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Der Arzt auf Java

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»Arme Cora,« sagte Esther, indem sie mit ihren weißen zarten Fingern durch das dichte Haar der jungen Negerin fuhr, »Du hast viel gelitten. Aber ich werde es versuchen, Dein übriges Leben minder sorgenvoll zu machen, als der Anfang desselben war.«

Cora senkte die Augen und antwortete nicht. Eusebius konnte durch nichts von dem Ziele abgewendet werden, dem er zustrebte.

»Aber,« sagte er, »wenn Du damals zehn Jahre alt warst, so würdest Du jetzt vielleicht nicht den Fels wieder zu finden wissen, auf welchem sich der Austritt zutrug, den Du soeben erzähltest.«

»Sagt, daß Euch damit ein Gefalle geschieht, verbindet mir dann die Augen und in der finstersten Nacht werde ich Euch hinführen,« sagte Cora mit Voller Zuversicht.

»Mein Gott,« fiel Esther ein, »weshalb quälst Du das arme Kind wegen einer Sache, die vielleicht nur eine Kinderei ist? Welchen Werth kannst Du denn diesem Steine beilegen?«

»Esther,« sagte Eusebius. indem er seine Stimme dämpfte, als fürchte er, sie möchte durch die Mauern gehört werden, »dieser Stein ist ein Diamant!«

»Wirklich?« sagte die junge Frau, indem sie den kostbaren Gegenstand mit kindischer Neugier betrachtete.

»Ja, ein Diamant, und wenn, wie alles dies vermuthen läßt, er nicht der einzige dort war, und man, indem man dem Bache folgt, der ihn in seinem Laufe mit fortgerissen hat, zu dem Gebiete gelangen kann, das diese Steine enthält, so urtheile von dem Reichthume, den der Besitzer eines solchen Schatzes erwerben würde!«

Indem Eusebius so sprach, war sein Farbe lebhafter geworden und seine Augen funkelten in ungewöhnlichem Glanze. Esther wurde dadurch beinahe erschreckt.

»Mein Freund,« sagte sie, »wo ist die Zeit hin, zu welcher Du unseren gegenwärtigen Reichthum zurückweisen wolltest? Wo sind die Pläne, uns der Schätze zu entledigen, nachdem wir sie dazu benützt haben würden, unseren Kindern das zu begründen, was früher das Ziel unseres ganzen Strebens war, nämlich einen bescheidenen Wohlstand.«

Dieser Vorwurf, der erste vielleicht, den sie jemals an Eusebius gerichtet hatte, rührte diesen nicht, aber zum ersten Male fühlte er sich dadurch gegen seine Frau aufgebracht.

Sobald das Herz, an welches man sich wendet, nicht mehr ganz eingenommen ist, wird es zu einem unverzeihlichen Unrecht, gegen dasselbe Recht zu haben; man verletzt es, man demüthigt es, man verwundet es, ohne es zu überzeugen; gleich allen Tyrannen sind die Leidenschaften taub gegen das, was ihnen nicht schmeichelt.

Die Worte Esther’s, welche auf die fieberhaften Gluthen der Habgier fielen, von der die Seele ihres Mannes erfüllt war, brachte die Wirkung des Oeles auf das Feuer hervor: Weit entfernt, ihn zu beruhigen, reizten sie ihn. Er antwortete voll Bitterkeit, vertheidigte heftig das, was er die Liebe zu seiner Familie nannte, die Sorge für das Wohl der Seinigen, und die Thränen, die er aus den Augen Esther’s fließen sah, als sie ihn um Verzeihung bat, rührten ihn nicht.

Obgleich die Ergebung Esther’s in jeden Willen ihres Mannes für die Verlängerung von dessen Zorn keinen Vorwand ließ, währte es dennoch längere Zeit, bis der Friede zwischen beiden Gatten wieder hergestellt war. Mochte Esther immerhin die unglücklichen Worte, die diesen Sturm heraufbeschworen hatten, zu vergessen bitten, so kehrte Eusebius doch stets zu denselben zurück; er konnte sich nicht entschließen, sie zu vergessen und sein Unwille war so lebhaft, daß die arme Frau nach der kurzen und kalten guten Nacht, die sie von ihrem Manne empfing, gezwungen war, das freundliche und wohlwollende Lächeln zu beneiden, mit welchem Eusebius Cora antwortete, als die Negerin ihrem Gebieter sagte, er könnte, wenn er es wünschte, während einiger Tage den kostbaren Stein, die erste Ursache dieses häuslichen Zwistes, bewahren.

