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Der Graf von Bragelonne

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»Oh! Sire, eine Viertelstunde Musik ohne Tänze, das wird kalt sein, um das Ballet zu tödten.«

»Aber, Graf, dann . . . «

»Oh! Sire, darin liegt das große Unglück nicht; denn im Ganzen würde das Orchester im Nothfall so gut als möglich abkürzen, aber .. .«

»Was aber?«

»Herr von Guiche ist hier.«

»Hier!« rief der König, die Stirne faltend, »hier? . . . seid Ihr dessen sicher?«

»Ganz für das Ballet gekleidet, Sire.«

Der König fühlte, daß ihm die Röthe ins Gesicht stieg.

»Ihr werdet Euch getäuscht haben,« sagte er.

»So wenig, Sire, daß Eure Majestät nur rechts schauen darf, der Graf wartet.«

Ludwig wandte sich rasch nach dieser Seite, und zu seiner Rechten, strahlend vor Schönheit unter seinem Gewande des Herbstes, wartete Guiche, daß der König ihn anschaute, um das Wort an ihn zu richten.

Das Erstaunen des Königs, das von Monsieur, der sich unruhig in seiner Loge hin- und herbewegte, das Geflüster, das Schwanken der Köpfe im Saal, die seltsame Bestürzung von Madame beim Anblick ihres Partners zu schildern, ist eine Aufgabe, die wir Geschickteren überlassen.

Der König schaute den Grafen mit offenem Mund an.

Dieser näherte sich ihm ehrfurchtsvoll gebückt und sprach:

»Sire, der demüthigste Unterthan Eurer Majestät, kommt, um ihr an diesem Tag Dienst zu thun, wie er es an Schlachttagen gethan hat. Der König würde, wenn der Pas der Früchte wegbliebe, die schönste Scene seines Ballets verlieren. Ich wollte nicht, daß ein solcher Schaden von mir für die Schönheit, die Geschicklichkeit und die Anmuth des Königs herrührte, und verließ meine Pächter, um meinem Fürsten zu Hilfe zu kommen.«

Jedes von diesen Worten fiel, abgemessen, harmonisch beredt in das Ohr von Ludwig XIV. Die Schmeichelei gefiel ihm eben so sehr, als ihn der Muth in Erstaunen setzte. Er beschränkte sich darauf, daß er erwiederte:

»Ich habe Euch nicht zurückkommen heißen, Graf.«

»Allerdings, Sire, aber Sure Majestät hieß mich auch nicht bleiben.«

Der König fühlte, daß die Zeit verlief. Verlängerte sich die Scene, so konnte sie Alles in Verwirrung bringen. Ein einziger Schatten auf diesem Gemälde verdarb es ohne Rettungsmittel.

Des Königs Herz war überdies voll guter Gedanken; er hatte aus den so beredten Augen von Madame eine neue Eingebung geschöpft.

Der Blick von Henriette hatte ihm gesagt:

»Da man auf Euch eifersüchtig ist, so theilt den Argwohn; wer zwei Nebenbuhlern mißtraut, mißtraut keinem.«

Mit dieser geschickten Diversion trug Madame den Sieg davon.

Der König lächelte Guiche zu.

Guiche begriff kein Wort von der stummen Sprache von Madame. Er sah nur, daß sie sich stellte, als schaute sie ihn nicht an. Die Begnadigung, die er erlangt, schrieb er dem Herzen der Prinzessin zu. Der König wußte dafür Jedermann Dank.

Monsieur allein begriff nicht.

Das Ballet begann, es war glänzend.

Als die Violinen durch ihren Aufschwung die erhobenen Tänzer entführten, als die naive Pantomime jener Zeit, noch naiver, als das sehr mittelmäßige Spiel der hohen Histrionen seinen Culminationspunkt des Triumphes erreicht hatte, brach der Saal beinahe unter dem Beifallssturm ein.

Guiche glänzte wie eine Sonne, aber wie eine Höflingssonne, die sich in die zweite Rolle fügt.

