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Der Graf von Bragelonne

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»Hättest Du so gespielt, meine arme Chevreuse? . . . Nicht wahr, ja!«

Und wie ein Wohlgeruch von einst kehrten ihre ganze Jugend, ihre ganze tolle Einbildungskraft, ihr ganzes Glück mit dem Echo dieser Anrufung zu ihr zurück.

XXI.
Die Lotterie

Am Abend um acht Uhr war alle Welt bei der Königin Mutter versammelt.

Im großen Ceremonienkleid, schön durch die Ueberreste ihrer Schönheit und durch alle die Hilfsmittel, welche die Coquetterie in geschickte Hände legen kann, verbarg die Königin Mutter, oder suchte sie vielmehr vor dieser Menge von Höflingen, die sie umgaben und bewunderten – in Folge der von uns im vorhergehenden Kapitel bezeichneten Combinationen – die schon sichtbaren Verheerungen des Leidens zu verbergen, dem sie einige Jahre später unterliegen sollte.

Madame, beinahe eben so coquette als Anna von Oesterreich, die Königin einfach und natürlich, wie immer, saßen an ihrer Seite und machten sich ihr Wohlwollen streitig.

In einem Armeecorps vereinigt, um mit mehr Kraft und demgemäß mit mehr Erfolg den boshaften Scherzen zu widerstehen, die sich die jungen Leute über sie erlaubten, gewährten sich die Ehrendamen, wie es ein in Carré aufgestelltes Bataillon thut, die gegenseitige Unterstützung einer guten Wache und eines guten Gegenschlags.

Gewandt in diesem Plänklerkrieg, beschützte Montalais die ganze Linie durch das Lauffeuer, das sie auf den Feind richtete.

In Verzweiflung über die durch ihre Hartnäckigkeit verletzende Strenge von Fräulein von Tonnay-Charente, suchte Saint-Aignan dieser den Rücken zuzuwenden, aber besiegt durch den unwiderstehlichen Glanz der zwei großen Augen der Schönen, weihte er immer wieder seine Niederlage durch neue Unterwerfungen ein, welche Fräulein von Tonnay-Charente durch neue Ungebührlichkeiten zu erwiedern nicht verfehlte.

Saint-Aignan wußte nicht mehr, welchen Heiligen er anrufen sollte.

La Vallière hatte nicht einen Hof, sondern Anfänge von Höflingen.

In der Hoffnung, die Augen von Athenais durch dieses Manoeuvre auf sich zu ziehen, grüßte Saint-Aignan la Vallière mit einer Ehrfurcht, welche einige verspätete Geister glauben machte, er wolle Athenais durch Louise im Gleichgewicht halten.

Doch dies waren Leute, welche die Regenscene weder gesehen, noch von ihr hatten erzählen hören. Nur, da die Mehrzahl schon unterrichtet, und zwar gut unterrichtet war, hatte die Gunst, der sie sich erklärter Weise erfreute, die Gewandtesten, wie die Albernsten vom Hofe zu ihr gezogen.

Die Ersten, weil sie die Einen wie Montaigne sagten: »Was weiß ich?«

Die Anderen, weil sie wie Rabelais sagten: »Vielleicht!«

Die Mehrzahl war jenen gefolgt, wie bei den Jagden nur fünf bis sechs geschickte Leithunde dem Geruch des Thieres folgen, während der Rest der Meute nur dem Geruch der Leithunde folgt.

Die Prinzessinnen und die Königin priesen die Toilleten ihrer Hoffräulein und Ehrendamen, so wie die der anderen Damen, und sie geruhten zu vergessen, daß sie Königinnen, um sich zu erinnern, daß sie Weiber waren.

Das heißt, sie zerfleischten unbarmherzig alles Frauenzimmer.

Die Blicke der beiden Prinzessinnen fielen gleichzeitig auf la Vallière, welche, wie gesagt, in diesem Moment stark umgeben war.

Madame war ohne Mitleid.

»Wahrhaftig,« sagte sie, indem sie sich an das Ohr der Königin Mutter neigte, »wenn das Schicksal gerecht wäre, müßte es die arme kleine la Vallière begünstigen.«

»Das ist nicht möglich,« erwiederte lächelnd die Königin Mutter.

»Warum nicht?«

»Es sind nur zwei hundert Billets, so daß nicht Jedermann in der Liste aufgenommen werden konnte.«

»Sie ist also nicht dabei?«

»Nein.«

»Wie Schade! sie hätte die Armspangen gewinnen und sie verkaufen können.«

»Sie verkaufen!« rief die Königin.