X.
Der Taikoekoie

Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch, stand Eusebius auf, doch statt unmittelbar nach Batavia hinabzugehen, wie dies seine Gewohnheit war, wenn er sich in Steene-Overlaß befand. ging er links und trat in den Campong der Chinesen.

Der frühen Stunde ungeachtet erfüllte die arbeitsame Bevölkerung dieses Stadtviertels bereits die Straßen; die wandernden Krämer, belastet mit den Lebensmitteln kreuzten sich in allen Richtungen und verkündeten mit verschiedenartigem Geschrei und mit betäubenden Instrumenten, Gemüse, Fische, Fleisch, lebendige Thiere, die sie in großen Körben auf ihren Schultern trugen, wie die Schalen einer Wange. Die Handlungsdiener säuberten die Thüren, stäubten die eleganten Schilder ab, die vertical herabhingen, so daß sie dem Publikum auf ihren beiden Seiten in goldenen Buchstaben den Namen des Kaufmannes zeigten; dann erschien dieser selbst mit seinem Suangvanne, dessen Kugeln er klingeln ließ, um das Glück herbeizurufen und das böse Geschick zu beschwören. Die Magazine waren überfüllt mit allen Erzeugnissen des himmlischen Reiches. Hier waren Gegenstände von Elfenbein, Fächer von Perlmutter, Schildpatt oder Sandelholz, bemalte Papierrollen, Bambusmeubel, Seidenwaaren aller Art und aller Farben und endlich Haufen von Lebensmitteln und unter diesen Vogelnester, Haifischflossen und ähnliche Leckerbissen der Chinesen.

Eusebius war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um diesen Bildern seine Aufmerksamkeit zu widmen; was er suchte, war ein Steinhändler, und als er ihn gefunden hatte, trat er in dessen Laden ein, zeigte ihm den Stein, den Cora ihm anvertraut und bat ihn, denselben zu prüfen.

Der Chinese ließ ihn auf seinem Schleifstein kreischen, betrachtete ihn auf allen Seiten mit seiner Loupe und entäußerte sich seiner nur mit einem lauten Seufzer, welcher Eusebius, wäre er nicht ohnehin schon davon überzeugt gewesen, gesagt haben würde, würde, daß es ein schwarzer Diamant war, und zwar ein schwarzer Diamant mit dem größten Werthe.

Eusebius warf auf den Ladentisch ein Silberstück, um den Chinesen für den Schmerz zu entschädigen, den er darüber empfand, sich einen so kostbaren Gegenstand nicht zueignen zu können. In der heitersten Stimmung erreichte er sein Comptoir in Batavia, welches er am Abend früher verließ, als sonst seine Gewohnheit war.

Als er nach Hause zurückkehrte, bemerkte er Cora in dem Kiosk an eben der Stelle sitzend, die Harruch zu seinem Lager gewählt hatte. Eusebius war über die erlangte Gewißheit so glücklich, daß er das Bedürfniß fühlte, sein Glück auszusprechen; statt daher gleichgültig und geringschätzig an der Negerin vorüberzugehen, wie es seine Gewohnheit war, trat er gerade auf sie zu.

»Es ist ein Diamant, den Du gefunden hast, Cora, und zwar der werthvollste von allen, ein schwarzer Diamant.«

»Das Herz des liebenden Weibes ist auch ein Diamant,« erwiederte Cora mit leiser Stimme; »aber weniger glücklich, als dieser Stein, raubt die Farbe ihm seinen Werth!«

Eusebius hielt es nicht für passend, diesem.schmerzhaften Ausrufe zu antworten; er gab sich ganz seiner Trunkenheit hin.

»Wenn alle Welt im Hause schläft, suche mich in meinem Zimmer auf, Cora,« sagte er Du mußt die Andeutungen vervollständigen, die Du mir gestern Abend gegeben hast.«

Als Cora ihren Gebieter so sprechen hörte, erbebte sie am ganzen Körper; ihre Lippen, gewöhnlich röther wie Corallen, wurden blaß. Ihre Augen schlossen sich unwillkürlich, sie taumelte, als ob ihre Füße sie nicht zu tragen vermöchten.

»Der Herr hat zu gebieten; er wird seine Sclavin stets gehorsam und überwürfig finden,« erwiederte Cora mit kaum hörbarer Stimme.

