Бесплатно

Der Chevalier von Maison-Rouge

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

IX.
Das Abendbrot

Als Maurice mit Dirmer und Geneviève in de Speisesaal trat, der in dem Hauptgebäude lag, wohin man ihn am Anfang geführt hatte, war das Abendbrot aufgetragen, aber der Saal noch leer.

Er sah nach und nach alle Gäste, sechs an der Zahl eintreten.

Es waren insgesamt Männer von angenehmen Aeußerem, meistens jung, nach der Mode des Tages gekleidet, und zwei oder drei hatten sogar die Carmagnole um die rothe Mütze.

Dirmer stellte ihnen Maurice vor und nannte sein Titel und Eigenschaften.

Dann wandte er sich gegen Maurice und sprach:

»Sie sehen, Bürger Lindey, Sie sehen hier alle Personen, die mich in meinem Gewerbe unterstützen; in Folge der Zeitläufe, in Folge der revolutionären Grundsätze, welche die Entfernung ausgehoben haben, leben wir Alle auf dem Fuße der heiligsten Gleichheit. Alle Tage vereinigt uns zweimal derselbe Tisch und ich bin glücklich, daß Sie die Güte haben, unser Familienmahl zu theilen. Auf, zu Tische, Bürger, zu Tische.«

»Und. . . und Herr Morand,« sagte schüchtern Geneviève, »warten wir nicht auf ihn?«

»Ah! es ist wahr,« antwortete Dirmer. »Der Bürger Morand, von dem ich Ihnen schon gesprochen habe, Bürger Lindey, ist mein Associé. Er ist, wenn ich so sagen darf, mit dem moralischen Theile des Hauses beauftragt; er besorgt die Schreibereien, führt die Kasse, ordnet die Rechnungen, gibt und empfängt das Geld und hat deshalb m meisten Geschäfte von uns Allen. Daher kommt es, daß er zuweilen länger ausbleibt. Ich will ihn benachrichtigen lassen.«

In diesem Augenblick öffnete sich die Thür und der Bürger Morand trat ein.

Es war ein Mann von kleinem Wuchse, braun, mit dicken Augenbrauen; eine grüne Brille, wie sie die Menschen tragen, deren Gesicht durch die Arbeit angestrengt ist, verbarg seine schwarzen Augen, verhinderte aber den Funken nicht, hervorzuspringen. Bei den ersten Worten, die er sprach, erkannte Maurice die zugleich sanfte und gebieterische Stimme, welche beständig bei der furchtbaren Berathung, die ihm beinahe das Leben gekostet hätte, für das mildere Verfahren gewesen war; er trug einen braunen Frack mit großen Knöpfen, eine Weste von weißer Seide, und sein ziemlich feiner Jabot wurde häufig während des Abendbrotes von einer Hand geplagt, deren Weiße und Zartheit, ohne Zweifel, weil es die eines Lederhändlers war, Maurice ungemein bewunderte.

Man nahm Platz. Der Bürger Morand wurde zur Rechten von Geneviève, Maurice zu ihrer Linken gesetzt; Dirmer setzte sich seiner Frau gegenüber; die andern Gäste nahmen ohne zu wählen ihren Posten um eine längliche Tafel.

Das Abendbrot war ausgesucht: Dirmer hatte de Appetit eines Gewerbsmannes und machte mit viel Herrlichkeit die Honneurs seines Tisches. Die Arbeiter, oder diejenigen, welche für solche galten, leisteten ihm in dieser Hinsicht gute Gesellschaft. Der Bürger Morand sprach wenig, aß noch weniger, trank beinahe nichts, und lacht selten. Maurice fühlte bald, vielleicht wegen der Erinnerungen, die seine Stimme wieder erregte, eine lebhaft Sympathie für ihn; nur war er im Zweifel über sei Alter, und dieser Zweifel beunruhigte ihn; bald hielt er ihn für einen Mann von vierzig bis fünf und vierzig Jahren, bald für einen ganz jungen Menschen.

Dirmer hielt sich, als sie sich zu Tische setzten, für verbunden, seinen Gästen eine Art von Grund für die Zulassung eines Fremden in ihren kleinen Kreis anzugeben.

Er entledigte sich dieser Verbindlichkeit als ein naiver und wenig an das Lügen gewöhnter Mann. Doch die Gäste schienen nicht sehr schwierig in Beziehung auf Gründen zu sein, denn trotz aller Ungeschicklichkeit, mit der der Lederhändler hierbei zu Werke ging, befriedigte seine kleine Einführungsrede Jedermann.

