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Die beiden Dianen

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»Doch er wird bald Nachricht von sich zu geben wissen!« entgegnete der Connétable, »er muß Freunde, Geld haben; er wird ohne Zweifel Mittel finden, sein Lösegeld zu bezahlen, und uns an einem schönen Tag über den Hals fallen.«

»Ihr habt es sehr gut erraten, gnädigster Herr. Ja, der Vicomte hat Geld; ja, mit Ungeduld erwartet er den Augenblick, wo er aus seiner Gefangenschaft befreit werden soll, und er gedenkt sein Lösegeld so bald als möglich zu bezahlen. Er hat sogar schon Jemand nach Paris geschickt, um ihm auf das Eiligste den Preis seiner Freiheit zu holen.«

»Was ist hiebei zu thun?«

»Aber zum Glück für uns, zum Unglück für ihn, bin ich dieser Jemand, den er in so großer Hast nach Paris geschickt hat, ich, der ich dem Vicomte d’Ermès unter meinem wahren Namen Martin-Guerre als Stallmeister diente. Ihr seht, daß ich ohne Unwahrscheinlichkeit Stallmeister sein kann.«

»Und Du hast Deinen Auftrag nicht besorgt, Bursche? Und Du hast das Lösegeld nicht für Deinen Vorgeblichen Herrn erhoben?«

»Ich habe es mit aller Genauigkeit erhoben, dergleichen läßt man nicht am Boden liegen. Bedenkt übrigens, daß dieses Geld nicht erheben, Verdacht erregen hieße. Ich habe es gewissenhaft eingezogen . . . für das Beste der Unternehmung. Nur, seid unbesorgt! werde ich es ihm sehr lange nicht übergeben. Es wären gerade die zehntausend Thaler, die mir den Rest meines Lebens fromm und ehrlich hinbringen helfen würden, und von denen man nach dem Papier, das Ihr unterzeichnen werdet, glauben müßte, ich habe sie Eurer Großmuth zu verdanken.«

»Ich werde nicht unterzeichnen, Schändlicher!« rief Montmorency. »Ich werde mich nicht wissentlich zum Genossen eines Diebstahls machen.«

»Oh! gnädigster Herr,« erwiderte Arnauld, »wie nennt Ihr mit einem so harten Namen eine Nothwendigkeit, der ich mich unterziehe, um Euch einen Dienst zu leisten. Ich lasse mein Gewissen aus Ergebenheit schweigen, und so belohnt Ihr mich! Nun wohl, es sei! schicken wir dem Vicomte die Geldsumme, und er wird eben so bald als Frau Diana hier sein, wenn er ihr nicht zuvorkommt. Während, wenn er sie nicht erhält . . .«

»Wenn er sie nicht erhält?« versetzte der Connétable.

»Gewinnen wir Zeit, gnädigster Herr. Der Herr Vicomte d’Ermès erwartet mich zuerst geduldig vierzehn Tage lang. Es bedarf wohl einiger Zeit, um zehntausend Thaler zusammenzubringen, und seine Amme hat sie mir in der That erst diesen Morgen ausbezahlt.«

»Sie hat Dir also getraut, die arme Frau!«

»Mir und dem Ring und der Handschrift des Vicomte, gnädigster Herr. Und dann hat sie mich sehr wohl wiedererkannt. Wir sagten also vierzehn Tage ungeduldigen Erwartens, eine Woche unruhigen Erwartens, eine Woche trostlosen Erwartens. Nicht vor einem Monat, vor anderthalb Monaten, wird der Vicomte, in Verzweiflung, einen andern Boten zur Aufsuchung des ersten abschicken. Doch der erste wird sich nicht finden, und ist es schwierig zehntausend Thaler zusammenzubringen, so wird dies bei weiteren zehntausend beinahe unmöglich. Ihr werdet Muße genug haben, um Euren Sohn zwanzigmal zu verheirathen, gnädigster Herr; denn der Vicomte d’Ermès wird zwei Monate lang verschwinden, als ob er todt wäre, und erst im nächsten Jahre lebendig und wüthend zurückkommen.«

»Ja, doch er wird zurückkommen!« sagte Montmorency, »und wird er sich am Tage seiner Rückkehr nicht erkundigen, was aus seinem guten Stallmeister Martin-Guerre geworden ist!«

»Ach! gnädigster Herr,« entgegnete Arnauld mit kläglichem Tone, »mit Bedauern sage ich es Euch, man wird ihm antworten, der treue Martin-Guerre sei, als er zu seinem Herrn mit dem Lösegeld zurückgekehrt, das er für ihn geholt, unglücklicher Weise in die Hände einer Abtheilung von Spaniern gefallen, welche ihn, nachdem sie ihn geplündert und beraubt, um sein Stillschweigen zu sichern grausam an den Thoren von Noyon aufgehängt haben.«

