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Der Graf von Bragelonne

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XIV.
Wie Ludwig seinerseits die Zeit von halb elf Uhr bis um Mitternacht zugebracht hatte

Als Ludwig das Gemach der Ehrenfräulein verließ, fand er in seinem Cabinet Colbert, der auf ihn wartete, um seine Befehle für die Ceremonie am andern Tag einzuholen.

Es handelte sich, wie wir erwähnt, um den Empfang von holländischen und spanischen Gesandten.

Ludwig XIV. hatte gewichtige Gründe der Unzufriedenheit gegen Holland. Die Generalstaaten hatten schon wiederholt in ihren Beziehungen zu Frankreich krumme Wege genommen’, und ohne sich um einen Bruch zu bekümmern, vernachläßigten sie abermals das Bündniß mit dem allerchristlichsten König, um allerlei Intriguen mit Spanien anzuspinnen.

Ludwig XIV. fand bei seiner Thronbesteigung, das heißt bei dem Tod von Mazarin diese politische Frage gleichsam angelegt.

Sie war schwierig zu lösen für einen jungen Mann, doch da damals die ganze Nation im König bestand, so fand sich der Körper bereit, Alles auszuführen, was der Kopf beschloß.

Ein wenig Zorn, die Reaction eines jungen und lebhaften Blutes im Gehirn genügte, um eine alte politische Linie zu verändern und ein neues System zu schaffen.

Die Rolle der Diplomaten in jener Zeit beschränkte sich darauf, daß sie unter sich die Staatsstreiche anordneten, deren ihre Souverains bedürfen konnten.

Ludwig XIV. war nicht in einer Verfassung des Geistes, die ihm eine gescheite Politik zu dictiren vermochte.

Noch aufgeregt von dem Streite, den er mit la Vallière gehabt hatte, irrte er in seinem Cabinet umher, ganz von dem Wunsche erfüllt, Gelegenheit zu finden, einen Lärm zu machen, nachdem er so lange an sich gehalten.

Als Colbert den König eintreten sah, beurtheilte er mit einem Blick die Lage der Dinge und begriff die Absichten des Monarchen. Er lavirte.

Sobald der Gebieter fragte, was am andern Tag zu thun sei, sing Colbert mit der Aeußerung an, er finde es sonderbar, daß Seine Majestät nicht von Herrn Fouquet auf das Laufende gesetzt worden sei.

»Herr Fouquet kennt die ganze Angelegenheit von Holland,« sagte er; »er empfängt die Correspondenzen unmittelbar.«

Gewohnt, Colbert Herrn Fouquet anfallen zu hören, ließ der König diesen Hieb vorübergehen, ohne etwas zu erwiedern; er hörte nur.

Colbert sah, welche Wirkung er hervorbrachte, beeilte sich, umzudrehen und sagte nur, Fouquet sei indessen nicht so schuldig, als es von vorn herein scheine, in Betracht, daß er in diesem Augenblick sehr in Anspruch genommen werde.

Der König erhob den Kopf und fragte:

»Wie ist er denn in Anspruch genommen?«

»Sire, die Menschen sind nur Menschen, und Herr Fouquet hat seine Fehler bei seinen guten Eigenschaften.«

»Ah! Fehler, wer hat nicht Fehler, Herr Colbert? . . . «

»Eure Majestät hat wohl auch,« erwiederte kühner Weise Colbert, der eine schwere Batterie in einen leichten Tadel zu schleudern wußte, wie der Pfeil, der die Luft trotz seines Gewichtes mit Hilfe von schwachen Federn, die ihn halten, durchschneidet.

Der König lächelte.

»Welchen Fehler hat denn Herr Fouquet?« sagte er.

»Immer denselben, er soll verliebt sein.«

»Verliebt! in wen?«

»Ich weiß nicht genau, ich mische mich wenig in Dinge der Galanterie.«

»Ihr müßt es doch wissen, da Ihr der Sache erwähnt.«

»Ich habe aussprechen hören . . . «

»Was?«

»Einen Namen.«

»Welchen?«

»Ich erinnere mich nicht mehr.«

»Sagt es immerhin.«

»Ich glaube, es ist der von einem der Ehrenfräulein von Madame.«

Der König bebte.

»Ihr wißt mehr, als Ihr sagen wollt, Herr Colbert,« murmelte er.