Maurice schaute ihn erstaunt an und sprach in seinen Innern:

»Bei meiner Ehre, ich glaube, ich täusche mich. Ist dies derselbe Mann, der mich vor drei Viertelstunden mit glühendem Auge und drohender Stimme, einen Carabiner, in der Hand, verfolgte und durchaus tödten wollte? In jenem Augenblick hätte ich ihn für einen Helden oder für einen Mörder gehalten, Alle Wetter! wie die Liebe zum Ledergeschäft einen Menschen verwandelt?«

Es walteten in der Tiefe des Herzens von Maurice während er alle diese Bemerkungen machte, ein Schmerz und eine Freude, beide so tief, daß der junge Mann sich nicht hätte genau sagen können, was die Lage seiner Seele war. Er befand sich endlich wieder bei der schönen Unbekannten die er so sehr gesucht: sie hatte, wie er es sich zuvor geträumt, einen süßen Namen. Er berauschte sich indem Glück, sie an seiner Seite zu fühlen; er verschlang ihre geringsten Worte, und der Ton ihrer Stimme, so oft sie erklang, machte die geheimsten Saiten seines Herzens vibriren. Doch dieses Herz war gebrochen durch das, was er sah.

Genevièvewar wohl so, wie er sie im Helldunkel erblickt: jenen Traum einer stürmischen Nacht zerstörte die Wirklichkeit nicht. Es war wohl die zierliche Frau mit dem traurigen Auge, mit dem erhabenen Geist. Es war wohl, was sich so oft in den letzten Jahren, die dem berüchtigten Jahre 93, in welchem man sich befand, vorhergegangen, ereignet hatte, es war wohl das Mädchen von Rang, wegen des immer tieferen Ruins, in den der Adel versunken, genöthigt, eine Verbindung mit dem Bürgerthum, mit dem Handel einzugehen. Dirmer schien ein braver Mann zu sein; er war unzweifelbar reich; sein Benehmen gegen Genevièvewar sichtbar das eines Menschen, der sich die Ausgabe stellt, eine Frau glücklich zu machen. Aber diese Gutmüthigkeit, dieser Reichthum, diese vortrefflichen Absichten, konnten sie die ungeheure Kluft ausfüllen, welche zwischen der Frau und dem Mann, zwischen dem poetischen, ausgezeichneten, reizenden Mädchen und dem Mann mit den materiellen Geschäften und dem gemeinen Aussehen befestigt war? Mit welchem Gefühle füllte Geneviève diese Kluft aus?. . . Ach! der Zufall sagte es um Maurice hinreichend, mit der Liebe. Und er mußte wohl auf die erste Meinung, die er von der jungen Frau gehabt, zurückkommen, nämlich auf die, daß sie an dem Abend, wo er ihr begegnet war, von einem Liebesrendezvous nach Hause kehrte.

Der Gedanke, daß Geneviève einen Mann liebe, marterte das Herz von Maurice.

Dann seufzte er, dann beklagte er es, daß er gekommen war, um eine noch stärkere Dose von dem Gifte zu nehmen, das man Liebe nennt.

In anderen Augenblicken, wenn er die so sanfte, so reine, so harmonische Stimme hörte, wenn er diesen so durchsichtigen Blick befragte, der nicht zu befürchten schien man könnte durch ihn in der Tiefe der Seele lesen, gelangt Maurice zum Glauben, ein solches Geschöpf wäre durchaus unfähig, zu täuschen, und dann fühlte er eine bittere Freude bei dem Gedanken, daß dieser schöne Körper, Seele und Materie, diesem guten Bürger mit dem ehrlichen Lächeln mit den Alltagsspäßen gehörte und immer nur ihm gehören würde.

Man sprach von Politik: das konnte kaum anders sein. Was in einer Zeit sagen, wo die Politik sich in Alles mischte, auf den Grund der Teller gemalt war, all Wände bedeckte, und zu jeder Stunde in den Straße proclamirt wurde.

Plötzlich verlangte einer von den Gästen, der bis dahin geschwiegen hatte, Kunde von den Gefangenen im Temple.

Maurice bebte unwillkührlich bei dem Klange dieser Stimme. Er erkannte den Mann, der, stets für die äußersten Mittel, ihn zuerst mit seinem Dolche gestochen und dann für seinen Tod gestimmt hatte.

Dieser Mann, ein Rothgerber, ein Werkführer, so bezeichnete ihn wenigstens Dirmer, erweckte bald die gute Laune von Maurice, als er die patriotischsten Gedanken und die revolutionärsten Grundsätze aussprach. Der junge Municipal war unter gewissen Umständen durchaus kein Feind von den kräftigen Maßregeln, wie sie damals so sehr in der Mode, und deren Apostel und Held Danton war. An der Stelle dieses Mannes, dessen Waffe und Stimme so schmerzliche Empfindungen bei ihm erregt hatten und noch erregten, hätte er denjenigen, welchen er für einen Spion gehalten, nicht ermordet, sondern in einen Garten geführt und hier, mit gleichen Waffen, einen Säbel in der Hand wie sein Gegner, ohne Gnade und Barmherzigkeit bekämpft. Das hätte Maurice gethan. Doch er begriff bald, wie es zu viel verlangen hieß, daß ein Rothgerbergeselle thun sollte, was Maurice gethan hätte.

