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Der Graf von Moret

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XIV.
Während der König spickt

Dergleichen Anspielungen, mit denen seine Umgebung durchaus nicht sparte, machten den König wütend auf den Kardinal, und ließen in ihm jene plötzlichen unerwarteten Entschlüsse reifen, die den Kardinal stets nur handbreit vom Abgrund hielten.

Wenn die Feinde des Kardinals dem Könige in einem solchen Momente nahe waren, und ihn, wie man zu sagen pflegt, zu packen wussten, fasste er mit ihnen die verzweifeltesten Entschlüsse, in der Absicht, sie nicht zu befolgen, und machte ihnen die schönsten Versprechungen, entschlossen, sie nicht zu halten.

Da ihm nun über den Angriff L'Angely's die Galle zu Kopfe stieg, wandte er sich, immer beschäftigt, die vor ihm liegende Kalbslende zu spicken, nach allen Seiten, und suchte Jemand, an dem er seinen Zorn auslassen könnte. Seine Blicke blieben auf seinen zwei Musikern haften, die auf einer Art von Estrade saßen und von denen der eine die Saiten seiner Laute zupfte, und der andere mit dem Bogen seiner Viola herzhaft auf- und abfuhr.

Der König bemerkte, was er bis jetzt im Eifer des Gesprächs und der Arbeit nicht beachtet hatte, nämlich, dass die Beiden nur halb bekleidet waren.

Molinier, welcher ein Wams an hatte, trug weder Beinkleider noch Strümpfe.

Justin, dessen untere Körperhälfte bekleide! war, saß in Hemdärmeln da.

»Oho!« rief Ludwig XIII.. »was soll diese Maskerade?«

»Einen Augenblick!« sagte L'Angely. den Musikern die Antwort verwehrend; »an mir ist es, zu antworten.«

»Narr,« rief der König, »nimm Dich in Acht, dass Du mir nicht lästig wirst.«

L'Angely nahm eine Spicknadel aus der Hand Georges und legte sich damit aus, als wäre es ein Degen.

»Ich habe keine Furcht vor Dir, Ludwig,« sagte er, »komm heran, wenn Du es wagst.«

L'Angely hatte das ausschließliche Vorrecht, dem Könige Alles sagen zu dürfen; er war mehr, als sein Narr: er war sein Vertrauter. Im Gegensatze zu anderen Königen liebte Ludwig XIII. es nicht, erheitert zu werden. Wenn sie zusammen allein waren, sprachen sie von gar ernsten Dingen: vom Tode und vom Jenseits, über das sich der König in den gewagtesten und auch verzweifeltesten Vermutungen erging. L'Angely war ein Horatio dieses zweiten Prinzen von Dänemark, und das Gespräch Hamlet's mit dem Todtengräber war ein lustiger Schwank gegen das Gespräch, welches Ludwig XIII, mit seinem Hofnarren führte. Der König konnte daher niemals ernstlich böse auf L'Angely werden. Auch diesmal sagte er:

»Erkläre Dich also. Narr; aber rasch!«

»Ludwig.« sagte dieser, »der Du der Gerechte genannt wirst, weil Du zufällig unter dem Zeichen der Wage geboren bist, zeige Dich Deines Namens würdig, damit mein Gevatter Nogent Dich nicht wieder so beschimpft, wie vorher. Gestern hast Du, der König von Frankreich und Navarra, die Erbärmlichkeit begangen, diesen armen Leuten die Hälfte von ihrem Gehalte zu streichen; nun, wenn man nur die Hälfte einnimmt, kann man sich auch nur zur Hälfte kleiden, und wenn Du wegen dieses unanständigen Aufzuges mit Jemand rechten willst, so zanke mit mir, denn ich habe den Rat dazu gegeben,«

»Das war der Rat eines Narren!« sagte der König.

»Nun, so ein Rat hat Aussicht aus Befolgung,« meinte L'Angely.

»Gut, gut; ich verzeihe den Beiden.«

»So bedankt Euch doch bei Seiner allergnädigsten Majestät, Ludwig dem Gerechten,« sagte der Narr.

Die zwei Musiker erhoben sich, um ihre Reverenz zu machen.

»Gut, gut,« sagte der König; »es ist genug!«

Dann blickte er um sich, um nach Denen zu sehen, die sich in gleicher Weise beschäftigten, wie er selbst.

Desnoyers spickte einen Hasen, La Vieuville einen Fasan, Nogent einen Rinderbraten, St. Simon, welcher nicht spickte, hielt einen Teller mit Speck; Bassompierre plauderte mit dem Herzog von Guise, Baradas spielte Bilboquet, der Herzog von Angoulème hatte es sich in einem Lehnstuhl bequem gemacht, und schlief, oder tat wenigstens so, als ob er schliefe.

