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Der Graf von Bragelonne

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XV.
Die Gallerie von Saint-Mandé

Fünfzig Personen warteten auf den Oberintendanten. Er nahm sich nicht einmal Zeit, sich einen Augenblick seinem Kammerdiener anzuvertrauen, und ging unmittelbar von der Freitreppe in den ersten Salon. Hier waren seine Freunde versammelt und plauderten. Der Haushofmeister schickte sich an, das Abendbrod auftragen zulassen; vor Allen aber lauerte der Abbé Fouquet auf die Rückkehr seines Bruders und war bemüht, in seiner Abwesenheit die Honneurs des Hauses zu machen.

Bei der Ankunft des Oberintendanten entstand ein Gemurmel der Freude und der Zärtlichkeit: voll Freundlichkeit, guter Laune und Freigebigkeit, wurde Fouquet geliebt von seinen Künstlern, von seinen Dichtern, von seinen Geschäftsleuten. Seine Stirne, auf der sein kleiner Hof, wie auf der eines Gottes, alle Bewegungen seiner Seele las, um sich daraus Regeln für sein Benehmen zu machen, seine Stirne, welche die Angelegenheiten nie runzelten, war an diesem Abend bleicher als gewöhnlich, und mehr als ein Auge bemerkte diese Blässe. Fouquet setzte sich an den Mittelpunkt der Tafel und präsidirte heiter beim Abendbrod. Er erzählte la Fontaine die Expedition von Vatel; er erzählte Pelisson die Geschichte von Menneville und dem mageren Huhn, so daß es der ganze Tisch hörte, und es entstand ein Sturm von Gelächter und Spöttereien, der erst auf eine ernste, traurige Geberde von Pelisson endigte.

Der Abbé Fouquet, der nicht wußte, aus welchem Grunde sein Bruder das Gespräch auf diesen Gegenstand gebracht hatte, hörte mit allen seinen Ohren und suchte auf dem Gesicht von Gourville oder auf dem des Oberintendanten eine Erklärung, die Ihm nichts gab.

Pelisson nahm das Wort und sagte:

»Man spricht also von Herrn Colbert?«

»Warum nicht,« erwiederte Herr Fouquet, »warum nicht, wenn es wahr ist, daß ihn der König zu seinem Intendanten gemacht hat?«

Kaum hatte Fouquet dieses Wort mit klar hervortretender Absicht ausgesprochen, als man eine allgemeine Explosion unter den Gästen vernahm.«

»Ein Heuchler!« sagte der Eine.

»Ein Schlucker!« sagte der Andere.

»Ein Geizhals!« sagte der Dritte.

Pelisson wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Fouquet und sprach sodann:

»Meine Herren, wir mißhandeln da wahrhaftig einen Mann, den Keiner von uns kennt. Das ist weder menschenfreundlich, noch vernünftig, und dieser Ansicht, ich bin es fest überzeugt, ist auch der Herr Oberintendant.«

»Vollkommen,« sagte Fouquet. »Lassen wir die fetten Hühner von Herrn Colbert, hier ist heute nur die Rede von den getrüffelten Fasanen von Herrn Vatel.«

Diese Worte hielten die düstere Wolke auf, welche in raschem Lause über den Gästen heranrückte.

Gourville belebte so gut die Dichter mit dem Joigny-Wein, der Abbé, verständig wie ein Mensch, der der Thaler Anderer bedarf, belebte so gut die Finanzmänner und die Kriegsleute, daß in den Nebeln dieser Freude und im Lärmen des Gespräches der Gegenstand der Unruhe völlig verschwand.

Das Testament des Cardinals war der Text der Unterhaltung beim zweiten Gang und beim Nachtisch; dann befahl Fouquet die Schalen mit Zuckerwerk und die Fontainen mit Liqueurs in die an den Salon anstoßende Gallerie zu bringen. Er begab sich dahin an seiner Hand eine Frau, Königin an diesem Abend durch seine Bevorzugung, führend.

Dann speisten die Musikanten zu Nacht, und es begannen die Spaziergänge in der Gallerie unter einem milden Frühlingshimmel, in einer von Wohlgerüchen geschwängerten Luft.

