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Der Arzt auf Java

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»Was habe ich bis dahin zu thun?«

»Du setzest Dein Werk fort, Du fachst zwischen den Eingebornen und ihren Eroberern das Feuer der Zwietracht an, Du äußerst Dein Mitleid über die Leiden der Unterdrückten, Du kommst ihnen im Fall der Noth zu Hilfe, Du beutest jede Unzufriedenheit, jeden Haß, jedes Bedürfniß der Rache ans; in diesem Lande sind das die einzigen Saiten, die wir anzuschlagen brauchen, denn der Glaube an Gott ist bei den Bewohnern mit dem Glauben an Bramah erstorben und was die Vaterlandsliebe betrifft, so kennen sie nicht einmal den Namen derselben. Streue daher Gold aus, ohne Sorge und ohne Furcht, und wenn die Ernte reif ist, siehst Du mich wieder erscheinen, um Dir bei derselben zu helfen.«

»Aber Gold,« sagte Thsermai verlegen. »Du weißt, wie wenig die Colonisten mir davon gelassen haben!«

»Morgen wird Ti-Kai Dir 600, 000 Gulden übergeben, die Du zu Deinem Werke verwenden kannst.«.

»600, 000 Gulden? Der Haß Ti-Kai’s gegen die Europäer wird nie bis zu dem Opfer einer solchen Summe gehen.«

»Dieses Gold kommt nicht aus dem Beutel des Chinesen.«

»Woher kommt es dann?«

»Du hast mir vor zwei Tagen ein Geschenk mit einer weißen Bedaja gemacht, die ich von Dir forderte; heute gebe ich sie Dir zurück, Thsermai.«

»Ach, das arme Mädchen!« rief der Javanese aus; »vielleicht noch diesen Abend wird sie Gott ihre Seele zurück geben.«

»Nein, sie wird erst morgen Abend sterben, zu der Stunde, zu welcher die Sonne hinter dem Gipfel des Berges Sari verschwindet, und am Morgen, zu der dritten Stunde des Tages wird Ti-Kai gekommen sein, ihr die genannte Summe zu überbringen.«

»Aber noch einmal, woher rührt dieses Gold P«

»Es ist der Antheil dieses Mädchens von der Erbschaft ihres ehemaligen Herrn des Doctor Basilius.«

»Dessen Testament —«

»Dessen Testament ein Drittel des Vermögens, das er seiner Nichte hinterließ, Derjenigen der drei Frauen, die er bei sich hatte, zuschrieb, der es gelingen würde, ein Wort der Liebe von dem Manne dieser Nichte zu erlangen.«

»Was konnte sein Zweck sein, indem er diese sonderbare Anordnung traf?«

»Der Doktor Basilius that nie etwas ohne Grund. Laß den jungen Sproß des Bananenbaumes die alten Blätter ersetzen, welche unter ihrem Gewichte sich beugen und gelb werden, und wenn er sich in der Kenntniß nicht getäuscht hat, die er von dem menschlichen Herzen hatte, so kannst Du errathen, welches sein Zweck war.«

»Aber,« sagte Thsermai indem er der 600, 000 Gulden gedachte, die ihm am Herzen lagen, »darf ich mich denn dessen bemächtigen, was einem Mädchen gehört, das Unterthanin des Königs von Holland ist?«

»Thsermai; in Holland und in dem übrigen Europa, wie in Java, verschwinden die Armen von der Erde, ohne eine größere Spur zu hinterlassen, wie die Vögel, die die Luft durchfliegen. Deine weiße Bedaja ist in Friesland geboren; ihre Eltern waren so arm, daß sie ihr Kind verkauftem noch ehe es das Alter der Reife erreichte. Der Doctor Basilius ließ sie nach Java kommen. – Der Doctor Basilius ist todt; wer soll sich also um das Verschwinden eines armen Freudenmädchens kümmern? Nimm das Geld und mache davon den Gebrauch, den ich Dir andeutete. Jetzt gib Deine Befehle, damit Arroa ihre Vorkehrungen trifft, mich zu begleiten.«

»Arroa! Du hast also nicht auf Deinen Plan verzichtet, mir Arroa zu rauben?«

»Nicht nur um den Geistern zu gebieten, muß man die Schläge seines Herzens zu unterdrücken wissen, sondern auch, um die Menschen zu beherrschen. Thsermai, tritt Deine Lehrzeit zu Deinem Königthum an, indem Du Deiner thörichten Leidenschaft Schweigen gebietest.«

»Was kümmert mich der Thron von Java? Ich trete ihn Dir ab, ich überlasse ihn, schenke ihn Dir, Noungal, wenn nur Arroa mir bleibt.«

»Unsinniger, sieh Dich vor!« rief der Malaye mit beinahe drohendem Tone.

