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Der Graf von Bragelonne

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XXIII.
Was unter der Königseiche gesprochen wurde

Es lag in der Milde der Luft, in der Stille des Blätterwerks eine stumme Aufforderung für diese jungen Frauen, sogleich das muthwillige Gespräch in ein ernsteres zu verwandeln.

Diejenige, deren Charakter der heiterste war, Montalais, neigte sich zuerst hierzu.

Sie fing mit einem schweren Seufzer an und sprach dann:

»Welche Freude, uns hier frei, allein und berechtigt zu fühlen, offenherzig, besonders gegen uns selbst, zu sein.«

»Ja,« sagte Fräulein von Tonnay-Charente, »denn der Hof, so glänzend er ist, verbirgt immer eine Lüge unter den Falten des Sammets, oder unter dem Feuer der Diamanten.«

»Ich,« entgegnete la Vallière, »ich lüge nie; wenn ich nicht die Wahrheit sagen kann, schweige ich.«

»Ihr werdet nicht lauge in Gunst sein, meine Liebe,« versetzte Montalais;,.es ist hier nicht wie in Blois, wo wir der alten Madame allen unsern Aerger und alle unsere Begierden mittheilten. Madame hatte ihre Tage, wo sie sich jung gewesen zu sein erinnerte. Jeder, der an solchen Tagen mit Madame sprach, fand eine aufrichtige Freundin an ihr, Madame erzählte uns ihre Liebschaft mit Monsieur und wir erzählten ihr seine Liebschaften mit Andern, oder wenigstens die Gerüchte, die man über seine Galanterieen in Umlauf gebracht hatte. Arme Frau, so unschuldig! sie lachte darüber, und wir auch; wo ist sie nun?«

»Ah! Montalais, lustige Montalais,« rief la Vallière, »nun seufzest Du abermals; das Gehölz inspirirt Dich und Du bist diesen Abend beinahe vernünftig.«

»Meine Fräulein,« sagt« Athenais, »Ihr müßt den Verlust der Annehmlichkeiten des Hofes von Blois nicht so sehr bedauern, daß Ihr Euch bei uns nicht glücklich findet. Ein Hof ist der Ort, wohin die Männer und die Frauen kommen, um über Dinge zu plaudern, welche die Mütter und Vormünder, die Beichtväter besonders mit aller Strenge verbieten. Bei Hose sagt man sich Dinge unter dem Privilegium des Königs und der Königinnen; ist das nicht angenehm?«

»Oh! Athenais,« rief Louise erröthend.

»Athenais ist heute Abend offenherzig, benutzen wir es,« sprach Montalais.

»Ja, benützen wir «s, denn man würde mir heute Abend die tiefsten Geheimnisse meines Herzens entreißen.«

»Ah! wenn Herr von Montespan da wäre,« sagte Montalais.

»Ihr glaubt, ich liebe Herrn von Montespan?« flüsterte das schöne Mädchen.

»Ich denke, er ist schön.«

»Ja, und das ist kein geringer Vorzug in meinen Augen.«

»Ihr seht wohl.«

»Ich sage noch mehr, er ist von allen Männern, welche man hier steht, der schönste und der . . . «

»Was hörte man dort?« fragte la Vallière, indem sie eine hastige Bewegung auf der Moosbank machte.

»Ein Hirsch, der durch die Zweige flieht.«

»Ich fürchte mich nur vor den Männern,« sagte Athenais.

»Wenn sie nicht Herrn von Montespan gleichen.«

»Endiget diese Spötterei, Herr von Montespan hat Aufmerksamkeiten gegen mich, doch das verpflichtet zu nichts. Haben wir nicht Herrn von Guiche hier, der so aufmerksam gegen Madame ist.«

»Armer, armer Junge!« seufzte la Vallière.

»Warum arm? . . . Madame ist, denke ich, schön und vornehm genug.«

La Vallière schüttelte schmerzlich den Kopf und erwiederte:

»Wenn man liebt, so ist es weder die schöne, noch die vornehme Dame; meine theuren Freundinnen, wenn man liebt, müssen es das Herz und die Augen allein des geliebten Gegenstands sein.«

Montalais lachte laut auf.

»Herz, Augen, oh! Zuckerwerk,« sagte sie.

»Ich spreche für mich,« erwiederte la Vallière.

»Edle Gefühle!« sprach Athenais mit einer Protectorsmiene, aber mit einer kalten Miene.