Als Alles im Hause schlief und die ersten Athemzüge der Madame van der Beek, neben der die Negerin ruhte, ihr bewiesen, daß sie fest eingeschlafen war, Verließ Cora ihr Lager und glitt durch den kleinen Gang, von dem wir gesprochen haben, nach dem Zimmer von Esther’s Gatten. Die Aufregung erstickte das arme Mädchen; sie war athemlos, außer sich; ihre Glieder zitterten, und gleichwohl zögerte sie auf ihrem Wege nicht, als ob sie durch einen höheren Willen, der den hörigen beherrschte, vorwärts getrieben würde, und ihre Hand erhob den Vorhang, der Eusebius’ Zimmer schloß, sobald sie den Stoff unter ihren Fingern rascheln fühlte.

Eusebius lag auf den Matten, welche den Fußboden bedeckten, und vor der großen Karte, welche der Ingenieur van der Velde von der Insel Jana entworfen hat. Neben ihm lag ein Haufen von Büchern und auf diesen Büchern der Diamant, der das Licht der beiden Kerzen wiederspiegelte, die das Gemach beleuchteten.

Eusebius war so ganz in seine topographischen Studien versunken, daß einige Augenblicke vergingen, bevor er bemerkte, daß Cora neben ihm stand. Endlich erhob er den Kopf, sah sie und rief: »Wahrlich, Du kommst zu rechter Zeit, Cora, denn ich kamt mich in diesem Gewirr von Bergen nicht zurecht finden.«

Doch Cora hatte ihn nicht gehört. Beidem Anblick dessen, welcher der Herr ihres Herzens geworden, wie er bereits der Herr ihrer Person war, schwanden die ihr noch übrig gebliebenen Kräfte, sie sank nieder auf die Knie, ergriff Eusebius’ Hand und bedeckte sie mit Küssen, deren Gluth die aus ihren Augen strömenden Thränen nicht zu kühlen Vermochten.

Eusebius machte eine Bewegung der Täuschung und des Unwillens. Um von Cora die Miittheilungen zu erlangen, die ihm nothwendig waren, hatte er eingewilligt, die Augen über das Gefühl zu schließen, welches die arme Negerin zu dieser Unterhaltung führte. Er willigte ein, das Glück nicht zu bemerken, das er gewährte, aber er rechnete darauf, seine Leidenschaft in den Schranken der Vernunft zu halten. Er wäre weit entfernt gewesen, zu vermuthen, daß das, was er als ein Zusammenkommen zu.einer Geschäftsangelegenheit betrachtete, gleich von allem Anfange eine solche Wendung nehmen würde. Er blieb kalt dem schönen Geschöpfe gegenüber, das sich in einer vielversprechenden Hingebung ihm zu Füßen warf. Das Nervenzucken, welches den Körper des jungen Mädchens ergriff- und ihren schwarzen, glänzenden Busen in heftigen Bewegungen hob, ließ ihn kalt; er blieb gleichgültig bei den verzweiflungsvollen Thränen Cora’s; kaum bemerkte er die Sorgfalt, die sie darauf verwendet hatte, sich zu schmücken, die Koketterie, mit welcher sie ihr Haar mit frischen und wohl riechenden Blumen durchflochten. Aber es war nicht mehr, wie einige Zeit zuvor das angebetete Bild Esther’s, welches Eusebius gegen die Verführung schützte, sondern es war egoistische Berechnung des Kaufmanns; der leichte Triumph, den er so erlangte, gewann dem neuen Gefühle eine unerhörte Kraft, welche dasselbe.zu der einzigen Aegide machte, die Eusebius in der Zukunft vor Gefahren bewahren sollte.

 

Während des Schluchzens, welches sich der Brust der Negerin entrang, bedachte Eusebius, daß nur zwei schwache Wände sein Zimmer von dem Gemache trennten, in welchem Esther schlief, daß sie bei dem Geräusche erwachen und zu ihm kommen könnte, ehe er von Cora die so gewünschten Auseinandersetzungen erlangt hätte.

Wenn sein Herz sich nicht erweichte, wenn seine Sinne eben so wenig nachgaben, wie sein Herz, so schaute er wenigstens Die, von der sein Interesse abhing und die stillschweigende Toleranz, mit welcher er die Leidenschaft der jungen Negerin hatte wachsen und sich entwickeln lassen, nicht, sondern beging eine Art moralischer Mitschuld, welche die Leidenschaft des Mädchens nur noch mehr steigern mußte.,

In der That waren die Ermahnungen, die er an sie richtete, sich den Gesetzen eines strengen Geschickes zu unterwerfen, nicht so unbedingt, daß sie nicht an dem Horizont, welchen Cora ihrer Liebe verlieh, einen Winkel für die Hoffnung gelassen hätten; seine Vorwürfe waren Bitten, seine Trostgründe nahmen einen solchen Ton der Zärtlichkeit au, daß die arme Negerin, wenn sie die Erinnerungen ihrer Träume vergessen hätte, sie dem unerhörten Glücke gegenüber wieder gewonnen haben würde, welches jedes der Worte ihres Gebieters in ihrem Herzen erweckte, gleich einem übernatürlichen Balsam augenblicklich die geschlagenen Wunden wieder heilend.