»Noungal, ich weißt daß Deine Macht ungeheuer ist. Seitdem ich Dich kenne, hast Du mich durch das Schauspiel Deiner Gewalt, durch die Beweise, die Du mir von Deiner übermenschlichen Wissenschaft gabst, in Schrecken gesetzt, und dennoch bin ich bereit, Deiner Macht und Deiner Wissenschaft zu trotzen, um dieses Mädchen mir zu erhalten.«

»Du würdest das nicht ungestraft thun, Thsermai; bedenke das wohl und widerstrebe meinem Willen nicht länger.«

Bei diesen mit gebieterischer Stimme gesprochenen Worten that Thsermai einen gewaltigen Satz und sein Gesicht nahm den Widerschein aller Leidenschaften an, die ihn bestürmten.

»Deinem Willen!« schrie er wüthend; »elender Banditenführer, in meinem eigenen Palaste wagst Du es, von Deinem Willen zu sprechen und ihn über den meinigen zu stellen?«

Der Malaye machte nicht die geringste Bewegung; er blieb regungslos stehen.

»Ja,« sagte er, »und nicht zum ersten Male wirst Du Dir Glück zu wünschen haben, daß Du nicht Deinem eigenen Willen folgtest.«

»Was willst Du damit sagen?«

»Der alte Bapatis, Dein Vater, der über Deine Ausschweifungen erzürnt war, hatte von dem Gouverneur der Colonie einen Befehl erbeten, Dich in eine Festung einzusperren, indem er drohte, einem Deiner Vettern die Herrschaft seiner Provinz zu hinterlassen. – Plötzlich verfiel der Bapatis von Bantam in eine schwere Krankheit; – Der, welcher ihn in den Wissenschaften Europa’s unterrichtet hatte, der Doktor Basilius, pflegte ihn und trieb seine Anhänglichkeit so weit, daß er alle Nächte bei dem Kranken zubrachte, und diesen verhinderte, von irgend einer andern Hand ein Heilmittel zu empfangen.«

»Bei dem heiligen Propheten, Malaye, sprich nicht weiter.«

»Beruhige Dich; bewege Deinen Crid nicht in seiner Scheide und höre mich bis zu Ende an; ungeachtet der Sorgfalt des Doctors verschlimmerte sich der Zustand des Bapatis; indeß nicht hinlänglich, nach dem ungeduldigen Wunsche des Sohnes. Während einer Nacht drang er in das Zimmer, in welchem sein Vater, betäubt durch den Trank, den der europäische Arzt ihm gegeben hatte, in unruhigem Schlafe lag. Thsermai hielt einen Dolch in der Hand, dem ähnlich, den Du dort berührst, und er wollte ihn dem Greis in die Brust stoßen. Der Doctor Basilius beschwor ihn, dies nicht zu thun, und gab ihm die Versicherung, die Krankheit bedürfe seiner Beihilfe nicht, sondern würde den Greis am nächsten Tage getödtet haben. Der junge Mann widerstrebte, und da er nicht zu dem Bett des Bapatis gelangen und diesen sprechen konnte, verwundete er seinen alten Lehrer, worauf dieser ihm befahl, hinauszugehen, indem er sagte —«

»Genug, Noungal!« rief Thsermai bleich vor Schrecken, und indem er so heftig zitterte, daß seine Zähne auf einander schlugen; »genug, ich weiß das Uebrige. – Die Lichter erloschen plötzlich, und eine übermenschliche Gewalt, welche nicht von den Händen des Basilius kommen konnte, der alt und gebrechlich war, ergriff den Sohn und warf ihn zu dem Zimmer hinaus.«

»Ja, aber als am nächsten Tage die Prophezeihung des Basilius sich verwirklichte, als der alte Bapatis vor dem Ende des Tages starb, als man nicht nachsah, ob er Gift im Leibe hätte, und man keinen Dolch in seinem Herzen fand, erbte der Sohn ohne Widerspruch die Reichthümer und die Herrschaft seines Vaters. —Erkennst Du jetzt, Thsermai, daß es Dir schon früher gelungen ist, einem andern Willen. Als dem Deinen, zu folgen.«

Thsermai war stumm und niedergeschmettert; er mußte sich setzen und fuhr mit der Hand über seine in Schweiß gebadete Stirn, als wollte er einen Blutflecken von derselben wischen.