»Wie, Arnauld, Du wirst gehängt werden?«

»Ich bin es gewesen, gnädigster Herr, seht, wie weit mein Eifer geht. Nur in Beziehung auf das Datum des Hängens werden sich die Aussagen widersprechen. Doch wird man räuberischen Reitern glauben, welche bei Entstellung der Wahrheit interessiert sind? Auf, gnädigster Herr,« fuhr der unverschämte Arnauld heiter und entschlossen fort, »denkt, meine Vorsichtsmaßregeln seien geschickt getroffen, und bei einem erfahrenen Burschen, wie ich bin, setzt sich Euere Ecxellenz nicht der Gefahr aus, kompromittiert zu werden. Würde die Klugheit von der Erde verbannt, so müßte sie sich in das Herz eines . . . . Gehängten flüchten. Ich wiederhole Euch übrigens, Ihr bestätigt nur die Wahrheit: ich diene Euch seit langer Zeit, viele von Euren Leuten können es bezeugen wie Ihr, und Ihr habt mir im Ganzen wohl zehntausend Thaler gegeben, dessen seid sicher. Soll ich Euch einen Empfangsschein ausstellen?« sagte Arnauld sich in die Brust werfend.

Der Connétable konnte sich eines Lächelns nicht erwehren und entgegnete:

»Ja, aber wenn am Ende . . .«

Arnauld du Thill unterbrach ihn:

»Oh! gnädigster Herr, Ihr zögert nur noch der Form wegen, und was ist die Form für erhabene Geister? Unterzeichnet ohne weitere Umstände.«

Er legte auf den Tisch vor Montmorency das Papier, dem nur noch die Unterschrift fehlte.

»Doch zuerst den Namen der Stadt und den Namen des Mannes, welche Diana von Castro gefangen halten.«

»Namen für Namen, steht der Eurige unten an diesem Papier, so sollt Ihr die anderen erfahren.«

»Gut!« sagte Montmorency.

Und er machte den kühnen Federzug der ihm als Unterschrift diente.

»Und das Siegel, gnädigster Herr?«

»Hier ist es. Bist Du zufrieden?«

»Als ob mir der gnädigste Herr die zehntausend Thaler geben würde.«

»Nun sprich, wo ist Diana?«

»In den Händen von Lord Wentworth in Calais,« sagte Arnault, während er das Pergament dem Connétable nehmen wollte, der es noch zurückhielt.

»Einen Augenblick,« sprach dieser, »und der Vicomte d’Ermès?«

»In Calais in den Händen von Lord Wentworth.«

»Aber dann sehen sich Diana und er?«

»Nein, gnädigster Herr, er wohnt bei einem Waffenschmied der Stadt Namens Pierre Peuquoy, und sie muß im Hause des Gouverneurs wohnen. Ich wollte schwören, der Vicomte d’Ermès weiß nicht, daß seine Schöne so nahe bei ihm ist.«

»Ich laufe in den Louvre,« sagte der Connétable, das Papier loslassend.

»Und ich nach Artigues,« rief Arnauld triumphierend. »Viel Glück, gnädigster Herr! Seid bemüht, nicht mehr Connétable zum Gespötte zu sein.«

»Viel Glück, Bursche! Sei bemüht, daß man Dich nicht an einem schönen Morgen aufhängt.«

Hiernach gingen Beide in entgegengesetzter Richtung ab.

XXII.
Die Waffen von Pierre Peuquoy, die Seile von Jean Peuquoy, die Thränen von Babette Peuquoy

Es verging in Calais beinahe ein Monat, ohne daß zu ihrem großen Bedauern eine Veränderung in der Lage derjenigen, welche wir daselbst zurückgelassen haben, herbeigeführt worden wäre. Pierre Peuquoy verfertigte beständig Waffen aller Art; Jean Peuquoy hatte die Weberei wieder begonnen und vollendete in seinen verlorenen Augenblicken Seile von unwahrscheinlicher Länge; Babette weinte.

Bei Gabriel hatte das Erwarten die von Arnauld du Thill dem Connétable vorhergesagten Phasen durchgemacht. Er hatte sich die ersten vierzehn Tage in Geduld gefaßt, seitdem aber war er ungeduldig.

Er ging nur äußerst selten mehr zu Lord Wentworth und machte ihm sehr kurze Besuche. Es waltete eine Kälte zwischen ihnen ob, seit dem Tage, wo sich Gabriel vermessen in die vorgeblichen Angelegenheiten des Gouverneurs gemischt hatte.