»Ah! Sire, ich versichere Euch, daß dies nicht der Fall ist.«

»Man kennt sie doch, die Ehrenfräulein von Madame, und wenn man Euch ihre Namen sagt, werdet Ihr vielleicht den finden, welchen Ihr sucht.«

»Nein, Sire.«

»Versucht es.«

»Es wäre vergeblich, Sire. Handelt es sich um den Namen von compromittirten Damen, so ist mein

Gedächtniß eine eiserne Kiste, deren Schlüssel ich verloren habe.«

Eine Wolke zog durch den Geist und über die Stirne des Königs hin; dann, da er Herr seiner selbst scheinen wollte, sagte er, den Kopf schüttelnd:

»Gut; wir wollen von der holländischen Sache sprechen.«

»Vor Allem: um welche Stunde will Eure Majestät die Gesandten empfangen?«

»Frühzeitig.«

»Um elf Uhr?«

»Das ist zu spät . . . Um neun Uhr.«

»Das ist zu früh.«

»Bei Freunden ist dies von keiner Bedeutung; bei Freunden thut man, was man will; bei Feinden aber kann nichts besser sein, als wenn sie sich verletzt fühlen. Ich muß gestehen, es wäre mir nicht unangenehm, mit allen diesen Sumpfvögeln, die mich mit ihrem Geschrei ermüden, ein Ende zu machen.«

»Sire, es soll geschehen, wie Eure Majestät will . . . Um neun Uhr also . . . Ich werde Befehle dem gemäß geben. Ist die Audienz feierlich?«

»Nein. Ich will mich mit ihnen erklären, und nicht die Dinge begiften, wie es in Gegenwart von vielen Leuten immer geschieht; zu gleicher Zeit aber will ich sie in’s Klare setzen, daß ich nicht wieder anzufangen habe.«

»Eure Majestät wird die Personen bezeichnen, welche dem Empfang beiwohnen sollen.«

»Ich werde die Liste machen . . . Sprechen wir von diesen Gesandten: was wollen sie?«

»Mit Spanien verbündet, gewinnen sie nichts; mit Frankreich verbündet, verlieren sie viel.«

»Wie so?«

»Mit Spanien verbunden, sehen sie sich von den Besitzungen ihres Bundesgenossen begrenzt und beschützt; sie können dort nicht anbeißen, obgleich sie Lust dazu haben. Von Antwerpen nach Rotterdam ist es auf der Maaß und der Scheide nur ein Schritt. Wollen sie in den spanischen Kuchen beißen, so könnt Ihr, der Schwiegersohn des Königs von Spanien, in zwei Tagen mit der Reiterei nach Brüssel kommen. Es handelt sich also darum, sich mit Euch zu entzweien und Spanien bei Euch verdächtig genug zu machen, daß Ihr Euch nicht in seine Angelegenheiten mischet.«

»Demnach,« sagte der König, »demnach ist es viel einfacher, ein solides Bündniß mit mir zu schließen, bei dem ich etwas gewinnen würde, während sie Alles dabei gewinnen.«

»Nicht, wenn sie zufällig Euch zum Angrenzer bekämen, denn Eure Majestät ist kein bequemer Nachbar; jung, glühend, kriegerisch, kann der König von Frankreich Holland harte Streiche beibringen, besonders wenn er ihm näher kommt.«

»Ich verstehe vollkommen, Herr Colbert, und das ist gut erläutert; doch der Schluß, wenn’s beliebt?«

»Den Entscheidungen Eurer Majestät gebricht es nie an Weisheit.«

»Was werden mir die Gesandten sagen’?«

»Sie werden Eurer Majestät sagen, sie wünschen ungemein das Bündniß mit ihr, und das wird eine Lüge sein; sie werden den Spaniern sagen, die drei Mächte müssen sich gegen die Wohlfahrt von England verbinden, und das wird auch eine Lüge sein, denn der natürliche Verbündete Eurer Majestät ist heute England, das Schiffe hat, wenn Ihr keine habt; es ist England, das die Macht der Holländer in Indien aufwiegen kann; es ist endlich England, ein monarchisches Land, wo Eure Majestät verwandtschaftliche Verbindungen hat!«

»Gut, aber was würdet Ihr antworten?«

»Ich würde mit einer Mäßigung sonder Gleichen antworten, Holland sei nicht vollkommen gestimmt für den König von Frankreich. Die Symptome des öffentlichen Geistes seien beunruhigend für Eure Majestät; es seien gewisse Münzen mit beleidigenden Devisen geschlagen worden.«

»Beleidigend für mich!« rief der exaltirte junge König.