Pelisson kam auf den Oberintendanten zu und fragte ihn:

»Monseigneur hat einen Kummer?«

»Einen großen,« antwortete der Minister; »laßt Euch das von Gourville erzählen.«

Pelisson erblickte, als er sich umwandte, la Fontaine, der ihm auf beide Füße trat. Er mußte einen lateinischen Vers anhören, den der Dichter auf Vatel gemacht hatte.

La Fontaine scandirte diesen Vers seit einer Stunde in allen Ecken und suchte eine vortheilhafte Unterkunft für denselben.

Er glaubte Pelisson zu halten, aber dieser entschlüpfte ihm.

Er wandte sich an Soret, der ein Quatrain zu Ehren des Abendbrods und des Wirthes gemacht hatte.

La Fontaine wollte vergebens seinen Vers anbringen; Soret bemühte sich vergebens für sein Quatrain.

Er war genöthigt, vor dem Herrn Grafen von Chenost zurückzuweichen, dessen Arm Fouquet genommen.

Der Abbé Fouquet fühlte, zerstreut wie immer, würde der Dichter den zwei Sprechenden folgen, und trat dazwischen.

La Fontaine klammerte sich sogleich an ihn an und recitirte seinen Vers.

Der Abbé, der das Lateinische nicht verstand, wiegte den Kopf im Takt bei jeder Bewegung, die la Fontaine seinem Körper, nach den Wogungen der Daktylen und Spondäen, gab.

Während dieser Zeit erzählte hinter den Bassins mit Zuckerwerk Fouquet, was vorgefallen, Herrn von Chenost, seinem Schwiegersohn.

»Indeß wir hier sprechen, muß man die Unnützen zum Feuerwerk schicken,« sagte Pelisson zu Gourville.

»Gut, » erwiederte Gourville. Und er flüsterte Vatel vier Worte zu.

Dann sah man den Letzteren nach dem Garten die Mehrzahl der Stutzer, der Damen und der Schwatzer führen, wo ein kostbares Feuerwerk für die Liebhaber abgebrannt wurde, während die meisten Männer in der von dreihundert Wachskerzen erleuchteten Gallerie auf und abgingen.

Gourville näherte sich Fouquet und sagte:

»Monseigneur, wir sind alle hier.«

»Alle?« versetzte Fouquet.

»Ja, zählt.«

Der Oberintendant wandte sich um und zählte. Es waren acht Personen.

Pelisson und Gourville gingen sich am Arme haltend umher, als ob sie über unbestimmte, leichte Dinge plauderten.

Soret und zwei Officiere ahmten sie in verkehrter Richtung nach.

Der Abbé Fouquet war allein.

Fouquet ging mit Herrn von Chenost, als wäre er ganz von dem Gespräch seines Schwiegersohnes in Anspruch genommen.

»Meine Herren,« sagte er, »Niemand erhebe den Kopf im Gehen, Niemand darf den Anschein haben, als schenkte er mir Aufmerksamkeit; geht weiter, wir sind allein, hört auf mich.«

Es trat ein tiefes Stillschweigen ein, nur gestört durch die entfernten Ausrufungen der freudigen Gäste, welche in den Gebüschen Platz nahmen, um die Raketen besser zu sehen.«

Sie boten ein seltsames Schauspiel, diese Männer, die in Gruppen, und als wäre Jeder mit Etwas besonders beschäftigt, auf- und abgingen, während sie nur auf das Wort eines Einzigen von ihnen aufmerksam waren, der selbst nur mit einem Nachbar zu sprechen schien.

»Meine Herren,« sagte Fouquet, »Ihr habt ohne Zweifel bemerkt, daß diesen Abend zwei von unseren Freunden in der Mittwochsversammlung fehlen . . . Um Gottes willen! Abbé, bleibt nicht.stehen, das ist nicht nöthig, um zu hören; ich bitte, geht mit Eurer natürlichsten Miene, oder, da Ihr das schärfste Gesicht habt, stellt Euch an das offene Fenster und benachrichtigt uns, wenn Jemand gegen die Gallerie kommt, durch Husten.«

Der Abbé gehorchte.

»Ich habe die Abwesenden nicht bemerkt,« sagte Pelisson, der in diesem Augenblick Fouquet den Rücken zuwandte und in verkehrter Richtung ging.