Den Succeß verachtend, für den ihm Madame keine Erkenntlichkeit zeigte, dachte er nur daran, muthig die sichtbare Bevorzugung der Prinzessin wieder zu erlangen.

Sie schenkte ihm nicht einen einzigen Blick.

Nach und nach verloschen seine ganze Freude, sein ganzer Glanz im Schmerz und in der Unruhe, so daß seine Beine schlaff, seine Arme träge, sein Kopf dumm wurden.

Von diesem Augenblick an war der König wirklich der erste Tänzer der Quadrille,

Er warf einen Seitenblick auf seine besiegten Nebenbuhler.

Guiche war nicht einmal mehr Höfling; er tanzte schlecht ohne Schmeichelei; bald tanzte er gar nicht mehr.

Der König und Madame triumphirten.

XXII.
Die Nymphen des Parkes von Fontainebleau

Der König verharrte einen Augenblick im Genusse seines Triumphes, der, wie gesagt, so vollständig, als möglich, war.

Dann wandte er sich gegen Madame, um sie seinerseits auch ein wenig zu bewundern.

Die jungen Leute lieben vielleicht mit mehr Lebhaftigkeit, mit mehr Gluth, mit mehr Leidenschaft, als die Menschen von einem reisen Alter; aber es sind zugleich bei ihnen alle andere Gefühle nach Maßgabe ihrer Jugend und ihrer Kraft entwickelt, so daß da in ihnen die Eitelkeit beinahe immer das Aequivalent der Liebe ist, letzteres Gefühl, bekämpft durch die Gesetze des Gleichgewichts, nie den Grad der Vollkommenheit erlangt, den es bei Männern und Frauen von dreißig bis fünfunddreißig Jahren erreicht.

Ludwig dachte gern an Madame, doch erst nachdem er sehr an sich gedacht hatte, und Madame dachte viel an sich selbst, vielleicht ohne im mindesten an den König zu denken.

Und das Opfer dieser Liebe und Eitelkeit der königlichen Personen war Guiche.

Es konnte auch Jedermann zugleich die Aufregung und die Niedergeschlagenheit des armen Cavaliers wahrnehmen, und diese Niedergeschlagenheit besonders wurde um so mehr bemerkbar, als man nicht gewohnt war, seine Arme satten, seinen Kopf schwer werden, seine Augen ihre Flamme verlieren zu sehen. Man Pflegte nicht besorgt für ihn zu sein, wenn es sich um eine Frage des Geschmacks und der Eleganz handelte.

Die Niederlage von Guiche wurde auch von der Mehrzahl seiner Gewandtheit als Höfling zugeschrieben.

Doch Andere – die hellsehenden Augen finden sich bei Hofe – Andere bemerken auch seine Blässe und Abgespanntheit, eine Blässe und Abgespanntheit, die er weder heucheln noch verbergen konnte, und sie schloßen mit Recht daraus, Guiche spiele keine Komödie der Schmeichelei.

Diese Leiden, diese Siege, diese Commentare umhüllten, vermengten, verloren sich im Lärmen des Beifallssturms.

Als aber die Königinnen ihre Zufriedenheit, die Zuschauer ihren Enthusiasmus bezeigt hatten, als der König in seine Loge gegangen war, um sein Costüme zu wechseln, während Monsieur, seiner Gewohnheit gemäß als Frau gekleidet, ebenfalls tanzte, näherte sich Guiche, der wieder ein wenig zu sich gekommen war, Madame, welche, im Hintergrunde des Theaters sitzend, auf den zweiten Auftritt wartete, und sich mitten unter der Menge eine Einsamkeit gemacht hatte, als dächte sie zum Voraus über ihre oregraphischen Effekte nach.

Man begreift, daß sie, ganz in dieses ernste Nachsinnen versunken, nicht sah, oder sich stellte, als sähe sie nicht, was um sie her vorging.

Zwei von ihren Ehrenfräuleins, welche als Hamadryaden gekleidet waren, wichen, als sie bemerkten, daß Guiche sich näherte, aus Achtung zurück.