»Oh! nein. Sire, nein; ich habe mich geirrt, beleidigend ist nicht das richtige Wort. Ich wollte sagen, über die Maßen schmeichelhaft für die Holländer.«

»Oh! wenn dem so ist, was liegt mir an der Hoffart der Holländer!« sagte der König seufzend.

»Eure Majestät hat tausendmal Recht. Doch es ist, der König weiß dies besser als ich, nie ein Uebel in der Politik, ungerecht zu sein, um eine Einräumung zu erlangen. Beklagt sich Eure Majestät empfindlich über die Holländer, so wird sie ihnen nur um so ansehnlicher erscheinen.«

»Was ist das mit den Münzen?« fragte Ludwig; »denn wenn ich davon spreche, so muß ich doch wissen, was ich zu sagen habe.«

»Meiner Treue! Sire, ich weiß es nicht genau . . . irgend eine übertriebene Devise . . . Das ist der Sinn . . . Die Worte thun nichts zur Sache.«

»Gut, ich spreche das Wort Münze aus, und sie werden es verstehen, wenn sie wollen.«

»Oh! sie werden verstehen. Eure Majestät kann auch ein paar Worte von gewissen Pamphleten, die im Umlauf sind, einschlüpfen lassen.«

»Nie. Die Pamphlete beschmutzen diejenigen, welche sie schreiben, viel mehr, als die, gegen welche man sie schreibt. Herr Colbert, ich danke Euch. Ihr könnt Euch entfernen.«

»Sire . . . «

»Gott befohlen. Vergeßt nicht die Stunde, und seid da.«

»Sire! ich erwarte die Liste von Eurer Majestät.«

»Es ist wahr.«

Der König fing an zu träumen; er dachte gar nicht mehr an diese Liste. Es schlug halb zwölf Uhr.

Man sah im Antlitz des Fürsten den furchtbaren Kampf des Stolzes.

Die politische Unterredung hatte viel Zorn bei Ludwig getilgt, und das bleiche entstellte Gesicht von la Vallière sprach zu seiner Einbildungskraft eine ganz andere Sprache, als die holländischen Münzen und die batavischen Pamphlete.

Er verweilte zehn Minuten bei der Frage an sich selbst, ob er zu la Vallière zurückkehren oder nicht zurückkehren sollte; als aber Colbert ehrerbietig an die Liste mahnte, erröthete der König, daß er an die Liebe dachte, während die Staatsangelegenheiten geboten.

Er dictirte also:

»Die Königin Mutter.

»Die Königin.

»Madame.

»Frau von Motteville.

»Fräulein von Chatillon.

»Frau von Navailles.«

Und von Männern:

»Monsieur.

»Der Herr Prinz.

 

»Herr von Grammont.

»Herr von Manicamp.

»Herr von Saint-Aignan.

»Und die Officianten vom Dienst.«

»Die Minister?« fragte Colbert.

»Das versteht sich von selbst, und die Secretäre.«

»Sire, ich werde Alles anordnen: die Befehle sollen morgen vollzogen sein.«

»Saget heute,« erwiederte Ludwig mit traurigem Tone.

Es schlug Mitternacht.

Dies war die Stunde, wo die arme la Vallière vor Kummer und Schmerzen verging.

Die Bedienung des Königs trat zu seinem Schlafengehen ein. Die Königin wartete seit einer Stunde.

Der König begab sich mit einem Seufzer zu ihr, doch während er seufzte, wünschte er sich Glück zu seinem Muth. Er spendete sich Beifall, daß er fest sei in der Liebe, wie in der Politik.

XV.
Die Gesandten

D’Artagnan hatte beinahe Alles erfahren, was wir mitgetheilt, denn er zählte zu seinen Freunden alle nützliche Leute des Hauses, willfährige Diener, welche stolz darauf waren, vom Capitän der Musketiere gegrüßt zu werden, denn der Kapitän war eine Macht; dann, abgesehen vom Ehrgeiz, stolz darauf, daß sie bei einem so tapferen Mann, wie d’Artagnan, etwas galten.