»Habt Ihr sie nicht, mein Fräulein?« fragte Louise.

»Vollkommen, mein Fräulein; doch ich fahre fort: wie kann man einen Menschen beklagen, der einer Frau wie Madame seine Huldigungen darbringt? Findet ein Mißverhältniß statt, so ist es auf Seiten des Grafen.«

»Oh! nein, nein,« rief Montalais, »es ist auf Seiten von Madame.«

»Erklärt Euch.«

»Ich erkläre mich. Madame hat nicht einmal das Verlangen, zu erfahren, was Liebe ist. Sie spielt mit diesem Gefühl, wie die Kinder mit dem Feuerwerk, von dem ein Funke einen Palast in Brand stecken wurde. Das glänzt, mehr braucht es nicht. Gold, Freude, Liebe, das ist das Gewebe, aus dem ihr Leben bestehen soll. Herr von Guiche wird diese erhabene Dame lieben; sie wird ihn nicht lieben.«

Athenais brach in ein verächtliches Gelächter aus.

»Liebt man?« sagte sie; »wo sind Eure edlen Gefühle von vorhin? Liegt die Tugend einer Frau nicht in der muthigen Verweigerung jeder Liebesintrique mit Consequenz? Eine gut organisirte und mit einem edlen Herzen begabte Frau muß die Männer anschauen, sich lieben, sogar anbeten lassen und höchstens einmal in ihrem Leben sagen: halt mir scheint, ich wäre nicht gewesen, was ich bin; ich hätte diesen weniger gehaßt, als die Anderen.«

»Oh!« rief la Vallière, die Hände faltend, »das ist es, was Ihr Herrn von Montespan versprecht?«

»Ei! sicherlich, ihm, wie jedem Andern. Wie! ich habe Euch gesagt, ich erkenne an, daß er eine gewisse Superiorität besitze, und das sollte nicht genügen? Meine Liebe, man ist Weib, das heißt Königin, die ganze Zeit, die uns die Natur giebt, dieses Königreich inne zu haben, nämlich vom fünfzehnten bis zum fünfunddreißigsten Jahr; es steht einem hernach frei, Herz zu besitzen, wenn man nur noch das besitzt.«

»Ho! ho!« murmelte la Vallière.

»Vortrefflich!« rief Montalais. »Das ist ein Meisterweib. Athenais, Ihr werdet es weit bringen.«

»Billigt Ihr nicht, was ich gesagt habe?«

»Oh! mit Hand und Fuß,« erwiederte die Spötterin.

»Nicht wahr, Ihr scherzt, Montalais?« sagte Louise.

»Nein, nein, ich billige Alles, was Athenais gesagt hat; nur . . . «

»Nur, was?«

»Nun, ich kann es nicht in Thätigkeit setzen. Ich habe die vollständigsten Grundsätze; ich mache nur Entschließungen, gegen welche die Projekte des Rathruders und die des Königs von Spanien Kinderspiele sind; kommt dann der Tag der Ausführung, nichts.«

»Ihr werdet schwach;« sprach Athenais verächtlich.

»Schändlich.«

»Unglückliche Natur!« sagte Athenais. »Doch Ihr wühlt wenigstens.«

»Meiner Treue . . . meiner Treue, nein. Das Schicksal gefällt sich darin, mir in allem entgegenzutreten, ich träume von Kaisern und finde . . . «

»Aurel Aure!« rief la Vallière, »habt Mitleid, opfert nicht dem Vergnügen, ein Wort zu sagen, diejenigen, welche Euch mit einer so treuergebenen Zuneigung lieben.«

»Oh! darum kümmere ich mich wenig; diejenigen, welche mich lieben, sind glücklich genug, daß ich sie nicht fortjage, meine Theure. Schlimm für mich, wenn ich eine Schwäche habe, doch schlimm für sie, wenn ich mich dafür an ihnen räche. Meiner Treue, ich räche mich.«