»Beruhige Dich,« fuhr Noungal fort, »und sage mir jetzt, ob ich Arroa haben soll.«

»Nein!« entgegnete Thsermai mit leiserer Stimme als zuvor.«

»So sei es denn,« sagte der Malaye, »aber dann wird die Gerechtigkeit mir gewähren, was Du mir verweigerst.«

»Die Gerechtigkeit!« rief Thsermai.

»Ohne Zweifel, denn ich werde beweisen, daß das gelbe Mädchen mir gehört. Dieses Mädchen war gleich der weißen Bedaja bei dem Doctor Basilius, der sie auf Deiner Besitzung aus den Händen Deines Verwalters gekauft hatte; Argalenka hat uns neulich Abend Etwas von dieser Geschichte erzählt. – Jedes mal, wenn Du nach der alten Rhede kamst, um Deinen ehemaligen Lehrer zu besuchen, richtetest Da einen Blick des Neides auf das Weib, das er in seiner Wohnung hatte; der Doctor Basilius starb und Du eiltest herbei, um Dich dieses Mädchens zu bemächtigen. Aber schon war es mit seinen Gefährtinnen verschwunden. Am nächstens Tage kam ein mit Lumpen bedeckter Mensch zu Dir, und sagte Dir, er sei der Herr des Mädchens mit den schwarzen Sammtaugen und dessen Gefährtin mit der weißen Haut, und Du botest ihm Gold, wenn er sie Dir abtreten wollte; der Mensch verweigerte Deine Bitte, aber er that mehr, als Du verlangtest; er erbot sich, sie unter Deine Tänzerinnen unter der Bedingung eintreten zu lassen, daß Du sie Dem zurückgeben solltest, der Dir die Hälfte eines Ringes, welchen er zerbrach, überreichen würde. – Sieh hier die Hälfte des Ringes und jetzt frage ich Dich zum dritten Male: willst Du mir das gelbe Mädchen geben?«

»Ja, wenn Du sie nehmen kannst!« rief Thsermai, indem er: gleich einem Panther empor sprang und auf Noungal einen furchtbaren Stoß mit dem Crid führte, den er heimlich aus der Scheide gezogen hatte.

Der Malaye taumelte und Thsermai glaubte ihn getödtet zu haben, aber Noungal richtete sich wieder auf, öffnete den Sacong, zeigte seine Brust und ließ ein Panzerhemd von den feinsten Stahlringen blicken. Die Schutzwehr war von dem Stahle des Crid nicht durchbohrt worden; es zeigten sich kaum einige kleine Blutstropfen, welche der fürchterliche Stoß der Brust erpreßt hatte.

»Ich hatte mich damit versehen, indem ich meiner Feinde gedachte,« sagte der Malaye mit spöttischem Tone. »Du vergaßest das, Thsermai.«

Thsermai war niedergeschmettert durch die Erfolglosigkeit seines Angriffes und blieb wie erstarrt stehen. Dann wich er einen Schritt zurück setzte sich in Vertheidigungszustand. Doch Noungal schüttelte den Kopf und sagte mit einem eigenthümlichen Lächeln, welches, indem es seine Lippen verzerrte, weiße spitze Zähne zeigte, wie die des Leoparden:

 

»Höre! Wenn es eine einzige Falte Deines Herzens gäbe, in die ich nicht eingedrungen bin, so hättest Du mir eben jetzt das Maß der Dankbarkeit geliefert, welche man von einer solchen Seele wie die Deinige, erwarten darf.«

»Der Dankbarkeit? Was habe ich denn von Dir erhalten, um Dir dankbar zu sein? Versprechungen, das ist Alles. Hast Du je gesehen, daß man für Versprechen zur Dankbarkeit verpflichtet ist?«

»Ich glaubte weiter mit Dir zu sein, Thsermai. Als ich Dich in Batavia traf, besudeltest Du Dich durch die niedrigsten Ausschweifungen. Dein Haß und Deine Pläne der Rache gingen in Rauch auf, wie der einer Cigarre, die zu Deinen Füßen verlöscht. – Dem Allen gab ich einen Körper; ich lehrte Dich, wie Du die Rache befriedigen und den Haß ausüben könntest, indem Du zugleich Deinem Ehrgeiz dientest. Ich stachelte Dich an, bis ich Dich entschlossen sah, die Bambusbänke der Schenken, auf denen Du lebtest, gegen den Thron Java’s zu vertauschen, welcher der Diamant der Südsee ist.Ich machte für Dich die Elemente des Aufstandes ausfindig, der Dich zum König erheben wird. Ich stellte an Deine Seite den Kern des Heere der Unzufriedenen, das Deinen Ruhm und Dein Glück machen kann; ich deutete Dir an, wie Du das unterirdische Werk leiten könntest, bis zu dem Tage, an welchem die Holländer den Boden unter ihren Füßen durchwühlt erblicken, und vergebens versuchen würden, zu fliehen, und dann unter den Trümmern versinken. Ist denn das Alles nichts?«

»Es ist, so lange der Erfolg Deine Versprechungen nicht gerechtfertigt hat, nichts als ein Traum.«

»Mag sein; aber diesen Traum werden wir verwirklichen.«

Thsermai machte eine Bewegung.