»Ich,« sagte Soret, »ich sehe Herrn Lyodot nicht, der mir meine Pension gibt.«

»Und ich,« sagte der Abbé vom Fenster aus, »ich sehe meinen lieben d’Emeris nicht, der mir elfhundert Livres von unserem letzten Brelan schuldig ist.«

»Soret,« fuhr Fouquet fort, der düster und gebückt auf und abschritt, »Ihr werdet die Pension von Lyodot nicht mehr beziehen, und Ihr, Abbé, bekommt nie Eure elfhundert Livres von d’Emeris, denn Beide müssen sterben.«

»Sterben!« rief die Versammlung, unwillkührlich in ihrem Scheinspiel durch dieses furchtbare Wort aufgehalten.

»Beruhigt Euch, meine Herren,« sagte Fouquet, »denn man beobachtet uns vielleicht. Ich habe gesagt: Sterben!«

»Sterben!« wiederholte Pelisson, »diese Männer, die ich vor nicht sechs Tagen voll Gesundheit, Heiterkeit und Zukunft gesehen habe. Guter Gott! was ist der Mensch, daß ihn eine Krankheit mit einem Schlage niederwirft!«

»Es ist keine Krankheit,« entgegnete Fouquet.

»Also gibt es ein Mittel?« sagte Soret.

»Kein Mittel, die Herren Lyodot und d’Emeris stehen am Vorabend ihres letzten Tages.«

»Warum sterben denn diese Herren?« rief ein Officier.

»Fragt denjenigen, welcher sie tödtet,« antwortete Fouquet.

»Wer tödtet sie? Man tödtet sie?« rief der Chor erschrocken.

»Man thut noch etwas Besseres, man henkt sie!« murmelte Fouquet mit einer düsteren Stimme, welche wie ein Sterbegeläute in dieser reichen, ganz von Gemälden, Blumen, Sammet und Gold schimmernden Gallerie klang.«

Unwillkührlich blieb Jeder stehen; der Abbé verließ sein Fenster; die ersten Raketen des Feuerwerks fingen an über die Gipfel der Bäume emporzusteigen.

Ein langer Schrei im Garten forderte den Oberintendanten auf, den Anblick zu genießen.

Er näherte sich dem Fenster und hinter ihn stellten sich seine auf jedes seiner Worte aufmerksamen Freunde.

»Meine Herren,« sagte er, »auf Veranlassung von Herrn Colbert sind zwei von meinen Freunden verhaftet, verurtheilt worden, und er wird sie auch hinrichten lassen: Was geziemt sich für mich, zu thun?«

»Gottes Tod!« sagte der Abbé zuerst, »Ihr müßt Herrn Colbert ausweiden lassen!«

»Monseigneur,« sagte Pelisson, »Ihr müßt mit Seiner Majestät sprechen.«

»Der König, mein lieber Pelisson, hat das Todesurtheil unterschrieben.«

»Nun wohl! sagte der Graf von Chenost, »die Hinrichtung darf nicht stattfinden.«

»Unmöglich, wenn man nicht die Gefangenwärter besticht,« entgegnete Pelisson.

»Oder den Gouverneur,« bemerkte Fouquet.

»Man kann die Gefangenen in dieser Nacht entweichen lassen.«

»Wer von Euch übernimmt die Unterhandlung?«

»Ich besorge das Geld,« sprach der Abbé.

 

»Ich besorge die Unterhandlung,« sagte Pelisson.

»Die Unterhandlung und das Geld,« sprach Fouquet, »fünfmal hundert tausend Livres dem Gouverneur der Conciergerie ist genug; man gibt jedoch eine Million, wenn es sein muß.«

»Eine Million!« rief der Abbé, »für halb so viel stecke ich die Hälfte von Paris in den Sack.«

»Keine Unordnung.« sagte Pelisson; »ist der Gouverneur gewonnen, so entweichen die zwei Gefangenen! sind sie vom Processe frei, so wiegeln sie die Feinde von Colbert auf und beweisen dem König, daß seine junge Justiz nicht unfehlbar ist, wie alle Uebertreibungen.«

»Geht also nach Paris, Pelisson, und bringt die zwei Opfer zurück,« sprach Fouquet; »morgen werden wir sehen!«

»Gourville, gebt Pelisson die fünfmal hundert tausend Livres.«

»Nehmt Euch in Acht, daß Euch der Wind nicht fortträgt,« rief der Abbé, »Teufel, welche Verantwortlichkeit! Laßt mich Euch ein wenig helfen.«

»Stille!« flüsterte Fouquet, »man naht, ah! das Feuerwerk ist in der That zauberhaft!«

In diesem Augenblick fiel ein Funkenregen rieselnd in die Zweige des naher, Gehölzes.