»Ja, das hätte eine Mitgift für sie gegeben, und sie wäre nicht genöthigt gewesen, sich ohne Ausstattung zu verheirathen, was ihr wahrscheinlich geschehen wird.«

»Ah! bah! arme Kleine!« sagte die Königin Mutter, »hat sie nicht Kleider?«

Diese Worte sprach sie wie eine Frau, welche nie hatte erfahren können, was die Mittelmäßigkeit ist.

»Oh! seht doch, ich glaube, Gott verzeihe mir, sie hat diesen Abend denselben Rock an, den sie heute Morgen bei der Promenade hatte, sie wird ihn haben anbehalten können, weil der König sie vor dem Regen zu schützen besorgt gewesen.«

In dem Augenblick, wo Madame diese Worte sprach, trat der König ein.

Die Prinzessinnen hatten vielleicht seine Ankunft nicht bemerkt, so sehr waren sie mit Lästern beschäftigt, aber Madame sah plötzlich la Vallière, welche der Gallerte gegenüber stand, unruhig werden und ein paar Worte zu den Höflingen sagen, die sie umgaben; die Höflinge traten sogleich auf die Seite. Diese Bewegung lenkte die Augen von Madame nach der Thüre. In demselben Moment meldete der Kapitän der Garden den König.

Bei dieser Verkündigung schlug la Vallière ihre Augen, die sie bis jetzt auf die Gallerie geheftet gehabt hatte, plötzlich nieder.

Der König trat ein.

Er war mit geschmackvoller Pracht gekleidet und plauderte mit Monsieur und dem Herzog von Roquelaure, welche, Monsieur zu seiner Rechten, der Herzog von Roquelaure zu seiner Linken gingen.

Der König schritt zuerst auf die Königinnen zu und grüßte sie mit anmuthiger Ehrerbietung. Er nahm die Hand seiner Mutter, küßte sie, sagte Madame einige Artigkeiten über die Eleganz ihres Anzugs und sing an die Runde in der Gesellschaft zu machen.

La Vallière wurde begrüßt wie die Andern, nicht mehr nicht weniger, als die Anderen.

Dann kam seine Majestät zu ihrer Mutter und zu ihrer Gemahlin zurück.

Als die Höflinge sahen, daß der König nur eine Alltagsphrase an das Mädchen gerichtet, dem er am Morgen so sehr gehuldigt hatte, zogen sie auf der Stelle einen Schluß aus dieser Kälte.

Sie schloßen, der König habe eine Laune gehabt, diese Laune sei aber schon wieder verschwunden.

Man hätte jedoch Eines bemerken können: daß sich bei la Vallière unter der Zahl der Höflinge Fouquet befand, dessen ehrerbietige Artigkeit dem Mädchen unter den verschiedenen Gemüthsbewegungen, von denen es sichtbar ergriffen war, als Stützpunkt diente.

Herr Fouquet schickte sich übrigens an, vertraulicher mit Fräulein de la Vallière zu reden, als sich Herr Colbert näherte, der, nachdem er sich vor Fouquet nach allen Regeln ehrfurchtsvoller Höflichkeit verbeugt hatte, sich bei la Vallière festzustellen entschlossen schien, um ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen.

Fouquet verließ sogleich den Platz.

Dieses ganze Verfahren wurde mit den Augen von Montalais und Malicorne verschlungen, die sich einander ihre Beobachtungen zusandten.

Guiche, der in einer Fenstervertiefung stand, sah nur Madame. Da aber Madame ihren Blick häufig auf la Vallière heftete, so richteten sich die Augen von Guiche, geleitet von denen von Madame, auch von Zeit zu Zeit auf das Mädchen.

La Vallière fühlte instinctartig, wie sich das Gewicht aller dieser Blicke, von denen die Einen mit Interesse, die Andern mit Neid beladen, auf sie herabsenkte. Sie hatte, um dieses Leiden auszugleichen weder ein Wort der Theilnahme von Seiten ihrer Gefährtinnen, noch einen Blick der Liebe vom König.

Es vermöchte auch Niemand auszudrücken, was das arme Kind litt.

Die Königin Mutter ließ nun das Tischchen herbeibringen, worauf die Lotteriezettel, zweihundert an der Zahl waren, und ersuchte Frau von Motteville die Liste der Auserwählten zu lesen.

Es versteht sich von selbst, daß diese Liste nach den Gesetzen der Etiquette abgefaßt war: zuerst kam der König, dann die Königin Mutter, dann die Königin, dann Monsieur, dann Madame und so fort.

Die Herzen bebten bei dieser Lesung. Es waren wohl drei hundert Eingeladene bei der Königin. Jedes fragte sich, ob sein Name unter der Zahl der bevorzugten Namen glänzen würde.

Der König horchte so aufmerksam als die Anderen.