»Es wundert Dich,« fuhr Noungal fort, »daß ich nach Deinem versuchten Mordanfall noch geneigt bin, Dir zu dienen? Nun wohl! Ich hege für die Menschen eine so tiefe Verachtung, daß Ich ihre Gefühle in Beziehung auf mich geringschätze, mögen sie nun gut oder schlecht, freundschaftlich oder feindlich, sein. Es paßt für meine Pläne, für den Haß, den ich vielleicht gleich Dir in meinem Herzen nähre, die Vernichtung Derer herbeizuführen, welche diese Insel besitzen und beherrschen. Rechne daher noch immer auf den Beistand Noungal’s; zugleich aber habe ich mein eigenes Werk zu vollbringen und ich schreite demselben mit der Unwandelbarkeit entgegen, welche das Bewußtsein meiner Kraft mir verleiht. Versuche nie, ihm hemmend in den Weg zu treten, Thsermai, denn ungeachtet meines guten Willens für Dich würdest Du dabei zerschmettert werden, wie dieses Glas.«

Indem Noungal diese Worte sprach, stieß er einen Crystallbecher, der Sorbet enthalten hatte, vom Tische, daß er am Boden in tausend Stücke zerbrach. »Du darfst mir glauben, Thsermai,« fuhr Noungal fort, »daß ich diese Bedaja nicht unter dem Einflusse einer eitlen Laune von Dir verlange; nein, die Zeit ist für mich verschwunden, wo die Leidenschaft mich zu dergleichen thörichten Forderungen hinriß; ich bin eben so gleichgültig gegen den Zauber der schönen Augen, die Dich wahnsinnig machen, als gegen den Dunst, der auf dem Gipfel der Berge menschliche Gestalten annimmt und in welchem die Blicke der geblendeten Reisenden die Wesen höherer Art zu erkennen suchen, welche der Mensch in seinem Stolze zu Vermittlern zwischen sich und Gott macht. Nein, Die, welche ich von Dir erbitte, von Dir fordere, von Dir verlange, ist eines der Räder zu dem Werke, an welchem ich arbeite, und eher sollten alle Bedaja’s und alle Ranguns der ganzen Insel untergehen, als daß ich dieses Werk mißlingen sähe! – Ich wiederhole Dir also, hier ist die Hälfte des Ringes; Arroa gehört mir und ich will sie haben.«

»Nimm sie,« erwiederte Thsermai mit einem Tone, dessen Niedergeschlagenheit und Ergebung auffallend mit den wüthenden Worten contrastirten, durch welche er auf die ersten Forderungen Noungal’s geantwortet hatte, besonders aber mit der Handlung, die er zu vollbringen versuchte.

»Auf, sei ein Mann!« nahm der Malaye wieder das Wort, »und weihe diesem Kummer nicht eine Thräne, die einen viel höheren Werth hat.«

Und als Thsermai über seine Wangen diese Thräne rinnen ließ, statt sie zu trocknen, fuhr Noungal fort:

»Obgleich Dein Schmerz mir eines Mannes unwürdig erscheint, rührt er mich dennoch. Erst in einem Monat wird die Tochter Argalenka’s mir zu meinen Plänen nützlich sein; während dieser Zeit magst Du sie in Deinem Harem behalten. Erschöpfe, wenn Du kannst, Deine thörichte Leidenschaft für sie, ist aber dieser Monat verflossen, dann liefere sie aus, ohne eine Bemerkung zu machen, ohne Dir den geringsten Widerstand zu erlauben; übergib sie den Händen Dessen, der Dir in meinem Namen diesen halben Ring vorzeigen wird.«

»Ich danke Dir, Noungal,« erwiederte Thsermai.

»Und Du schwörst mir, zu thun, was ich verlange?«

»Ich schwöre es Dir.«

»Nun gut; ich habe übrigens einen Bürge-dafür, daß Du Dein Versprechen halten wirst.«

»Welchen, Noungal?«

»Ich kenne Deine Geheimnisse und Du kennst die meinigen nicht. Versuchst Du Widerstand, wie Du es heute thatest, so wird der Colonialrath von dem unterrichtet, was an dem Sterbebette Deines Vaters zwischen dem Doctor Basilius und Dir vorgefallen ist.«

Thsermai schüttelte den Kopf.