Dieser aber, wir müssen es mit Befriedigung sagen, wurde von Tag zu Tag trauriger. Es waren indessen nicht die drei Boten; welche seit der Abreise von Arnauld der König von Frankreich in kurzen Zwischenräumen an ihn abgeschickt hatte, was Lord Wentworth beunruhigte. Alle drei verlangten, der erste mit Höflichkeit, der zweite mit Schärfe, der dritte mit Drohung, wie man vermuthen kann dieselbe Sache, die Freiheit von Frau von Castro gegen ein Lösegeld, welches zu bestimmen dem Gouverneur selbst überlassen war. Doch allen dreien antwortete er dasselbe; er gedenke Frau von Castro als Geisel zu behalten, um sie, wenn es nöthig wäre, gegen einen wichtigen Gefangenen im Krieg auszutauschen oder sie dem König ohne Lösegeld im Frieden zurückzugeben. Er fühlte sich in seinem strengen Rechte und trotzte hinter seinen starken Mauern dem Zorne von Heinrich II.

Es war also nicht dieser Zorn, was ihn beunruhigte, obgleich er sich fragte, wie wohl der König die Gefangenschaft von Diana erfahren haben könnte; was ihn beunruhigte, war die immer mehr verächtliche Gleichgültigkeit seiner schönen Gefangenen. Weder Unterwürfigkeit noch Zuvorkommenheit hatten die stolze, geringschätzende Sinnesart von Frau von Castro zu mildern vermocht. Sie blieb stets traurig, ruhig und würdig vor dem leidenschaftlichen Gouverneur, und wenn er ein Wort von seiner Liebe zu sprechen wagte, wobei er indessen, es ist nicht zu leugnen, der Zurückhaltung treu blieb, die ihm sein Titel als Edelmann auferlegte, so antwortete sie mit einem zugleich hochmüthigen und schmerzlichen Blick, der das Herz des armen Lord Wentworth brach und seinen Stolz verletzte. Er hatte nicht den Muth gehabt, mit Diana von dem Briefe zu sprechen, den sie an Gabriel geschrieben, und eben so nicht von den Versuchen des Königs, um die Freiheit seiner Tochter zu erlangen; so sehr fürchtete er ein bitteres Wort, einen ironischen Vorwurf aus diesem reizenden und grausamen Munde.

Als aber Diana die Kammerfrau, welche ihr Billet zu besorgen gewagt hatte, im Hause nicht wiedersah, begriff sie, daß ihr diese verzweifelte Hoffnung abermals entging. Die Keusche, die Edle verlor indessen den Muth nicht: sie wartete und betete. Sie vertraute auf Gott und im Falle der Noth auf den Tod.

Am letzten Tag des October, eine Frist, die sich Gabriel selbst, um Arnauld zu erwarten, anberaumt hatte, beschloß er zu Lord Wentworth zu gehen und sich von ihm als einen Dienst die Erlaubniß zu erbitten, einen andern Boten nach Paris schicken zu dürfen.

 

Gegen zwei Uhr verließ er das Haus der Peuquoy, wo Pierre ein Schwert polierte, wo Jean eines von den ungeheuren Seilen flocht, und wo Babette, die Augen geröthet, sich seit mehreren Tagen um ihn drehte, ohne mit ihm sprechen zu können, und begab sich unmittelbar nach dem Hause des Gouverneurs.

Lord Wentworth war für den Augenblick durch Geschäfte in Anspruch genommen und ließ Gabriel bitten, fünf Minuten zu warten. Er würde dann ganz ihm gehören.

Der Saal, in welchem sich Gabriel befand, ging auf einen inneren Hof. Gabriel näherte sich dem Fenster, um in den Hof zu schauen, und maschinenmäßig spielten und liefen seine Finger über die Scheiben hin. Plötzlich erregten, gerade unter seinen Fingern, mit einem Diamantring auf das Glas gezeichnete Charaktere seine Aufmerksamkeit. Er näherte sich, um besser zu sehen, und konnte deutlich die Worte: Diana von Castro lesen.

Es war die Unterschrift, welche auf dem geheimnißvollen Briefe fehlte, den er im vorhergehenden Monat empfangen hatte.

Eine Wolke zog vor den Augen von Gabriel vorüber, und er war genöthigt, sich an der Wand anzulehnen, um nicht zu fallen. Seine Ahnungen hatten ihm also nicht gelogen! Diana! es war wirklich Diana, seine Braut oder seine Schwester, welche dieser Wollüstling Wentworth in seiner Gewalt hielt! Es war das reine und sanfte Geschöpf, zu dem er von seiner Liebe zu sprechen wagte!