Nach einigen Augenblicken legte sich die fieberhafte Qual Cora’s, und glücklich und stolz darüber, daß ihr die Hand gelassen wurde, welche sie in die ihrige genommen hatte, konnte sie Eusebius darin beistehen, den Punct genau zu bestimmen, an welchem die Eruption des Golung-Gung stattgefunden hatte. Seiner Meinung nach mußte es auf dem südlichen Abhange des Berges Taikoekoie, zwischen dem Flecken Gavoet und dem Dorfe Sovetji, sein.

Die Karte deutete an, daß ein fahrbarer Weg bis zu dem ersten dieser beiden Orte führte; von dort, bis zu der Stelle, welche Cora als die bezeichnete, wo sie den Diamant gefunden hatte, war nur noch eine kurze Strecke zu Pferde zurückzulegen.

Eusebius entließ das junge Mädchen nicht, ohne ihr nochmals empfohlen zu haben, dahin zu streben, die Neigung zu besiegen, die sie zu ihm hinzog; aber er that dies mit einer so sanften Stimme, mit so zerstreuten Blicken, daß die Negerin daraus nothwendig schließen mußte, seine Worte ständen nicht im Einklang mit seinem Herzen und sie hätte einen wesentlichen Schritt dem Ziele entgegen gethan, dem sie so sichtbar zu strebte.

Die Folge war. daß, als Cora nach ihren täglichen Gewohnheiten ihren Gebieter an einem abgelegenen Orte der Wohnung bemerkte, dieser sich nicht enthalten konnte, durch ein freundliches Wort auf die Augensprache zu antworten, deren sich die Negerin bediente, und daß er nicht den Muth hatte, böse zu werden, als sie seine Hände nahm und ihre Lippen darauf drückte.

Eusebius glaubte durch die demüthige und ehrerbietige Haltung seiner Sclavin entwaffnet zu sein, aber er war nur deshalb kraftlos, weil es schon ein Geheimniß zwischen ihm und ihr gab und weil seine Mitschuld ihn vollkommen beherrschte, von so geringer Wichtigkeit dies Geheimniß auch sein mochte.

Indeß ertrug Eusebius voll Ungeduld die Zeit, während welcher er warten mußte, ehe er die Reise unternehmen konnte, die er beschlossen hatte, um das Diamantenlager aufzusuchen.

Madame van der Beek hatte sich kaum von ihrem Wochenlager erholt, und so sehr er auch auf ihre Kräfte baute, oder so sorglos er sich gegen Alles zeigte, was nicht Geschäfte betraf, erschrak er dennoch vor dem Gedanken, Tage, Wochen, Monate vielleicht, allein mit der schönen Sclavin zuzubringen, und er wollte deshalb die Reise nicht ohne Esther unternehmen. Ueberdies stillte Cora das Kind, und das arme kleine Wesen Derjenigen zu berauben, die ihm nothwendig war, würde eine Grausamkeit gewesen sein, zu welcher Eusebius noch nicht gelangt war, so heftig auch das Fieber sein mochte, das ihn verzehrte.

Seine gute und zärtliche Frau, die auf dem Gesichte ihres Mannes allen Eindrücken seiner Seele gefolgt war, errieth, was in ihm vorging und kam seinen glühendsten Wünschen entgegen.Eines Tages, an welchem Eusebius vielleicht zum hundertsten Male fragte, wann das kleine Kind entwöhnt werden würde, lächelte sie Eusebius freundlich zu und sagte, sie glaubte, eine Reise in das Gebirge würde für ihre Gesundheit, sowie für die ihres Kindes, zuträglich sein.

»Eine Reise in das Gebirge!« rief Eusebius, der nicht wußte, was er von diesem Gedanken halten sollte, welcher allen seinen Chimairen so sehr schmeichelte.