»Was saget Ihr da dem Herzog von Guise, Marschall?« fragte der König; »es scheint etwas sehr Interessantes zu sein.«

»Für uns, ja,« antwortete Bassompierre; »der Herr Herzog sucht nämlich Streit mit mir.«

»Weswegen?«

»Es scheint, dass der Herzog von Vendôme sich in seiner Gefangenschaft langweilt.«

»So?« warf L'Angely ein; »ich dachte bis jetzt, dass man sich bloß im Louvre langweile.«

»Und,« fuhr Bassompierre fort, »er hat mir geschrieben.«

»Euch?«

»Wahrscheinlich glaubte er, Sire, ich stände in Gunst bei Euch!«

»Nun, was schreibt Euch mein Bruder Vendôme?«

»Du mögest ihm einen Deiner Pagen schicken,« sagte L'Angely.

»Schweig, Narr!«

»Er will aus Vincennes fort und den italienischen Krieg mitmachen.«

»Dann,« rief L'Angely spottend, »möge Gott den Piemontesen gnädig sein!«,

»Und er schreibt Euch —«

»Indem er mir zugleich sagt, dass er die Sache als unnütz betrachtet, da er mich von der Partei des Herzogs von Guise hält.«

»Warum?«

»Weil ich der Verehrer von dessen Schwester, der Prinzeß von Conti, bin,«

»Und was habt Ihr geantwortet?»

»Ich antwortete, es mache nichts aus, dass ich der Liebhaber aller seiner Tanten gewesen bin; ich sei ihm deshalb nur um so mehr zugetan.«

»Und Ihr. Vetter Angoulème, was tut Ihr?« fragte der König.

»Ich träume, Sire.«

»Wovon?«

»Von dem piemontesischen Kriege.«

»Und was träumt Euch davon?«

»Es träumt mir, dass Ew. Majestät sich an die Spitze der Armee stelle, in Person nach Italien gehe, und dass man auf einem der höchsten Alpenfelsen Euren glorreichen Namen neben denen Hannibal's und Carl's des Großen in den Stein meißle. Was haltet Ihr von meinem Traum?«

»Dass es Euch besser steht, so zu träumen, als den Andern das Wachen,« sagte L'Angely.

»Und wer wird unter mir das Kommando führen? Der Kardinal oder mein Bruder?« fragte der König.

»Verständigen wir uns!« sagte L'Angely, »wenn es Euer Bruder ist, Sire, so wird er unter Euch, ist es aber der Kardinal, so wird er über Euch kommandieren.«

»Da, wo der König ist,« warf der Herzog von Guise ein, »führt kein Anderer das Kommando.«

»Gut!« bemerkte L'Angely; »doch hat Euer Vater, der Narbige, zur Zeit König Heinrich's III. nicht in Paris kommandiert.«

»Die Sache fiel deshalb für ihn nicht minder gut aus,« sagte Bassompierre.

»Meine Herren,« sagte der König, »der Krieg mit Piemont ist eine sehr wichtige Angelegenheit, und es ist zwischen mir und meiner Mutter beschlossen worden, dass sie in dem Rate, der über diesen Krieg gehalten werden soll, entschieden wird. Ihr, Marschall, seid schon benachrichtigt worden, dass auch Ihr eine Stimme bei dieser Beratung haben werdet, und Euch, Angoulème und Guise, lade ich hiermit selbst dazu ein. Doch kann ich Euch nicht verhehlen, dass in diesem Rate, Monsieur, mein Bruder, eine starke Partei haben wird.«

»Sire,« sagte der Herzog von Angoulème, »ich sage es offen und im Vorhinein, dass ich meine Stimme dem Kardinal geben werde. Nach der siegreichen Einnahme La Rochelle's ware es eine Ungerechtigkeit, ihm zu Gunsten eines Andern als des Königs den Oberbefehl zu nehmen.«

»Das ist Eure Ansicht?« sagte der König.