Guiche schritt also mitten unter dem Kreise heran und verbeugte sich vor ihrer Königlichen Hoheit.

Aber ihre Königliche Hoheit, hatte sie nun die Begrüßung bemerkt oder nicht bemerkt, wandte nicht einmal den Kopf um.

Ein Schauer durchlief die Adern des Unglücklichen; eine solche völlige Gleichgültigkeit erwartete er nicht; er, der nichts gesehen, er, der nichts erfahren hatte und folglich nichts errathen konnte.

Als er sah, daß sein Gruß keine Erwiederung erhielt, trat er einen Schritt näher, und sprach mit einer Stimme, die er, jedoch vergebens, ruhig zu machen sich anstrengte.

»Ich habe die Ehre, Madame, meinen unterthänigsten Respekt zu bezeigen.«

Diesmal ließ sich Ihre Königliche Hoheit herab, ihre schmachtenden Augen gegen den Grafen zu wenden.

»Ah! Herr von Guiche,« sagte sie, »Ihr seid es? Guten Tag.«

Und sie drehte sich wieder um.

Die Geduld wäre dem Grafen beinahe ausgegangen. Doch er fuhr fort:

»Eure Königliche Hoheit tanzte vorhin zum Entzücken.«

»Ihr findet das,« sagte Madame mit gleichgültigem Ton.

»Ja, die Person ist ganz diejenige, welche sich für den Charakter Ihrer Königlichen Hoheit eignet.«

Madame wandte sich ganz um und fragte, als sie Guiche mit seinem klaren, starren Auge erblickte:

»Wie so?«

»Allerdings,«

»Erklärt Euch.«

»Ihr stellt eine schöne, hochmüthige und flüchtige Gottheit vor.«

»Ihr sprecht von Pomona, Herr Graf?«

»Ich spreche von der Göttin, welche Eure Königliche Hoheit vorstellt.«

Madame drückte einen Augenblick die Lippen zusammen und erwiederte dann:

»Aber Ihr, mein Herr, seid Ihr nicht auch ein vollkommener Tänzer?«

»Oh! ich, Madame, ich gehöre zu denjenigen, die man nicht auszeichnet, und die man vergißt, wenn man sie zufällig ausgezeichnet hat.«

Nach diesen Worten, die er mit einem von jenen Seufzern begleitete, welche die letzten Fiebern des Seins beben machen, verbeugte sich der Graf, das Herz voll Beklommenheit, den Kopf in Flammen, das Auge irrend, und zog sich hinter das Gebüsch von Leinwand zurück.

Madame zuckte, statt jeder Antwort, leicht die Achseln.

Und da sich ihre Ehrendamen, wie wir gesagt, aus Diskretion während des Gesprächs zurückgezogen hatten, so rief sie Madame mit dem Blick zu sich.

Es waren die Fräulein von Tonnay-Charente und Montalais.

Auf das Zeichen von Madame näherten sich Beide voll Eifer.

»Habt Ihr gehört, meine Fräulein?« fragte dir Prinzessin.

»Was, Madame?«

»Was der Herr Graf von Guiche gesagt hat?«

»Es ist in der That merkwürdig,« fuhr die Prinzessin mit dem Ausdruck des Mitleids fort, »wie hat doch die Verbannung den Geist des armen Herrn von Guiche ermüdet?«

Und noch lauter, als befürchtete sie, der Unglückliche könnte ein Wort verlieren, fuhr sie fort:

»Zuerst hat er schlecht getanzt und hernach nur Armseligkeiten gesprochen.«

Dann stand sie auf und trällerte die Melodie, auf die sie tanzen sollte.

Guiche hatte Alles gehört, der Pfeil drang in die tiefste Tiefe seines Herzens und zerriß es.

 

Auf die Gefahr, die ganze Ordnung des Festes durch seinen Trotz zu stören, entfloh er, sein schönes Gewand des Herbstes in Fetzen zerreißend, und auf seinem Wege die Weinblätter, die Maulbeeren, die Mandelblätter und alle die künstlichen Attribute seiner Gottheit ausstreuend.