Pelisson und Gourville entfernten sich mit einander durch die Thüre der Gallerie; Fouquet ging mit den fünf letzten Verschworenen in den Garten hinab.

XVI.
Die Epikuräer

Da Fouquet wirklich oder dem Anschein nach seine ganze Aufmerksamkeit der glänzenden Beleuchtung, der schmachtenden Musik der Violinen und der Hautbois, den funkelnden Garben des Feuerwerks schenkte, welche, den Himmel mit rothgelben Reflexen überströmend, hinter den Bäumen die düstere Silhouette des Schloßthurmes von Vincennes hervorhoben, da, sagen wir, der Oberintendant den Damen und den Dichtern zulächelte, so war das Fest nicht minder heiter, als gewöhnlich, und Vatel, dessen unruhiger, sogar eifersüchtiger Blick dringlich den Blick von Fouquet befragte, zeigte sich nicht unzufrieden mit der Aufnahme, die der Anordnung des Abends zu Theil wurde.

Als das Feuerwerk abgebrannt war, zerstreute sich die Gesellschaft in den Gärten und unter den Säulenlauben mit jener behaglichen Freiheit, welche so viel Bergessen der Größe, so viel gastfreundliche Artigkeit, so viel großartige Sorglosigkeit auf Seiten des Hausherrn offenbart.

Die Dichter verirrten sich Arm in Arm in den Gebüschen; einige streckten sich auf Mooslagern aus, zum großen Unstern von Sammet und Frisuren, woran sich dürres Laub und Halme anhingen.

Die Damen hörten, in geringer Anzahl, die Lieder der Künstler und die Verse der Dichter an; andere horchten auf die Prosa, die ihnen mit viel Kunst Männer sagten, welche weder Schauspieler noch Dichter waren, denen aber die Jugend und die Ungestörtheit eine ungewohnte Beredtsamkeit verliehen, die ihnen den Vorzug vor Allem zu verdienen schien.

»Warum,« fragte la Fontaine, »warum ist unser Meister Epikur nicht in den Garten herabgekommen? Nie verließ Epikur seine Schüler; der Meister hat Unrecht.«

»Mein Herr,« sagte Conrart, »Ihr habt sehr Unrecht, Euch beharrlich mit dem Namen eines Epikuräers zu schmücken, wahrlich uns erinnert nichts hier an die Lehre des Philosophen von Gargettos.«

»Bah!« versetzte la Fontaine, »steht nicht geschrieben, Epikur habe sich einen Garten gekauft und darin, ruhig mit seinen Freunden gelebt?«

»Das ist wahr.«

»Nun! hat Herr Fouquet nicht einen großen Garten in Saint-Mandé gekauft, und leben wir nicht darin äußerst ruhig mit ihm und unseren Freunden?«

»Ja, gewiß; doch leider können weder der Garten, noch die Freunde die Aehnlichkeit geben. Worin liegt aber die Aehnlichkeit der Lehre von Herrn Fouquet mit der von Epikur?«

»In dem Satze: Das Vergnügen bildet das Glück.«

»Hernach?«

»Ich glaube nicht, daß wir uns unglücklich fühlen, ich wenigstens nicht. Ein gutes Mahl, Joigny-Wein, den man für mich in meiner Lieblingsschenke zu holen so zart gewesen ist; nicht eine Ungereimtheit bei einem Abendbrod von einer Stunde, trotz der zehn Millionäre und der zwanzig Dichter.«

»Hier halte ich Euch, Ihr sprachet von Joigny-Wein und einem guten Mahl, beharrt Ihr hierbei?«

»Ich beharre hierbei.«,

»Dann erinnert Euch, daß der große Epikur von Brod, Gemüsen und klarem Wasser lebte und seine Schüler leben ließ.«