»Ja. Sire.«

»Vergesst Ihr, dass es kaum zwei Jahre her sind, als der Kardinal Euch nach Vincennes schicken wollte, woran ich allein ihn verhinderte?«

»Ew. Majestät haben Unrecht gehabt, das zu tun.«

»Wie ich hätte Unrecht gehabt?«

»Ja; wenn Se. Eminenz mich nach Vincennes schicken wollte, so verdiente ich gewiss, dahin geschickt zu werden.«

»Nimm ein Beispiel, Ludwig, an Deinem Vetter Angoulème,« sagte L'Angely, »das ist ein Mann von Erfahrung.«

»Ich wette,« sagte der König, »wenn ich Euch das Kommando anböte, Vetter, Ihr würdet von Euren Ansichten abgehen,«

»Wenn mein König, dem ich Gehorsam schuldig bin, mir befehlen würde, das Kommando zu übernehmen, so gehorchte ich; wenn Ihr Euch aber damit begnügtet, Sire, es mir anzubieten, so würde ich es meinerseits dem Kardinal darbringen, und mit einem Unterkommando gleich dem von Bassompierre, Guise, Bellegarde zufrieden und glücklich sein.«

»Teufel,« sagte Bassompierre, »ich habe Euch nicht für so bescheiden gehalten, Herzog.«

»Ich bin bescheiden, wenn ich mich beurteile, und stolz, wenn ich mich vergleiche, Herr Marschall.«

»Und für wen wirst Du Dich entscheiden, Ludwig?« fragte L'Angely, »für den Kardinal, für Monsieur oder für Dich selbst? Ich meinesteils würde Monsieur meine Stimme geben.«

»Und warum?«

»Weil er sich jetzt wird revanchieren wollen, da er wahrend der Belagerung von La Rochelle immer trank war; vielleicht sagt seiner Gesundheit das warme Klima besser zu.«

»Es dürfte ihm aber zu heiß werden,« sagte Baradas.

»Ah, auch Du entschließest Dich einmal, zu reden?«

»Ja, Sire. wenn ich etwas zu sagen habe; sonst schweige ich.«

»Warum spickst Du nicht?«

»Weil ich reine Hände habe und sie mir nicht beschmutzen will; weil ich gut parfümiert bin, und nicht übelriechend werden mag.«

»Da hast Du noch ein Parfum,« sagte Ludwig XIII., ein Flacon aus der Tasche ziehend.

»Was ist darin?« fragte Baradas.

»Eau de Naffe!«

»Ihr wisst wohl, Sire, dass ich Euer Eau de Naffe verabscheue.«

Der König näherte sich nichtsdestoweniger Baradas und spritzte ihm einige Tropfen von der in dem Flacon enthaltenen Flüssigkeit in das Gesicht.

Kaum aber hatte das Wasser die Haut des jungen Mannes benetzt, als er sich ungestüm auf den König warf, ihm das Fläschchen aus der Hand riss und es auf dem Boden zerschmetterte.

»Ah, meine Herren,« sagte der König erbleichend, »was tätet Ihr, wenn ein Page Euch so begegnete, wie dieser Schelm soeben mir?«

Man schwieg.

Nur Bassompierre konnte seine Zunge nicht im Zaume halten.

 

»Ich ließe ihn peitschen,« sagte er.

»Ihr ließet ihn peitschen?« schrie Baradas, zog trotz der Gegenwart des Königs den Degen, stürzte auf Bassompierre zu und konnte nur mit Mühe von Guise und Angoulème zurückgehalten werden.

»Mein Herr,« sagte Bassompierre, »da es bei Strafe, dass dem Frevler die Hand abgehauen wird, verboten ist, in Gegenwart des Königs den Degen zu ziehen, muss ich dieses Gesetz befolgen, aber da Ihr gleichwohl eine Lektion verdient, so will ich sie Euch geben. Georges, eine Spicknadel! – Und nun lasset Herrn Baradas los, meine Herren!«

Man ließ Baradas los, der sich trotz der Rufe des Königs wütend auf den Marschall stürzte. Aber Bassompierre war ein alter Fechter, der zwar nicht oft gegen Feinde gefochten hatte, desto öfter aber im Duell. Er parierte die Stöße des jungen Mannes mit großer Geschicklichkeit und benutzte die erste Blöße, die sich dieser gab, um ihm die Spicknadel in die Schulter zu stoßen, wo er sie stecken ließ.

»So, mein Junge,« sagte er, »das ist ebensoviel wert, als die Peitsche, und Ihr werdet Euch wenigstens eine Zeitlang daran erinnern.«

Als der König das Blut aus Baradas Wunde fließen sah, stieß er einen Schrei aus.

»Herr von Bassompierre,« sagte er, »zeigt Euch nie mehr vor mir!«

Der Marschall nahm seinen Hut.

»Sire,« sagte er, »ich werde wegen dieses Urteils appellieren!«

»Bei wem?«

»Bei Philipp von Spanien!«

Und wahrend der König nach seinem Arzt Bouvard rief, verließ der Marschall erhobenen Hauptes das Gemach, indem er zwischen den Zahnen murmelte:

»Er soll ein Sohn Heinrichs IV. sein? – Daran ist nicht zu denken!«

XV.
Im Magazin des Juweliers Lopez

Unsere Leser werden sich aus dem Berichte von Souscarières an den Kardinal erinnern, dass Frau von Fargis und der spanische Gesandte, Herr von Mirabel, bei dem Juwelier Lopez Billets ausgetauscht hatten.