Als der letzte Name ausgesprochen war, sah er, daß man la Vallière nicht in das Verzeichniß aufgenommen.

Jedermann konnte übrigens diese Auslassung bemerken.

Der König erröthete, wie wenn er von einem Aerger ergriffen wurde.

Sanft und ergeben, offenbarte la Vallière nichts.

So lange die Verlesung dauerte, hatte der König kein Auge von ihr abgewendet; la Vallière erweiterte sich gleichsam unter diesem glücklichen Einfluß, den sie um sich her strahlen fühlte, denn sie war zu freudig und zu rein, als daß ein anderer Gedanke, als die Liebe in ihren Geist und in ihr Herz eindringen konnte.

Der König belohnte durch die Dauer seiner Aufmerksamkeit diese rührende Verleugnung und zeigte so seiner Geliebten, er verstehe die Ausdehnung und Zartheit davon.

Als die Liste geschlossen war, überließen sich alle Gesichter der vergessenen oder übergangenen Frauen dem Verdruß.

Malicorne war auch unter der Zahl der Männer vergessen, und seine Grimasse sagte Montalais, die man ebenfalls vergessen, ganz klar:

»Werden wir uns mit dem Glück nicht so benehmen, daß dieses uns nicht vergißt?«

»Oh! gewiß!« erwiederte das verständige Lächeln von Montalais.

Die Zettel wurden an Jeden nach seiner Nummer vertheilt.

Der König erhielt den seinigen zuerst, dann die Königin Mutter, dann Monsieur, dann die Königin und Madame und so fort.

Hierauf öffnete Anna von Oesterreich einen ledernen Beutel, in welchem zwei hundert Nummern in Kugeln von Perlmutter eingravirt, enthalten waren und reichte den Beutel offen dem jüngsten von ihren Ehrenfräulein, damit es eine Kugel herausziehe.

Die Erwartung unter diesen langsamen Vorbereitungen war mehr die der Habgier, als der Neugierde.

Saint-Aignan neigte sich an das Ohr von Fräulein von Tonnay-Charente und sagte:

»Da wir jedes eine Nummer haben mein Fräulein, so wollen wir unsere Chancen verbinden, Euch die Armspangen, wenn ich gewinne; mir, wenn Ihr gewinnt, einen einzigen Blick von Euren schönen Augen.«

 

»Nein,« entgegnete Athenais, »Euch die Armspangen, wenn Ihr sie gewinnt. Jeder für sich.«

»Ihr seid unbarmherzig,« erwiederte Saint-Aignan, und ich bestrafe Euch mit einem Verse:

»Allzu strenge widerstrebst Du,

»Schöne Iris, meinen Wünschen . . . «

»Stille,« sagte Athenais, »Ihr verhindert mich, die gewinnende Nummer zu hören.«

»Nummer Eins,« rief das Mädchen, das die perlmutterne Kugel aus dem ledernen Sack gezogen hatte.

»Der König!« rief die Königin-Mutter.

»Der König hat gewonnen!« wiederholte freudig die Königin.

»Oh! der König! Euer Traum!« sagte Madame ganz froh Anna von Oesterreich ins Ohr.

Der König allein gab keine Freude kund.

Er dankte Fortuna für das, was sie für ihn that, nur dadurch, daß er dem Mädchen zunickte, das man zum Mandatar der raschen Göttin gewählt hatte.

Dann, als er aus den Händen von Anna von Oesterreich unter dem Gemurmel der Wierde der ganzen Versammlung das Etui empfing, das die Armspangen enthielt, fragte er:

»Sie sind also wirklich schön, diese Armspangen?«

»Schaut sie an und urtheilt selbst.«

Der König schaute sie an.

»Ja,« sagte er, »und das ist in der That ein bewunderungswürdiges Medaillon. Welche vollendete Arbeit.«

»Welche vollendete Arbeit!« wiederholte Madame, Die Königin Maria Theresia sah leicht und mit dem ersten Blick, der König würde ihr die Armspangen nicht anbieten, da es ihm aber auch entfernt nicht einzufallen schien, sie Madame anbieten zu wollen, so hielt sie sich für befriedigt, oder wenigstens beinahe für befriedigt.

Der König setzte sich.

Die Vertrautesten unter den Höflingen kamen nach und nach herbei, um von Nahem das Wunder anzustaunen, das bald mit Erlaubniß des Königs von Hand zu Hand ging.

Alle Kenner oder Nichtkenner gaben sodann Ausrufungen des Erstaunens von sich und überhäuften den König mit Glückwünschen.

Es war in der That für Jedermann etwas zu bewundern; die Brillanten für diese, die Gravirung für jene.

