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Der Pastor von Ashbourn

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Dritter Band

I.
Aus der Pfarre von Waston in der Provinz Wallis, den 5. November I754

Mein lieber Petrus!

Obgleich Sie mir noch nicht auf die Briefe geantwortet haben, die ich Ihnen auf Ihr Verlangen schrieb, – denn ohne Zweifel sind Sie in die Aufklärung irgend einer neuen historischen Thatsache vertieft, – so fahre ich nichts desto weniger fort, diese Geschichte zu schreiben, die bestimmt ist, Ihnen eines Tages übersandt zu werden.

Der Mensch denkt und Gott lenkt! Wer weiß, ob ich jemals mein großes Werk, den Gegenstand meiner jugendlichen Träume, schreiben werde? Wenn ich es nun aber nicht schreibe, so werde ich wenigstens die bescheidenen Ereignisse meines Lebens geschrieben haben, werde ich das ruhige und freundliche Bild eines Familienlebens hinterlassen, die Geschichte zweier einfachen Herzen nach dem Geiste Gottes erzählt zu haben, und auf diese Weise wird, Dank dem Platze, den Sie ohne Zweifel dieser naiven Erzählung in Ihrem großen Werke über den Menschen geben werden, nicht jede Spur meines Lebens und dessen meiner vortrefflichen Frau von der Erde verschwunden sein, wenn wir es selbst sind, um uns nebeneinander auf dem Friedhofe auszuruhen, den ich durch das Fenster meines Arbeitzimmers von dem Schreibtische aus erblicke, an welchem ich Ihnen schreibe; – ein stiller Platz wuchernden Grases, mit zerbrochenem Kreuze und moosbedecktem Steine.

Seit zwölf Tagen sind wir in Waston angekommen, und seit acht Tagen in das Pfarrhaus eingezogen.

O mein lieber Petrus! das ist es also, was der Rector von Pembroke einen freundlichen Wohnsitz, einen angenehmen Aufenthaltsort nennt! Möge er sich über die verhängnißvolle, mit dieser Pfarre verknüpfte Sage geirrt haben, wie er sich über die Pfarre selbst geirrt hat!

Welcher Unterschied zwischen dem Dorfe Waston und meinem reizenden Dorfe Ashbourn! welcher Contrast zwischen dem freundlichen Pfarrhause, das ich sechs Monate bewohnte, und diesem traurigen Hause, das ich wahrscheinlich verdammt bin, mein ganzes Leben lang zu bewohnen!

Ich muß Ihnen zuvörderst sagen, wo ich bin, Ihnen die Landschaft schildern, die mich umgiebt. wie es ein Maler, meine Personen auftreten lassen, wie es ein dramatischer Dichter machen würde.

Ich weiß nicht warum, seit meiner Ankunft hier habe ich die Ahnung, daß ich keine große Erfindungsgabe nöthig haben werde, um den berühmten Roman zu schreiben, zu welchem ich in Ashbourn den Plan entworfen, und der aus mir den Nebenbuhler der Lesage’s. der Richardson’s und der Prèvost’s machen soll. Das Land, welches ich bewohne, ist so sonderbar, las Leben das man hier führt, erscheint meinem Geiste in einer so neuen Gestalt, die Ereignisse, welche dieses Leben bewegen sollen, scheinen mir so verschieden von denen, welche sich an anderen Orten und unter einem anderen Klima zeigen, daß die einfache Erzählung meiner gegenwärtigen Geschichte den erdichteten Zuständen und eingebildeten Verhältnissen eines Romanes gleichen wird.

Ihnen, mein lieber Petrus, habe ich nicht nöthig zu sagen, daß das Fürstentum Wallis, die Kambria der Alten ist; aber indem ich heute die Feder in die Hand nehme, scheint es mir, als ob die Zeilen, die ich schreibe, eine hohe Bestimmung haben, und daß ich nicht mehr für Sie allein, sondern für meine Zeitgenossen, und für die Nachwelt schreibe!

Nun aber sind meine Zeitgenossen nicht eben so gelehrt als Sie, mein lieber Petrus, und da ich in der Hoffnung lebe, daß diese Erzählung eines Tages gedruckt werden wird, muß ich meine Leser wohl mit diesem kleinen Winkel der Erde bekannt machen, in welchen ich verbannt bin.