Was aber Souscarières nicht wusste, war, dass Lopez mit Leib und Seele dem Kardinal gehörte, wozu er auch alle Ursache hatte, Er stand nämlich in dem zweifachen Verdachte, ein Jude und ein Mohamedaner zu sein; die Einen hielten ihn für das Eine und die Andern für das Andere, und er suchte diesen Verdacht vergebens dadurch zu entkräften, dass er alle Tage Schweinefleisch aß.

Gleichwohl hätte er eines Tages die Dummheit eines Requetenmeisters beinahe teuer bezahlen müssen. Er war beschuldigt worden, in Frankreich Pensionen für Spanien auszuzahlen. Ein Requetenmeister erschien bei ihm, um Einsicht in seine Rechnungsbücher zu nehmen; in diesen fand der Beamte einen Posten, den er für höchst verdächtig erklärte. Er lautete:

»Guadacamilles por senor de Bassompierre.«

Lopez erfuhr, dass er zugleich mit dem Marschall des Hochverrats angeklagt werden sollte. Er eilte zu der Frau von Rambouillet, die eben so wie die schöne Julia zu seinen besten Kunden gehörte. Er flehte ihre Protection an und sagte ihr, sein ganzes Verbrechen bestände darin, dass er in dem Buche seiner Schuldforderungen den Posten eingetragen hätte: »Guadacamilles por senor de Bassompierre.«

Frau von Rambouillet ließ ihren Gemahl bitten, zu ihr herabzukommen und theilte ihm den Fall mit. Dieser ging sogleich zu dem Requetenmeister, der zu seinen Freunden gehörte und dem er die Versicherung gab, Lopez sei unschuldig.

»Und doch ist die Sache klar, Herr Marquis,« sagte der Requetenmeister. »Guadacamilles —«

Der Marquis unterbrach ihn.

»Sprecht Ihr spanisch?« fragte er den Beamten.

»Nein.«

»Wisst Ihr, was Guadacamilles heißt?«

»Nein; aber das Wort allein schon genügt mir zu dem Beweise, dass darin etwas Fürchterliches liegt.«

»Nun, mein lieber Herr, der ganze Satz heißt: Tapisserien für den Herzog von Bassompierre

Der Requetenmeister wollte das nicht glauben, und es musste ein spanisches Wörterbuch geholt werden, um ihm den Beweis zu liefern

Lopez betrachtete den Schutz des Kardinals, des obersten Richters in kirchlichen Angelegenheiten, daher als den wirksamsten für seine vielfach angefeindete Person.

In der Tal war Lopez maurischen Ursprunges, und als die Mauren 1610 aus Spanien vertrieben wurden, hatte man ihn nach Frankreich gesendet, um den Flüchtigen dort das Wort zu reden. Er war an den Marquis von Rambouillet empfohlen worden, der spanisch sprach. Lopez, ein Mann von Geist, rieth einigen Tuchhändlern zu einem Geschäfte mit Konstantinopel, welches so sehr gelang, dass sie in ihrer Dankbarkeit einen Teil des Gewinnes Lopez gaben, der für die ziemlich bedeutende Summe einen rohen Diamanten kaufte, den er schleifen ließ. Dies fiel so gut aus, dass man ihm von allen Seiten rohe Diamanten zum Schleifen schickte und er bald als der beste Edelsteinschneider in Paris bekannt war. So kam es, dass alle schönen Edelsteine jener Zeit durch seine Hände gingen, umso mehr, da er das Glück gehabt hatte, einen Arbeiter zu finden, der beinahe noch geschickter war, wie er, und der einwilligte, sein Gehilfe zu werden. Dieser Mensch war so geschickt, dass er, wo es nöthig schien einen Diamant mit einem einzigen Hammerschläge teilen konnte.

Als es sich um die Belagerung von La Rochelle handelte, war Lopez von dem Kardinal nach Holland geschickt worden, um Schiffe bauen zu lassen oder fertige anzukaufen. In Amsterdam und Rotterdam hatte er eine Menge Dinge gekauft, die aus Indien oder China kamen, und so wurde durch ihn der Raritätenhandel in Frankreich eingeführt.

Seine Mission nach Holland vergrößerte sein Vermögen sehr bedeutend und da die wahre Veranlassung seiner Reise ein Geheimnis blieb, ahnte Niemand, dass er ein treuergebener Anhänger des Kardinals sei.