»Gewiß,« entgegnete Esther. »Ist nicht dort die Luft rein und frisch? Könnten wir uns nicht dort von der drückenden Hitze erholen, durch welche wir seit zwei Monaten hier so sehr leiden? Und dann,« fuhr Esther fort, welche ihrem Manne auch noch das Erröthen über die Habgier ersparen wollte, die sie ihm eines Tages zum Vorwurf gemacht hatte, »dann ist es mir auch gleichgültig, nach welchem Theile des Gebirges wir reisen und wir können daher den Berg Taikoekoie wählen; das würde für Dich eine Gelegenheit sein, zu untersuchen, ob der Diamant Cora’s noch Brüder hinterlassen hat.«

»Und Cora?« fragte Eusebius athemlos vor Hoffnung.

»Cora! Wir nehmen sie mit uns. Ich denke, mich von meinem Kinde nicht zu trennen, und dies kann wieder Cora nicht entbehren.«

Die Amme trat in diesem Augenblick ein; sie hatte die letzten Worte ihrer Gebieterin gehört und gleich Eusebius wurde sie heftig aufgeregt, obgleich es nicht dasselbe Gefühl war, welches Beide bewegte.

Eusebius schloß seine Frau in die Arme und küßte sie voll Entzücken.

Ach, es war nicht mehr Esther, der diese Aeußerungen galten, sondern es waren die Diamanten, welche die Augen blendeten, und von denen seine Einbildungskraft ihm gewaltige Haufen zeigte, welche seine Finger in strahlenden Garben umher streuten.

Eusebius betrieb die Vorbereitungen zu der Reise mit solchem Eifer, daß schon drei Tage nach der Mittheilung Esther’s an ihren Mann die kleine Caravane sich nach dem Innern der Insel auf den Weg machte. Sie reisten mit Post, wie dies der Gebrauch der reichen Colonisten Java’s ist, wo der Postdienst sehr gut versehen wird, und in einer großen Berline, vor welche ein Dutzend Pferde gespannt wurden, kleine, lebhafte und kräftige Thiere, die in dem Lande gezogen werden. Eingeborne folgten zu Fuße diesen Pferden, wie auch die Gangart derselben sein mochte, trieben sie mit der Stimme an und riefen die Arbeiter der Felder an den Saum der Straße zu Hilfe, um den schweren Wagen vorwärts zu schieben oder zu ziehen, wenn die Schwierigkeit des Weges ihn hemmte, oder wenn die kleinen Vierfüßler sich weigerten, ihren Dienst zu verrichten.

So ging man bis Bandong, indem man durch Buytenzorg und Tjonjon kam. Hier hörte die Straße auf, für Wagen fahrbar zu sein; Die Berline mußte in dieser letzteren Stadt zurückbleiben; die Frauen setzten die Reise in der Sänfte fort, die Männer stiegen zu Pferde.

An dem Abend ihrer Ankunft in Gavoet, und nachdem Eusebius seine Frau in dem Gemache untergebracht hatte, welches im Voraus bestellt worden war, hatte er nichts Eiligeres zu thun, als auf die Terrasse des Hauses hinabzugehen, um von hier aus den Berg Taikoekoie zu betrachten, von dem er während des Weges nur die schneebedeckten Gipfel hatte sehen können.

Zu seiner großen Ueberraschung war ihm auf seinem Beobachtungsposten schon Jemand zuvorgekommen. Cora, die Ellenbogen auf die Bambusballustrade gestützt, welche die Terrasse umgab, richtete die Augen auf die finsteren Massen des Granitgipfels, dessen Fuß in einer veilchenblauen Wolke verschwand und von welcher nur noch die Spitze von der untergehenden Sonne mit ihren letzten Strahlen beleuchtet wurde.

Die Negerin war so in ihre Betrachtungen versunken, daß sie Eusebius nicht hinter sich gehen hörte; er näherte sich ihr und berührte leise ihre Schulter. Sie erbebte, wendete sich um, und ihren Gebieter erkennend, stieß sie einen Schreckensschrei aus.

»Was hast Du denn, Kind?« sagte van der Beek. »Seit Du unter meinem Dache bist, erschreckt meine Anwesenheit Dich zum ersten Male.«

Das Lächeln, mit welchem Eusebius diese Worte begleitete, beruhigte das junge Weib nicht; sie zitterte fortwährend und stammelte zur Entschuldigung einige unverständliche Worte.

