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Der Arzt auf Java

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Zweiter Band

I.
Argalenka

Dieser Pavillon war ein Boudoir mit der elegantesten Einrichtung; er war in verschiedene kleine Salons durch Wände von Flechtwerk aus Bambusstäben getheilt und dieses zeigte mannigfaltige Muster, welche mit Scheiben von verschiedenfarbigem Glase abwechselten. Rings an den Wänden standen große Divans. Die Räume waren mit Papierlaternen erleuchtet und die Wände mit eigenthümlichen und phantastischen Zeichnungen bedeckt. In dem Hintergrunde der größten der Abtheilungen erhob sich eine Art von Estrade, welche als Theater für die Ranguns diente, wenn die reichen Gäste des Mynheer Cornelis ihre Mahlzeiten durch dieses eigenthümliche Schauspiel würzen wollten.

Die Tafel war besetzt mit landesüblichen und europäischen Gerichten. Suppe von indianischen Vogelnestern; Seeblasen mit rother Sauce; Haifischfloßsuppen; in schmale Streifen geschnittene Fleischpastetchen von gebrüteten Eiern und daneben prachtvolle Braten nach holländischer Art bereitet; die schönsten und saftigsten Fische unter den 138 Arten, welche die Meere der Insel liefern, ungerechnet noch das Wild aller Art, welches in ihren Wäldern reichlich vorhanden ist.

Ungeachtet der glänzenden Anordnung der Mahlzeit, ungeachtet der Masse von Flaschen, die sich gleich Kirchthürmen aus der Mitte der Lebensmittel hervorhoben, blieben die-Gäste schweigsam und kalt, mit alleiniger Ausnahme des Herrn Maes.

Der Chinese as, der Javanese beobachtete Eusebius, zu dem er sich aber nicht durch eine lebhafte Sympathie hingezogen fühlte, und den er mit wildem Blicke betrachtete, seitdem er den Streit mit ihm gehabt hatte. Eusebius dachte über die Eigenthümlichkeit der Ereignisse dieses Abends nach, der ihn mit einem Manne in Berührung brachte, welcher den fürchterlichen Doctor Basilius, dessen Erinnerung ihn noch immer erstarren machte, gekannt zu haben schien.

»Großer Gott, meine Freunde,« sagte der Notar, »wir scheinen weit eher bei einem Leichenmahle zu sein, als bei einem Freudenfeste.« Dann Eusebius anblickend, fuhr er fort: »in der That wird unser Abendessen wohl etwas Leichenmäßiges haben, weil dabei von einem Testamente die Rede sein soll.«

Indem er diese Worte sprach, leuchtete auf seinem Gesicht eine Erinnerung, bei welcher aus seinem Munde ein so lautes Gelächter erschallte, daß davon die von der Decke herabhängenden Laternen erzitterten.

»Ich hoffe, mein lieber Herr Maes, s entgegnete Eusebius, »daß Sie diesen Scherz nicht fortzusetzen beabsichtigen. Meine Angelegenheiten interessiren diese Herren nicht, und mir dieselben in deren Gegenwart mittheilen, hieße, wie ich glaube, schlecht Ihren Zweck erreichen, der darin bestehen muß, Ihnen seinen angenehmen Abend zu verschaffen.«

»Hören Sie mich nur an, mein lieber Herr van der Beek,« erwiederte der Notar. »Es gibt Geschäfte und Geschäfte; was mich betrifft, so halte ich es für gewiß, daß man sich von denen, um die es sich hier handelt, nicht besser unterhalten kann, als in Gesellschaft heiterer Gäste; ein Glas mit gutem französischen Wein in der Hand und mit der Aussicht auf die runden und braunen Schultern der Ranguns, Schultern, die eben so spiegelblank sind, wie die Metallleibchen, aus denen sie hervortreten.«

»Ueberdies, mein Herr van der Beek,« bemerkte der Chinese Ti-Kai, indem er auf einen Augenblick das Spiel mit den kleinen Elfenbeinstäben unterbrach, mit denen er den Pilau, – ein Gericht von geröstetem Kalbfleisch – umgab, zu dem Munde führte, »überdies« hat der Saheb Maes uns in Beziehung auf dieses Testament nicht viel Neues mitzutheilen.«

»Wie das?« fragte Eusebius.