Die Damen gaben sichtbar ihre Ungeduld darüber kund, daß sie die Cavaliere sich des Schatzes bemächtigen sehen mußten.

»Meine Herren, meine Herren,« rief der König, dem nichts entging, »man sollte in der That glauben, Ihr traget Armspangen wie die Sabiner; gebt sie doch ein wenig den Damen, die sich meiner Ansicht nach mit Recht rühmen können, sie verstehen sich besser darauf als Ihr.«

Diese Worte schienen Madame der Anfang einer Entscheidung zu sein, die sie erwartete.

Sie schöpfte den beseligenden Glauben auch aus den Augen der Königin Mutter.

Der Höfling, der sie eben beschaute, als der König diese Bemerkung mitten unter die allgemeine Aufregung warf, beeilte sich, die Bracelets in den Händen der Königin Maria Theresia niederzulegen, welche, da sie, die arme Frau wohl wußte, daß sie nicht für sie bestimmt waren, sie kaum anschaute und sogleich Madame reichte.

Diese, und mehr noch als sie, Monsieur, schenkte den Armspangen einen langen Blick der Ueberzeugung.

Dann bot sie die Juwelen den Damen, ihren Nachbarinnen, und dabei sprach sie das einzige Wort, aber mit einem Ausdruck, der einen langen Satz aufwog.

»Herrlich!«

Die Damen, welche die Armspangen aus den Händen von Madame empfangen hatten, nahmen sich die ihnen zukommende Zeit, um sie zu beschauen, und ließen sie dann gegen rechts umhergehen.

Mittlerweile unterhielt sich der König ruhig mit Guiche und Fouquet.

Er ließ mehr sprechen, als daß er hörte.

Gewohnt an gewisse Wendungen der Sätze, nahm sein Ohr, wie das aller Menschen, die über andere Menschen eine unbestreitbare Ueberlegenheit ausüben, von den da und dort ausgestreuten Reden nur das unerläßliche Wort auf, das eine Erwiederung verdiente.

Seine Aufmerksamkeit war anderswo.

Sie schweifte mit seinen Augen umher.

Fräulein von Tonnay-Charente war die letzte von den für die Looszettel eingeschriebenen Damen, und als ob sie ihren Rang nach der Einzeichnung in der Liste genommen hätte, kamen nach ihr nur Montalais und La Vallière.

Als die Bracelets in die Hände der zwei letzteren gelangten, schien man sich nicht mehr darum zu bekümmern.

Die Geringfügigkeit der Hände, die für den Augenblick diese Juwelen hielten, benahm ihnen ihre ganze Bedeutung.

Was indessen Montalais nicht abhielt, vor Freude, Lust und Gierde, mehr noch beim Anblick der schönen Steine, als der herrlichen Arbeit zu beben.

Hätte man Montalais die Wahl zwischen dem Geldwerth und der künstlerischen Schönheit überlassen, sie würde offenbar ohne Zögern die Diamanten den Cameen vorgezogen haben.

Es kostete sie auch viel Mühe, die Armspangen ihrer Gefährtin La Vallière zu reichen.

La Vallière heftete auf die Juwelen einen beinahe gleichgültigen Blick.

»Oh! wie reich sind diese Armspangen, oh! wie herrlich sind sie!« rief Montalais, »und Du bist nicht darüber entzückt, Louise? Bist Du denn wirklich gar nicht Weib?«

»Doch,« erwiederte das Mädchen mit einem Ausdruck anbetungswürdiger Schwermuth. »Aber warum das wünschen, was uns nicht gehören kann?«

Den Kopf vorwärts geneigt, horchte der König auf das, was das Mädchen sagen würde.

Kaum hatte der Klang dieser Stimme sein Ohr berührt, als er ganz strahlend aufstand, den ganzen Kreis durchschnitt, um von seinem Platze aus zu La Vallière zu gehen, und zu dieser sagte:

»Mein Fräulein, Ihr täuscht Euch, Ihr seid Weib und jedes Weib hat ein Recht auf Frauenjuwelen.«

»Oh! Sire,« erwiederte La Vallière, »Euer Majestät will also durchaus nicht an meine Bescheidenheit glauben?«

»Ich glaube, daß Ihr alle Tugenden besitzet, die Offenherzigkeit wie die anderen; ich beschwöre Euch daher, offenherzig zu sagen, was Ihr von diesen Armspangen denkt.«

»Ich denke, sie seien so schön, daß sie nur einer Königin angeboten werden können.«

»Es entzückt mich, daß dieß Eure Meinung ist, mein Fräulein; die Armspangen gehören Euch, und der König bittet Euch, sie anzunehmen.«

Und als mit einer Bewegung, die dem Schrecken glich, La Vallière rasch das Etui gegen den König ausstreckte, schob es der König sachte mit seiner Hand in die Hand von La Vallière zurück.