Mit einer unwillkührlichen Bewegung fuhr Gabriel nach dem Stichblatte seines Degens.

In diesem Augenblicke trat Lord Wentworth ein. Wie das erste Mal führte ihn Gabriel, ohne ein Wort zu sprechen, an das Fenster und zeigte ihm die anklagende Schrift.

Der Gouverneur erbleichte Anfangs, dann faßte er sich aber wieder mit der Selbstbeherrschung, die er in so hohem Grade besaß, und fragte:

»Nun! was denn?«

»Ist das nicht der Name der armen Wahnsinnigem die Ihr zu bewachen genöthigt seid, Mylord?« sprach Gabriel.

»Es ist möglich; hernach?« versetzte Lord Wentworth mit hochmüthiger Miene.

»Wenn dem so ist, so kenne ich diese ohne Zweifel . . . . sehr entfernte Verwandtin. Ich habe sie oft im Louvre gesehen. Ich bin ihr ergeben, wie es jeder französische Edelmann gegen die Tochter des Hauses Frankreich sein muß.«

»Und dann?«

»Und dann, Mylord, würde ich von Euch Rechenschaft über die Art und Weise verlangen, mit der Ihr eine Gefangene von diesem Rang zurückhaltet und behandelt.«

»Und wenn ich mich weigerte, mein Herr, Euch diese Rechenschaft zu geben, wie ich es schon dem König von Frankreich verweigert habe?«

»Dem König von Frankreich!« wiederholte Gabriel erstaunt.

»Allerdings, mein Herr,« erwiderte Lord Wentworth mit seiner unstörbaren Kaltblütigkeit. »Ein Engländer ist, wie mir scheint, nicht verantwortlich für seine Handlungen gegen einen fremden Souverain, besonders wenn sein Land mit diesem Souverain im Krieg begriffen ist. Herr d’Ermès, wenn ich mich also weigerte, Euch Rechenschaft zu geben?«

»So würde ich Euch bitten, mir Genugthuung zu geben, Mylord,« rief Gabriel.

»Und Ihr hofft, mich ohne Zweifel mit dem Degen zu tödten, den Ihr nur mit meiner Bewilligung tragt, und den ich sogleich von Euch zurück zu verlangen berechtigt bin?«

»Oh! Mylord! Mylord!« rief Gabriel, »Ihr werdet mir auch dies bezahlen.«

»Es sei, mein Herr, und ich werde meine Schuld nicht leugnen, wenn Ihr die Eurige abgetragen habt.«

»Ohnmächtig!« rief Gabriel die Hände ringend, »ohnmächtig in einem Augenblick, wo ich die Kraft von zehntausend Menschen zu haben wünschte.«

»Es ist doch in der That ärgerlich für Euch, daß Euch die Schicklichkeit und das Recht die Hände binden; doch gesteht auch, daß es zu bequem für einen Kriegsgefangenen und für einen Schuldner wäre, seine Quittung und seine Freiheit ganz einfach dadurch zu erhalten, daß er seinen Gläubiger und seinen Feind niederstechen würde.«

»Mylord,« sprach Gabriel, bemüht, seine Ruhe wiederzuerlangen, »es ist Euch nicht unbekannt, daß ich vor einem Monat meinen Stallmeister nach Paris abgeschickt habe, um die Summe holen zu lassen, um die Ihr so sehr besorgt seid. Ist Martin-Guerre unter Wegs trotz seines Geleitbriefes verwundet, getödtet worden? hat man ihm das Geld geraubt, das er zurückbrachte? ich weiß es nicht. Es ist nur eine Thatsache, daß er nicht zurückkehrt, und ich kam in diesem Augenblicke zu Euch, um Euch zu bitten, mich abermals Jemand nach Paris abschicken zu lassen, da Ihr kein Vertrauen zu dem Worte eines Edelmanns habt und mir nicht anbieten wolltet, ich möge das Lösegeld selbst in Paris holen. Die Erlaubniß, die ich mir hiermit von Euch erbitte, seid Ihr nun nicht mehr zu verweigern berechtigt, oder ich bin berechtigt, zu sagen, Ihr habet bange vor meiner Freiheit und wagt es nicht, mir meinen Degen zurückzugeben.«

»Und wem würdet Ihr das in einer englischen Stadt sagen, welche unmittelbar unter meine Autorität gestellt ist, und wo Ihr nur als ein Gefangener und als Feind betrachtet werden müßt?«