»Glaubt mir, Noungal,« erwiederte er, »mein Wort ist mehr werth, als Deine eitlen Drohungen. Wie Du das Geheimniß erfahren hast, auf welches Du anspielst, ist nur Dir und der Hölle bekannt, aber es würde Dir sicher nicht viel nützen, denn Du könntest Deine Anklage nicht auf Beweise stützen.«

»Bah!« sagte höhnisch lachend der Malaye, der Dotter Basilius war ein weiser, verständiger Mensch und ein zu geschickter Rechner, als daß er einen Schatz von diesem Werthe hätte verloren gehen lassen. – In einem Monat also, und jetzt lebe wohl, Thsermai.«

Indem der Malaye diese Worte sprach, sprang er durch den Wasserstrahl, welcher dem Eingange der Grotte als Vorhang diente. Während einer Secunde schäumte der Wasserfall um ihn her und bedeckte seine Kleider mit einem feinen Schaum; dann nahm er seinen gewöhnlichen Lauf wieder an, und durch seinen buntgefärbten Strahl konnte Thsermai sehen, wie Noungal sich durch einen der Gänge des Gartens entfernte. Aber der Javanese schien diese Entfernung nicht zu bemerken. Er war in Gedanken versunken.

»Wie könnte der Dotter Basilius Beweise eines Verbrechens hinterlassen haben, dessen Bestrafung ihn gleich mich getroffen haben würde?« sagte er endlich zu sich selbst, und hätte er sie hinterlassen, wie wären sie dann aus den Händen van der Beek’s, seines Erben, in die Noungal’s gekommen? Dieser Malaye ist zu Allem fähig,« fuhr er nach kurzem Schweigen fort. »Doch gleich viel – ich muß jedenfalls van der Beek wiedersehen.«

Dann that er mit der Klinge seines Crid einen Schlag auf einen Gong, der sich in seinem Bereiche befand. Auf dieses Zeichen hörte das Wasser wie durch Zaubergewalt zu strömen auf, und einer der Diener Thsermai’s erschien an dem Eingange der Grotte.

»Bringe Arroa und meinen schwarzen Panther her,« sagte Thsermai.

Einige Minuten später kam ein prachtvolles Thier mit schwarzem Fell und topasfarbigen Augen, leicht und anmuthig in seinen Bewegungen, wie eine junge Katze, doch fürchterlich in seinem Schein der Sanftmuth und Schmeichelei, auf seinen Herrn zugesprungen, und Arroa, die gelbe Bedaja, erschien, schön und lachend, in dem Eingange der Grotte, dessen nasser Vorhang hinter ihr niedersank, sobald sie eingetreten war.«

IV.
Das Codicill des Doctor Basilius

Die Sonne war seit mehreren Stunden aufgegangen, als Eusebius van der Beek an dem Tage, nach dem bei Mynheer Cornelis verbrachten Abend, nach Weltevrede zurückkehrte.

Was auch der Notar Maes über die Unwürdigkeit dieses Fortbewegungsmittels gesagt haben mochte, so legte Eusebius dennoch zu Fuß die Strecke zurück, die ihn von der Stadt trennte. Der Diener, welcher ihm die Thür seines Hotels öffnete, trat erschrocken zurück, so blaß war das Gesicht seines Herrn, so sehr schien es entstellt zu sein. Er fragte, was ihn fehle, doch Eusebius antwortete ihm nicht, sondern ging nach seinem Cabinet, und kaum hatte er dasselbe betreten, als er sich dort einschließen wollte.

»Herr,« sagte der Diener, indem er leise die Thür zurückschob, »wollen Sie denn die Madame nicht sehen?«

»Was kümmert das Dich?« schrie Eusebius wüthend, »und wer hat Dir das Recht gegeben, meine Handlungen zu belauern?«

»Ich sagte es nur, weil Madame schon mehrmals nach Ihnen gefragt hat.«

»Nun gut, später werde ich zu ihr hinausgehen,« erwiederte Eusebius, der zum ersten Male in seinem Leben zögerte, Esther zu umarmen.

Der Diener blieb nach immer an der Thür stehen und betrachtete seinen Herrn staunend.

»Worauf wartest Du?« rief dieser mit einer Art von Wuth.