Was ich schreibe, wird daher eines Tages vielleicht nicht allein eine Beschreibung, sondern auch noch eine Lehre sein.

Zuvörderst gleicht nichts weniger der freundlichen und fruchtbaren Gegend, die ich verlassen, als das rauhe und finstere Land, welches ich dagegen betreten habe. In der That, man reise in den zwölf Grafschaften, welche das Fürstenthum Wallis bilden, man lasse die siebenmalhundert tausend Einwohner die Musterung passiren, und man wird eine Gegend durchwandern, man wird Sitten finden, man wird eine Sprache hören, die sich, wie man versichert, nur an der anderen Seite der Meerenge, an dem westlichen Ende Frankreichs, bei den alten Bretagnern wiederfinden, den Nachkommen jener berühmten Gallo-Kymris, welche dem zweiten Britannien seinen alterthümlichen Namen Kambria und seinen Namen Wallis gegeben haben.

Ebenso wie die Alanen, die Avaren, die Hunnen bei jener Völkerwanderung, die sie von Osten nach Westen trieb, über die Ströme, die Flüsse, die Meerarme auf ihren breiten Schildern gingen, könnte man sagen, daß die Gallo-Kymris, ihre Brüder in der Barbarei, eines Tages mit Axthieben einen Theil des europäischen Festlandes abschnitten, Segel an ihre dunklen Tannen und ihre großen Eichen befestigten, und als kühne Seefahrer mit frischem Winde kamen, um ihre eisernen Enterhaken ans den Boden auszuwerfen, der heute die Grafschaften Mohamouth, Herefort, Shrop und Chester bildet.

Uebrigens ist vielleicht, – Gott, der ewig ist, weiß es allein! – vielleicht ist das, was ich heute als eine poetische Dichtung gebe, nichts Anderes, als eine so alterthümliche Wirklichkeit, daß sie sich in der dunklen Ferne der Geschichte verliert! Spricht Plato nicht von einem verschwundenen Lande, las er Atlantis nennt, und das sich von dem westlichen Afrika nach dem südlichen Amerika erstreckte, indem es über das atlantische Meer eine riesenhafte Brücke schlug, mit deren Hilfe die ersten Völkerstämme über den Ocean gegangen und diese Welt bevölkert hätten, welche wir in der neueren Zeit in unserem Stolze entdeckt zu haben glauben? Eines Tages versank und verschwand in einer großen Sindfluth, von der die mündliche Ueberlieferung noch vier Jahrhunderte vor Jesus Christus vorhanden war. diese Gebirgskette, welche, eine Fortsetzung des Atlas, wie er, den Himmel zu tragen schien. Wer würde aber nun heut zu Tage sagen, daß die Provinz Wallis und Schottland nicht zwei schwimmende Delos, Bruchstücke einer untergegangenen Welt waren, welche, das eine von Osten, das andere in Westen, England in diese schreckliche Umarmung einschlossen, in der es zwei Mal zu sterben meinte?

Obgleich Sie, mein lieber Petrus, ein Mann der Wissenschaft, Alles mit den Augen des Geistes sehen, so bin ich doch überzeugt, daß Sie sich keinen Begriff von dem Aussehen des Dorfes Waston, das zwischen zwei Bergen mit felsigen Gipfeln begraben, an den Ufern eines kleinen Flusses ohne Namen erbaut ist, mit seiner Bevölkerung von Bergleuten mit finsteren Gesichtern und schwarzen Händen, mit gekrümmtem Gange und blinzelnden Augen zu machen vermöchten. Man könnte sagen, daß der Mensch, dieser Wanderer für seine Spanne Zeit, statt sein Leben auf der Oberfläche der Erde und im Lichte der Sonne zuzubringen, sich finstere und unterirdische Wege für ein nächtliches Leben ausgehöhlt hätte, die nach dem Mittelpunkte der Erde führen. Mit jedem Augenblicke scheint die gemeinsame Mutter in gähnenden und schwarzen Schatten ihre Kinder zu verschlingen und wieder auszuspeien! Es liegt nichts Außerordentliches darin, daß diese Unglücklichen, die beständig mit dem Ausgraben der Steinkohle, des Eisens, des Silbers und des Bleies beschäftigt sind, ein Bündniß mit den Dämonen der Erde und der Finsterniß geschlossen zu haben scheinen, selbst dann, wenn sie sich zufällig an den Familienheerd setzen, die traurigen Sagen beibehalten, die sie in der Dunkelheit gesammelt haben, wo sie drei Viertel ihres Lebens zubringen.