Eine Stille des Erstaunens, trauriger als eine Todesstille, herrschte in der Versammlung. Und man hatte doch auf der Seite der Königinnen weder gehört, was er gesagt, noch begriffen, was er gethan.

Eine barmherzige Freundin übernahm es, die Kunde zu verbreiten.

Es war Tonnay-Charente, welche Madame durch ein Zeichen zu sich gerufen hatte.

»Oh! mein Gott!« rief Tonnay-Charente, »wie glücklich ist diese La Vallière! der König hat ihr so eben die Armspangen geschenkt!«

Und man biß sich mit solcher Gewalt aus die Lippen, daß das Blut auf der Oberfläche der Haut erschien.

Die junge Königin schaute abwechselnd La Vallière und Madame an und lachte.

Anna von Oesterreich stützte ihr Kinn auf ihre schöne weiße Hand, und blieb lange von einem Argwohn, der ihr den Geist zermarterte, und von einem grausamen Schmerz erfaßt, der ihr das Herz zernagte.

Guiche, als er Madame erbleichen sah, errieth, was sie erbleichen machte, verließ heftig die Gesellschaft und verschwand.

Malicorne konnte sich nun bis zu Montalais schleichen, und flüsterte ihr, unterstützt von dem allgemeinen Geräusch der Gespräche, in’s Ohr:

»Laure, Du hast unser Glück und unsere Zukunft in Deiner Nähe.«

»Ja,« antwortete diese.

Und sie küßte auf das Zärtlichste La Vallière, die sie innerlich zu erdrosseln versucht war.

XXII.
Malaga

Während dieses langen, heftigen Kampfes der Hofambitionen gegen Liebesneigungen, war eine von unsern Personen, die vielleicht am wenigsten zu vernachlässigen, vergessen, sehr vergessen, sehr unglücklich,

In der That, d’Artagnan, d’Artagnan, denn wir müssen ihn bei seinem Namen nennen, damit man sich erinnert, daß er existirt hat, d’Artagnan hatte durchaus nichts in dieser glänzenden und leichtfertigen Welt zu thun. Nachdem er dem König zwei Tage lang in Fontainebleau gefolgt war und alle die Schäferspiele und alle die komisch heroischen Tonanstimmungen seines Fürsten angeschaut hatte, fühlte der Musketier, daß dieß nicht genügte, um sein Leben auszufüllen.

Alle Augenblicke von Leuten angeredet, die ihn fragten:

»Wie findet Ihr, daß mir dieses Kleid steht, Herr d’Artagnan?«

Antwortete er ihnen mit spöttischem Ton:

»Ich finde, daß Ihr so gut gekleidet seid, als der schönste Affe von St. Lorenz-Markt.«

Das war ein Compliment, wie es d’Artagnan machte, wenn er kein anderes machen wollte: wohl oder übel mußte man sich also damit begnügen.

Und wenn man ihn fragte:

»Herr d’Artagnan, wie kleidet Ihr Euch heute Abend?«

So antwortete er:

»Ich werde mich entkleiden.«

Was auch die Damen lachen machte.

Nachdem der Musketier zwei Tage so hingebracht und gesehen hatte, daß nichts Ernstes hierbei vorging, daß der König Paris, St. Mandé und Belle-Isle ganz vergessen oder wenigstens vergessen zu haben schien.

Daß Herr Colbert von Lämpchen und Kunstfeuerwerk träumte.

Daß die Damen wenigstens für einen Monat Liebesblicke einzunehmen und auszutheilen hatten.

Da bat d’Artagnan den König um einen Urlaub in Familienangelegenheiten.

In dem Augenblick, wo d’Artagnan diese Bitte an den König richtete, wollte sich Ludwig XIV. vom Tanze ermüdet, zu Bette legen.

»Ihr wollt mich verlassen, Herr d’Artagnan?« fragte der König mit erstaunter Miene.

Ludwig XIV. begriff nie, daß man sich von ihm trennte, wenn man sich der ausgezeichneten Ehre, bei ihm zu verweilen, erfreuen konnte.

»Sire!« erwiederte d’Artagnan, »ich verlasse Euch, weil ich Euch unnütz bin. Ah! wenn ich Euch die Balancirstange halten könnte, während Ihr tanzet, dann wäre es etwas Anderes.«

»Aber mein Leben, Herr d’Artagnan,« entgegnete der König mit ernstem Tone, »man tanzt ohne Balancirstange?«

»Ah!« rief der Musketier, der in seiner unempfindlichen Ironie fortfuhr, »das wußte ich nicht!«

»Ihr habt mich also nicht tanzen sehen?« fragte der König.