»Aure!«

»Ihr habt Recht,« sagte Athenais, »und Ihr werdet vielleicht zu demselben Ziel gelangen. Das heißt man koquette sein, seht Ihr, mein Fräulein. Die Männer, die in vielen Dingen Dummköpfe sind, sind es besonders darin, daß sie unter dem Wort Coquetterie den Stolz einer Frau und ihre Veränderlichkeit vermengen. Ich begegne den Bewerbern hart, doch ohne das geringste Bestreben, sie zurückzuhalten. Die Männer sagen, ich sei koquette, weil sie so eitel sind, zu glauben, ich begehre nach ihnen. Andere Frauen, Montalais zum Beispiel, haben sich durch Schmeicheleien zieren lassen; sie wären verloren durch die herrliche Feder des Instinkts, die sie antreibt, plötzlich zu wechseln und denjenigen zu bestrafen, dessen Huldigung sie kurz zuvor noch annahmen.«

»Eine herrliche Abhandlung.« sagte Montalais mit dem Tone eines Weinkenners, der sich ergötzt.

»Eine abscheuliche!« murmelte Louise.

Fräulein von Tonnay-Charente fuhr aber fort:

»Durch diese Coquetterie, denn das ist die wahre Coquetterie, magert der vor einer Stunde noch vom Stolz aufgeblasene Liebhaber um die ganze Geschwulst seiner Eitelkeit ab. Er nahm schon eine Siegermiene an, nun weicht er zurück. Er wollte uns protegiren, und wirft sich nun abermals nieder. Eine Folge hiervon ist, daß wir, statt einen eifersüchtigen, lästigen, nicht von der Stelle weichenden Mann zu haben, einen beständig zitternden, beständig begehrlichen, beständig unterwürfigen Geliebten haben, und zwar aus dem einfachen Grund, weil er eine stets neue Geliebte findet. Dieß, seid davon überzeugt, meine Fräulein, dieß ist die Coquetterie. Hiermit ist man Königin unter den Frauen, wenn man nicht von Gott die so kostbare Fähigkeit erhalten hat, sein Herz und seinen Geist im Zaum zu halten.«

»Oh! wie geschickt seid Ihr,« rief Montalais, »und wie gut begreift Ihr die Pflicht der Frauen!«

»Ich bereite mir ein besonderes Glück,« sagte Athenais mit Bescheidenheit, »ich vertheidige mich wie alle schwache Thiere gegen die Unterdrückung der Stärkeren.«

»La Vallière sagt kein Wort. Billigt sie unsere Denkungsart nicht?«

»Ich, ich verstehe nicht,« antwortete Louise. »Ihr sprecht wie Wesen, welche nicht berufen wären, auf dieser Erde zu leben.«

»Sie ist schön, Eure Erde!« sagte Montalais.

»Eine Erde,« sprach Athenais, »wo der Mann die Frau beweihraucht, um sie betäubt fallen zu machen, wo er sie beschimpft, wenn sie gefallen ist.«

»Wer spricht von Fallen!« rief Louise.

»Ah! das ist eine neue Theorie, meine Theure; nennt mir, wenn es Such beliebt, Euer Mittel, um nicht besiegt zu werden, wenn Ihr Euch durch die Liebe habt hinreißen lassen?«

»Oh!« rief das Mädchen, ihre schönen feuchten Augen zum dunkeln Himmel ausschlagend, »oh! wenn Ihr wüßtet, was ein Herz ist, so würde ich Euch erklären und Euch überzeugen; ein liebendes Herz ist stärker, als Eure ganze Coquetterie und mehr als Euer ganzer Stolz. Nie wird eine Frau geliebt, ich glaube es, und Gott hört mich, nie liebt ein Mann mit Vergötterung, wenn er sich nicht geliebt fühlt. Ueberlaßt es den Greisen der Komödie, sich von Coquetten angebetet zu glauben. Der junge Mann versteht sich darauf, er täuscht sich nicht! hat er für die Coquette ein Verlangen, eine Begierde, eine Wuth, Ihr seht, ich lasse Euch ein freies, weites Feld, kann ihn mit einem Wort die Coquetterie verrückt machen, so macht sie ihn doch nie wahrhaft verliebt.