»Wahrlich,« fuhr ihr Herr fort, »ich erkenne Dich nicht mehr, Cora. Schon seit dem Du Weltevrede verlassen hast, bemerkte ich die sonderbare Veränderung, die mit Dir vorgegangen ist. Diese Reise, die Du Anfangs eben so sehr gewünscht zu haben scheinst, wie ich, ist Dir, wie ich bemerkt zu haben glaube, seitdem wir unterwegs sind, verhaßt geworden. Drei oder vier Mal überraschte ich Thränen in Deinen Augen. Was geht denn in Dir vor?«

»Herr, wie könnt Ihr denken, daß ich mit heiterem Herzen diese Orte wieder sehe, die so schmerzhafte Erinnerungen in mir erwecken?«

»Wir haben Dir nicht verhehlt, nach welcher Richtung wir reisen würden; Du hättest, um Dich zu betrüben, nicht zu warten brauchen, bis wir das Ziel unserer Reise erreichen, denn wir sind bei demselben. Dort liegt der Berg, der in seinen Eingeweiden die ungeheuren Reichthümer birgt, welche die unsrigen werden sollen.«

»Herr, Herr!« rief Cora, »überlegt es wohl, ehe Ihr es versucht, die Hand daran zu legen; der Geist des Berges ist geizig, wie die Menschen, und gleich ihnen hütet und vertheidigt er seine Reichthümer.«

Der Gedanke, in seinem Besitze die unversiegbare Quelle der Reichthümer zu haben, die er begehrte, verblendete Eusebius so sehr, daß diese Drohung mit übernatürlichen Geistern, über die er nach seinem Zusammentreffen mit Basilius erbebt sein würde, jetzt nicht den geringsten Eindruck auf ihn machte. Er zuckte gleichgültig die Achseln.

»Herr,« fuhr Cora fort, »waren wir nicht glücklich in dem großen Hause zu Weltevrede, Ihr über die zahllosen Güter, welche Gott Euch schon gesendet hatte und über die Liebe Eurer Frau, ich, Euch betrachten und mich in dem theilnahmvollen Blicke berauschen zu können, den Ihr auf Eure Sclavin fallen ließet? – Weshalb haben wir Weltevrede verlassen?«

Es lagen Thränen in der Stimme der Negerin, als sie diese Worte sprach, und ihr Ton verrieth eine heftige innere Aufregung.

»Sclavin,« sagte Eusebius mit beinahe drohendem Tone, »ungeachtet des Umweges, den Du machst, entdeckte ich dennoch die Wahrheit: Du hast mich betrogen.«

»Ich!« rief Cora voll Verzweiflung.

»Du hast mich betrogen, gestehe es! Die Geschichte von dem Auffinden dieses Diamanten ist ein Märchen; das Vorhandensein des Beckens, angefüllt mit ähnlichen Steinen, wie der, welchen Du mit Dir nahmst, ist eine Fabel; Du hast mich und meine alberne Leichtgläubigkeit verspottet; gestehe, und ich habe genug Mitleid für das unsinnige Gefühl, welches Dich so handeln ließ, um Dir Deine Lügen zu verzeihen.«

»Nein, Herr, ich habe nicht gelogen. O, glaube das nicht, ich beschwöre Dich bei dem Geiste meiner Mutter, die gestorben ist, um mir das Leben zu retten; ich sagte die Wahrheit, ich schwört es Dir.«

»Gut,« antwortete Eusebius durch den Eifer, mit welchem Cora diese Worte gesprochen hatte, beinahe überzeugt. »Morgen machen wir uns wieder auf den Weg, und wenn wir zwei Stunden zurückgelegt haben, und an dem Abhange des Taikoekoie sind, wo die eine Seite auf das Meer blickt, die andere auf die Ebene, werden wir sehen, ob Cora bei dem Geiste Derjenigen, die ihr das Leben gab, einen Meineid geleistet hat.«

»Nein, nicht morgen; nein, geht nicht nachdem Taikoekoie. Mein Gott, ich möchte etwas Anderes sein, als eine elende Sclavin, die es wagte, ihre Augen zu ihrem Gebieter zu erheben, um Dich mit dem Tone zu bitten, der Dich rührt. Verzichte auf Deinen Plan, Herr, verzichte darauf, nach dem Taikoekoie zu gehen.«

»Nimmermehr!« rief Eusebius. »Ich werde mich nicht mehr durch Dich hintergehen lassen! Sollte es auch nur geschehen, um Deine Unverschämtheit zu überführen; müßte ich auch auf die Hoffnung verzichten, die Du in meinem Busen erwecktest, so werden wir dennoch morgen die Felsfläche aufsuchen, die sich an eine Felsmauer lehnt, von deren Gipfel ein Bach herniederfällt, der in seinem Laufe Diamanten mit sich führt. Du siehst wohl, daß ich mich gut erinnere, Cora.«

 