»Ei allerdings,« sagte Herr Maes, »hat sich bereits die ganze Colonie auf Kosten dieser letztwilligen Verfügungen des sehr ehrenwerthen Doctor Basilius lustig gemacht.«

»Die ganze Colonie!« wiederholte Eusebius. »Was wollen Sie damit sagen? Und wie kommt es, Herr Maes, daß das, was in Ihrem Arbeitscabinet vorgeht, so die Müßiggänger und Tagediebe von Weltevrede beschäftigen kann?«

»O, sprechen Sie nicht von meinem Arbeitscabinet, um des Himmels Willen!« sagte Hr. Maes, indem er das Glas, welches er eben zu den Lippen führen wollte, auf den Tisch niedersetzte. – »Sehen Sie, Sie rauben mir den Durst und ersticken in meiner Kehle das lustige Liedchen, das eben daraus hervorbrechen wollte, wie der Champagner aus dieser Flasche.«

»Nun gut, es sei diesen Abend nicht mehr die Rede davon. Morgen werde ich zu Ihnen kommen, um die mir nothwendigen Erläuterungen zu erfahren, und zwar zu über Stunde, wo ich überzeugt sein darf, dort einen Mann zu finden.«

»Und was bin ich denn zu dieser Stunde, »mein lieber Herr Kaufmann?« fragte Herr Maes.

»Wollen Sie, daß ich Ihnen aufrichtig antworten soll,« mein theurer Rechtsmann?«

»Lustigkeit und Aufrichtigkeit sind Gevatterinnen, mein junger Freund, und ich schwöre Ihnen, daß Sie mich verpflichten werden, indem Sie mir Ihre Gedanken nicht verhehlen.«

»Nun wohl, ohne der Zukunft nahe treten zu wollen, machen Sie auf mich die Wirkung, als hätten Sie bereits Ihre beiden Füße in die Haut eines Trunkenboldes gesteckt.«

»Zu trinken ohne Durst und zu jeder Zeit zu liebem,« sagte salbungsvoll der Notar, »das sind die einzigen Dinge, welche den Menschen von dem Thiere unterscheiden. Ein Franzose, war es, der diesen Ausspruch fällte, und er hieß, wie ich glaube, Beaumarchais. – Wenn ich daran denke, fühle ich mich stolz, eine Frau dieser Nation geheirathet zu haben. – Nun, das ist schön,« fuhr Herr Maes fort, indem er sein Glas gegen die Wand warf, daß es in tausend Stücke zerbrach, »da spreche ich jetzt sogar von Madame Maes; das ist Ihre Schuld, Herr van der Beck, Sie habet mich dahin gebracht.«

»Ich würde darüber entzückt sein, wenn Sie durch diese Roheit wieder zur Vernunft zurückkehren könnten; ich weiß wohl, daß das der längste Weg ist, aber ein anderes französisches Sprichwort sagt: »alle Wege führen nach Rom.«

»Zur Vernunft?« rief Herr Maes.« Ei zum Teufel« was kann denn die Vernunft mit einem Weibe gemein haben? Herr van der Beek, sprechen-Sie nicht mehr von meiner Frau« oder ich räche mich, indem ich sage, daß die Ihrige nicht glücklich ist.«

»Jedenfalls, Herr Maes, hoffe ich, daß Madame van der Beek Sie nicht zum Vertrauten angenommen hat.«

»Damit täuschen Sie sich mein junger Freund.«

»Und sie sagte Ihnen, daß sie unglücklich ist? Sie setzen mich in Verwunderung! Was hätte sie mir vorzuwerfen, ausgenommen, daß ich ein einziges Mal Ihren dringenden Bitten nachgab, indem ich Ihnen an diesen Ort folgte!«

« »Es wäre für Ihre Frau wünschenswerth, daß Sie öfter hierher kämen.«

»Ich gestehe Ihnen, daß, ich Sie nicht begreife.«

»Worin besteht denn Ihrer Meinung nach das Glück einer Frau?« fragte der Notar.

»Ei,« erwiederte van der Beek, »in der Liebe und der Treue ihres Mannes.«

Bei dieser Antwort stieß der Notar ein noch fürchterlicheres Lachen aus, als das, mit welchem er die Sitzung eröffnet hatte. Er wand sich förmlich auf seinem Stuhle, der unter ihm krachte.