Man darf sich daher auch nicht wundern, daß ein solches Volk, obgleich zuweilen besiegt, doch niemals unterjocht wurde. Die Römer versuchten zuerst, es unter ihre Herrschaft zu beugen, und der noch heut zu Tage volksbeliebte, durch spätere Jahre des Widerstandes berühmt gewordene Name Caractacus konnte nicht durch eine Niederlage getrübt werden, welche aus dem silurischen Helden den Hauptschmuck des Triumphes seines Ueberwinders machte, dessen Namen Jedermann vergessen hat, ausgenommen vielleicht Sie und ich, mein lieber Petrus. Allen Eroberern Großbritanniens setzten sie denselben Widerstand entgegen; die Dänen, die Sachsen, die Normannen fanden sie nach der Reihe in der Tiefe ihrer Engpässe und auf den Gipfeln ihrer Berge frei und unbezwungen. Zuweilen gewannen ihre Feinde während des Sommers einige Vortheile auf ihren Gebieten und überfielen einzelne Punkte ihres Landes; aber mit der Wiederkehr der feuchten und regnerischen Jahreszeit wurden die Kambrier wieder unüberwindlich; sie verbargen ihre Frauen in der Tiefe ihrer Schluchten und Thäler, schickten ihre Heerden in das Gebirge, brachen die Brücken ab, eröffneten Laufgräben, und sahen in dem zitternden Schlamme ihrer Moräste die glänzende Ritterschaft ihrer Gegner versinken. Vergebens hatte der Feind während der Tage des Sieges die Bewohner entwaffnet, sie gezwungen, den Eid zu leisten, und als Bürgschaft dieses Eides Geiseln genommen; bei der ersten Veranlassung war der Eid gebrochen, ohne laß die. welche ihn brachen, sich um die Geiseln bekümmerten, wenn es auch ihre Söhne waren. Eines Tages ließ Johann, der Sohn Heinrichs II., bevor er sich zu Tisch setzte, achtundzwanzig Kinder hängen, von denen das älteste nicht zwölf Jahr alt war!

Eduard, der Sohn Alfred’s des Großen, bemächtigte sich zuerst dieser hohen Berge des nördlichen Kambriens, die kein König von England vor ihm überschritten hatte. Eines Morgens sahen die bestürzten Kambrier seine Fahne auf dem mit Schnee bedeckten Gipfel des Craig-Eiri wallen, diesem Pindus des Abendlandes, auf welchem jeder als Dichter erwachte, den der Schlaf darauf überrascht hatte.

Dieses Mal trug Eduard durch die Basken, aus denen sein Heer zum großen Theile bestand und die sich noch in ihren Pyrenäen glaubten, einen entscheidenden Sieg davon; er versammelte die Angesehensten der Besiegten, und versprach ihnen, aus Rücksicht für ihre Nationalität, die sie so gut vertheidigt hätten, einen in ihrem Lande gebornen Häuptling, der niemals weder ein Wort französisch noch englisch gesprochen hätte.

 

Die Freude der unglücklichen Kambrier über diese buchstäblich genommenen Worte des Sieges war groß und der Jubel lärmend, aber Freude und Jubel verwandelten sich in Traurigkeit und Lästerungen, als Eduard I. hinzufügte

– Ich gebe Euch zum Häuptlinge und zum Fürsten meinen acht Tage alten Sohn Eduard, der in Caernarvon geboren ist, und der von heute an sich Eduard von Caernarvon nennt.

Auf diese Weise geschah es, daß zum Gedächtnisse dieses Sieges Eduard’s I. die ältesten Söhne der Könige von England im Jahre 1282 den Titel Prinz von Wales erhielten und bis zu unseren Tagen behielten.

Durch feste Schlösser, die Eduard an den Küsten von Kambrien hatte bauen lassen, und die ihm erlaubten, zur See Truppen dorthin zu senden, – indem er die Waldungen bis auf den Boden vertilgte, welche dem Geächteten keine Zufluchtsstätte mehr boten; – durch die Blutbäder der galeschen Barden, welche die Stimme der Nation erstickten; – durch Verordnungen, welche Niemand von galescher Abkunft die geringste öffentliche Stelle in dem Lande gestatteten; – durch solche Mittel glaubten die Könige von England diese furchtbaren Ueberwundenen unter ihrem Joche zu halten.