Auch Lopez war das Auffällige des gleichzeitigen Bewuchs des spanischen Gesandten und der Ehrendame der Königin nicht entgangen; sein erster Gehilfe sah auch das Briefchen der Fargis, so dass der Kardinal eine doppelte Mitteilung über dasselbe Factum erhielt, und da die des Juweliers von der Souscarières nicht abwich, immer mehr Achtung vor der Geschicklichkeit des Letzteren gewann.

Der Kardinal wusste daher, als die Königin am Morgen des 14. Dezembers Sänften für sich und das Gefolge verlangte, dass es sich nicht um den Ausgang einer Frau handle, die Schmuck kaufen, sondern um den einer Königin, die ihr Reich verkaufen will. —

Allein am 14. Dezember um 11 Uhr, zu derselben Stunde, als Bassompierre seine Spicknadel in der Schulter des jungen Baradas stecken ließ, als die Königin in Begleitung der Fargis, des Fräuleins von Lautrec, der Herzogin von Chevreuse und ihres ersten Stallmeisters, Patrocle, ausgehen wollte, ereignete sich Folgendes:

Frau Bellier, die erste Kammerfrau der Königin, trat ein, in der einen Hand einen mit einer spanischen Mantilla bedeckten Papageienkäfig, in der andern einen Brief.

»O mein Gott, was bringt Ihr da, Bellier?« fragte die Königin.

»Ein Geschenk, welches Ihre Hoheit, die Infantin Clara Eugenia, Euer Majestät macht.«

»So kommt das aus Brüssel?« fragte die Königin.

»Ja, Majestät; und hier ist der Brief der Prinzeß, welcher das Geschenk anzeigt.«

»Sehen wir zuerst das Geschenk an!« sagte mit echt weiblicher Neugier die Königin, ihre Hand nach der Mantilla ausstreckend, die den Käfig verhüllte.

»O nein,« bat die Bellier, den Käfig zurückziehend, »Euer Majestät müssen zuerst den Brief lesen.«

»Und wer hat Brief und Käfig gebracht?«

»Michel Danse, der Apotheker Eurer Majestät, der unsere Korrespondenz mit Brüssel besorgt. – Hier ist der Brief Ihrer Hoheit.«

Die Königin entsiegelte den Brief und las:

»Meine teure Nichte!

»Ich sende Euch einen wunderbaren Papagei und wenn Ihr ihn nicht dadurch erschreckt, dass Ihr ihm seine Hülle wegnehmt, so wird er Euch in fünf verschiedenen Sprachen Schmeicheleien sagen. Es ist ein kleines, gutes und sehr treues Tier, und ich bin sicher, dass Ihr Euch nie über dasselbe zu beklagen haben werdet.

»Eure ergebene Tante

»Clara Eugenia.«

»So!« sagte die Königin, »jetzt habe ich den Brief gelesen, nun soll er sprechen!«

Sogleich ertönte eine feine Stimme unter der Mantilla und sagte in französischer Sprache:

»Die Königin Anna von Österreich ist die schönste Fürstin der Welt.«

»O, das ist herrlich!« rief die Königin; »jetzt möchte ich Dich spanisch reden hören, mein kleiner Vogel.«

Kaum war dieser Wunsch ausgesprochen, als der Papagei sagte:

»Yo quiero dona Ana hacer por todo para que sus deseos lleguen.«

»Nun italienisch! Hast Du mir auch etwas auf italienisch zu sagen?«

Der Vogel ließ nicht lange warten; er sagte:

»Dares la mia vita per la carissima padrona mia.«

»Und welches sind die übrigen Sprachen?« fragte sie, »das mein Vogel spricht?«

»Das Englische und das Holländische, Majestät,« antwortete Frau Bellier.

»Also englisch,o,englisch! Rief Anna.

»Give me your hand and i shall give you my hearth.«

»Ach!« rief die Königin, »ich verstehe nicht gut; Ihr könnt ja englisch, meine liebe Isabella!«

»Ja, Majestät,« sagte Fräulein von Lautrec.

»Habt ihr verstanden?«

»Der Papagei sagte: Gebt mir Eure Hand, und ich gebe Euch mein Herz!«

»Bravo!« sagte die Königin; »und welches ist die fünfte Sprache, Bellier?«

»Die holländische, Madame.«

»Ah, welches Unglück; Niemand versteht hier holländisch.«

»Im Gegenteile, Majestät,« sagte die Fargis; »Beringhen ist ja aus Friesland, er muss daher holländisch verstehen.«

»Ruft also Beringhen; er muss im Vorzimmer des Königs sein.«

»Frau von Fargis eilte fort, und kam bald mit Beringhen zurück.