Dieser Mann mit den äußersten Maßregeln, der in seinen politischen Ansichten dieselben heftigen Systeme haben schien, wie bei seinem Privatbenehmen, sprach also vom Temple und wunderte sich darüber, daß man seine Gefangenen einem permanenten, leicht zu bestechenden Rath und Minicipalen anvertraute, deren Treue schon mehr als einmal versucht worden war.

»Ja,« sprach der Bürger Morand, »doch man muß zugeben, daß bis jetzt bei jeder Veranlassung das Benehmen dieser Municipale das Vertrauen gerechtfertigt hat, welches die Nation in sie setzt, und die Geschichte wird einst sagen, nicht nur der Bürger Robespierre allein verdiene den Namen des Unbestechlichen.«

»Allerdings, allerdings,« versetzte der Andere, »doch daraus, daß eine Sache noch nicht geschehen ist, zu schließen, sie werde nie geschehen, wäre einfältig. Es ist gerade wie in der Nationalgarde,« fuhr der Werkführer fort; »die Compagnien der verschiedenen Sectionen werden jede nach ihm Reihe zum Dienst des Temple berufen und zwar ohne Unterschied. Gebt Ihr nicht zu, daß sich in einer Coipagnie von zwanzig bis fünf und zwanzig Mann ein Kern von acht bis zehn entschlossenen Burschen finden könnte, welche in einer schönen Nacht die Schildwachen ermorden und die Gefangenen entführen dürften?«

»Bah!« versetzte Maurice, »Du siehst, Bürger, daß dies ein schlechtes Mittel ist, denn vor drei Wochen oder einem Monat wollte man es anwenden, und es ist nicht gelungen.«

»Ja,« entgegnete Morand, »aber nur weil einer von den Aristokraten, welche die Patrouille bildeten, so unklug war, als er, ich weiß nicht mit wem sprach, sich das Wort mein Herr entschlüpfen zu lassen.«

 

»Und dann,« sagte Maurice, der durchaus beweisen wollte, die Polizei der Republik sei gut beschaffen, »und dann, weil man bereits die Rückkehr des Chevalier von Maison-Rouge nach Paris wahrgenommen hatte.«

»Bah!« rief Dinner.

»Man wußte, daß Maison-Rouge in Paris war fragte Morand mit kaltem Tone. »Und wußte man auch durch welches Mittel er dahin gekommen war?«

»Ganz genau.«

»Ah, Teufel!« versetzte Morand, indem er sich vorwärts neigte, um Maurice anzuschauen. »Ich wäre begierig, dies zu erfahren, bis jetzt hat man uns noch nichts Bestimmtes hierüber sagen können. Aber Sie, Bürger Sie, der Secretaire von einer der bedeutendsten Sectionen von Paris, Sie müssen besser unterrichtet sein?«

»Ganz gewiß,« erwiderte Maurice, »das was ich Ihnen sagen werde, ist auch strenge Wahrheit.«

Alle Gäste und selbst Genevièveschienen dem, wie der junge Mann zu sagen im Begriffe war, die größte Aufmerksamkeit zu schenken.

»Nun wohl.!« sprach Maurice, »der Chevalier von Maison-Rouge kam von der Vendée, wie es scheint; hatte mit seinem gewöhnlichen Glück ganz Frankreich durchzogen: während des Tags an der Barrière du Roule angelangt, wartete er hier bis Abends um neun Uhr. Um neun Uhr Abends ging eine Frau, als Frau aus dem Volke verkleidet, durch diese Barrière hinaus und brach dem Chevalier die Kleidung eines Chasseur der Nationalgarde; zehn Minuten nachher kehrte sie mit ihm zurück, die Schildwache, welche sie allein hatte hinausgehen sehe schöpfte Verdacht, als sie in Begleitung zurückkam. Sie machte Lärm auf dem Posten, der Posten kam heran die zwei Schuldigen begriffen, daß es auf sie abgesehen war, und warfen sich in ein Hotel, wo sich eine zwei Thüre nach den Champs-Elysées für sie öffnete. E scheint, daß eine ganz und gar den Tyrannen ergebe, Patrouille den Chevalier an der Ecke der Rue Barre-du-Bec erwartete. Das Uebrige wissen Sie,«

»Ah! ah!« sagte Morand, »was Sie uns da erzählen, ist seltsam.«

»Und besonders genau,« sprach Maurice.