»Das ist nicht gewiß,« entgegnete la Fontaine, »Ihr konntet wohl Epikur mit Pythagoras verwechseln, mein lieber Conrart.«

»Erinnert Euch auch, daß der alte Philosoph ein ziemlich schlechter Freund der Götter und der Magistrate war.«

»Oh! das kann ich nicht dulden,« versetzte la Fontaine, »Epikur wie Herr Fouquet.«

»Vergleicht ihn nicht mit dem Herrn Oberintendanten,« sprach Conrart mit bewegter Stimme, »wenn Ihr nicht den Gerüchten, welche über ihn und uns schon im Umlauf sind, Glauben verleihen wollt.«

»Welche Gerüchte?«

»Wir seien schlechte Franzosen, lau für den Monarchen, taub für das Gesetz.«

»Ich komme also auf meinen Text zurück,« sprach la Fontaine. »Hört, Conrart, die Moral von Epikur, den ich übrigens, wenn ich es Euch sagen soll, als eine Mythe betrachte: Alles, was ein wenig ins Alterthum eingegriffen hat, ist eine Mythe. Jupiter, wenn man es genau betrachten will, ist das Leben, Alkides ist die Kraft, die Abstammung der Wörter spricht für mich. Nun wohl, Epikuros ist die sanfte Ueberwachung, es ist der Schutz; wer überwacht aber besser den Staat, wer beschützt besser die einzelnen Personen, als Herr Fouquet?«

»Ihr sprecht mir da von Etymologie und nicht von Moral; ich sage, wir neuen Epikuräer seien ärgerliche Bürger.

»Oh!« rief la Fontaine, »wenn wir ärgerliche Bürger werden, so geschieht es nicht dadurch, daß wir die Maximen des Meisters befolgen. Hört eine seiner Hauptaphorismen.«

»Ich höre.«

»Wünscht gute Häupter.«

»Nun?«

»Nun! was sagt uns Herr Fouquet alle Tage? »»Wann werden wir regiert sein?«« Sagt er das? Sprecht, Conrart, seid offenherzig.«

»Er sagt es, es ist wahr.«

»Nun, das ist die Lehre von Epikur.«

»Ja, aber das klingt ein wenig meuterisch.«

»Wie, es ist meuterisch, von guten Häuptern regiert sein zu wollen?«

»Gewiß, wenn diejenigen, welche regieren, schlecht sind.«

»Geduld! ich habe für Alles eine Antwort.«

»Auch für das, was ich so eben sagte?«

»Hört, unterwerft Euch denjenigen, welche schlecht regieren . . . Oh! es steht geschrieben: Kalos politeuusi . . . Ihr gebt den Text zu?«

»Bei Gott! ich glaube wohl. Wißt Ihr, daß Ihr Griechisch sprecht, wie Aesop, mein lieber la, Fontaine?«

»Ist das eine Bosheit, mein lieber Conrart?«

»Gott soll mich behüten!«

»So kommen wir auf Herrn Fouquet zurück. Was wiederholte er uns alle Tage? Nicht wahr, Folgendes: »Welch ein Knauser ist der Mazarin! welch ein Esel! welch ein Blutegel! und dennoch muß man diesem Burschen gehorchen!««

»Ich gestehe, daß er es sagte, und sogar vielleicht ein wenig zu sehr.«

»Wie Epikur, mein Freund, immer wie Epikur; ich wiederhole, wir sind Epikuräer, und das ist sehr belustigend.«

»Ja, doch ich befürchte, es entsteht neben uns eine Sekte, wie die von Epiktet; Ihr wißt, der Philosoph von Hieropolis, derjenige, welcher das Brod Luxus, die Gemüse Verschwendung und das klare Wasser Völlerei nannte; der, welcher von seinem Meister geschlagen, allerdings ein wenig murrte, aber ohne sich mehr zu ärgern, ihm zurief: »»Wetten wir, Ihr habt mir das Bein zerbrochen?«« und er gewann die Wette.«

»Dieser Epiktet war ein einfältiger Bursche.«

»Es mag sein; doch er könnte wieder in die Mode kommen, indem man nur seinen Namen in den von Colbert verwandeln würde.«

»Buh!« erwiederte la Fontaine, »das ist unmöglich; Ihr werdet nie Colbert in Epiktet finden.«