»Beringhen war ein großer, hübscher Bursche mit rötlichem Haar und blonden Bart, halb Holländer, halb Deutscher, obwohl er in Frankreich erzogen worden war. Der König liebte ihn sehr, und er seinerseits war dem Könige aufrichtig ergeben.

Frau von Fargis zog ihn am Ärmel seines Wamses in das Gemach. Er wusste nicht, was man von ihm wollte, und man hatte den ausdrücklichen Befehl der Königin geltend machen müssen, um ihn zu bewegen, seinen Posten zu verlassen.

Aber der Papagei war so klug, dass er, als Beringhen kaum in das Zimmer getreten war, begriff, er könne nun reden, und ohne zu warten, bis man die fünfte Schmeichelei von ihm verlangte, plapperte er:

»Och myne welbeminde koningin, ik bemin u maar ik bemin u meer in hollandsch myne liefste geboorte taal.«

»Oho,« rief Beringhen ganz erstaunt, »der Papagei spricht holländisch, als ob er ein geborener Amsterdamer wäre.«

»Und was hat er gesagt, Herr von Beringhen?« fragte die Königin.

»Er sagte zu Ihrer Majestät: »Ich liebe Euch, meine schöne Gebieterin, um so mehr in der holländischen Sprache, weil sie meine Muttersprache ist.«

»Gut, nun kann man ihn ja wohl sehen und ich zweifle nicht, dass er eben so schön wie unterrichtet ist.«

Diese Worte sprechend, zog sie die Mantilla von dem Käfig weg.

Sie sah etwas, das sie nicht erwartet hatte.

Eine kleine, kaum mehr als zwei Schuh hohe Zwergin in friesischer Tracht stand in dem Käfig und machte der Königin ihre Reverenz.

Dann schlüpfte sie aus dem Käfig, dessen Tür so hoch war, dass sie sich nicht bücken musste, um hindurch zukommen, und machte eine zweite, noch graziösere Verbeugung.

Die Königin nahm sie in ihre Arme wie ein kleines Kind und in der Tat war die Zwergin, obgleich bereits fünfzehn Jahre alt, nicht größer als ein zweijähriges Kind.

In diesem Augenblicke hörte man auf dem Korridor rufen:

»Der Erste! Wo ist der Erste!«

So nannte man zufolge der Hofetikette den ersten Kammerdiener des Königs.

Beringhen eilte hinaus und stieß in der Tür mit dem zweiten Kammerdiener zusammen, der ihn suchte.

Die Königin hörte, da die Tür offen blieb, folgende zwischen den beiden Kammerdienern gewechselte Worte:

»Was gibt es?«

»Der König verlangt nach Bouvard.«

»Mein Gott.« rief die Königin, »sollte etwa Sr. Majestät ein Unfall zugestoßen sein?«

Und sie eilte hinaus, um etwas zu erfahren, aber sie sah die beiden Kammerdiener, welche sich sehr beeilten, bereits um die Ecke des Korridors verschwinden.

Da benachrichtigte man die Königin, dass die Sänften bereit seien.

»Ich kann nicht ausgehen.« sagte sie, »ohne zu wissen, was bei dem Könige vorgeht.«

»Warum begeben sich Ew. Majestät nicht selbst dahin?« fragte Isabella von Lautrec,

»Ich wage es nicht, da der König nicht nach mir geschickt hat.«

»Sonderbares Land,« murmelte Isabella, »wo eine besorgte Gattin es nicht wagt, sich bei ihrem Gatten nach seinem Befinden zu erkundigen!«

»Soll ich mich zum Könige begeben?« fragte Frau von Fargis.

»Und wenn der König darüber zürnt?«

 

»Nun, er wird mich wohl nicht in seinem Zorn verschlingen,« lachte die Fargis.

Und sie hüpfte hinaus.

Nach fünf Minuten kam sie mit schallendem Gelächter zurück.

Die Königin atmete frei auf.

»Ich wette, dass die Sache nicht bedenklich ist,« sagte sie.

»Sehr bedenklich im Gegenteile; es hat ein Duell stattgefunden.«

»Ein Duell?«

»Ja, und das in Gegenwart des Königs.«

»Und wer sind die Kühnen, die dies gewagt haben?«

»Bassompierre und Baradas. Letzterer ist verwundet.«

»Durch einen Degenstich?«

»Nein, durch eine Spicknadel.«

Und Frau von Fargis, die sich schon etwas gefasst hatte, fing von Neuem an hell laut zu lachen.

»Nun, da wir beruhigt sind, meine Damen,« sagte die Königin, »wollen wir unsern Besuch bei Meister Lopez nicht länger verzögern.«

Da Baradas, ein so hübscher Junge er auch war, weder der Königin, noch ihren Damen die geringste Sympathie einflößte, machte Niemand eine Einwendung.