»Ja, es sieht so aus; doch die Frau, weiß man, was aus ihr geworden ist?«

»Nein, sie ist verschwunden, und man weiß durchaus nicht, wer sie ist und was sie ist.«

Der Associé des Bürger Dirmer und der Bürger Dirmer selbst schienen freier zu athmen.

Geneviève hatte diese ganze Erzählung bleich, unbeweglich, stumm angehört.

»Aber wer kann sagen,« sprach der Bürger Morand mit seiner gewöhnlichen Kälte, »wer kann sagen, der Chevallier von Maison-Rouge habe zu der Patrouille gehört, welche den Lärmen im Temple veranlaßt?«

.Einer von meinen Freunden, ein Municipal, hatte an diesem Tage Dienst im Temple und erkannte ihn.«

»Er wußte also sein Signalement?«

«Er hatte ihn früher gesehen.«

»Und was für ein Mann ist dieser Chevalier von Maison-Rouge äußerlich?«

»Ein Mann von fünf und zwanzig bis sechs und zwanzig Jahren, klein, blond, von angenehmer Gesichtsbildung, mit herrlichen Augen und prächtigen Zähnen.«

Es trat ein tiefes Stillschweigen ein.

»Nun!« sagte Morand, »wenn Ihr Freund, der Municipal, den angeblichen Chevalier von Maison-Rouge erkannte, warum hat er ihn nicht verhaftet?«

»Einmal befürchtete er, weil er nichts von, seiner Ankunft in Paris wußte, durch eine Aehnlichkeit getäuscht zu werden, und dann ist mein Freund ein wenig lau; im Zweifel that er, was die Weisen und die Lauen thun: im Zweifel enthielt er sich.«

»Sie hätten nicht so gehandelt, Bürger?« sagte Dirmer heftig lachend.

»Nein, ich muß es gestehen, lieber würde ich mich täuscht haben, als daß ich einen so gefährlichen Mann, wie es der Chevalier von Maison-Rouge ist, hätte entwischen lassen.«

»Und was hätten Sie denn gethan, mein Herr?« fragte Geneviève.

»Was ich gethan hätte, Bürgerin?« versetzte Maurice, »oh mein Gott! das wäre kurz gewesen; ich hätte all Thore des Temple geschlossen; dann wäre ich gerade an die Patrouille zugegangen, hätte den Chevalier am Kragen gepackt und zu ihm gesagt: »»Chevalier von Maison-Rouge, ich verhafte Sie als Verräther an der Nation;'« und hätte ich ihn einmal am Kragen gehabt, so würde ich ihn nicht mehr losgelassen haben, dafür stehe ich.«

»Aber was wäre dann geschehen?« fragte Geneviève

»Man hätte ihm und seinen Mitschuldigen den Prozess gemacht und zu dieser Stunde wäre er guillotinirt.«

Geneviève schauerte und warf ihrem Nachbar einen Blick des Schreckens zu.

Doch der Bürger Morand schien diesen Blick nicht zu bemerken, leerte phlegmatisch sein Glas und sprach:

»Der Bürger Lindey hat Recht; es war nichts Anderes zu thun; doch leider hat man es nicht gethan.«

»Weiß man, was aus dem Chevalier von Maison-Rouge geworden ist?« fragte Geneviève.

»Bah!« versetzte Dirmer, »wahrscheinlich verlangte er nicht mehr und hat, als er seinen Versuch mißlungen sah, Paris unmittelbar verlassen.«

»Und vielleicht sogar Frankreich,« fügte Morand bei

»Keines Wegs, keines Wegs,« sprach, Maurice.

»Wie, er hat die Unklugheit gehabt, in Paris zu bleiben!« rief Geneviève.

»Er hat sich nicht von der Stelle gerührt.«

Eine allgemeine Bewegung des Erstaunens empfing die von Maurice mit so viel Sicherheit ausgesprochene Ansicht.

»Es ist eine Voraussetzung, was Sie da sagen, Bürger,« entgegnete Morand, »eine Voraussetzung, nichts Anderes.«

»Nein, ich behaupte eine Thatsache.«

»Oh! ich gestehe,« versetzte Geneviève, »ich meines Theils kann nicht glauben, was Sie sagen, Bürger, denn das wäre eine unverzeihliche Unklugheit.«

»Sie sind eine Frau, Bürgerin; Sie begreifen also Eines, was bei einem Mann von dem Charakter des Chevallier von Maison-Rouge alle mögliche Betrachtungen persönlicher Sicherheit überwiegen mußte.«

»Und was kann mehr Gewicht haben, als die Furcht, das Leben aus eine so schauderhafte Weise zu verlieren?«

»Ei mein Gott! Bürgerin, die Liebe,« sprach Maurice.