»Ihr habt Recht, ich finde darin höchstens Coluber.«2

»Ah! Ihr seid geschlagen, Conrart, Ihr nehmt Eure Zuflucht zum Wortspiel. Herr Arnauld behauptet, ich habe keine Logik . . . ich habe mehr als Herr Nicolle.«

»Ja,« erwiederte Conrart, »Ihr habt Logik, doch Ihr seid Jansenist.«

Dieses Wort wurde mit einem ungeheuren Gelächter aufgenommen. Allmälig waren die Spaziergänger durch die Ausrufungen der zwei Haberechte zu dem Gebüsch gelockt worden, unter dem sie stritten. Man hatte die ganze Verhandlung mit frommer Aufmerksamkeit angehört, und selbst Fouquet, der kaum an sich halten konnte, gab das Beispiel der Mäßigung.

Doch die Entwickelung der Scene warf ihn über jedes Maß hinaus, und er brach los. Alle Welt brach los, und die zwei Philosophen wurden mit einstimmigen Glückwünschen begrüßt.

Man erklärte jedoch la Fontaine zum Sieger wegen seiner tiefen Gelehrsamkeit und seiner unwidersprechlichen Logik.

Conrart erhielt die einem unglücklichen Streiter gebührende Entschädigung; man spendete ihm Lob über die Redlichkeit seiner Absichten und die Reinheit seines Gewissens.

In dem Augenblick, wo sich diese Freude durch die lebhaftesten Kundgebungen äußerte, in dem Augenblick, wo die Damen den zwei Gegnern Vorwürfe machten, daß sie die Frauen nicht in das System des epikuräischen Glücks aufgenommen, sah man Gourville vom andern Ende des Gartens kommen, sich Fouquet, der mit scharfen Blicken nach ihm schaute, nähern und ihn durch seine Gegenwart allein von der Gruppe trennen.

Der Oberintendant behielt auf seinem Gesicht das Lachen und alle Charaktere der Sorglosigkeit; kaum aber war er aus dem Blick, als er die Maske abwarf und rasch Gourville fragte:

»Nun! wo ist Pelisson? Was macht Pelisson?«

»Pelisson kommt so eben von Paris zurück.«

»Hat er die Gefangenen zurückgebracht?«

»Er konnte nicht einmal den Aufseher des Gefängnisses sprechen.«

»Wie! hat er nicht gesagt, er käme auf mein Geheiß?«

»Er hat es gesagt; doch der Aufseher ließ antworten: »»Kommt man auf das Geheiß des Herrn Fouquet, so muß man einen Brief von Herrn Fouquet haben.««

»Oh! wenn es sich nur darum handelt, ihm einen Brief, n geben . . . «

»Nie,« erwiederte Pelisson, der sich an der Ecke des kleines Gehölzes zeigte, »nie, Monseigneur . . . Geht selbst und sprecht in Eurem Namen.«

»Ja, Ihr habt Recht; ich kehre in mein Cabinet zurück, als ob ich arbeiten wollte; laßt die Pferde angespannt, Pelisson. Haltet meine Freunde auf, Gourville.«

»Noch einen Rath, Monseigneur,« sagte dieser.

»Sprecht, Gourville.«

»Geht nur im letzten Augenblick zum Aufseher; ein solcher Schritt ist zwar muthig, aber nicht geschickt. Entschuldigt mich, Herr Pelisson, wenn ich anderer Ansicht bin, als Ihr; aber glaubt mir, Monseigneur, schickt noch Jemand ab, um mit diesem Aufseher, der ein artiger Mann ist, zu unterhandeln; unterhandelt jedoch nicht selbst.«

»Ich werde mich besinnen,« erwiederte Fouquet; »übrigens haben wir die ganze Nacht für uns.

»Rechnet nicht zu sehr auf die Nacht, und hätten wir auch doppelt so viel Zeit, als wir haben,« entgegnete Pelisson, »es ist nie ein Fehler, wenn man zu früh kommt.«

»Gott befohlen,« sagte der Oberintendant; »kommt mit mir, Pelisson.«

Und er entfernte sich.

Die Epikuräer bemerkten nicht, daß das Haupt der Schule verschwunden war; die Musik währte aber die ganze Nacht fort.

2Natter.