»Daß Sie mir die Adresse des Arztes geben, den ich für die Madame holen kann. Wir wissen nicht, welchen wir wählen sollen, während der Herr, der der Neffe des verstorbenen Doctor Basilius ist, mehrere kennen muß.«

Eusebius, der die ersten Worte seines Dieners mit einer Art den einfältigem Stumpfsinn angehört hatte, schien plötzlich zu erwachen, ergriff den Menschen beim Kragen und rief:

»Sprich nie diesen verfluchten Namen in meiner Gegenwart aus, wenn Du nicht augenblicklich aus dem Hause gejagt sein willst.«

Nach einer Pause, während welcher man hätte glauben können, er würde ersticken, fuhr er dann fort:

»Was willst Du mit einem Arzte sagen? Spricht Ist Madame krank?«

Eusebius sprach diese letzten Worte mit einer Rauheit aus, die nicht in seiner Gewohnheit lag, besonders wenn die Rede von seiner Frau war. Wenn auch der Name des Doktor Basilius ihn an traurige Ereignisse der Vergangenheit und an die Besorgnisse vor der Zukunft erinnerte, so durfte doch der Esther’s ihn nur an eine Pflicht mahnen. War denn sein Gewissen nicht ohne Eifersucht, daß der Gedanke an diese Pflicht ihm wie ein Gewissensbiß erschien?

»Herr,« stammelte der Diener ganz erstaunt, »es ist nur, weil man glaubt, es würde heute sein.«

Bei diesen Worten verschwanden alle Gedanken, welche Eusebius die Gegenwart seiner Frau fürchten ließen. Er eilte die Treppe hinauf, lief nach dem Zimmer Esther’s, die er in dem Bette fand und die ihm unter ihren Leiden zulächelte.

»Mein Freund, ich danke Dir,« rief die junge Frau, indem sie ihrem Manne die Arme entgegenstreckt; »ich danke Dir, denn ich würde unglücklich gewesen sein, wenn nicht der erste Blick Deines Kindes Dich getroffen hätte.«

Eusebius bedeckte seine Frau mit den zärtlichsten Küssen; er hatte Alles vergessen.

Nach einigen Augenblicken zärtlichen Geplauders über das Kind, welches geboren werden sollte, sagte Esther: »Wie spät Du nach Hause kommst! – Es ist das erste Mal, Eusebius, daß Du eine ganze Nacht fern von mir zubrachtest.«

Eusebius Blässe verwandelt sich in dunkle Röthe; er senkte die Augen unter dem ruhigen klaren Blicke der jungen Frau.

»Der verhaßte Herr Maes wird Dich verführt haben,« fuhr sie fort. »Aber ich zürne ihm deshalb nicht, denn ich hatte ihn gebeten, es zu thun.«

»Du, Esther! Du hattest ihn gebeten, mich dahin zu führen, wo er mich hinbrachte?«

»Ohne Zweifel. – Ich hoffte, daß die Lustigkeit dieses dicken Menschen ansteckend für Dich sein würde, so daß Du zuletzt fändest, die Vergnügungen wären die passende Beendigung für einen wohl angewendeten Tag und Du würdest bei der Anwendung seines Receptes Deine sorgenvolle Stirn verlieren.«

»Esther!« rief Eusebius, »Du hast einen großen Fehler begangen. Wolle Gott, daß Du es niemals zu bereuen hast.«

»Ach, mein Gott, Du erschreckst mich! Was ist denn diese Nacht vorgegangen? Aber das Glück, Dich wieder zu sehen, hatte mich ins der That verhindert, zu bemerken, wie blaß Du bist und in welcher Unordnung Deine Kleider sind. Sprich, sprich, mein Eusebius; ich liebe Dich so sehr, daß ich nur aus Dein Glück eifersüchtig bin.«

Eusebius schrak von einem offenen Geständniß zurück. Die Lüge, zu der er seine Zuflucht nehmen zu müssen einsah, vermehrte noch seine üble Laune gegen sich selbst; er konnte derselben nicht freien Lauf lassen, ohne sich selbst anzuklagen, und sie brach daher gegen Esther los.

»Ja, so sind die Frauen!« rief er heftig.»Sie sehen nichts als ihre Liebe und es scheint Ihnen, als wenn auf der Welt nichts weiter bedroht werden könnte!«

»Eusebius, so hast Du noch nie zu mir gesprochen!« rief Esther.