 

»Die Liebe, seht Ihr, was ich darunter verstehe, ist ein unablässiges, unbeschränktes Opfer; aber es ist nicht ein Opfer von einem einzigen der beiden vereinigten Theile. Es ist die völlige Verläugnung zweier Seelen, die sich in eine verschmelzen wollen. Wenn ich je liebe, so werde ich meinen Geliebten anflehen, mich frei und rein zu lassen; ich werde ihm sagen, was er sicherlich begreift, meine Seele werde zerrissen durch die Weigerung, die ich thue, und er! er, der mich liebt, wird, die schmerzliche Größe meines Opfers fühlend, sich ergeben, wie ich, er wird mich verschonen, er wird mich nicht fallen zu machen suchen, um mich zu beleidigen, wenn ich gefallen bin, wie Ihr vorhin gegen die Liebe schmähend, wie ich sie verstehe, sagtet. So liebe ich.«

»Sagt nun, mein Geliebter werde mich verachten, ich fordere ihn dazu heraus, wenn er nicht der gemeinste Mensch ist, und mein Herz bürgt mir dafür, daß ich solche Leute nicht wählen werde. Mein Blick wird Ihm seine Opfer bezahlen und ihm Tugenden auferlegen, die er nie zu haben geglaubt hätte.«

»Aber Louise,« rief Montalais, »Ihr sagt uns das und übt es nicht aus.«

»Was meint Ihr damit?«

»Ihr werdet von Raoul von Bragelonne angebetet, auf beiden Knieen geliebt. Der arme Junge ist ein Opfer Eurer Liebe, wie er eines wäre, mehr sogar, als er eines meiner Coquetterie oder des Stolzes von Athenais wäre.«

»Das ist ganz einfach eine Unterabtheilung der Coquetterie, und das Fräulein übt sie, wie ich sehe, ohne es zu vermuthen.«

»Oh!« machte la Vallière.

»Ja, das nennt man Instinkt, vollkommene Empfindsamkeit, Auserkohrenheit der Gefühle, beständige Kundgebung leidenschaftlicher Regungen, die nie zu einem Ziele kommen. Oh! das ist auch sehr geschickt und sehr wirksam. Ich hätte nun, da Ich darüber nachdenke, diese Taktik meinem Stolz, um die Männer zu bekämpfen, vorgezogen, weil sie den Vortheil bietet, zuweilen an die Ueberzeugung glauben zu machen; von nun an aber erkläre ich sie, ohne meine Beurtheilung gänzlich zuzugeben, für vortrefflicher, als die einfache Coquetterie von Montalais.«

Die beiden Mädchen lachten.

La Vallière allein schwieg und schüttelte den Kopf.

Dann nach einem Augenblick sprach sie:

»Sagtet Ihr mir den vierten Theil von dem, was Ihr mir gesagt, vor einem Mann, oder wäre ich nur überzeugt, daß Ihr es denkt, so würde ich vor Scham und Schmerz auf dieser Stelle sterben.«

»Nun! sterbt, zarte Kleine,« erwiederte Fräulein von Tonnay-Charente, »denn wenn es keine Männer hier gibt, so gibt es wenigstens zwei Euch befreundete Frauen, die Euch für überwiesen erklären, daß Ihr eine Coquette aus Instinkt, eine naive Coquette seid, und das ist die gefährlichste Gattung von Coquetten, die es auf der Welt gibt.«

»Oh! mein« Fräulein!« rief la Vallière erröthend und dem Weinen nahe.

Die zwei Gefährtinen brachen abermals auf ihre Kosten in ein Gelächter aus.

»Nun! ich werde mich bei Bragelonne erkundigen.«

»Bei Bragelonne?« fragte Athenais.

»Jawohl! bei dem großen Burschen, der so muthig ist wie Cäsar, so sein und geistreich wie Herr Fouquet, bei dem armen Jungen, der seit zwölf Jahren Dich kennt, Dich liebt, und der dennoch, wenn man Dir glauben darf, nie Deine Fingerspitzen geküßt hat.«

»Erklärt uns diese Grausamkeit, Ihr, die Frau von Gemüth,« sprach Athenais zu la Vallière.

»Ich werde sie durch ein Wort erklären: die Tugend. Solltet Ihr zufällig die Tugend leugnen?«

»Höre, Louise, lüge nicht,« rief Aure, indem sie Louise bei der Hand nahm.

»Was soll ich Euch denn sagen?« versetzte la Vallière.