Eine Viertelstunde später war er auf dem Theater zurück. Doch es läßt sich leicht begreifen, nur eine mächtige Anstrengung der Vernunft gegen die Thorheit, oder – das Herz ist so beschaffen, oder die Unmöglichkeit, kürzer von der entfernt zu bleiben, die ihm das Herz brach, konnte ihn zurückführen.

Madame vollendete ihren Pas.

Sie sah ihn, schaute ihn aber nicht an, und er drehte ihr, grimmig, wüthend, seinerseits den Rücken zu, als sie, geleitet von ihren Nymphen und gefolgt von hundert Schmeichlern, an ihm vorüberkam.

Mittlerweile saß am andern Ende des Theaters beim Teich eine Frau, die Augen starr auf eines der Fenster des Theaters geheftet.

Aus diesem Fenster kamen Lichtwogen hervor.

Dieses Fenster war das der königlichen Loge.

Als Guiche das Theater verließ und die Luft suchte, der er so sehr bedurfte, kam er an dieser Frau vorüber und grüßte sie.

Sie, als sie den jungen Mann erblickte, stand auf, wie eine Frau, welche inmitten von Ideen überrascht wird, die sie so gern vor sich selbst verbergen möchte.

Guiche erkannte sie und blieb stehen.

»Guten Abend, mein Fräulein,« sagte er lebhaft.

»Guten Abend, Herr Graf.«

»Ah! Fräulein de la Vallière.« fuhr Guiche fort, wie glücklich bin ich, daß ich Euch treffe.«

»Und mich macht dieser Zufall auch sehr glücklich, Herr Graf,« sagte sie, während sie eine Bewegung machte, um sich zu entfernen.

»Oh! nein! nein! verlaßt mich nicht,« sagte Guiche, die Hand nach ihr ausstreckend: »denn Ihr würdet die guten Worte, die Ihr so eben gesprochen, Lügen strafen. Bleibt, ich bitte Euch; es ist der schönste Abend der Welt. Ihr flieht das Geräusch! Ihr liebt es, in Eurer Gesellschaft allein zu sein! Ja, ich begreife das; alle Frauen, welche Gemüth haben, sind so. Nie wird man eine Frau in dem Wirbel aller dieser lärmenden Belustigungen sich langweilen sehen! Oh! mein Fräulein! mein Fräulein!«

»Aber, was habt Ihr denn. Herr Graf?« fragte La Vallière mit einer gewissen Angst; »Ihr scheint so aufgeregt.«

»Ich? Nein, nein.«

»Dann erlaubt mir, Herr von Guiche, Euch hier den Dank zu sagen, denn ich bei der nächsten Gelegenheit gegen Euch auszusprechen im Sinne hatte. Ich weiß, ich habe es Eurer Protektion zu verdanken, daß ich unter die Ehrenfräulein von Madame aufgenommen worden bin.«

»Ah! ja, wahrhaftig, ich erinnere mich und wünsche mir Glück dazu, mein Fräulein. Liebt Ihr Einen

»Ich!«

»Oh! verzeiht, ich weiß nicht, was ich spreche; ich bitte tausendmal um Verzeihung; Madame hatte Recht; diese ungeschlachte Verbannung hat meinen Geist völlig in Verwirrung gebracht.«

»Aber der König hat Euch gut aufgenommen, wie mir scheint, Herr Graf.«

»Findet Ihr . . . gut aufgenommen . . . vielleicht . . . ja.«

»Allerdings, gut aufgenommen, denn Ihr kommt ohne Erlaubniß von ihm zurück,«

»Es ist wahr, und ich glaube, daß Ihr Recht habt, mein Fräulein. Doch, habt Ihr den Herrn Vicomte von Bragelonne nicht hier gesehen?«

La Vallière bebte bei diesem Namen.

»Warum diese Frage?« sagte sie.