»Weshalb sprichst Du das Wort Eifersucht aus, welches meiner Meinung nach so albern und so lächerlich ist?«

»Im Gegentheil mein Freund, ich gab Dir eben die Versicherung, daß ich nicht eifersüchtig bin!«

 

»Bah! Das ist ein Verwand, um dir Eifersucht zu zeigen.«

»Wahrlich, mein Freund, ich erkenne Dich nicht wieder, und wenn ich nicht volles, unbedingtes Vertrauen in Dich setzte, so wäre Deine Sprache, an die Du mich so wenig gewöhnt hast, wohl der Art, mir Verdacht einzufllößen.«

»Welchen Verdacht? Laß hören. Ich verlange, daß Du Dich deutlicher aussprichst!«« rief Eusebius außer sich. »Weil ich eine Nacht in Geschäften verbrachte, weil der verhaßte Maes mich dahin brachte, beklagenswerth abzuschließen – ist das ein Grund, mich mit Deinen beleidigenden Vermuthungen zu überhäufen?«

»Aber welche Vermuthungen habe ich denn ausgesprochen, mein Gott?« rief die arme Frau, welche bemerkte, daß die Unruhe ihres Mannes, statt sich zu vermindern, sich noch steigerte und die dadurch auf ganz andere Gedanken gebracht wurde.

»Siehst Du, Eusebius,« fuhr sie fort, in dem sie zwischen den Thränen die langsam ihre Wange herabrannen, zu lächeln versuchte, »siehst Du wohl, Du weißt ja, daß ich das vollste Vertrauen in Dich setze, daß ich an Dich glaube, wie an Gott. Sagst Du nun, ich habe dies gethan und bin dort gewesen, so glaube ich es unbedingt. Bei dem Haupte des Kindes, das ein neues Band zwischen uns bilden wird, schwöre ich Dir, daß ich nie den geringsten Zweifel an die Wahrheit dessen gehegt habe, was Du mir sagtest. Ach, Eusebius, wenn ich Dich beleidigt habe, so verzeihe mir,« fügte Esther hinzu, indem sie ihrem Manne ihre reine weiße Stirn bot, umkrönt mit blondem Haar, das in seidenweichen Locken unter ihrer Haube hervorfiel.

Eusebius blieb traurig und schmollend.

»Willst Du, daß ich Dir einen neuen Beweis meines Vertrauens zu dir gebe?« fügte sie nach einer Pause hinzu.

»Sprich,« sagte der junge Mann, indem er die Hand seiner Frau ergriff.

»Nun wohl; ungeachtet der dringenden Vorstellungen des Herrn Maes habe ich nicht gewollt, daß er Dich von dem beleidigenden Codicill in Kenntniß setzten welches unser Onkel seinem Testament hinzugefügt hat.«

»Das Codicill besteht also wirklich?« rief Eusebius. »Mein Gott, ich wollte daran zweifeln. Wenn es aber besteht, so ist das, was diese Nacht vorging, kein Traum, wie ich mich seit diesem Morgen überreden wollte! – Der Schlangenbeschwörer, die eigenthümliche Vision, welche mich Esther sterbend erblicken ließ; –die Rangune, – der Traum, – das Alles sind Wirklichkeiten, und Basilius hat über mich seinen ersten Triumph errungen. Ha, ich höre sein frohlockendes Gelächter!«

Indem Eusebius so sprach, schien er von Wuth ergriffen zu werden.

»Mein Gott, er wird wahnsinnig!« rief Esther, deren bleicher Kopf leblos auf das Kissen zurück sank.«

Der Anblick der Gefahr, in welcher seine Frau schwebte, brachte Eusebius wieder zu sich; er warf sich auf das Bett Esther’s, küßte ihre eiskalte Hand, versuchte sie in das Leben zurückzurufen, und als ihm dies nicht gelingen wollte, klingelte er ihren Frauen, die sich beeilten, ihr Beistand zu leisten.

Der Arzt war herbeigerufen worden und erschien jetzt. Mit zwei Worten setzte Eusebius ihn von dem Vorgefallenen in Kenntniß. Er erklärte, daß Esther’s Lage im höchsten Grade gefährlich sei; daß die heftige Erschütterung, die sie wahrscheinlich erlitten hätte, unfehlbar eine Krisis herbeiführen würde, durch welche die Mutter oder das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, vielleicht auch alle Beide, mit dem Tode bedroht würden. Er verlangte von Eusebius, ihn allein bei der Kranken zu lassen, denn er fürchtete die Erschütterung, die sie beim Wiedererwachen empfinden möchte, wenn sie ihren Mann an ihrem Lager erblickte.«

Eusebius war in Verzweiflung, aber erschöpfte Muth aus dem Uebermaß seines Schmerzes und verließ das Gemach.

Auf der Schwelle fand er seinen Diener, welcher ihm sagte, daß ein Herr seiner im Cabinet warte und dringend verlange, ihn zu sprechen.

Eusebius wollte zuerst die Antwort geben, er sei für Niemand zu sprechen, aber er bedachte, daß er durch Geschäfte das beste Mittel der Zerstreuung finden würde und ging hinab. Der seiner wartende Herr war Niemand anders als unser alter Bekannten der Notar Maes.