Die Königin übergab die kleine Zwergin der Bellier, welche sie auf ihren Arm nahm.

Man hatte sie um ihren Namen gefragt und sie sagte, dass sie Gretchen heiße, was zugleich Margarethe und Perle bedeutet.

Am Fuße der großen Treppe hielten die Sänften; eine derselben hatte zwei Plätze; in diese stieg die Königin mit der Fargis und ließ auch die Zwergin hineinheben.

Zehn Minuten später war man bei Lopez angelangt, der an der Ecke der Rue des Moutons, auf dem Gréveplatze, wohnte.

In dem Augenblick, in welchem die Sänfte der Königin an der Tür des Juweliers niedergesetzt wurde, der, sein Barett in der Hand, auf der Schwelle stand, sprang ein junger Mann herbei, öffnete die Tür der Sänfte und reichte der Königin zum Aussteigen seinen Arm.

Dieser junge Mann war der Graf von Moret.

Ein Wort der Cousine Marina hatte den Vetter Jacquelino benachrichtigt, dass die Königin in der Mittagsstunde zu Lopez kommen würde und er war herbeigeeilt. Kam er, um die Königin zu begrüßen, um Frau von Fargis die Hand zu drücken, oder um mit Fräulein von Lautrec einen Blick zu wechseln? – Das wissen wir nicht; wir beschränken uns darauf, mitzuteilen, dass er. nachdem er die Königin begrüßt, sie in das Haus geleitet und der Frau von Fargis die Hand gedrückt hatte, mit großem Eifer an den Schlag der zweiten Sänfte lief und mit derselben achtungsvollen Gebärde dem Fräulein Isabella seinen Arm reichte. »Entschuldigt, Fräulein,« sagte er, »dass ich nicht zuerst zu Euch kam, wie es mir mein Herz gebot; allein wo die Königin ist, da muss die Ehrerbietung vor ihr Allem vorangehen, selbst der Liebe.«

Und sich verneigend, trat er, nachdem er Isabelle zu der Gruppe geführt hatte, die sich um die Königin bildete, einen Schritt zurück, ihr nicht Zeit lassend, anders als durch ihr tiefes Erröthen zu antworten.

Die Art, wie Graf von Moret sich benahm, war von der anderer Edelleute so verschieden, und er hatte bei allen drei Gelegenheiten, wo er mit Isabella zusammenkam, ihr so viele Zeichen von Achtung und Liebe gegeben, dass es kein Wunder war, wenn jede dieser Zusammenkünfte tiefe Spuren in dem Herzen des jungen Mädchens zurückließ.

Auch diesmal blieb sie nachdenklich in einem Winkel des Juwelierladens stehen und kümmerte sich nicht um die Schätze, die vor ihr ausgebreitet lagen.

Kaum war die Königin eingetreten, als sie mit ihren Augen den spanischen Gesandten suchte, den sie auch alsbald entdeckte, wie er mit einem der Leute eifrig über den Preis eines Edelsteines zu handeln schien.

Sie brachte ihrerseits dem Juwelier eine prachtvolle Perlenschnur, in welcher sich jedoch einige matte Exemplare befanden, die durch feurigere ersetzt werden sollten.

Der Preis für die acht oder zehn fehlenden Perlen war jedoch so hoch, dass die Königin zögerte, sie zu bestellen.

Frau von Fargis. die mit dem Grafen von Moret plauderte und ein Ohr für sein Gespräch, das andere aber für die Worte der Königin hatte, eilte herbei.

»Worüber sind Ew. Majestät so ungehalten?« fragte sie.

»Da sieh, meine Liebe! Zuerst ist hier ein hübsches Kruzifix, das ich kaufen möchte, und das mir dieser Jude Lopez nicht unter tausend Pistolen überlassen will.«

»Ei. Lopez« sagte Frau von Fargis, »es ist unvernünftig, für die Copie tausend Pistolen zu verlangen, wahrend Ihr das Original für dreißig Silberlinge verkauft habt.«

»Vor Allem,« sagte Lopez, »bin ich kein Jude, sondern ein Muselmann.«

»Jude oder Muselmann,« sagte die Fargis, »das bleibt sich gleich.«

»Ferner,« sagte die Königin, »habe ich zwölf Perlen nöthig, um mein Collier zu vervollständigen, und Lopez begehrt für das Stück fünfzig Pistolen.«

»Wenn Ew. Majestät weiter nichts in schlechte Laune bringt – ich habe die sechshundert Pistolen.«

»Wo denn, meine Freundin?« fragte die Königin.