»Ja, aber ich dachte, das käme immer stärker und stärker. Ich habe mich getäuscht; ein Grund mehr, daß ich mich entferne. Sire, ich wiederhole, Ihr bedürft meiner nicht; überdieß wüßte mich Eure Majestät zu finden, wenn sie mich nöthig hätten.«

»Es ist gut,« sprach der König.

Und er bewilligte den Urlaub.

Wir werden also d’Artagnan nicht in Fontainebleau suchen, denn das wäre vergeblich, sondern wir werden ihn mit Erlaubniß in der Rue des Lombards, im goldenen Mörser bei unserem ehrwürdigen Freund Planchet wieder finden.

Es ist acht Uhr Abends, das Wetter warm; ein einziges Fenster ist offen, das eines Zimmers vom Entresol.

Der Duft von Specereien, vermischt mit dem wenigen exotischen, aber durchdringenderen Geruch des Straßenkoths steigt zu der Nase des Musketiers empor.

Auf einem ungeheuren Stuhl mit flacher Lehne liegend, die Füße nicht ausgestreckt, sondern auf einem Schämel ruhend, bildet d’Artagnan den stumpfsten Winkel, den man sehen kann.

Seine Arme sind über seinem Kopf gekreuzt, sein Kopf ist auf die linke Schulter geneigt, wie der von Alexander dem Großen.

Das so seine und gewöhnlich so bewegliche Auge ist starr, beinahe verschleiert und hat zum unveränderlichen Ziel den kleinen Winkel des Himmels genommen, den man hinter dem Riß der Kamine erblickt; es ist gerade so viel Blau da, als man brauchte, um ein Stück an die Linsen- und Bohnensäcke zu setzen, welche die Hauptausstellung des Ladens im Erdgeschoße bilden.

So ausgestreckt, so in seiner transfensteralen Beleuchtung hinstarrend, ist d’Artagnan nicht mehr ein Kriegsmann, nicht mehr ein Offizier des Palastes, sondern ein zwischen dem Mittagsbrod und dem Abendessen, zwischen dem Abendessen und dem Nachtlager verdumpfender Bürgersmann; eines von jenen wackeren Verknöcherten Gehirnen, welche nicht mehr Platz für einen einzigen Gedanken haben, mit solcher Wildheit wacht die Materie an den Pforten der Intelligenz und beaufsichtigt die Schmuggelei, welche durch Einführung eines Sypmtoms von Idee in den Schädel stattfinden könnte.

Wir haben gesagt, es sei Nacht gewesen, die Läden erleuchteten sich, während sich die Fenster der oberen Wohnungen schlossen; eine Patrouille Soldaten von der Schaarwache ließ das regelmäßige Geräusch ihrer Tritte vernehmen.

d’Artagnan fuhr fort, nichts zu hören und nichts zu sehen, als den blauen Winkel seines Himmels.

Zwei Schritte von ihm, gänzlich im Schatten, auf einem Maissack liegend, den Bauch auf dem Sack, beide Arme unter seinem Kinn, schaute Planchet d’Artagnan zu, wie er dachte, träumte oder mit offenen Augen schlief.

 

Die Beobachtung dauerte schon geraume Zeit.

Mancher sing damit an, daß er: »hm! hm!« machte.

d’Artagnan rührte sich nicht,

Planchet sah nun. er müsse zu einem wirksameren Mittel seine Zuflucht nehmen; nach reiflicher Erwägung fand er als Geistreichstes unter den gegebenen Umständen, daß er sich von seinem Sack auf den Boden rollen ließ, und gegen sich selbst das Wort murmelte:

»Dummkopf!«

Aber wie groß auch das durch den Fall von Planchet veranlaßte Geräusch sein mochte, d’Artagnan, der in seinem Leben ganz andere Geräusche gehört hatte, schien nicht das geringste Gewicht darauf zu legen.

Ueberdies verschlang ein mit Steinen beladener Karren, der aus der Rue Saint-Médéric hervorkam, in dem Geräusch seiner Rüder den Lärmen vom Fall von Planchet.

Planchet glaubte jedoch d’Artagnan, als Zeichen stillschweigender Billigung, unmerklich bei dem Worte Dummkopf lächeln zu sehen.

Was ihn zu der Frage ermuthigte:

»Schlaft Ihr, Herr d’Artagnan?«

»Nein, Planchet, ich schlafe nicht einmal,« antwortete der Musketier.