»Ein schöner Scherz!« rief er aus, »Wissen Sie wohl, mein lieber Herr van der Beek, daß, wenn das Glück wirklich darin bestände, die Vorsehung wenigstens neun Zehntel aller Individuen des weiblichen Menschengeschlechtes enterbt hätte? Fragen Sie nur den Saheb Ti-Kai, welcher drei Frauen hat, und fragen Sie den Prinzen Thsermai, der 25 hat, ob sie zu dem Glücke der ihrigen das geringste Vertrauen auf Ihr Recept setzen. Die Treue erliegt klimatischen Einflüssen, denen das Glück unmöglich unterworfen werden konnte.Ich der ich es in der Ruhe, in der Zufriedenheit des Geistes und des Herzens sehe, und der ich aus Erfahrung weiß, wie ansteckend diese Ruhe und die Zufriedenheit sind, ich sage: seien Sie heiter, seien Sie glücklich und Ihre Frau wird auch heiter und glücklich sein, und die, von Denen Sie sich umgeben sehen, werden das Lächeln auf den Lippen haben. Aber wie soll man ein heiteres Herz einem traurigen und mürrischen Gesichte gegenüber bewahren? Hören Sie, Herr van der Beek, versuchen Sie es nur acht Tage lang und Sie sollen sehen, ob das Gesicht Ihrer theuren Esther nicht sogleich die Wirkung davon zeigt.«

»Ei, Sie sind von Sinnen; Esther würde vor Kummer sterben, wenn sie mich Ihr Leben führen sähe.«

»Bah! Sind Sie denn etwa gewiß; Ester Ihr ganzes Leben nicht nur dir Treue der Sinne, die nichts bedeutet, sondern auch die Treue des Herzens zu bewahren, in der Alles liegt?«

»Herr Maes,« entgegnete Eusebius, »ich hoffe, Sie werden ein Gespräch beendigen, das ich unter den Umständen, in denen wir uns befinden, mindestens unpassend erachte, wenn ich Ihnen sage, daß meine Lippen keine anderen berühren werden, als die, welche mir im Angesicht Gottes ja gesagt haben.«

»Mein Herr,« bemerkte der javanesische Prinz, indem er Eusebius Unterbrach, »es gibt in unserm Lande ein Sprichwort, welches sagt: bürge für die Keuschheit der Elephanten, doch sprich nie von der der Männern.«

Indem Eusebius die Unterhaltung eine Wendung nehmen sah, welche seinen fortwährenden Gedanken entsprach, fühlte er sich sehr ergriffen und wurde leichenblaß.

»Wollte es wirklich in diesem heißen Klima mein böses Geschick,« fuhr er fort, »daß meine Sinne schwächer würden, wie mein Wille, so würde doch mein Herz keinen Theil an dem nehmen, was ich als ein Verbrechen betrachte, das schwöre ich.«

»Willst Du Dein Herz retten, so wahre Deine Augen!« sagte, der Chinese mit belehrendem Tone.

»Bei Gott, ich fühle mich glücklich, Sie in dieser Gemüthsstimmung zu erblicken, lieber Herr van der Beek,« rief der Notar. »Dadurch fühle ich mich ganz behaglich und ungeachtet des Widerstrebens, welches Ihre Frau gegen mich geäußert hatte, zögere ich nicht mehr, Sie mit den Bedingungen bekannt zu machen, welche der Doctor Basilius auf seine Freigebigkeit gesetzt hat.«

 

»Die Hölle verschlinge den Doktor Basilius!« rief der Javanese. »Stören Sie Herrn van der Beek nicht mehr, Herr Notar! und verschieben Sie auf morgen die Mittheilung der Albernheiten dieses alten Narren. – Sehen Sie, seit einigen Augenblicken wurde sein Gesicht glänzend, wie der Himmel, bei dem Anbruch des Tages und mit Ihren Worten zeigten sich die Wolken wieder.«

»Essen wir,« sagte der Chinese.

»Trinken wir,« antwortete der Notar als Echo. »Nun wohl, es sei; auf morgen die Geschäfte, aber unter der Bedingung, daß Herr van der Beek mit mir ein Glas dieses französischen Weines leert.«

Eusebius, der an diese Art von Orgien nicht gewöhnt war, begann schon sehr aufgeregt zu werden. Er hatte erst zwei oder drei Mal seinen Becher geleert und dennoch hatte er sich während des vorhergehenden Gespräches so ereifert, daß das Blut ihm mit Gewalt zum Kopf strömte und eine Art von Betäubung hervorrief.

Der javanesische Prinz hatte zwar kaum getrunken und es konnte deshalb dadurch nicht eine Veränderung seiner Gesinnnungen herbeigeführt worden sein, allein er schien seinen Zwist mit dem Holländer vergessen zu haben und gegen denselben nur die freundschaftlichsten Gesinnungen zu hegen.