D’Artagnan ließ sich so jeden Morgen von Allem unterrichten, was er am Tage vorher nicht selbst hatte sehen oder in Erfahrung bringen können, da er kein Ubiquist war, dergestalt, daß er aus dem, was er jeden Tag selbst gesehen, und aus dem, was er durch Andere er» fahren, ein Bündel machte, das er, wenn das Bedürfniß eintrat, aufknüpfte, um die Waffe daraus zu nehmen, die er gerade für nothwendig erachtete.

So leisteten d’Artagnan seine zwei Augen denselben Dienst, wie Argus seine hundert.

Politische Geheimnisse, Gassengeheimnisse, Worte, die den Höflingen beim Ausgang aus dem Vorzimmer entschlüpft, Alles wußte d’Artagnan, und Alles schloß er in das weite und undurchdringliche Grab seines Gedächtnisses neben so theuer erkaufte und so treu bewahrte königliche Geheimnisse.

Er wußte also die Zusammenkunft mit Colbert; er wußte den Empfang, der am Morgen den Gesandten gewährt werden, daß dabei von den Münzen die Rede sein sollte; und während er das Gespräch ans den paar Worten, die zu ihm gelangt, wieder aufbaute, begab er sich an seinen Posten in den Gemächern, um in dem Augenblick, wo der König erwachen würde, anwesend zu sein. ^

Der König erwachte sehr frühzeitig, was bewies, daß er seinerseits auch schlecht geschlafen hatte. Gegen sieben Uhr öffnete er sachte seine Thüre.

D’Artagnan war auf seinem Posten.

Seine Majestät sah bleich aus und schien angegriffen; überdies war seine Toilette nicht vollendet.

»Laßt Herrn von Saint-Aignan rufen,« sagte der König.

Saint-Aignan erwartete ohne Zweifel, man würde ihn rufen, denn als man zu ihm kam, war er ganz angekleidet.

Saint-Aignan beeilte sich, zu gehorchen, und begab sich zum König.

Einen Augenblick nachher entfernte sich der König mit Saint-Aignan; der König ging voraus.

D’Artagnan stand an einem Fenster, das nach den Höfen ging er brauchte sich also nicht von der Stelle zu bewegen, um dem König mit den Augen zu folgen. Es war, als hätte er zum Voraus errathen, wohin der König gehen würde.

Der König ging zu den Ehrenfräulein.

Darüber wunderte sich d’Artagnan nicht. Er vermuthete, obgleich la Vallière ihm nichts gesagt hatte, der König habe ein Unrecht wieder gut zu machen.

Saint-Aignan folgte ihm wie am Tage vorher, jedoch etwas weniger unruhig, etwas weniger ängstlich, denn er hoffte, um sieben Uhr Morgens werden nur er und der König unter den erhabenen Gästen des Schlosses wach sein.

D’Artagnan stand sorglos und ruhig am Fenster. Man hätte geschworen, er sähe nichts und er wüßte durchaus nicht, wer die Abenteurer, die, in ihre Mäntel gehüllt, den Hof durchschritten.

Während aber d’Artagnan dieses Aussehen hatte, verlor er sie nicht aus dem Blick, und während er leise den alten Marsch der Musketiere pfiff, dessen er sich nur bei großen Veranlassungen erinnerte, errieth und berechnete er zum Voraus den ganzen Sturm von Geschrei und Zornausbrüchen, der sich bei der Rückkehr erheben sollte.

Der König, als er bei la Vallière eintrat und das Zimmer leer, das Bett unberührt fand, fing wirklich an zu erschrecken und rief Montalais.

Montalais lief herbei, doch ihr Erstaunen war dem des Königs gleich.

Alles, was sie dem König sagen konnte, war, daß sie la Vallière einen Theil der Nacht habe weinen hören, doch da sie gewußt, daß der König da gewesen, so habe sie es nicht gewagt, sich nach der Ursache zu erkundigen.

»Aber wohin glaubt Ihr denn, daß sie gegangen?« fragte der König.

»Sire,« erwiederte Montalais, »Louise ist eine sehr empfindsame Person, und oft habe ich sie bei Tagesanbruch aufstehen und in den Garten gehen sehen; vielleicht ist sie diesen Morgen dort.

Die Sache kam dem König wahrscheinlich vor, und er ging sogleich hinab, um nach dem Flüchtling zu forschen.