Eusebius hätte vergebens auf dem Gesicht des Notars die Spuren der Orgie vom vergangenen Abend gesucht, welche Eusebius’ Physiognomie so sehr veränderte. Herr Maes war roth und frisch, ruhig und lächelnd; seine Halsbinde zeigte eine tadellose Weiße und in seinem schwarzen Anzuge, wie auf seinem Gesichte verrieth nicht eine einzige Falte die bachantischen und choregraphischen Exesse, deren er sich bei Mynheer Cornelis schuldig gemacht hatte. Als er Eusebius erblickte, reichte er ihm die Hand und begleitete diese Bewegung mit einem beinahe ehrerbietigen Gruße.

Er vereinigte den Genossen der Lustigkeit mit dem Clienten.

»Was wollen Sie hier?«. rief Eusebius ihm mit beinahe drohendem Tone zu. »Haben.Sie noch nicht genug an den Thorheiten, die Sie mich diese Nacht begehen ließen?«

»Ich werde meinem lieben Herrn van der Beek bemerken,« entgegnete Herr Maes mit einem zugleich freundlichen und würdigen Tone, »daß ich die Ehre habe, sein Notar zu sein und daß ich in seinen Geschäften, und nicht in den meinigen, gekommen bin. – Wenn aber mein Client mich um meine Ansicht über das befragt, was er die Thorheiten dieser Nacht zu nennen beliebt, so gestehe ich dem Herrn van der Beek, daß es deren zu viel gegeben hat, viel zu viel.«

Indem Herr Maes diese Worte sprach, schlug er mit der einen Hand auf ein gestempeltes Papier, das er zusammengefaltet in der Hand hielt.

»Ja,« erwiederte Eusebius, »und hätte ich nicht das Recht, Sie der Mitschuld bei der Schlinge anzuklagen, die mir gelegt wurde, Sie, den ich als meinen Freund hätte betrachten sollen?«

»Ich war es in der That, Herr van der Beek. Wenn ich in dieser Stunde nur noch Ihr Notar bin, so war ich in der, zu welcher sich die Ereignisse, deren Sie erwähnen, zutrugen, mit den Banden einer wahren Freundschaft an Sie gefesselt.«

»Eine hübsche Freundschaft, die darin besteht, mich an einen nichtswürdigen Ort zu führen, und mich an Händen und- Füßen gebunden, dem höllischen Menschen, der mich verfolgt, oder dessen Agenten zu überliefern.«

»Wahrlich, Herr van der Beek, ich verstehe Sie nicht.«

»Wenn Sie nicht der Mitschuldige Derer gewesen sind, denen es mit Hilfe irgend einer mir unbekannten Missethat gelungen ist, meine Sinne zu betäuben, weshalb ließen Sie mich dann in ihren Händen, weshalb verließen Sie ohne mich Mynheer Cornelis?«

»Herr van der Beek,« entgegnete Herr Maes mit beinahe feierlichem Tone, »der Notar Maes hat die Gewohnheit, sich nie um das Thun und Lassen des Privatmannes, Herr Maes, zu bekümmern, und ich fordere Sie auf, diese weise Zurückhaltung nachzuahmen. Wir würden damit das gewinnen, ernste Angelegenheiten nicht mit denen zu verwechseln, die es nicht sind. Haben Sie wirklich gegen Herrn Maes die Anklage auszusprechen, die soeben über Ihre Lippen ging, so suchen Sie ihn auf und er wird Ihnen antworten. Dies zu thun aber verträgt sich nicht mit der Würde des Notars. Die Wahrheit ist indeß, daß dieser Letztere sich an Nichts von dem erinnert, dessen Sie erwähnen.«

»Das glaube ich wohl; Sie waren schwer betrunken!«

Herr Maes antwortete nicht auf diese Beschuldigung; seine Augenwimper verschleierten leise seine großen Augen, wie dies bei einem Menschen zu geschehen pflegt, der sich durch die Erinnerung an einen Genuß entzückt; das war Alles.

»Sie haben jetzt nur Ihren Notar vor sich, der gekommen ist, um Ihnen, als seinem Clienten, zu sagen: Was soll ich von diesem Aetenstücke denken, welches von Ihnen 600, 000 Gulden verlangt, in Folge der Bedingungen des Codicills, welches dem Testamente des Doctor Eusebius, Ihres Onkels, hinzugefügt worden ist, und dies zum Nutzen einer Mademoiselle Johanna Trumper, die in dem erwähnten Codicill bezeichnet wurde?«

Eusebius antwortete nicht; er warf sich auf einen Divan und verbarg das Gesicht in den Händen.