»Oh! mein Gott, sollte ich Euch abermals verletzen?« rief Guiche; »dann bin ich sehr unglücklich, sehr zu beklagen.«

»Ja, sehr unglücklich, sehr zu beklagen, Herr von Guiche, denn Ihr scheint entsetzlich zu leiden.«

»Oh! mein Fräulein, warum habe ich nicht eine ergebene Schwester, eine wahre Freundin!«

»Ihr habt Freunde, Herr Graf, und der Herr Vicomte von Bragelonne, von dem Ihr so eben sprachet, gehört, wie mir scheint, zu Euren Freunden.«

»Ja, ja, in der That, er ist einer meiner Freunde. Gott befohlen, mein Fräulein, empfangt meinen ganzen Respekt,«

Und er entfloh wie ein Wahnsinniger längs dem Teich.

Sein schwarzer Schatten glitt wachsend unter den glänzenden Eibenbäumen hin.

La Vallière schaute ihm eine Zeit lang mitleidig nach.

»Oh! ja, ja,« sagte sie, »er leidet, und ich fange an, zu begreifen, warum.«

Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als ihre Gefährtinnen, die Fräulein von Montalais und von Tonnay-Charente, herbeiliefen.

Sie hatten ihren Dienst beendigt, ihre Nymphenkleider abgelegt, und kehrten freudig über die schöne Nacht, über den günstigen Erfolg des Abends zurück, um ihre Freundin aufzusuchen.

»Wie, schon,« sagte sie. »Wir glaubten, zuerst an dem Ort, wo wir uns zusammenbeschieden, einzutreffen.«

»Ich bin seit einer Viertelstunde hier,« erwiederte La Vallière.

»Hat Such der Tag nicht belustigt?«

»Nein.«

»Und das ganze Schauspiel?«

»Ebensowenig, Was das Schauspiel betrifft, so liebe ich viel mehr das dieser dunklen Gehölze, in deren Hintergrund da und dort ein Licht glänzt, das wie ein rothes Auge, bald offen, bald geschlossen, vorüberzieht.«

»Sie ist eine Dichterin, diese La Vallière,« sagte Tonnay-Charente.

»Das heißt, unerträglich,« bemerkte Montalais. »So oft es sich darum handelt, zu lachen oder sich mit etwas zu belustigen, weint sie; so oft es sich für uns andere Frauen darum handelt, über verlorene und verletzte Eitelkeit, über effektlosen Putz zu weinen, lacht La Vallière.«

»Oh! ich, was mich betrifft,« sagte Fräulein von Tonnay-Charente, »ich kann nicht von einem solchen Charakter sein. Ich bin Frau und zwar Frau, wie man es nicht ist; wer mich liebt, schmeichelt mir, wer mir schmeichelt, gefällt mir durch seine Schmeichelei, und wer mir gefällt . . . «

»Nun, Du vollendest nicht,« sagte Montalais.

»Das ist zu schwierig,« erwiederte Fräulein von Tonnay-Charente, ein schallendes Gelächter aufschlagend. »Vollende für mich, Du, die Du so viel Geist hast.«

»Und Ihr, Louise,« sagte Montalais, »gefällt man Euch?«

»Das geht Niemand etwas an,« erwiederte La Vallière, während sie von der Moosbank aufstand, auf der sie, so lange das Ballet gedauert hatte, ausgestreckt geblieben war. »Nun, meine Fräulein, wir haben den Plan gefaßt, uns diese ganze Nacht ohne Aufseher und Escorte zu belustigen. Wir sind zu drei, wir haben Gefallen an einander, das Wetter ist herrlich, schaut dort, seht den Mond, der sachte am Himmel aufsteigt und die Gipfel der Kastanienbäume und Eichen versilbert. Ah! der schöne Spaziergang! oh! die schöne Freiheit, das zarte Gras des Waldes! Die schöne Gunst, die mir Eure Freundschaft erzeigt; nehmen wir uns am Arm und gehen wir unter die großen Bäume; sie sitzen jetzt Alle bei der Tafel und sind beschäftigt, sich für eine Prunkpromenade zu schmücken; man sattelt die Pferde, man spannt die Wagen an, die Maulthiere der Königin oder die vier weißen Stuten von Madame. Wir erreichen rasch einen Ort, wo kein Auge uns erräth, wo Niemand auf unserer Spur folgt. Ihr erinnert Euch, Montalais, der Gehölze von Charerny und Chambord, der Pappelbäume ohne Ende von Blois. Wir haben dort viele Hoffnungen ausgetauscht.«