D’Artagnan sah ihn bleich und in lebhaftem Gespräch mit seinem Begleiter erscheinen. Er wandte sich nach den Gärten. Saint-Aignan folgte ihm ganz athemlos. D’Artagnan rührte sich nicht von seinem Fenster; er pfiff beständig und hatte den Anschein, als sähe er nichts, während er Alles sah.

»Ah! ah!« sagte er, als der König verschwunden war, »die Leidenschaft Seiner Majestät ist stärker, als ich glaubte; er thut da, wie mir scheint, Dinge, die er für Fräulein von Mancini nicht gethan hätte.«

Der König kam nach einer Viertelstunde zurück; er hatte überall gesucht und war außer Athem.

Es versteht sich von selbst, daß er nichts gefunden.

Saint-Aignan folgte ihm; er fächelte sich mit seinem Hut und erkundigte sich bei den ersten den besten Dienern, bei Allen, denen er begegnete.

Manicamp fand sich auf seinem Wege. Manicamp kam in kleinen Märschen von Fontainebleau; wozu Andere sechs Stunden gebraucht, dazu hatte er vier- und zwanzig gebraucht.

»Habt Ihr Fräulein de la Vallière gesehen?« fragte Saint-Aignan.

Worauf Manicamp, stets träumerisch und zerstreut, im Glauben, man spreche von Guiche, erwiederte:

»Ich danke, es geht dem Grafen besser.«

Und er ging weiter bis zum Vorzimmer, wo er d’Artagnan traf, den er um Erläuterung über die bestürzte Miene bat, die er am König wahrzunehmen geglaubt hatte.

D’Artagnan antwortete ihm, er habe sich getäuscht, der König sei im Gegentheil von einer tollen Heiterkeit.

Mittlerweile schlug es acht Uhr.

Der König nahm gewöhnlich um diese Zeit sein Frühstück.

Es war im Codex der Etiquette festgestellt, der König habe immer um acht Uhr Hunger.

Er ließ auf einem Tischchen in seinem Schlafzimmer auftragen und aß hurtig.

Saint-Aignan, von dem er sich nicht trennen wollte, hielt ihm die Serviette.

Dann fertigte er einige militärische Audienzen ab.

Während dieser Audienzen schickte er Saint-Aignan auf Entdeckungen aus.

Immer besorgt, immer ängstlich, immer auf die Rückkehr von Saint-Aignan lauernd, der alle seine Leute hatte ins Feld rücken lassen und selbst darein gerückt war, erreichte der König neun Uhr.

Auf den Schlag neun Uhr begab er sich in sein großes Cabinet.

Die Gesandten traten auch auf den ersten Schlag von neun Uhr ein.

Auf den letzten Schlag erschienen die Königinnen und Madame.

Die Gesandten waren drei für Holland, zwei für Spanien.

Der König warf einen Blick auf sie und grüßte.

In diesem Augenblick trat auch Saint-Aignan ein.

Es war dies für den König ein viel wichtigerer Eintritt, als der der Gesandten, wie groß auch ihre Zahl und von welchem Lande sie kommen mochten.

Der König machte auch vor Allem Saint-Aignan ein fragendes Zeichen, worauf dieser durch eine entschiedene Verneinung antwortete.

Der König hätte beinahe allen Muth verloren, da aber die Königinnen, die Großen des Reiches und die Gesandten die Augen auf ihn richteten, so strengte er sich gewaltig an und lud die letzteren ein, zu sprechen.

Hierauf hielt einer von den spanischen Abgeordneten eine lange Rede, in der er die Vortheile des spanischen Bündnisses anpries.

Der König unterbrach ihn mit den Worten:

»Mein Herr, ich hoffe, daß das, was für Frankreich gut ist, für Spanien sehr gut sein muß.«

Dieses Wort und besonders die peremptorische Weise, in der es ausgesprochen wurde, machten die Gesandten erbleichen und die zwei Königinnen erröthen, die sich, beide Spanierinnen, in ihrem Verwandtschafts- und Nationalitätsstolz durch die Antwort verletzt fühlten.

Der holländische Gesandte nahm ebenfalls das Wort und beklagte sich über vorgefaßte Ansichten, die der König gegen die Regierung seines Landes offenbare.