»Ich bin in Verzweiflung, daß ich das Wort nicht einmal gehört habe.«

»Ist dieses Wort nicht richtig?«

»Doch! Herr d’Artagnan.«

»Nein?«

»Dieses Wort betrübt mich.«

»Enthülle mir Deinen Kummer, Planchet.«

»Wenn Ihr sagt, Ihr schlafet nicht einmal, so ist es, als ob Ihr sagtet, Ihr habet nicht einmal den Trost, zu schlafen. Oder besser, es ist vielmehr, als ob Ihr mir sagtet: Planchet, ich langweile mich zum Sterben.«

»Planchet, Du weißt, daß ich mich nie langweile.«

»Ausgenommen heute, gestern und vorgestern.«

»Bah!«

»Herr d’Artagnan, es sind nun acht Tage, daß Ihr von Fontainebleau zurückgekommen, es sind acht Tage, daß Ihr weder mehr Eure Befehle zu geben, noch Eure Compagnie manoeuvriren zu lassen habt. Der Lärmen der Musketen, der Trommeln und das ganze Königthum fehlt Euch . . . ich, der ich selbst die Muskete getragen, begreife das.«

»Planchet, ich versichere Dich, daß ich mich nicht im Geringsten langweile,« entgegnete d’Artagnan.

»Warum liegt Ihr denn wie ein Todter da?«

»Mein Freund Planchet, es fand sich bei der Belagerung von la Rochelle, als ich dort war, als Du dort warst, als wir dort waren, ein Araber, den man wegen seiner Art, wie er die Feldschlangen richtete, besonders rühmte. Es war ein Junge von Geist, obgleich er eine seltsame Farbe hatte, die Farbe von Deinen Oliven. Nun also! dieser Araber, wenn er gegessen oder gearbeitet hatte, legte sich nieder, wie ich in diesem Augenblick liege, und rauchte, ich weiß nicht was für Zauberkräuter aus einem großen Rohr mit einer Bernsteinspitze, und wenn ihm einer von den Führern, der gerade vorüber kam, den Vorwurf machte, er schlafe beständig, so antwortete er ruhig: Besser sitzend, als stehend, liegend, als sitzend, todt, als liegend.«

»Es war ein finsterer Araber, sowohl, was seine Farbe, als was seine Sprüche betrifft,« sagte Planchet, »ich erinnere mich seiner ganz wohl. Er zählte die Köpfe der Protestanten mit großer Zufriedenheit.«

»Ganz richtig, und er balsamirte sie ein, wenn es der Mühe werth war.«

»Ja, und wenn er an dieser Einbalsamirung mit allen seinen Kräutern und allen seinen Pflanzen arbeitete, sah er aus wie ein Korbmacher, der Körbe flicht.«

»Ja, Planchet, ja, so ist es.«

»Oh! ich habe auch Gedächtniß.«

»Ich bezweifle es nicht; doch was sagst Du zu seiner Sentenz.«

»Nun, Herr, es ist in der That besser zu sitzen, als zu stehen, das läßt sich nicht leugnen, besonders wenn man unter gewissen Umständen ermüdet ist (hierbei lächelte Planchet schelmisch); es ist besser zu liegen, als zu sitzen; was aber den letzten Punkt betrifft, es sei besser todt, als liegend, so erkläre ich es für einfältig; ich gebe unstreitig dem Bett den Vorzug, und wenn Ihr nicht meiner Ansicht seid, so kommt dies nur davon her, daß Ihr Euch, wie ich zu bemerken die Ehre gehabt habe, zum Sterben langweilt.«

»Planchet, Du kennst Herrn Lafontaine?«

»Den Apotheker an der Ecke der Rue Saint-Médéric?«

»Nein, den Fabeldichter.«

»Ah! Meister Robe.«

»Ganz richtig, nun, ich bin wie sein Hase.«

»Er hat also auch einen Hasen?«

»Er hat alle Sorten von Thieren.«

»Was thut sein Hase?«

»Er träumt.«

»Ah! Ah!«

»Planchet, ich bin wie der Hase von Herrn Lafontaine, ich träume.«

»Ihr träumt?« fragte Planchet ängstlich.

»Ja, Deine Wohnung ist traurig genug, um zur Meditation anzutreiben, das wirst Du hoffentlich zugeben.«

»Ihr habt aber auf die Straße gesehen.«

»Bei Gott! das ist wohl ergötzlich.«

»Es ist nicht minder wahr, gnädiger Herr, daß Ihr Euch, wenn Ihr hinten wohnen würdet, noch mehr langweiltet, nein, ich will sagen, daß Ihr noch mehr träumtet.«

»Meiner Treue, ich weiß es nicht, Planchet.«

»Wenn Eure Träumereien nur von der Art derjenigen wären, die Euch zu der Restauration von Karl I!, gebracht hat,« sagte Planchet. Und dabei ließ er ein kleines bezeichnendes Gelächter hören.