»Gießen Sie den Wein weg, Herr van der Beek!« rief er diesem zu. »Er treibt den Magen auf und beschwert das Herz. Nehmen Sie, fügte er hinzu, indem er, von einem der Diener sich eine Pfeife von kunstvoll geschnitztem Jaspis geben ließ; »kosten, Sie das. Hat Gott das Glück irgendwo verborgen, wo die Hand des Menschen es erreichen kann, so geschah es gewiß in dem Saft des weißen Mohns. Kosten Sie ihn und auf den Wolken seines wohlriechenden Duftes wird Ihre Seele zu dem blauen Himmelsdome emporsteigen, der mit den schönsten Bedajas bevölkert ist.«

Eusebius hatte bei Harruch die Wirkungen des Opiums gesehen. Sie flößten ihm den heftigsten Ekel ein und dennoch wagte er es nicht, das Anerbieten zurückzuweisen, welches der Javanese ihm mit so vieler Artigkeit machte; er ergriff die Pfeife und führte sie zu seinen Lippen.

In diesem Augenblicke entstand draußen ein so gewaltiger Lärm von Gongs und anderen Instrumenten, daß der eine Gast zur Thüre eilte, um zu sehen,was in der Anstalt des Mynheer Cornelis vorging.

Sie erblickten eine dicht gedrängte Menge, welche einen Menschen umgab, der auf einer Art von Rohrsitz hing, welche einige Javanesen auf ihren Schultern trugen, indem sie gleich dem ganzen Gefolge rasendes Triumphgeschrei ausstießen.

»Was bedeutet das?« fragte Herr Maes einen Chinesen, der an der Thier vorüberging, den Kopf schmerzlich auf die Brust gesenkt, und unter dem Arme all’ das Geräth tragend, welches den Bankhaltern zu ihrem Geschäfte diente.

»Was das bedeutet, Saheb?« entgegnete der Chinese mit mürrischem Tone; »es ist ein goldgefülltes Schwein, ein Hund von Buddha, der Alles mit sich hinwegnimmt, was ich so mühsam während des Jahres sammelte, seitdem ich das Geschäft betreibe; meine indischen Piaster, meine holländischen Gulden, hat er alle, alle! Er läßt mir nicht einen Kupferdeut. Die Hand Siva’s laste auf Denk der mich beraubt hat!«

»Zum Glück für Dich, Freund,« sagte der Notar, »ist Siva taub geblieben bei den Verwünschungen der Spieler, sonst wärest Du schon längst gehängt.«

Der Chinese entfernte sich brummend.

»Da kommen die Gewinnenden hierher,« sagte der Javanese. »Diese Schelme sind so glücklich, den Bankhalter seinerseits ausgeplündert zu sehen, daß man bei ihrer Freude meinen solltet, sie hatten Alle etwas von seinem Gold in ihren Taschen.«

In der That hatte sich auf ein Zeichen des Spielers, den man im Triumph einhertrug, der Zug gegen den Pavillon gewendet, in welchem die Genossen des Herrn Maes ihr Abendessen verzehrten.

Eusebius sah ihn staunend.an, denn in dem Menschen, der auf dem improvisirten Palankin saß, erkannte er den Bettler, dem er einige Stunden – zuvor ein Almosen gereicht hatte.

Der Spieler schien seinerseits Eusebius zu suchen, denn sobald er ihn erblickte, sprang er von seiner Tragbahre herab und eilte auf ihn zu, indem er seinen Sack mit Gold unter dem Arme hielt.

»Saheb,« sagte er, indem er ohne alle Umstände in den Festsaal trat, in welchem seine Lumpen auf eigenthümliche Weise gegen den Luxus der Entrichtung abstachen; »Dein Almosen hat mir Glück gebracht; ich habe Gold!«

Indem er diese Worte sprach, leerte er auf dem Tische zwischen den Schüsseln, Flaschen und Gläsern seinen Sack aus, der einige zwanzig Tausend Gulden in allen möglichen Münzsorten enthielt; daraus machte er zwei Haufen, die der Chinese und der Javanese nicht ohne eine habsüchtige Neugier betrachteten, welche aber die beiden Holländer mit der größten Gleichgültigkeit ansahen.