»Ich werde dies ganz laut sagen, Mylord zu jedem Manne, welcher fühlt und denkt, zu jedem Edlen dem Herzen und dem Namen nach, zu Euren Officieren, welche sich auf Ehrensachen verstehen, zu Euren Arbeitern sogar, die ihr Instinkt erleuchten müßte, und, Alle wären mit mir gegen Euch einverstanden, daß Ihr, da Ihr mir nicht die Mittel bewilligt, von hier wegzukommen, unwürdig geworden, der Anführer tapferer Soldaten zu sein.«

»Ihr bedenkt nicht, mein Herr,« erwiderte Lord Wentworth mit kaltem Tone, »daß ich, ehe ich Euch unter den Meinigen den Geist der Unbotmäßigkeit verbreiten lasse, nur ein Wort zu sprechen, nur eine Gebärde zu machen habe, und Ihr werdet in ein Gefängniß geworfen, wo Ihr mich einzig und allein vor den Wänden anklagen könnt.«

»Oh! tausend Donner! das ist wahr!« murmelte Gabriel, mit den Zähnen knirschend und die Fäuste ballend.

Dieser Mann des regen Gefühles brach sich an der Unempfindlichkeit seines ehernen Gegners.

Doch ein Wort verwandelte das Angesicht der Scene und stellte plötzlich die Gleichheit zwischen Wentworth und Gabriel wieder her.

»Theure Diana! theure Diana!« wiederholte der junge Mann voll Bangigkeit, »nichts für Dich in deiner Gefahr vermögen!«

»Was habt Ihr gesagt, mein Herr?« fragte Lord Wentworth wankend, »Ihr habt, glaube ich, gesagt: »Theure Diana!« Habt Ihr das gesagt, oder habe ich schlecht gehört? Solltet Ihr Frau von Castro auch lieben?«

»Nun wohl, ja, ich liebe Sie!« rief Gabriel. »Ihr liebt sie auch, Ihr! Doch meine Liebe ist eben so rein und ergeben, als die Eurige unwürdig und grausam ist. Ja, vor Gott und den Engeln liebe ich sie in tiefer Anbetung.«

»Was spracht Ihr dann von einer Tochter Frankreichs und von dem Schutze, den jeder Edelmann einer solchen Unterdrückten schuldig sei?« entgegnete Lord Wentworth außer sich. »Ah! Ihr liebt sie! und Ihr seid derjenige, den sie ohne Zweifel liebt! dessen Erinnerung sie anruft, wenn sie mich martern will. Ihr seid der Man, um dessen Liebe willen sie mich verachtet! der Mann, ohne den sie mich vielleicht lieben würde! Ah! derjenige, welchen sie liebt, seid Ihr?«

Kurz zuvor noch so spöttisch und so geringschätzend, schaute Lord Wentworth nun mit einem gewissen ehrfurchtsvollen Schrecken denjenigen an, welcher Diana liebte, während Gabriel bei den Worten seines Nebenbuhlers allmälig freudig und triumphierend seine Stirne erhob.

»Oh! wahrhaftig, sie liebt mich somit!« rief er, »sie denkt noch an mich! sie ruft mich, wie Ihr sagt! Ah! gut, wenn sie mich ruft, werde ich gehen, werde ich ihr beistehen, werde ich sie retten. Auf, Mylord, nehmt meinen Degen, knebelt mich, bindet mich, kerkert mich ein. Dem ganzen Weltall und Euch zum Trotz werde ich ihr beistehen und sie behüten, da sie mich immer noch liebt, meine heilige Diana. Da sie mich immer noch liebt, trotze ich Euch und fordere Euch heraus, und seid bewaffnet und ich ohne Waffen, so bin ich immer noch gewiß, daß ich Euch besiege mit der Liebe von Diana zur göttlichen Aegide.«

»Es ist wahr, es ist wahr, ich glaube es wohl!« murmelte Lord Wentworth niedergeschmettert.

»Jetzt wäre es auch nicht edel von mir, Euch zum Duell herauszufordern; laßt Eure Wachen kommen und befehlt ihnen, mich einzuschließen, wenn es Euch beliebt. Das Gefängniß neben ihr und zugleich mit ihr ist noch eine Art von Glück.«

Nach diesen Worten trat ein ziemlich langes Stillschweigen ein.