»Ah! Planchet, mein Freund, Du wirst ehrgeizig!« rief d’Artagnan.

»Gibt es nicht noch einen andern König wieder einzusetzen, einen andern Monk in eine Kiste zu sperren?«

»Nein, mein lieber Planchet, alle Könige sind auf ihren Thronen, weniger vielleicht, als ich auf diesem Stuhle bin, aber sie sind es nun einmal . . . «

Hierbei stieß d’Artagnan einen Seufzer aus.

»Herr d’Artagnan, Ihr macht mir Schmerz,« sagte Planchet.

»Du bist sehr gut, Planchet.«

»Gott verzeihe mir, ich habe einen Verdacht.«

»Welchen?«

»Herr d’Artagnan, Ihr magert ab.«

»Oh!« rief d’Artagnan, indem er auf seine Brust schlug, die wie ein leerer Panzer klang, »das ist unmöglich, Planchet.«

»Oh! seht Ihr,« versetzte Planchet mit innigem Tone, »wenn Ihr bei mir abmagertet.«

»Nun?«

»Ich würde ein Unglück anrichten.«

»Ah! gut.«

»Ja.«

»Laß hören, was würdest Du thun?«

»Ich würde denjenigen aufsuchen, der an Eurem Kummer Schuld ist.«

»Ich habe also einen Kummer?«

»Ihr habt einen.«

»Nein, Planchet, nein.«

»Ich sage Euch, ja . . . Ihr habt einen Kummer, und Ihr magert ab.«

»Ich magere ab, bist Du dessen sicher?«

»Augenscheinlich . . . Malaga! wenn Ihr noch mehr abmagert, nehme ich meinen Raufdegen, gehe geradezu zu Herrn d’Herblay und bringe ihn um.«

»Wie!« rief d’Artagnan, von seinem Stuhle aufspringend, »was sagst Du da, Planchet? und was macht der Name d’Herblay in Deiner Specerei?«

»Gut, gut! ärgert Euch, wenn Ihr wollt, schmäht mich, wenn Ihr wollt, aber bei Gott! ich weiß, was ich weiß.«

d’Artagnan hatte sich während dieses zweiten Ausfalls von Planchet so gestellt, daß er keinen von seinen Blicken verlor; das heißt, er saß, seine beiden Hände auf seine Kniee gestützt, den Hals gegen den würdigen Specereihändler vorgestreckt.

»Erkläre Dich,« sprach er, »sage mir, wie Du eine Blasphemie dieser Art hast vorbringen können? Herr d’Herblay, Dein ehemaliger Chef, mein Freund, ein Mann der Kirche, ein Musketier, der Bischof geworden . . . gegen ihn würdest Du Dein Schwert erheben?«

»Ich würde mein Schwert gegen meinen Vater erheben, wenn ich Euch in diesem Zustand sehe.«

»Herr d’Herblay, ein Edelmann.«

»Mir ist es gleichgültig, daß er ein Edelmann ist. Er macht, daß Ihr schwarz träumt, das weiß ich. Und dadurch, daß man schwarz träumt, magert man ab, Malaga! Herr d’Artagnan soll nicht magerer von hier weg gehen, als er gekommen ist.«

»Warum macht er, daß ich schwarz träume. Erkläre Dich, erkläre Dich.«

»Ihr habt schon drei Nächte das Alpdrücken.«

»Ich?«

»Ja, und bei Eurem Alpdrücken wiederholt Ihr: »»Aramis! verschlossener Aramis!««

»Ich habe das gesagt,« versetzte d’Artagnan unruhig.

»Ihr habt es gesagt, so wahr ich Planchet heiße.«

»Nun, und hernach? Du kennst das Sprichwort, mein Freund: Träume lügen.«

»Nein; denn so oft Ihr seit drei Tagen ausgegangen seid, habt Ihr bei der Rückkehr unfehlbar gefragt:

»»Hast Du Herrn d’Herblay gesehen?««

»Oder wohl auch:

»»Hast Du für mich Briefe von Herrn d’Herblay erhalten?««

»Mir scheint, es ist ganz natürlich, daß ich mich für diesen lieben Freund interessire.«

»Einverstanden, doch nicht dergestalt, um darüber abzunehmen.«

»Planchet, ich werde wieder fett werden, darauf gebe ich Dir mein Ehrenwort.«

»Gut, das nehme ich an, denn ich weiß, daß es heilig ist, wenn Ihr Euer Ehrenwort gebt.«

»Ich werde nicht mehr von Aramis träumen.«

»Sehr gut.«

»Ich werde Dich nicht mehr nach Briefen von Aramis fragen.«