»Auch viele Bekenntnisse.«

»Ja.«

»Ich,« sprach Fräulein von Tonnay-Charente, »ich danke Euch viel; doch nehmt Euch in Acht . . . «

»Sie sagt unser « bemerkte Montalais, »so daß, was Fräulein von Tonnay-Charente denkt, Athenais allein weiß.«

»Stille!« rief Fräulein de La Vallière, »ich höre Schritte, welche von jener Seite kommen.«

»Geschwinde! geschwinde! in die Schilfrohre,« sagte Montalais, »bückt Euch, Athenais, Ihr seid so groß.«

Fräulein von Tonnay-Charente bückte sich merklich.

Beinahe in demselben Augenblick sah man zwei Cavaliere herbeikommen, welche, den Kopf gesenkt, die Arme verschlungen, auf dem feinen Sand der mit dem User parallelen Allee gingen.

Die Frauen machten sich klein, unbemerkbar.

»Es ist Herr von Guiche,« sagte Montalais Fräulein von Tonnay-Charente ins Ohr.

»Es ist Herr von Bragelonne,« sagte diese der la Vallière ins Ohr.

Die zwei jungen Leute kamen mit belebter Stimme sprechend, immer näher,

»Hier war sie so eben,« sagte der Graf, »hätte ich sie nur gesehen, so würde ich sagen, es sei eine Erscheinung gewesen, aber ich habe mit ihr gesprochen.«

»Ihr seid also Eurer Sache sicher.«

»Ja, doch ich habe ihr vielleicht bange gemacht.«

»Wie so?«

»Ei! mein Gott, ich war noch verrückt über das Bewußte und so wird sie meine Reden nicht begriffen und Angst bekommen haben.«

»Ah!« sagte Bragelonne, »seid unbesorgt, mein Freund. Sie ist gut, und wird Euch entschuldigen; sie hat Geist, und wird Euch begreifen.«

»Ja. Aber wenn sie begriffen, nur zu gut begriffen hat . . . «

»Nun?«

»Und wenn sie spricht.«

»Oh! Ihr kennt Louise nicht, Graf,« sprach Raoul. »Louise hat alle Tugenden, und nicht einen einzigen Fehler.«

Und die jungen Leute gingen vorbei, und wie sie sich entfernten, verloren sich ihre Stimmen allmälig.

»Wie, la Vallière,« fragte Fräulein von Tonnay-Charente, »der Herr Vicomte von Bragelonne hat, von Euch sprechend, Louise gesagt? Wie kommt das?«

»Wir sind mit einander erzogen worden und kannten uns schon als Kinder,« antwortete Fräulein de la Vallière.

»Und dann ist Herr von Bragelonne Dein Bräutigam, das weiß Jedermann.«

»Oh! ich wußte es nicht. Ist es wahr, mein Fräulein?«

»Das heißt,« erwiederte Louise erröthend, »das heißt, Herr von Bragelonne hat mir die Ehre erwiesen, mich um meine Hand zu bitten . . . Aber . . . «

»Was aber?«

»Aber es scheint, der König . . . «

»Nun?«

»Der König will seine Einwilligung zu dieser Heirath nicht geben.«

»Ei! warum der König? und was ist der König?« rief Aure mit Unwillen; »hat denn der König das Recht, sich in solche Dinge zu mischen? Die Poulitique ist die Poulitique, wie Herr von Mazarin sagte, aber die Liebe ist die Liebe. Wenn Du also Herrn von Bragelonne liebst, und er Dich liebt, heirathet Euch. Ich gebe Euch meine Einwilligung.«

Athenais lachte.