Sie irrten sich.

Zuvörderst lebten die Galen, die man zwang, als leichtes Infanterieeorps in dem englischen Heere zu dienen, entweder in ewiger Feindschaft mit den Engländern, die sie als ihre Feinde betrachteten, oder gingen mit Waffen und Gepäck zu den Franzosen über, die sie als ihre Freunde ansahen.

In dieser Eigenschaft als Freunde waren die Franzosen beständig an den Küsten von Kambrien erwartet. Die Blicke dreier Generationen blieben beständig auf den Horizont des Meeres gerichtet, und harrten, ob die weiße Flagge mit den drei Lilien Frankreichs nicht in der nebeligen Ferne der Nordsee erschiene. Fast alle von Eduard III. und Eduard II. erlassene Proclamationen fangen mit folgenden Worten an: »In Betracht, daß unsere Feinde von Frankreich vorhaben, in unserem Fürstenthume Wallis zu landen . . .« Endlich, da diese so lange erwarteten Verbündeten nicht erschienen, beschlossen die, auf ihre eigenen Kräfte beschränkten Galen, noch einmal das Glück zu versuchen. Gegen das Ende des Jahres 1400 glänzte ein adliger Gale am Hofe König Heinrichs IV. Er beleidigte – die Geschichte sagt nicht in welcher Weise – den König, und ward gezwungen, von London zu entfliehen; verfolgt, beschloß er, diesen Vorfall sich zu Gunsten der Nation wenden zu lassen: er flüchtete sich unter seine Landsleute, gab sich für einen politischen Verbannten aus, rief die ganze Bevölkerung zu den Waffen, und stellte sich an die Spitze eines Aufstandes. den Jedermann wünschte, aber zu dessen Anführer sich Niemand zu erklären wagte.

Er hieß Owen Glendowr, ein Name, den man an dem Hofe von England, – um ihm eine normannische Wendung zu geben, in den von Owen von Glendordy geändert hatte, und der von dem Tage der Empörung an mit dem Titel Prinz von Walis begleitet war.

Die ersten Gefechte waren für die Insurgenten glücklich; sie schlugen die englischen Truppen der Provinz Herefort in die Flucht; sie schlugen die Flamänder von Roß und von Pembroke; sie rückten bis an die Grenze von England; aber dort fanden sie den König Heinrich in Person, der seinerseits mit beträchtlichen Streitkräften gegen sie gezogen war.

Vor diesen Streitkräften wichen die Galen zurück, und ein Theil ihres Gebietes befand sich von Neuem überfallen.

Glücklicher Weise trug sich das im Herbste zu. In Ermangelung jener Verbündeten, die von den Küsten der Normandie kommen sollten, kamen die Herbstregen, indem sie die Straßen durchweichten, die Ströme anschwellten, die Flüsse übertreten ließen: der König Heinrich war gezwungen, stehen zu bleiben; aber da. wo diese Hindernisse ihn vorzudringen verhinderten, schlug er sein Lager mit dem Schwure auf. daß er so unter dem Zelte und ganz gerüstet abwarten wollte, bis der Winter vorübergegangen und das schöne Wetter zurückgekehrt wäre.

Der König aber hatte nicht auf die Krankheit und die Hungersnoth, diese beiden bleichen und schlotternden Gespenster, gerechnet, welche den verspäteten Heeren folgen; sie erschienen in dem Lager der Engländer, und in ihrem Gefolge verbreiteten sich alle jene alten Volksmährchen, welche den galischen Zauberern die Macht zuschrieben, über Wind und Regen zu gebieten.

Nach der Ueberzeugung der Engländer hatte Owen Glendowr ein Bündniß mit der Königin der Stürme geschlossen.

Das war nicht das einzige Bündniß, welches Owen Glendowr geschlossen hatte, denn er hatte folgendes unterzeichnet:

»Karl, von Gottes Gnaden König von Frankreich, und Owen, durch dieselbe Gnade Prinz von Wallis, erklären, durch die Bande eines wahren Bündnisses, wahrer Freundschaft und guter und dauerhafter Einigkeit verbunden zu sein, besonders gegen Heinrich von Lancaster, den Feind genannter Herren, König und Prinz, und gegen seine Beschützer und Anhänger.