Der König unterbrach ihn:

»Mein Herr, es ist sonderbar, daß Ihr Euch beklagt, während ich Grund habe, mich zu beklagen, und es, wie Ihr seht, doch nicht thue.«

»Euch beklagen, Sire?« fragte der Holländer, »über welche Verletzung?«

Der König lächelte voll Bitterkeit und sprach:

»Werdet Ihr mich zufällig tadeln, daß ich einen Unwillen gegen eine Regierung hege, welche öffentliche Beleidiger autorisirt und beschützt?«

»Sire!«

»Ich sage Euch,« fuhr der König fort, der sich viel mehr durch seinen eigenen Aerger, als durch die politische Frage aufreizte, »ich sage Euch, daß Holland ein Land der Zuflucht für Jeden ist, der mich haßt, und besonders für Jeden, der mich beleidigt!«

»Ah! Sire! . . . «

»Ah! Beweise, nicht wahr? Nun wohl! man wird leicht Beweise haben. Woher entstehen die unverschämten Pamphlete, die mich als einen Monarchen ohne Würde und Ansehen darstellen? Eure Pressen seufzen darunter. Wenn ich meine Secretäre da hätte, würde ich Euch die Titel der Werke mit den Namen der Drucker nennen.«

»Sire,« erwiederte der Gesandte, »ein Pamphlet kann nicht das Werk einer Nation sein. Entspricht es der Billigkeit, daß ein großer König, wie Euer Majestät, ein großes Volk für das Verbrechen einiger Wahnsinnigen, welche Hungers sterben, verantwortlich macht?«

»Gut; ich gebe Euch das zu, mein Herr. Aber wenn die Münze von Amsterdam Medaillen zu meiner Schmach schlägt, ist das auch das Verbrechen einiger Wahnsinnigen?«

»Medaillen!« stammelte der Gesandte.

»Medaillen!« wiederholte der König, Colbert anschauend.

»Eure Majestät mußte sehr sicher sein . . . « stammelte der Holländer.

Der König schaute beständig Colbert an; doch Colbert sah aus, als begriffe er nicht, und schwieg trotz der Aufforderung des Königs.

Da näherte sich d’Artagnan, zog aus seiner Tasche eine Münze, reichte sie dem König und sprach:

»Das ist die Münze, die Eure Majestät sucht.«

Der König nahm sie.

Da konnte er mit dem Auge, das, seitdem er wirklich Gebieter, nur geschwebt hatte, da konnte er, sagen wir, ein freches Bild Holland darstellend, das wie Josua die Sonne stille stehen machte, mit dem Spruche sehen:

In conspectu meo stetit sol.

»Bei meinem Anblick stand die Sonne still!« rief der wüthende König. »Ah! Ihr werdet hoffentlich nicht mehr leugnen!«

»Und die Sonne ist diese,« sagte d’Artagnan.

Und er bezeichnete auf allen Feldern des Cabinets die Sonne, das vielfältige und glänzende Emblem, das überall seine stolze Devise:

Nec pluribus impar.

ausbreitete.

Genährt durch die Stiche seines inneren Schmerzes, bedurfte der Zorn des Königs nicht diese Aufregung, um Alles zu verschlingen. Man sah in seinen Augen die Gluth eines heftigen Kampfes, der dem Ausbruche nahe war.

Ein Blick von Colbert fesselte den Sturm.

Der Gesandte wagte Entschuldigungen.

Er sagte, aus der Eitelkeit der Völker lasse sich keine Folgerung ableiten. Holland sei stolz darauf, daß es mit so geringen Mitteln seinen Rang als große Nation selbst gegen große Könige behauptet, und wenn ein wenig Rauch seine Landsleute berauscht habe, so werde der König gebeten, diese Trunkenheit zu entschuldigen.«

Der König schien zu suchen. Er schaute Colbert an, der unempfindlich blieb. Dann d’Artagnan.

D’Artagnan zuckte die Achseln.

Diese Bewegung war eine aufgezogene Schleuße, durch die sich der so lange zurückgehaltene Zorn des Königs entfesselte.

Jeder beobachtete ein düsteres Stillschweigen, da Keiner wußte, wie weit dieser Zorn Ludwig fortreißen würde.

Der zweite Gesandte benützte das Stillschweigen, um seine Entschuldigungen zu beginnen.