»Was Ihr wollt. Doch was Ihr auch sagen möget, ich beharre bei meiner Meinung über Euch. Coquette aus Instinkt, naive Coquette, das heißt, ich wiederhole es, die gefährlichste von allen Coquetten.«

»Oh! nein, nein, ich bitte, glaubt das nicht.«

»Wie, zwölf Jahre völliger Strenge?«

»Oh! vor zwölf Jahren war ich fünf alt. Die Hingebung eines Kindes kann dem Mädchen nicht aufgerechnet werden.«

»Nun wohl! Ihr seid siebenzehn, drei Jahre statt zwölf. Seit drei Jahren seid Ihr beständig und völlig grausam gewesen, während Ihr gegen Euch die stummen Schatten von Blois hattet, die Rendezvous, wo man die Sterne zählt, die nächtlichen Sitzungen unter den Platanen, jene zwanzig Jahre, die zu Euern vierzehn Jahren sprachen, das Feuer seiner Augen, das zu Such selbst sprach?«

»Wohl! wohl! aber es ist dennoch so.«

»Unmöglich!«

»Aber, mein Gott! warum denn unmöglich?«

»Sage uns glaubliche Dinge, meine Liebe, und wir werden Dir glauben.«

»Nehmt doch Eines an.«

»Vollendet, oder wir werden mehr annehmen, als Ihr wollt.«

»Nehmen wir an, daß ich zu lieben glaubte und nicht liebe.«

»Wie! Du liebst nicht?«

»Was wollt Ihr? bin ich anders gewesen, als es die Anderen sind, wenn sie lieben, so ist dieß der Fall, weil ich nicht liebe, weil meine Stunde noch nicht gekommen ist.«

»Louise! Louise!« rief Montalais, »nimm Dich in Acht, ich will Dir Dein Wort von vorhin zurückgeben. Raoul ist nicht da, beuge ihn in seiner Abwesenheit nicht nieder; sei mitleidig, und wenn Du, die Sache von Nahem betrachtend, denkst, Du liebest ihn nicht, so sage es ihm selbst. Armer Junge!«

Und sie lachte wieder.

»Das Fräulein beklagte vorhin Herrn von Guiche,« sagte Athenais; »könnte man nicht die Erklärung dieser Gleichgültigkeit gegen den Einen in diesem Mitleid für den Andern finden?«

»Drückt mich nieder,« erwiederte la Vallière traurig, »drückt mich nieder, meine Fräulein, da Ihr mich nicht begreift.«

»Oh! oh!« sagte Montalais, »Niedergeschlagenheit, Kummer, Thränen! Wir scherzen, Louise, und sind nicht, das versichere ich Dich, ganz und gar die Ungeheuer, für die Du uns hältst; schau Athenais, die stolze, an, wie man sie nennt, es ist wahr, sie liebt Herrn von Montespan nicht, aber sie wäre in Verzweiflung, wenn Herr von Montespan sie nicht liebte . . . Schau mich an, ich lache über Herrn von Malicorne, aber dieser arme Malicorne, über den ich lache, weiß wohl, wann er meine Hand an seine Lippen führen darf . . . und dann zählt die Aelteste von uns nicht zwanzig Jahre . . . welche Zukunft!«

»Wie toll seid Ihr!« murmelte Louise.

»Es ist wahr,« sagte Montalais, »und Du allein hast Worte der Weisheit gesprochen.«

»Gewiß.«

»Zugestanden,« versetzte Athenais. »Ihr liebt also den armen Herrn von Bragelonne entschieden nicht?«

»Vielleicht!« sagte Montalais; »sie ist hierin noch nicht ganz sicher. Aber in jedem Fall höre, Athenais: wenn Herr von Bragelonne frei wird, so gebe ich Dir einen Rath als Freundin.«

»Welchen?«

»Ihn wohl anzuschauen, ehe Du Dich für Herrn von Montespan entscheidest.«

»Oh! wie Ihr es so nehmt, meine Liebe. Herr von Bragelonne ist nicht der Einzige, den man mit Vergnügen anschaut. Oh! Herr von Guiche zum Beispiel hat auch seinen Werth.«

»Er hat diesen Abend nicht geglänzt,« sagte Montalais, »und ich weiß aus guter Quelle, daß ihn Madame abscheulich gefunden hat.«

»Aber Herr von Saint-Aignan, er hat geglänzt und ich bin fest überzeugt, mehr als Eine von denjenigen, die ihn haben tanzen sehen, werden ihn nicht so bald vergessen.«

»Warum richtet Ihr diese Frage an mich; ich habe ihn nicht gesehen, ich kenne ihn nicht.«

»Ihr habt Herrn von Saint-Aignan nicht gesehen? Ihr kennt ihn nicht?«

»Nein.«

»Ah! ah! heuchelt nicht diese Tugend, die noch viel ungeschlachter ist, als unser Stolz; nicht wahr, Ihr habt Augen?«