Dieser Karl von Frankreich war der Sechste des Namens, der, welcher zehn Jahre später wahnsinnig wurde, und durch seinen Wahnsinn uns Frankreich überliefern sollte.

Dieses Mal kam der versprochene Beistand an. Es war eine ziemlich große, von Brest abgesegelte Flotte; sie trug sechshundert Reiter und achtzehnhundert Fußsoldaten, die von Jean von Nieux, Marschall von Frankreich, und von Renaud von Hengest, Großmeister der Armbrustschützen, angeführt waren.

Sie landete etwa drei Meilen weit von dem Dorfe, das ich bewohne, mein lieber Petrus, das heißt bei Milfort. Wenn ich damals gelebt hätte. so würde ich von der Höhe des Berges, der das Pfarrhaus überragt, mit meinem Fernrohre bis auf den letzten Mann dieses kleine Heer haben sehen können, welches sich mit den empörten Galen vereinigte, mit ihnen gegen Caermarthon rückte, Llandovery durchzog, und die Straße nach der Stadt Worcester einschlug. Einige Meilen vorher begegneten die Insurgenten und Franzosen einer starken englischen Heeresabtheilung. welche, statt ihnen die Schlacht anzubieten, sich auf die Hügel zurückzog, wo sie den Angriff erwartete; aber statt ihre Feinde anzugreifen, verschanzten sich die Franzosen und die Galen gleichfalls, und beobachteten den Feind.

So blieb man acht Tage lang scharmützelnd aber nichts unternehmend einander gegenüber. Während dieser acht Tage wurden ungefähr hundert Mann getödtet, und drei Mal so viel starben, besonders unter den nicht an das Klima gewöhnten Franzosen, vor Erschöpfung, Hunger und Krankheit. Dies bestimmte daher auch das galische Heer, einen Ueberfall zu versuchen.

Eines Nachts verließ man geräuschlos die Verschanzungen, und fiel, nicht über das englische Heer, sondern über sein Gepäck und über seine Küchen her, die man plünderte. Nun bemächtigte sich der Schrecken der Truppen Heinrichs, die sich zerstreuten und auf das englische Gebiet zurückkehrten.

Das war der Moment für die Insurgenten, sie zu verfolgen und ihren Sieg vollständig zu machen; aber das, was die Franzosen von dem Lande Wallis gesehen hatten, genügte ihnen: indem sie einsahen, daß sie bei einem solchen Feldzuge viel Gefahren zu bestehen und wenig Ruhm zu erwarten hätten, ließen sie die Kambrier sich gegen das neue Heer, das der Prinz von Wallis, der Sohn König Heinrich’s IV. zurückführte, vertheidigen. so gut sie konnten, und landeten in Saint-Pol-de-Leon, indem sie mit ihrer gewöhnlichen Prahlerei erzählten, daß sie einen Feldzug gemacht hätten, den vor ihnen niemals Franzosen zu unternehmen gewagt, und in welchem sie nach ihrer Aussage mehr als sechzig Meilen Land auf dem Gebiete des Königs von England verheert hätten.

So hatte es den Anschein, daß die Franzosen nicht nach dem Lande Wallis gekommen waren, die Galen zu unterstützen, sondern sich an dem König Heinrich IV. zu rächen.

Ihrer Verbündeten beraubt, wurden die Galen zuerst im Jahre 1407 an den Ufern des Flusses Ufers geschlagen. Dies erzählte folgender von dem Prinzen von Wallis an seinen Vater geschriebener Brief:

»Mein sehr gefürchteter und sehr vortrefflicher Herr und Vater! Am elften Tage des gegenwärtigen Monats März waren Ihre Rebellen der Bezirke von Glamorgan, Uske, Netherwent und Overwent in der Zahl von acht tausend Mann versammelt, aber Ihre treuen und tapferen Ritter versammelten sich, und Ihre Leute gewannen die Schlacht.«

Von dieser Schlacht schreibt sich der endliche Sturz der galischen Nationalität her, und. wie sonderbar! fast zu gleicher Zeit als die Bretagne, diese Großmutter Kambriens, sich durch die Verheirathung Ludwig’s XII. mit der Herzogin Anna, Wittwe Karl’s VIII., mit Frankreich vereinigte, drangen die Kambrier, indem sie sich der Partei Heinrich Tudor’s anschlossen, – wodurch seine von Eduard III. abstammende Mutter Ansprüche auf den Thron von England machte, – indem sie sich um die rothe Fahne versammelten, mit ihm nach Rosworth in der Provinz Leicester, und lieferten unter seinem Befehle die Schlacht, in welcher durch den Tod Richard’s III., der vergebens, wie der große Shakespeare sagt, seine Krone für ein Pferd anbot, – sich der Krieg der beiden Rosen beendete.