»Die Liebe!« wiederholte Geneviève.

»Allerdings. Wissen Sie denn nicht, daß der Chevallier von Maison-Rouge in Antoinette verliebt ist?«

Ein schüchternes, gezwungenes Gelächter der Ungläubigkeit machte sich auf zwei oder drei Seiten hörbar. Dirmer schaute Maurice an, als wollte er in der Tiefe seiner Seele lesen. Geneviève fühlte, wie Thränen ihre Augen befeuchteten, und ein Schauer, der Maurice nicht entgehen konnte, durchlief ihren ganzen Körper. Der Bürger Morand vergoß Wein von seinem Glase, das er in diesem Augenblick an seine Lippen setzte, und Maurice hätte über seine Blässe erschrecken müssen, wäre nicht die ganze Aufmerksamkeit des jungen Mannes in diesem Augenblick auf Geneviève zusammengedrängt gewesen.

»Sie sind bewegt, Bürgerin?« flüsterte Maurice.

»Haben Sie nicht gesagt, ich würde begreifen, da ich eine Frau sei? Nun wohl, uns Frauen rührt stets eine Ergebenheit, so sehr sie auch unsern Grundsätzen widersprechen mag.«

»Und die des Chevalier von Maison-Rouge ist um so größer, als man versichert, er habe nie mit der Königin gesprochen.«

»Ah! Bürger Lindey,« sprach der Mann mit den äußersten Mitteln, »mir scheint, erlaube, daß ich Dir dies sage, mir scheint, Du bist sehr nachsichtig gegen den Chevallier.«

»Mein Herr,« erwiderte Maurice, der sich vielleicht absichtlich des Wortes bediente, das gebräuchlich zu sein aufgehört hatte, »ich liebe alle stolze und muthige Naturen: was mich indessen nicht abhält, sie zu bekämpfen wenn ich ihnen in den Reihen meiner Feinde begegne, Ich verzweifle nicht, den Chevalier von Maison-Rouge eines Tags zu treffen.«

»Und . . .« machte Geneviève.

»Und wenn ich ihn treffe. . . nun so werde ich n ihm kämpfen.«

Das Abendbrot war beendigt. Geneviève gab das Beispiel zum Rückzug, indem sie zuerst aufstand.

In diesem Augenblick schlug die Pendeluhr.

»Mitternacht,« sagte Morand mit kaltem Tone.

»Mitternacht!« rief Maurice, »schon Mitternacht!

»Das ist ein Ausruf, der mir Vergnügen macht, sprach Dirmer; »er beweist mir, daß Sie sich nicht gelangweilt haben, und gewährt mir die Hoffnung, wir werden uns wiedersehen. Es ist das Haus eines guten Patrioten, das man Ihnen öffnet und, ich hoffe, Sie werde bald wahrnehmen, Bürger, daß es das eines Freundes ist.«

Maurice verbeugte sich, wandte sich gegen Geneviève und fragte:

»Erlaubt mir die Bürgerin auch, wiederzukommen?

»Ich erlaube es nicht nur, ich bitte Sie darum/ sprach lebhaft Geneviève. »Gute Nacht, Bürger.«

Und sie kehrte in ihre Wohnung zurück.

Maurice nahm Abschied von allen Gästen, grüßt besonders Morand, der ihm ungemein gefallen hatte drückte Dirmer die Hand und entfernte sich betäubt, ohne mehr freudig als betrübt über alle die so verschiedenartigen Ereignisse, welche diesen Abend belebt hatten.

»Ein ärgerliches, ärgerliches Zusammentreffen!« sagte nach dem Abgange von Maurice die junge Frau, indem sie in Gegenwart ihres Mannes, der sie in ihr Zimmer geführt in Thränen zerfloß.

»Bah! der Bürger Maurice Lindey, ein anerkannte Patriot, Secretaire einer Section rein, angebetet, volksthümlich, ist im Gegentheil eine sehr kostbare Erwerbung für einen armen Rothgerber, der eingeschmuggelte Waaren in seinem Hause hat,« entgegnete Dirmer lächelnd.

»Sie glauben also, mein Freund,« fragte schüchtern Geneviève.

»Ich glaube, daß es ein Patent des Patriotismus, ein Siegel der Absolution ist, das er aus unser Haus drück; und ich denke, von diesem Abend an wäre sogar in Chevalier von Maison-Rouge in unserem Hause in Sicherheit.«

Hiernach küßte Dirmer seine Frau mit einer viel mehr väterlichen als ehelichen Zuneigung auf die Stirne, ließ sie in dem kleinen Pavillon, der ihr allein geweiht war, und ging wieder in den andern Theil des Gebäudes, welchen er mit den Gästen, die wir an seinem Tische gesehen, wohnte.