»Nun, in den Taschen jenes dicken schwarzen Mannes, der dort an dem Ladentische feilscht.«

»Das ist ja Particelli!«

»Nein, Majestät, das ist Herr von Emery.«

»Das ist ja eine und dieselbe Person.«

»Für die ganze Welt, aber nicht für den König.«

»Ich begreife nicht!«

»Wie, Majestät wissen nicht, dass der Kardinal, als er ihn zum Silberbewahrer des königlichen Schatzes anstellte, und ihn dabei dem Könige unter seinem zweiten Namen Herrn von Emery vorstellte, der König sagte:

»Gut, Kardinal; trachtet, dass er so bald als möglich seinen Posten antrete.«,

»Und warum das?« fragte der Kardinal erstaunt.

»Weil man mir berichtet hat, dass der Spitzbube Particelli sich um diesen Platz bewirbt.«

»Nun, Majestät,« sagte der Kardinal mit seiner gewöhnlichen Geistesgenwart, »da ist nichts zu besorgen; Particelli ist bereits gehängt worden.«

»Darüber bin ich froh,« sagte der König, »denn er soll ein großer Spitzbube gewesen sein.«

»So dass —?« fragte die Königin, die ihre Ehrendame noch immer nicht verstand.

»So dass,« sagte die Fargis, »ich dem Herrn von Emery nur ein Wort in das Ohr zu flüstern brauche, damit er die sechshundert Pistolen hergebe, die Euer Majestät bewirten.«

»Und auf welche Weise kann ich sie ihm zurückerstatten?«

»Ganz einfach, indem Ihr es dem Könige verschweigt, dass Particelli und Emery eine und dieselbe Person sind.«

Und sie lief zu Emery, der so sehr in seinen Handel vertieft war, dass er die Königin noch nicht bemerkt hatte. Auf ein Wort, das sie ihm in das Ohr sagte, lief er so schnell herbei, als es seine kurzen Beine und sein dicker Bauch erlaubten.

»Majestät,« sagte die Fargis, »dankt Herrn Particelli.«

»Emery,« verbesserte der Höfling.

»Und wofür sollte ich mich bedanken?« fragte die Königin.

»Sobald Herr Particelli von Eurer Verlegenheit hörte. Madame —«

»Emery; Emery,« flüsterte der Silberbewahrer eindringlich.

»Bot er sich an,« fuhr die Fargis fort, »Euer Majestät einen Credit von zwanzigtausend Livres bei Lopez zu eröffnen.«

»Zwanzigtausend Livres!« rief der dicke Mann, »Teufel!«

»Findet Ihr, dass das nicht genug ist für Ihre Majestät, Herr Particelli?«

»Emery, Emery,« wiederholte Jener verzweiflungsvoll; »ich bin sehr glücklich, Ihrer Majestät zu dienen, aber nennt mich um des Himmels willen Emery.«

»Es ist wahr,« sagte die Fargis; »Particelli ist der Name eines Gehängten.«

»Ich danke, Herr von Emery,« sagte die Königin. »Ihr leistet mir da in Wahrheit einen großen Dienst.«

»Ich bin im Gegenteile Euer Majestät zu Dank verpflichtet, aber ich würde bitten, Frau von Fargis, die sich immer irrt, anzuweisen, sie möge mich nicht mehr Particelli nennen.«

»Abgemacht,« sagte Frau von Fargis, »nur möchte ich Euch bitten, Herr Part – Emery, dem Meister Lopez zu sagen, dass die Königin für zwanzigtausend Livres bei ihm auswählen darf, und dass er sich wegen der Bezahlung nur an Euch zu halten hat.«

»Sogleich! Aber es ist abgemacht, ich heiße nie mehr Particelli, nicht wahr?«

»Nein, Herr von Emery,« sagte die Fargis, indem sie den Silberbewahrer zu Lopez führte.

Während dieser Zeit wechselten die Königin und der spanische Gesandte einen bedeutsamen Blick und näherten sich sofort einander; der Graf von Moret hatte sich an eine Säule gelehnt, und betrachtete Isabella von Lautrec, welche mit der Zwergin spielte und mit der Bellier zu plaudern schien, die aber, indem sie die Flammenblicke Antons von Bourbon auf sich ruhen fühlte, weder bei dem Spiele, noch bei dem Gespräche aufmerksam war. Die Fargis wachte darüber, dass der der Königin eröffnete Credit wirklich dir Höhe von zwanzigtausend Livres erreiche; Emery und Lopez unterhandelten über die Modalitäten dieses Credits. Jedermann war daher mit seiner Angelegenheit so sehr beschäftigt, dass er an die der Königin und des spanischen Gesandten nicht dachte, welche sich allmälig gegenseitig näherten und sich endlich nebeneinander befanden.