Von nun an war das Fürstenthum Wallis wirklich mit England vereinigt, aber Alles, was die Galen bei dieser Vereinigung gewannen, war, daß der neue König Heinrich VII. den kambrischen Drachen neben den drei Leoparden von England auf seinem Wappen anbrachte, und unter dem Namen des rothen Drachen eine neue Stelle für Edelleute – die Wappenherolle – stiftete.

Seit diesem Tage haben die Beherrscher Englands, obgleich andere Geschlechter den Thron bestiegen, wie zur getreuen Ausführung eines zwischen ihnen geschlossenen Bundes, die Politik gegen die armen Galen nicht geändert; sie bemühten sich, nach einander die alten Gebräuche der Kambrier. die Reste ihrer gesellschaftlichen Eigenthümlichkeit, bis auf ihre Sprache zu zerstören, dem besten Monumente der Nationalität, das unter ihnen noch besteht, und das mit jedem Tage mehr verschwindet.

Indessen, mein lieber Petrus, vermögen Sie sich keinen Begriff von dem Unterschiede zu machen, der zwischen unseren Galen und unsern Engländern des flachen Landes besteht. Was mich anbetrifft, so gestehe ich Ihnen, daß ich mich nicht an diesen Unterschied gewöhnen kann, und, obgleich erst seit vierzehn Tagen unter ihnen, kann ich mich nicht enthalten zu erbeben, wenn ich an der Wendung eines Weges einem Nachkommen dieser alten Kymris in seinem pittoresken Costüme begegne, und er mir mit seiner gurgelnden Aussprache und in der alten galischen Sprache sagt: »Gruß Dir und Deiner Gesellschaft, Mann der Ebene!«

Jetzt, da dieser Gruß eben so gut an mich gerichtet wird, wenn ich allein als wenn ich wirklich von Jemand begleitet bin, habe ich Erkundigungen bei einem alten Barden, einem Ueberreste vergangener Tage, über die Bedeutung dieser Worte eingezogen, die mir sinnlos genug schienen, wenn ich allein war, und unverschämt genug, wenn ich mit Fidel spazieren ging, obgleich Fidel ein guter Hund ist; – ich habe mich, sagte ich, bei einem alten Barden nach dem erkundigt, was die Worte bedeuteten: Gruß Dir und Deiner Gesellschaft, Mann der Ebene.

Nun hat, er mir geantwortet:

– Der Mensch ist niemals allein; Gott giebt ihm am Tage seiner Geburt einen Schutzgeist, der ihn erst zur Stunde seines Todes verläßt. Wenn wir also zu Dir sagen: »Gruß Dir und Deiner Gesellschaft, Mann der Ebene!« so will das sagen: »Gruß Dir und dem Schutzengel, den der Herr Dir gegeben hat.«

Da haben Sie, mein lieber Petrus, eine kurze Darstellung der Geschichte und eine oberflächliche Ansicht von dem Aussehen des Volkes, in dessen Mitte ich mich befinde. Vielleicht habe ich mich ein Wenig zu breit über den einen und über den andern Gegenstand ausgesprochen; aber das kommt daher, weil es mir in diesem Augenblicke scheint, daß mein wahrer Beruf weder das Heldengedicht, noch das Trauerspiel, noch das Drama, noch die Philosophie, noch selbst der Sittenroman ist; es scheint mir, daß er die Geschichte ist, und daß das große Werk, welches meinen Ruf und mein Vermögen begründen soll, eine Chronik, entweder nach der Art Monstreler’s und Froissart’s sein wird, oder eine Erzählung wie die, welche Hume dieses Jahr über England herausgegeben hat, oder welche Robertson nächstens über Schottland herausgeben soll.

In jedem Falle ist mein Gegenstand beschlossen; er ist die Geschichte der Gallo-Kymris seit dem Augenblicke ihres Aufbruches aus der Bretagne bis zu unseren Tagen.