»Wenn es diese glänzenden Steine sind, welche Dein Herz rühren können, so sprich, Herr, ich will nach allen Bächen der Berge gehen, ich will ihre Betten durchsuchen, meine Finger an den Felsen blutig ritzen, und Dir bringen, was ich finde; ohne für mich das Geringste zurückzubehalten, das schwöre ich Dir.«

»Unsinnige! Als ob auf der ganzen Insel vielleicht noch ein anderes Lager zu finden wäre, dem ähnlich, von dem Du mir gesagt hast. Cora, ich wiederhole Dir, daß diese Reise uns reich machen, oder Dich der Lüge überführen soll; bereite Dich deshalb vor, sie morgen mit Tagesanbruch anzutreten und uns als Führerin zu dienen.«

»Nein, suchet einen andern Führer,« erwiederte die Negerin indem sie den Kopf schüttelte. »Cora vermag es nicht, Euch nach dem Taikoekoie zu führen.«

»Elende!« rief Eusebius, einer Regung des Zornes nachgebend, und die Hand gegen die Negerin erhebend. Doch er schämte sich sogleich seiner Heftigkeit und fügte mit sanfterem Tone hinzu: »Das ist also die gränzenlose Ergebung, welche Cora für ihren Herrn zu hegen schien? Das ist also die Liebe, für die sie das Leben lassen würde, wie sie sagte, und die nicht bis zu dem Gehorsam gegen seinen Willen geht?«

Diese Berufung auf die Leidenschaft, welche das junge Weib verzehrte, eine Berufung, welche Eusebius zu Hilfe rief, weil er fürchtete, seine Hoffnungen getäuscht zu sehen, brachte eine unerwartete Wirkung hervor.

Cora warf sich ihrem Herrn zu Füßen, umschlang seine Knie mit ihren Armen, und rief:

»Laß die Hand, die Du erhoben hattest, auf Cora, niederfallen; schlage Deine Sclavin, tritt sie unter die Füße, aber verleumde nicht das Feuer, welche sie erfüllt und verzehrt. Nein, lieber als daß ich Dich an der Liebe zweifeln sehe, die hoffnungslos ist, wie sie unvergolten bleiben wird, lieber will ich den entsetzlichsten Tod erdulden, lieber will ich —«

Cora hielt hier mit einem Schrei inne, als ob eine unsichtbare Hand ihr die Gurgel zuschnürte; alle ihre Glieder zitterten krampfhaft, ihr Athem stockte, ihre Augen waren starr und wild nach der Seite des Berges Taikoekoie gerichtet.

Eusebius folgte dieser Richtung und erblickte eine rothe Feuersäule, welche von dem Fuße des Berges und der Mitte der Bäume aufstieg, die ihm als Gürtel dienten.,

Er erblickte darin nur ein ganz natürliches Ereigniß, das heißt, den Bivouak einiger Jäger und dachte nicht daran, ihm den plötzlichen Schrecken zuzuschreiben, von welchem Cora ergriffen wurde.

»Nun?« sagte er, indem er sich wieder zu ihr wendete.

»Ihr wollt es, Herr,« erwiederte das junge Mädchen mit erstickter Stimme, »Ihr wollt es und ich werde gehen; ich werde Euch zu dem Orte führen, an welchem die Diamanten unter einem Lager von flüssigem Krystall schlummern.«

Eusebius war zu aufgeregt, um schlafen zu können. Die Nacht hatte daher noch nicht zwei Drittel ihres Laufes zurückgelegt, als er sein Lager verließ, die größte Vorsicht anwendete, um Esther nicht zu erwecken, und zu dem Divan ging, auf welchem das Bett der Negerin bereitet war. Er schob leise die Wiege zur Seite, in welcher sein Kind ruhte, aber zu seiner großen Ueberraschung sah er das junge Mädchen nicht auf seinem Lager. Er empfand eine quälende Angst. Er vermuthete, Cora hätte dem Gefühl des Widerwillens, welches sie den Tag zuvor gegen diese Aussicht äußerte, nachgegeben, und die Flucht ergriffen. Er ging rasch hinunter um sich nach ihr und nach seinen Dienern zu erkundigen. Als er durch die Rohrveranda schritt; welche die Wohnung umgab, und auf das Haus zuging, in welchem die Dienerschaft untergebracht war, hörte er einen tiefen Seufzer, und blieb stehen. Zwei Schritte von sich entfernt, bemerkte er den Schatten einer schwarzen Gestalt.

»Bist Du es, Cora?« fragte Eusebius.