»Mein Herr,« sprach endlich Lord Wentworth nach einigem Zögern, »Ihr habt mich, glaube ich, um Erlaubniß gebeten, einen zweiten Boten, nach Paris abzuschicken, um Euer Lösegeld zu holen?«

»In der That, Mylord, das war Anfangs meine Absicht, als ich hierher kam.«

»Und Ihr machtet mir, wie mir scheint, in Euren Reden den Vorwurf, daß ich kein Vertrauen zu Eurem adeligen Ehrenwort gehabt und Euch nicht gestattet habe, mit Eurem Worte als Bürgschaft Euer Lösegeld selbst zu holen?«

»In der That, Mylord, das war Anfangs meine Absicht, als ich hierher kam.«

»Und Ihr machtet mir, wie es scheint, in Euren Reden den Vorwurf, daß ich kein Vertrauen zu Eurem adeligen Ehrenwort gehabt und Euch nicht gestattet habe, mit Eurem Worte als Bürgschaft Euer Lösegeld selbst holen?«

»Das ist wahr, Mylord.«

»Nun wohl! mein Herr, Ihr könnt noch heute abreisen, die Thore von Calais sind Euch geöffnet, Eure Bitte ist bewilligt.«

»Ich verstehe,« erwiderte Gabriel mit Bitterkeit. »Ihr wollt mich von ihr entfernen. Und wenn ich mich nun weigerte, Calais zu verlassen?«

»Ich bin der Herr hier,« sprach der Gouverneur, »Ihr habt Euch gegen meinen Willen weder zu weigern, noch ihn anzunehmen, sondern nur Euch demselben zu unterwerfen.«

»Es sei also, ich werde abreisen, Mylord, jedoch ohne Euch für diese Großmuth Dank zu wissen, das sage ich Euch zum Voraus.«

»Ich bedarf auch Eurer Dankbarkeit nicht, mein Herr.«

»Ich werde abreisen,« fuhr Gabriel fort, »doch wißt, daß ich nicht lange Euer Schuldner bleiben werde und daß ich bald zurückkomme, um Euch alle meine Schulden mit einander zu bezahlen. Und da ich dann nicht mehr Euer Gefangener bin und Ihr nicht mehr mein Gläubiger seid, so wird kein Vorwand mehr vorhanden sein, daß sich mein Degen, den ich zu tragen berechtigt bin, nicht mit dem Eurigen kreuze.«

»Ich könnte diesen Zweikampf ausschlagen, mein Herr,« erwiderte Lord Wentworth mit einer gewissen Schwermuth, »denn die Chancen sind zwischen uns nicht gleich: tödte ich Euch, so wird sie mich noch mehr hassen, tödtet Ihr mich, so wird sie Euch noch mehr lieben. Gleichviel ich muß annehmen und nehme an. Aber befürchtet Ihr nicht, mich hierdurch zu einem äußersten Schritte zu bringen?« fügte er mit düsterer Miene bei. »Könnte ich nicht, da alle Vortheile auf Eurer Seite sind, diejenigen mißbrauchen, welche mir bleiben?«

»Unser Herrgott dort oben und auf dieser Welt der Adel aller Länder werden Euch richten, Mylord, wenn Ihr Euch feige an denjenigen rächt, welche sich nicht vertheidigen können,« sprach Gabriel schauernd.

»Wie dem auch sein mag,« erwiderte Lord Wentworth, »Euch verwerfe ich unter meinen Richtern.«

Nach einer Pause fügte er bei:

»Es ist drei Uhr, mein Herr, Ihr habt bis um sieben Uhr, zu welcher Stunde die ersten Thore geschlossen werden, Zeit, um Eure Vorkehrungen zu treffen und die Stadt zu verlassen. Ich habe bis dahin meine Befehle gegeben, daß man Euch frei passieren läßt.«

»Um sieben Uhr, Mylord werde ich nicht mehr in Calais sein.«

»Und rechnet darauf,« sagte Lord Wentworth, »daß Ihr in Euerm Leben nicht mehr dahin zurückkommt, und daß, wenn ich in diesem Duell außerhalb unserer Wälle durch Euch getödtet sterben würde, meine Maaßregeln so gut getroffen sein werden – vertraut auf meine Eifersucht – daß Ihr Frau von Castro nie besitzt, nie wiederseht.«

Gabriel hatte schon einen Schritt gemacht, um sich aus dem Zimmer zu entfernen. Er blieb an der Thüre stehen und erwiderte:

»Was Ihr da sagt, ist unmöglich, Mylord, früher oder später muß ich Diana nothwendig wiedersehn.«

»Es wird dennoch nicht geschehen, mein Herr, das schwöre ich Euch! wenn der Wille des Gouverneurs eines Platzes oder der letzte Wille eines Sterbenden von Wirkung zu sein hoffen dürfen.«

»Es wird geschehen, ich weiß nicht wie, doch ich bin dessen sicher!« entgegnete Gabriel.