X.
Der Schuhflicker Simon

Man war zum Anfang des Monats Mai gelangt; ein reiner Tag erweiterte die Brust, welche müde war, die eisigen Nebel des Winters einzuathmen, und die Strahlen einer warmen, belebenden Sonne fielen aus die schwarze Mauer des Temple herab.

Doch trotz dieses schönen Tages und obgleich man den Gefangenen anbot, sie könnten im Garten spazieren gehen, weigerten sich die drei Frauen, ihr Gefängniß zu verlassen; seit der Hinrichtung ihres Gemahls blieb die Königin hartnäckig in ihrem Zimmer, um nicht vor der Thüre des Gemaches, das der König im zweiten Stocke bewohnt hatte vorüber gehen zu müssen..

Wenn, sie zufällig seit der unseligen Epoche des 21. Januar Luft schöpfte, so geschah es oben auf dem Thurm dessen Zinnen man mit Läden verschlossen hatte.

Die Nationalgarden vom Dienste, welche davon Kenntniß gesetzt waren, daß die drei Frauen ihr Zimmer zu verlassen Erlaubniß erhalten hatten, warteten also vergebens den ganzen Tag, daß sie von dieser Erlaubnis Gebrauch machen würden.

Gegen fünf Uhr kam ein Mann herab und näherte sich dem den Posten commandirenden Sergenten.

»Ah! ah! Du bist es, Vater Tison,« sprach Letztere, der ein Nationalgarde von heiterer Laune zu sein schien.

»Ja, ich bin es, Bürger; ich bringe Dir vom Municipal Maurice Lindey, Deinem Freunde, der da oben ist, die vom Rathe des Temple meiner Tochter zugestandene Erlaubniß, diesen Abend ihrer Mutter einen Besuch zu machen.«

»Und Du gehst in dem Augenblick aus, wo Deine Tochter kommen wird, entarteter Vater?« sagte der Sergent.

»Oh! ich gehe sehr ungern weg, Bürger Sergent. Ich hoffte auch, mein armes Kind zu sehen, das ich seit zwei Monaten nicht gesehen habe, und es, was man sagt, tüchtig zu umarmen, wie ein Vater seine Tochter umarmt. Ja wohl, geh' spazieren! Der Dienst, der verdammte Dienst treibt mich fort; ich muß auf die Gemeinde gehen, um meinen Bericht abzustatten. Ein Fiacker erwartet mich vor der Thüre mit zwei Gendarmen, und dies gerade in dem Augenblick, wo meine arme Sophie kommen wird.«

»Unglücklicher Vater!« rief der Sergent.

 
»Aus Liebe für das Vaterland
Verstummt in dir des Blutes Stimme,
Wenn jenes seufzt und diese fleht,
So opfere der Pflicht . . .«
 

»Sage, Vater Tison, wenn Du zufällig einen Reim auf Stimme findest, so wirst Du mir es mittheilen. Er fehlt mir für den Augenblick.«

»Und Du, Bürger Sergent, wenn meine Tochter kommt, um ihre arme Mutter zu besuchen, welche beinahe stirbt, daß sie ihr Kind nicht sehen kann, so läßst Du sie vorbei.«

»Der Befehl ist in Ordnung,« erwiderte der Sergent, in welchem der Leser ohne Zweifel bereits unsern Freund Lorin erkannt hat; »ich habe also nichts zu sagen; Kommt Deine Tochter, so wird sie passieren.«

»Ich danke, braver Thermopyle, ich danke,« sprach Tison.

Und er entfernte sich, um der Gemeinde seinen Bericht zu machen, und murmelte:

 

»Ah! wie wird meine arme Frau glücklich sein.«

»Weißt Du, Sergent,« sprach ein Nationalgarde, als er Tison weggehen sah und die Worte hörte, die er entfernend sagte; »weißt Du, daß einen solche Dinge Herz schauern machen?«

»Was für Dinge, Bürger Devaur?« fragte Lorin.