»Welche Andere, als Cora, würde wachen, weil Ihr wacht? Die Entfernung hindert ein liebendes Herz nicht, zu hören, und die Schläge des ihm theuren Herzens zu zählen. Das Deinige hatte das Fieber, das meinige ist von dem Uebel ergriffen worden und der Schlaf floh meine Augenlider, wie er die Deinigen geflohen hat.«

»Arme Cora! Weißt Du wohl, daß ich einen Augenblick glaubte, Du wärest nach Weltevrede zurückgekehrt?«

»Cora ist nur eine Sclavin, und die Wege liegen nicht offen vor Meinem Willen.«

»Cora, die zweite Mutter meines Sohnes, ist stets die Freundin unseres Hauses gewesen. Ich will nicht, daß ein anderes Band, als das ihrer Zuneigung, sie an uns fesselt; ich mache sie frei.«

»Wozu nützt es, die Fessel an Cora’s Händen zu zerreißen, wenn an ihren Füßen die schwere Eisenkette zurückbleibt, die sie zur Gefangenen macht? Cora wird stets Deine Sclavin sein, und die eines Anderen, der mächtiger ist, als Du.«

»Wer ist dieser andere Herr?«

Die Negerin zögerte einige Augenblicke mit der Antwort.

»Das Schicksal,« entgegnete sie endlich, »das Schicksal, welches sagt: geh weiter, und das mich zwingt zu gehen, selbst wenn ich die hohlen Augen des Todes vor mir erblicke, der gleich einem Panther, verborgen hinter einem Gebüsch, am Wege auf mich lauert.«

Eusebius zuckte die Achseln.

»Du bist also nicht vernünftiger, als gestern Abend?« rief er.

»Ich bin bereit, Dich zu den Abhängendes Taikoekoie zu führten,« sagte die Negerin und stand auf.

»Gut,« entgegnete Eusebius; »dann will ich meine Leute wecken, damit sie uns begleiten.«

»Nein,« erwiederte Cora, »der Geist des Berges ist ebenso mißtrauisch, wie vorsichtig; ein Mann und ein Weib, die allein kommen, werden seinen Argwohn weniger erregen.«

»Es sei,« sagte Eusebius, welcher meinte, dem Aberglauben des armen Mädchens dieses Zugeständniß machen zu können; »laß mich wenigstens Pferde nehmen.«

»Wozu? So flüchtig auch ihre Hufe sind, werden sie uns der Gefahr nicht entreißen, die sich vor uns erhebt, und auf den Abhängen des Berges wären sie nutzlos. Wenn die Bitten meines Herzens Dich nicht rührten, wenn die Liebe zu diesen glänzenden Steinen Dich die Gefahren verachten läßt, von denen ich sprach, verachten läßt, wie meine Thränen, die aus meinen Augen rinnen, dann nimm meine Hand und laß uns gehen.«

Eusebius ergriff die Hand der Negerin. Sie war brennend heiß und trocken; ein fieberhaftes Zittern schüttelte sie.

»Fort!« sagte er, indem er Cora mit sich zog, »fort!«

Sie richteten sich gegen Süden, ließen die Gärten von Gavoet zu ihrer Linken und gingen über eine mit blühenden Fruchtbäumen bepflanzte Ebene. Die Nacht war ruhig und heiter, und nur das Licht der Sterne verbreitete um die beiden Reisenden einen milden Schein. War es der Einfluß des majestätischen Schweigens, der Cora berauschte durch die Wohlgerüche, mit welchen der Duft der Blüthen die Luft schwängerte, oder gab sie einem neuen Gefühle nach, genug, es war mit dem Wesen und dem Aeußern Cora’s eine Veränderung vorgegangen, welche Eusebius ungeachtet seiner habgierigen Gedanken bemerken mußte.

In dem Maße, in welchem sie sich von Gavoet entfernten, schienen die Schrecken und die Besorgnisse Cora’s zu schwinden; weit entfernt, in ihrem Gange zu zögern, schritt sie vielmehr vor Eusebius her, zankte ihn aus, wenn er zurück blieb, und sagte mit eigenthümlich aufgeregter und keuchender Stimme: »Komm, komm!«

Von Zeit zu Zeit ergriff sie wieder die Hand, die ihr Herr ihr überließ und legte sie auf ihre Brust. Die ungestümen Schläge ihres Herzens hoben dann ihre brennend heiße Haut.Darauf neigte sie sich zu Eusebius, lehnte ihren Kopf an seine Brust, und der junge Holländer fühlte in seinen Adern die heißen Ausflüsse übergehen, welche dem Körper seiner Sclavin entströmten.

Eusebius kämpfte bereits nicht mehr den Kampf der Ehre und der Pflicht gegen seine traurige Leidenschaft