»Oh! ich spreche im Ernste,« sagte Montalais, »und ich denke, meine Meinung ist in dieser Sache so viel werth, als die des Königs. Nicht wahr, Louise?«

»Ah! die Herren sind vorübergegangen,« sagte Louise; »benützen wir die Einsamkeit, um über die Wiese zu gehen und uns in den Wald zu werfen,«

»Um so mehr,« versetzte Athenais, »als Lichter vom Schlosse und vom Theater ausgehen, die mir einer hohen Gesellschaft vorangetragen zu werden scheinen.«

»Laßt uns laufen,« sagten alle Drei.

Und anmuthig die langen Falten ihrer seidenen Kleider aufhebend, durchschritten sie leicht den Raum, der sich zwischen dem Teich und dem schattigsten Theil des Parkes erstreckte.

Montalais behende wie eine Hirschkuh, Athenais glühend wie eine junge Wölfin, sprangen im trockenen Gras, und ein verwegener Acteon hätte zuweilen im Halbschatten ihr reines, kühnes Bein sich unter dem dichten Umriß ihrer atlassenen Röcke hervorheben sehen.

Zarter und schamhafter ließ la Vallière ihre Röcke flattern; auch durch die Schwäche ihres Beines aufgehalten, bat sie bald um Gnade, und dadurch, daß sie zurückblieb, nöthigte sie ihre Gefährtinnen, auf sie zu warten.

In diesem Augenblick stieg ein in einem Graben voll junger Weidenschößlinge verborgener junger Mann rasch aus die Böschung dieses Grabens herauf und lief in der Richtung des Schlosses weg.

Die drei Frauen erreichten ihrerseits den Saum des Parkes, dessen Alleen ihnen sämmtlich bekannt waren.

Große blühende Hecken erhoben sich um die Gräben; geschlossene Schranken beschützten auf dieser Seite den Spaziergänger gegen den Einbruch der Pferde und Calechen.

Man hörte in der That in der Ferne auf dem festen Boden der Wege die Carossen der Königinnen und von Madame rollen. Mehrere Cavaliere folgten ihnen mit dem durch die cadenzirten Verse von Virgil so gut nachgeahmten Geräusch.

Einige Musiken antworteten auf das Geräusch, und wenn die Harmonieen aufhörten, sandte die Nachtigall, eine Sängerin voll Stolz, der Gesellschaft, die sie unter den Schatten versammelt fühlte, die verflochtensten, die lieblichsten und die gescheitesten Lieder zu.

In der Nähe der Sängerin glänzten im schwarzen Grund der großen Bäume die Augen einer für den Gesang empfindlichen Nachteule.

So daß dieses Fest des ganzen Hofes auch zugleich das Fest der geheimnißvollen Gäste des Waldes war; denn sicherlich lauschte die Hirschkuh in ihrem Gebüsch, der Fasan auf seinem Zweig, der Fuchs in seinem Bau.

Man errieth das Leben dieser ganzen nächtlichen und unsichtbaren Bevölkerung, aus den ungestümen Bewegungen, welche plötzlich in den Blättern vorgingen.

Dann stießen die Nymphen des Waldes einen kleinen Schrei aus; sogleich aber wieder beruhigt, lachten sie und setzten ihren Marsch fort.

 

Und sie kamen so zu der Königseiche, einem ehrwürdigen Ueberrest von einer Eiche, die in ihrer Jugend die Seufzer von Heinrich II. für die schöne Diana, von Poitiers, und später die von Heinrich IV. für die schöne Gabriele d’Estrées gehört hatte.

Unter dieser Eiche hatten die Gärtner das Moos und den Rasen so aufgehäuft, daß wie aus einem Rundsitze die müden Glieder des Königs besser auszuruhen im Stande gewesen waren.

Der Stamm des Baumes bildete eine knorrige, aber für vier Personen hinreichend breite Lehne.

Unter den Aesten, welche schräge gegen den Stamm zuliefen, verloren sich die Stimmen zum Himmel durch, sickernd.