Während er sprach und der König, allmälig wieder in seine persönliche Träumerei versunken, auf diese Stimme voll Bangigkeit horchte, wie ein zerstreuter Mensch auf das Gemurmel eines Wasserfalls horcht, näherte sich d’Artagnan, der zu seiner Linken Saint-Aignan hatte, diesem und sprach mit einer Stimme, die er vollkommen berechnete, daß sie das Ohr des Königs treffen mußte:

 

»Habt Ihr die Kunde vernommen, Graf?«

»Welche Kunde?«

»Die Kunde von la Vallière?«

Der König bebte und machte unwillkührlich einen Schritt gegen die zwei Redenden.

»Was ist denn la Vallière geschehen?« fragte Saint-Aignan mit einem Tone, den man sich leicht einbilden kann.

»Ah! die Arme!« erwiederte d’Artagnan, »sie ist in ein Kloster getreten.

»In ein Kloster!« rief Saint-Aignan.

»In ein Kloster!« rief der König mitten unter der Rede des Gesandten.

Dann faßte er sich wieder unter der Herrschaft der Etiquette, horchte aber fortwährend.

»In welches Kloster?«

»In das Kloster der Carmeliterinnen in Chaillot.«

»Woher des Teufels wißt Ihr das?«

»Von ihr selbst.«

»Ihr habt sie gesehen?«

»Ich habe sie zu den Carmeliterinnen geführt.«

Dem König entging nicht ein Wort.

»Aber warum diese Flucht?« fragte Saint-Aignan.

»Weil das arme Mädchen gestern vom Hofe weggejagt worden ist,« erwiederte d’Artagnan.

Er hatte nicht sobald dieses Wort von sich gegeben, als der König eine Geberde voll Hoheit machte und zu dem Gesandten sprach:

»Genug, mein Herr, genug.«

Dann trat er auf Saint-Aignan zu und rief:

»Wer sagt, la Vallière sei in das Kloster gegangen?«

»Herr d’Artagnan,« antwortete der Günstling.

»Ist das, was Ihr sagt, wahr?« fragte der König den Musketier.

»Wahr wie die Wahrheit.«

Der König ballte die Fäuste und erbleichte.

»Ihr habt noch etwas beigefügt, Herr d’Artagnan?« sagte er.

»Ich weiß es nicht mehr, Sire.«

»Ihr habt beigefügt, la Vallière sei vom Hofe weggejagt worden.«

»Ja, Sire.«

»Ist dies abermals wahr?«

»Erkundigt Euch, Sire.«

»Durch wen?«

»Ah!« machte d’Artagnan, wie ein Mensch, der sich verwirft.

Der König sprang auf und ließ Gesandte, Minister, Höflinge und Politik bei Seite.

Die Königin-Mutter erhob sich ebenfalls; sie hatte Alles gehört, oder das, was sie nicht gehört, errathen.


Ohnmächtig vor Zorn und Angst, versuchte es Madame wie die Königin-Mutter aufzustehen, aber sie fiel wieder auf ihr Fauteuil nieder, das sie durch eine instinctartige Bewegung rückwärts rollen machte.

»Meine Herren,« sprach der König, »die Audienz ist zu Ende; ich werde meine Antwort oder vielmehr meinen Willen Spanien und Holland zu wissen thun.«

Und mit einer gebieterischen Geberde entließ er die Gesandten.

»Nehmt Euch in Acht, mein Sohn,« sagte die Königin-Mutter voll Entrüstung, »nehmt Euch in Acht, Ihr seid nicht recht Herr über Euch.«

»Ah! Madame,« brüllte der junge Löwe mit einer furchtbaren Geberde, »wenn ich nicht Herr über mich bin, so werde ich es doch, dafür stehe ich Euch, über diejenigen sein, welche mich verletzen; kommt mit mir, Herr d’Artagnan, kommt.«

Und er verließ den Saal unter dem Erstaunen und Schrecken Aller . . .

Der König stieg die Treppe hinab und schickte sich an, den Hof zu durchschreiten.

»Sire,« sagte d’Artagnan, »Eure Majestät irrt sich im Wege.«

»Nein, ich gehe nach den Ställen.«

»Unnöthig, Sire, ich habe Pferde für Eure Majestät bereit.«

Der König antwortete seinem Diener nur durch einen Blick, doch dieser Blick versprach mehr, als der Ehrgeiz von drei d’Artagnan zu hoffen gewagt hätte.