»Dann, mein Herr,« sprach Wentworth mit einem verächtlichen Lächeln, »dann werdet Ihr Calais mit Sturm nehmen.«

Gabriel dachte eine Minute nach und antwortete hierauf:

»Ich werde Calais mit Sturm nehmen. Auf Wiedersehen, Mylord.«

 

Er verbeugte sich, ging hinaus und ließ Lord Wentworth, der nicht wußte, ob er lachen oder erschrecken sollte, ganz versteinert zurück.

Gabriel begab sich auf der Stelle nach dem Hause der Peuquoy.

Er fand Pierre, der die Klinge seines Schwertes polierte, Jean, der Knoten an sein Seil machte, und Babette, welche seufzte.

Er erzählte seinen Freunden sein Gespräch mit dem Gouverneur und kündigte ihnen seine Abreise in Folge davon an. Er verbarg ihnen sogar nicht das vielleicht vermessene Wort, mit dem er von Lord Wentworth Abschied genommen hatte.

Dann sagte er zu ihnen:

»Ich gehe nun in mein Zimmer hinauf, um meine Vorbereitungen zu treffen, und überlasse Euch. Pierre, Euren Schwertern, Euch, Jean, Euren Seilen, und Euch, Babette, Euren Seufzern.«

Er ging wirklich hinauf, um hastig alle Anstalten zu seiner Abreise zu treffen. Nun, da er frei war, drängte den muthigen jungen Mann die Ungeduld, Paris wiederzusehen, um seinen Vater zu retten, dann Calais wiederzusehen, um Diana zu retten.

Als er eine halbe Stunde nachher das Zimmer verließ, fand er auf dem Ruheplatz Babette Peuquoy.

»Ihr reist also ab, Herr Vicomte?« sagte sie. »Ihr fragt mich also nicht, warum ich weine?«

»Nein, mein Kind, denn ich hoffe, wenn ich zurückkomme, werdet Ihr nicht mehr weinen.«

»Ich hoffe auch, gnädiger Herr,« versetzte Babette, »denn, nicht wahr, Ihr gedenkt trotz der Drohungen des Gouverneurs zurückzukehren?«

»Dafür stehe ich Euch, Babette!«

»Ohne Zweifel mit Eurem Stallmeister, Martin-Guerre?«

»Gewiß.«

»Ihr seid also sicher, Martin-Guerre in Paris wiederzufinden?« fragte das junge Mädchen. »Nicht, wahr, es ist kein unredlicher Mensch? Er hat Euer Lösegeld nicht unterschlagen? Er ist nicht fähig . . . einer Untreue.«

»Ich würde darauf schwören,« sagte Gabriel erstaunt über diese Fragen.

»Und er würde eine Frau eben so wenig betrügen; als seinen Herrn nicht wahr?«

»Oh! das ist weniger sicher, und ich würde in diesem Punkte nicht für ihn stehen.«

»Gnädiger Herr,« sprach Babette erbleichend, »würdet Ihr wohl die Güte haben, ihm diesen Ring zu übergeben? Er wird wissen, von wem er kommt, und was er bedeutet.«

»Ich werde ihn übergeben,« sagte Gabriel, der sich plötzlich des Vorabends der Abreise seines Stallmeisters erinnerte. »Ich werde ihn übergeben; doch ich nehme an, die Person, welche ihn schickt, weiß . . . daß Martin-Guerre . . . verheirathet ist.«

»Verheirathet!« rief Babette. »Dann, gnädiger Herr, behaltet diesen Ring, werft ihn weg, doch übergebt ihn nicht.«

»Aber, Babette.«

»Meinen Dank, gnädiger Herr, und Gott befohlen,« murmelte die Arme.

Und sie entfloh in den zweiten Stock und fiel, kaum in Ihr Zimmer zurückkehrt, ohnmächtig auf einen Stuhl nieder.

Bekümmert und unruhig über den Verdacht, der sich zum ersten Male in seinem Geiste regte, stieg Gabriel in Gedanken versunken die hölzerne Treppe des Hauses der Peuquoy hinab.

Unten an den Stufen fand er Jean, der sich ihm geheimnißvoll näherte.

»Herr Vicomte,« sagte der Bürger mit leiser Stimme, »Ihr fragtet mich immer, warum ich Seile von einer solchen Länge mache. Ich will Euch nicht abreisen lassen, besonders nach Eurem bewunderungswürdigen Abschied von Lord Wentworth, ohne Euch den Schlüssel zu diesem Räthsel zu geben. Wenn man durch kleine Querstricke zwei lange und feste Seile, wie die, welche ich mache verbindet, Herr Vicomte, so erhält man eine ungeheure Leiter. Diese Leiter kann man, wenn man auf der städtischen Wache ist, wie Pierre seit zwanzig Jahren, wie ich seit drei Tagen, zu zwei aus zweimal unter das Schilderhaus der Plattform des Thurmes Octogon tragen. Dann kann man in einer schwarzen December- oder Januarnacht, aus Neugierde, zwei Enden an den eisernen in die Zinnen eingelötheten Krampen befestigen und die zwei anderen Enden auf dreihundert Fuß in das Meer fallen lassen, wo sich, aus Unachtsamkeit, ein kecker Kahn finden dürfte.«

»Aber, mein braver Jean . . .« unterbrach ihn Gabriel.