»Wie!« versetzte der mitleidige Nationalgarde, »diesen im Mann mit dem so harten Gesichte, diesen Mann mit dem ehernen Herzen, diesen unbarmherzigen Wächter der Königin weggehen sehen, eine Thräne im Auge, halb vor Freude, halb vor Schmerz bei dem Gedanken, seine Frau werde seine Tochter umarmen, und er werde es nicht können! Sergent, man darf hierüber nicht zu viel nachdenken, denn in der That, das macht traurig.«

»Allerdings, und darum denkt dieser Mensch, der eine Thräne im Auge weggeht, wie Du sagst, selbst nicht nach.«

»Und worüber sollte er nachdenken?«

»Daß seit drei Monaten die Frau, welche er mit unbarmherziger Roheit behandelt, ihr Kind ebenfalls nicht gesehen hat. Er denkt nicht an ihr Unglück, er denkt nur an das seinige; das ist das Ganze. Diese Frau war allerdings Königin,« fuhr der Sergent in einem spöttischen Tone fort, dessen Sinn nicht leicht zu verdolmetschen war, »und man braucht für eine Königin nicht dieselben Rücksichten zu nehmen, die man für die Frau eines Tagelöhners nimmt.«

»Gleichviel, Alles dies ist sehr traurig,« versetzte Devaur.

»Traurig, aber nothwendig,« sprach Lorin; »es ist also wie Du gesagt hast, das Beste, nicht darüber nachzudenken.«

Und er fing an zu trällern:

 
»Unter grünem Gebüsche,
Wandelte gestern allein,
Sanft lauschend dem Vogelgezische
Risette im düsteren Hain.«
 

Lorin war so weit in seinem bukolischen Liebe, das sich plötzlich ein gewaltiges Geräusch aus der linken Seite des Postens hörbar machte: es war gemischt aus Schweren, Drohungen und lautem Weinen.

»Was ist das?« fragte Devaur.

»Man sollte glauben, es wäre die Stimme eines Kindes,« erwiderte Lorin horchend.

»In der That,« versetzte der Nationalgarde, »es ist ein armer Kleiner, den man schlägt; wahrlich, man sollte, nur diejenigen, die keine Kinder haben, Hierher schicken,

»Willst Du singen?« sagte eine rauhe, weingrüne Stimme.

Und die Stimme sang, gleichsam um ein Beispiel zu geben:

 
»Madame Veto that versprechen,
Ganz Paris den Hals zu brechen.
 

»Nein,« rief das Kind, »ich werde nicht singen.«

»Willst Du singen?«

Und die Stimme fing wieder an:

 
»Madame Veto that versprechen . . .«
 

»Nein,« rief das Kind, »nein! Nein! nein!«

»Ah! kleiner Schurke,« rief die heisere Stimme.

Und das Geräusch eines pfeifenden Riemens durchschnitt die Luft. Das Kind heulte vor Schmerz

»Ah! all« Gewitter,« sagte Lorin, »das ist der schändliche Simon, der den kleinen Capet schlägt.«

Einige Nationalgarden zuckten die Achseln, zwei oder drei suchten zu lächeln. Devaur stand auf und entfernte sich.

»Ich sagte es wohl,« murmelte er, »die Väter sollten nie hierher kommen.«

Plötzlich öffnete sich eine niedrige Thüre und das königliche Kind machte, gejagt von der Peitsche seines Wächters, fliehend mehrere Schritte im Hof; doch hinter ihm erscholl etwas Schweres aus dem Pflaster und traf es an das Bein.

»Ah!« rief das Kind.

Und es wankte und fiel auf ein Knie.

»Bring mir meinen Leisten, kleines Ungeheuer, oder ich werde Dir . . .«

Das Kind stand auf und schüttelte dm Kopf, eine Weigerung bezeichnend.

»Ah! steht es so . . .« rief dieselbe Stimme, »«warte, Du sollst sehen . . .«

Und der Schuhflicker Simon stürzte aus seiner Stube hervor, wie ein wildes Thier aus seiner Höhle.

»Holla! holla!« sprach Lorin die Stirne faltend; »wo hinaus, Meister Simon?«

»Ich will diesen kleinen Wolf bestrafen,« erwiderte der Schuhflicker.

»Und warum ihn bestrafen?«

»Warum?«

»Ja.«

»Weil dieser kleine Schuft weder singen will, wie ein guter Patriot, noch arbeiten, wie ein guter Bürger.«

»Nun, was macht das Dir?« entgegnete Lorin, »hat Dir die Nation Capet anvertraut, damit Du ihn singen lehrst?«

»Ei, ei!« entgegnete Simon erstaunt, »in was mischt Du Dich, Bürger Sergent? Das frage ich Dich.«

»In was ich mich mische? ich mische mich in das was jeden Mann von Herz angeht. Es ist aber eine Mannes von Herz, der ein Kind schlagen sieht, unwürdig, zu dulden, daß man es schlägt.«

»Bah! der Sohn des Tyrannen.«

»Ist ein Kind, ein Kind, das keinen Theil an den Verbrechen seines Vaters gehabt hat, ein Kind, das nicht schuldig ist, und das man folglich nicht strafen darf.«