»Vortreffliche.«

»Dann habt Ihr alle unsere Tänzer heute Abend gesehen.«

»Ja, ungefähr.«

»Das ist ein für sie etwas ungebührliches Ungefähr.«

»Ich gebe es Euch für das, was es ist.«

»Nun dann, welchem von allen den Cavalieren, die Ihr ungefähr gesehen habt, gebt Ihr den Vorzug?«

»Ja,« sagte Montalais, »ja, Herrn von Saint-Aignan, Herrn von Guiche, Herrn von . . . «

»Ich gebe Niemand den Vorzug, mein Fräulein, ich finde sie Alle gleich gut.«

»In dieser glänzenden Versammlung, unter diesem Hof, dem ersten der Welt, hat Euch Niemand gefallen?«

»Ich sage das nicht.«

»Sprecht, theilt uns Euer Ideal mit.«

»Es ist kein Ideal.«

»Es besteht also?«

»In der That, meine Fräulein,« rief la Vallière, aufs Aeußerste getrieben, »ich begreife das nicht. Wie, Ihr habt wie ich ein Herz, Ihr habt wie ich Augen, und Ihr sprecht von Herrn von Guiche, von Herrn von Saint-Aignan, von Herrn . . . was weiß ich, während der König da war?«

Diese Worte hastig von einer unruhigen, glühenden Stimme herausgeworfen, veranlaßten auf beiden Seiten von Louise einen Ausruf, vor dem sie bange bekam.

»Der König,« riefen zugleich Montalais und Athenais.

La Vallière ließ ihren Kopf in ihre beiden Hände sinken.

»Oh! ja, der König! der König!« murmelte sie; »habt Ihr denn je etwas dem König Aehnliches gesehen?«

»Ihr hattet Recht, mein Fräulein, als Ihr Euch vorhin vortrefflicher Augen rühmtet, mein Fräulein, denn Ihr seht fern, sehr fern. Ach! der König gehört nicht zu denjenigen, auf welche unsere arme Augen sich zu heften berechtigt sind.«

»Oh! es ist wahr, es ist wahr,« rief la Vallière, »es ist unseren Augen nicht vergönnt, der Sonne ins Antlitz zu schauen; aber ich werde schauen, und sollte ich darüber blind werden.«

In diesem Augenblick, und als würde es durch die Worte veranlaßt, die dem Munde von la Vallière entschlüpft waren, ertönte ein Geräusch von Blättern und von seidenem Anstreifen hinter dem benachbarten Gebüsch.

Die Mädchen standen erschrocken auf. Sie sahen deutlich die Blätter sich bewegen, doch ohne den Gegenstand zu erblicken, der sie in Bewegung setzte.

»Oh! ein Wolf, ein Wildschwein!« rief Montalais, «fliehen wir, meine Fräulein, fliehen wir.«

Und die Mädchen erhoben sich, von einem unbeschreiblichen Schrecken erfaßt, entflohen durch die nächste Allee, die sich ihnen bot, und hielten erst am Saume des Gehölzes an.

Außer Athem, auf einander gestützt, gegenseitig ihre Herzen schlagen fühlend, suchten sie hier sich zu erholen, doch es gelang ihnen erst nach einigen Augenblicken.

Endlich, als sie Lichter auf den Seiten des Schlosses erblickten, entschlossen sie sich, auf diese Lichter zuzugehen.

La Vallière war erschöpft vor Müdigkeit.

Aure und Athenais unterstützten sie.

»Oh! wir sind noch glücklich davongekommen,« sagte Montalais.

»Meine Fräulein! meine Fräulein!« sprach la Vallière; »ich befürchte sehr, es ist etwas Schlimmeres, als ein Wolf. Ich meines Theils sage, wie ich denke, ich wäre lieber Gefahr gelaufen, lebendig von einem wilden Thiere gefressen zu werden, als behorcht und gehört worden zu sein. Oh! ich Närrin! Wie konnte ich solche Dinge denken, sagen!«

Und hierüber senkte sich ihre Stirne, wie das Haupt eines Schilfrohrs; sie fühlte ihre Beine sich beugen, alle ihre Kräfte verließen sie, und sie glitt leblos aus den Armen ihrer Gefährtinnen auf den Rasen der Allee.