem von Denen überreichen, welche ausstiegen.

Derjenige, welchem man den Blumenstrauß überreichte, war ein Mann von fünfundzwanzig Jahren, sein gekleidet und mit einer offenen und entschiedenen Gesichtsbildung. Drei Freunde begleiteten ihn. Er nahm den Blumenstrauß und legte dagegen ein Trinkgeld in die Hand des Arbeiters. Dieses Trinkgeld mußte befriedigend sein, denn das Gesicht des Mannes ging von der Unbeweglichkeit zur Begeisterung über. Er rief mit entsetzlichem Geschrei: »Es lebe Monsieur Riouffe!« Und seine Kameraden, welche gewiß waren, daß sie es nicht umsonst thun würden, mischten mit wahnsinniger Freude ihren Hurrahruf mit dem seinigen.

Dieser Name Riouffe war Monsieur Coumbes völlig unbekannt.

Während die jungen Leute das Haus im Innern in Augenschein nahmen, hatten sich die Arbeiter dem Observationsposten des Monsieur Coumbes gegenüber versammelt, und er sah, wie sie ihr Geld zählten und theilten. Das Trinkgeld betrug fünf Louisdor.

»Pest!« sagte Monsieur Coumbes, »hundert Franken! Er muß sehr reich sein, dieser Herr, und es wundert mich nicht mehr, daß er so viel für sein Haus ausgegeben hat. Als das meinige fertig war, gab ich, glaube ich, den Arbeitern zehn Franken, und es giebt Viele, die sich rühmen und die nicht so viel geben. Hundert Franken! er besitzt wohl alle Schiffe im Hafen von Marseille, dieser Mann !

Um so besser, das wird einige Abwechselung in die Nachbarschaft bringen. Und dann ein so reicher Mann, wie dieser, muß seinen Fisch kaufen; und ich bin gewiß, daß dieser nicht kommen wird, um in meinem Wasser zu fischen und die Küste zu verwüsten. Er hat das Ansehen eines wackeren Burschen, heiter, frei und ohne Umstände; er wird Mittagsgesellschaften geben und mich vielleicht einladen. Zum Henker! er muß mich einladen, bin ich nicht sein Nachbar? Ei! ich bin bezaubert, daß es ihm eingefallen ist, sich in Montredon niederzulassen!«