»Und ich, ich sage, daß man mir den Kleinen gegeben hat, daß ich mit ihm mache, was ich will. Ich will daß er das Lied von Madame Veto singt, und er wird es singen.«

»Elender!« rief Lorin, »Madame Veto ist die Mutter dieses Kindes; möchtest Du gern, daß man Deinen Sohn zwänge, zu singen, Du seist eine Canaille?«

»Ich!« brüllte Simon; »schlimmer, oh! schlimmer Aristokrat von einem Sergenten.«

»Ah! keine Beleidigungen,« sagte Lorin, »ich dir nicht Capet, und man läßt mich nicht mit Gewalt singen.«

»Ich werde Dich verhaften lassen, schlimmer Ci-devant.«

»Du,« versetzte Lorin, »Du wirst mich verhaften lassen; versuche es, einen Thermopylen verhaften zu lassen,

»Gut, gut, wer zuletzt lacht, lacht am besten; mittlerweile hebe meinen Leisten auf, Capet, und mache Deinen Schuh, oder tausend Donner! . . .«

»Und ich,« rief Lorin, welcher furchtbar erbleichte und die Fäuste geballt, die Zähne an einander gepreßt, einen Schritt vorwärts that, »ich sage Dir, daß er Deinen Leisten nicht aufheben wird, ich sage Dir, daß er keine Schuhe machen wird, hörst Du, schlimmer Geselle? Ah! ja, Du hast da Deinen großen Säbel, doch er macht mir ebenso wenig bange, als Du selbst. Wage es nur, ihn zu ziehen.«

»Ah! alle Teufel,« brüllte Simon, vor Wuth erbleichend.

In diesem Augenblick traten zwei Frauen in den Hof; die eine von ihnen hielt ein Papier in der Hand, sie wandte sich an die Schildwache.

»Sergent,« rief die Schildwache, »es ist die Tochter von Tison, welche ihre Mutter zu sehen verlangt.«

»Laß sie vorbei, da es der Rath des Temple gestattet,« sprach Lorin, der sich nicht einen Augenblick abwenden wollte, aus Furcht, Simon könnte seine Zerstreuung benützen, um das Kind zu schlagen,

Die Schildwache ließ die zwei Frauen vorüber; doch kaum waren sie vier Stufen der dunklen Treppe hinaufgestiegen, als sie Maurice Lindey begegneten, der für einen Augenblick in den Hof hinabging,

Es war beinahe Nacht geworden, so daß man die Züge ihrer Gesichter nicht unterscheiden konnte.

Maurice hielt sie an und fragte:

»Wer seid Ihr, Bürgerinnen, und was wollt Ihr?«

»Ich bin Sophie Tison,« sagte die eine von den zwei Frauen, »Ich habe die Erlaubniß erhalten, meine Mutter zu besuchen, und komme deshalb hierher.«

»Ja,« versetzte Maurice; doch die Erlaubniß ist nur für Dich allein, Bürgerin!«

»Ich habe meine Freundin mitgebracht, damit wir wenigstens zwei Frauen mitten unter den Soldaten seien.«

»Sehr gut; doch Deine Freundin wird nicht hinaufgehen.«

»Wie es Ihnen beliebt, Bürger,« sagte Sophie Tison, indem sie ihrer Freundin, welche, sich an die Wand anlehnend, von Erstaunen und Schrecken ergriffen zu sein schien, die Hand drückte,

»Bürger Schildwachen,« rief Maurice, indem er den Kopf erhob und sich an die Wachen wandte, welche in jedem Stocke ausgestellt waren, »laßt die Bürgerin Tison passieren; ihre Freundin darf aber nicht vorbei. Sie wird auf der Treppe warten, und Ihr seid dafür besorgt, daß man sie anständig behandelt.«

»Ja, Bürger,« antworteten die Wachen.

»Geht also,« sagte Maurice.

Die zwei Frauen gingen an ihm vorbei.

Maurice sprang die vier oder fünf Stufen vollends, hinab und schritt rasch in den Hof.

»Was gibt es?« fragte er die Nationalgarden »was veranlaßt diesen Lärmen? Man hört das Geschrei eines Kindes bis im Vorzimmer der Gefangenen.«

»Höre,« sagte Simon, der, an die Manieren de Municipale gewöhnt, als er Maurice erblickte, glaubte es käme ihm Verstärkung zu; »höre, dieser Aristokrat dieser Ci-devant verhindert mich, Capet durchzuprügeln.»

Und er deutete mit der Faust aus Lorin,

»Ja, bei Gott! ich verhindere ihn,« sagte Lorin von Leder ziehend, »und wenn Du mich noch ein einziges Mal Ci-devant, Aristokrat oder Verräther nennst, so renne ich Dir meinen Säbel durch den Leib.«