»Genug über diesen Punkt, Herr Vicomte,« versetzte der Weber. »Entschuldigt mich, ich wollte Euch, ehe Ihr uns verlaßt, noch ein Andenken an Euern ergebenen Diener Jean Peuquoy überreichen. Hier ist ein mittelmäßiger Plan von den Mauern und Festungswerken von Calais. Ich habe ihn zu meiner Belustigung gemacht, nach meinen ewigen Spaziergängen, über die Ihr Euch so sehr wundertet. Verbergt ihn unter Eurem Wamms, und wenn Ihr in Paris seid, schaut ihn, ich bitte Euch zuweilen aus Freundschaft für mich an.«

Gabriel wollte ihn abermals unterbrechen, aber Jean ließ ihm keine Zeit dazu, drückte die Hand, die ihm der junge Mann reichte, und entfernte sich mit den Worten:

»Auf Wiedersehen, Herr d’Ermès. Ihr werdet vor der Thüre Pierre finden, der auch auf Euch wartet, um ebenfalls Abschied zu nehmen. Sein Lebewohl wird das meinige vervollständigen.«

Pierre wartete wirklich vor seinem Hause, das Pferd von Gabriel am Zügel haltend.

»Ich danke für Eure Gastfreundschaft, Meister,« sprach der Vicomte d’Ermès. »Ich schicke Euch in kurzer Zeit, wenn ich es nicht selbst bringe, das Geld, das Ihr mir vorzuschießen die Güte gehabt habt. Mit Eurer Erlaubniß füge ich eine gute Belohnung für Eure Leute bei. Mittlerweile wollt diesen kleinen Diamant Eurer Tochter von mir anbieten.«

»Ich nehme ihn für sie an, Herr Vicomte,« erwiderte der Waffenschmied, »doch unter der Bedingung, daß Ihr auch etwas von meiner Art annehmt, dieses Horn, das ich an Euren Sattelbogen gehängt, das ich mit meinen eigenen Hand verfertigt habe und dessen Ton ich, selbst durch das Brüllen der stürmischen See, wiedererkennen würde, in einer von den Nächten des 5. von jedem Monat zum Beispiel, wo ich die Wache von vier bis sechs Uhr Morgens auf dem Thurme Octogon beziehe, der auf das Meer geht.«

»Ich danke!« sagte Gabriel, indem er Pierre die Hand auf eine Weise drückte, durch die er ihm zu verstehen gab, daß er begriffen habe.

»Was die Waffen betrifft,« sprach Pierre, »über die Ihr Euch wundertet, da Ihr mich dieselben in so großer Quantität machen saht, so bereue ich es in der That, daß ich eine solche Menge in meinem Hause habe, denn wenn Calais eines Tages belagert würde, so könnte die Partei, welche unter uns noch für Frankreich ist, sich dieser Waffen bemächtigen und im Schooße der Stadt eine gefährliche Diversion machen.«

»Es ist wahr,« sagte Gabriel, dem braven Bürger noch stärker die Hand drückend.

»Hiernach wünsche ich Euch eine gute Reise und alles Glück, Herr d’Ermès,« sprach Pierre. »Lebet wohl, und auf baldiges Wiedersehen!«

»Auf baldiges Wiedersehen!« wiederholte Gabriel.

Er wandte sich um und grüßte zum letzten Male Pierre, der auf der Schwelle stand, Jean, der sich mit dem Kopfe aus dem Fenster des ersten Stockes neigte, und auch Babette, die ihn hinter einem Vorhang des zweiten weg reiten sah.

Dann gab er seinem Pferde den Sporn und entfernte sich im Galopp.

Es waren Befehle von Lord Wentworth an das Thor von Calais abgeschickt worden; denn man machte keine Schwierigkeit, den Gefangenen passieren zu lassen, der sich bald, allein mit seinen Hoffnungen und Befürchtungen, auf der Straße nach Paris befand.

Vermöchte er seinen Vater bei seiner Ankunft in Paris zu befreien? Vermöchte er Diana bei seiner Rückkehr nach Calais zu befreien?