»Hier ist Dein Theil und hier der meinige sagte der Spieler, »wähle den, der Dir gefällt.«

»Wir Christen,« erwiederte der junge Holländer, »ertheilen das Almosen, ohne daß wir erwarten, auf Erden davon die Interessen zu empfangen; dort oben wird uns der Lohn dafür ausbezahlt.«

»Buddha hat den Menschen die Erde nicht gegeben, daß sie dieselbe verachten sollen,« entgegnete der Spieler. »Er ist reich und mächtig genug, um Denen, die er liebt, hier unten und dort oben Freuden zu verleihen.«

»Beharre nicht bei Deinem Willen,« sagte Eusebius ernst. »Wäre hier tausendmal so viel Gold, als ich auf diesem Tische sehe und wäre ich auch arm und entblößt, wie Du es zu sein scheinst, so möchte ich doch nichts von dem haben, was aus solcher Quelle geschöpft wurde!«

Der Mensch senkte den Kopf und sagte: »Junger Mann, beeile Dich nicht so sehr, die zu verurtheilen, deren Herz Du nicht ergründet hast; warte, bevor Du über mich richtest. Willst Du aber dieses Gold nicht, so gib es den Armen, denn Du bist Der, welchen Buddha mir in meinem Traume bezeichnete und in diesem Traume sagte er mir, daß ich den Theil dessen absondern sollte, der in meine Hände das Goldstück legen würde, welchem ich das Gold zu verdanken hätte, das ich von ihm erflehte.«

»Buddha?« rief Thsermai, indem er vortrat, während Herr Maes Eusebius bei Seite zog, um ihm mitzutheilen, wie die Javanesen mit unbedingtem Glauben auf ihre Träume bauen, und ihm versicherte, daß es nutzlos sei, gegen den Willen des zerlumpten Spielers zu kämpfen.

»Buddha!« sagte der javanesische Prinz, »ich staune, daß Du nicht drei Theile gemacht hast, statt der zwei, die ich auf diesem Tische sehe-M

»Weshalb drei Theile?«

»Weil mir, Deinem Herrn und Meister, einer gebührt. Hast Du denn vergessen, Du Sohn eines Hundes, daß ich der Rapati der Provinz Bontana bin?«

»Ich hatte es nicht vergessen, Tuan Thsermai, denn so wahr das Auge Buddha’s die Welt beleuchtet, sollte nicht ein Theil dieses Geldes, sondern das Ganze, Dir bestimmt sein. Nur Deinen Schatz damit zu bereichern, habe ich Buddha während so langer Nächte angefleht, um es zu Deinen Füßen niederzulegen nahm ich das Almosen einer weißen Frau an, und streckte ich dann die Hand gegen diesen jungen Herrn aus, trat ich endlich in diesen Ort ein, der in meinen Augen unsauberer ist, als die Sümpfe von Kawany.«

»Und was glaubtest Du, daß ich Dir zum Austausch für dies Gold geben sollte?«

»Die Freiheit einer der Bedajas, welche Deinen Palast bevölkern.«

»Wahrlich, habt Ihr so Etwas schon gehört, Ihr Herren?« sagte der Javanese zu seinen Genossen, »indem er den Namen Buddhas und die Reinheit seiner Seele anruft, hat dieser weißbärtige Heide die Augen auf eine der Houris geworfen, welche mein Paradies bewohnen.«

Der Bettler verneigte sich, ohne weiter Etwas zu sagen, während der javanesische Fürst einen gierigen Blick auf den Goldhaufen richtete, in welchem Gold und Silberstücke funkelten. »Aber die Letzte meiner Bedajas ist mehr werth, als hier Gold liegt, alter Narr,« sagte er dann.

»Und gleichwohl ist es nicht die mindest Junge und die mindest Schöne, die ich fortzuführen gedachte.«

»Gut gesprochen, mein Alter!« rief der Notar. »Ich liebe die Aufrichtigkeit, und wenn nicht mehr erforderlich ist, als einige zwanzig Gulden, damit der Prinz Thsermai befriedigt werde, lege ich sie aus meiner Tasche zu, vorausgesetzt, daß man mir gestatte, der Sitzung beizuwohnen, in welcher Du Deine Bedaja wählst.«

»Wenn Du wenigstens von Deinem Spielgewinn nicht den Theil abgezogen hättest, den Du diesem fremden Herrn gabst, fügte Thsermai hinzu.

»Buddha hat gesagt: Du sollst nie über das verfügen, was Dir nicht angehört.«

»Was sprichst Du da?« sagte der Chinese mit leiser Stimme. Dies Gold ist dem Gesetz verfallen, da dieser junge Thor es nicht nehmen wollte.«

Eusebius betrachtete diesen ganzen Auftritt mit einer leicht zu begreifenden Neugier. Er begriff nichts von der Uneigennützigkeit dieses Menschen, den er zugleich von den gröbsten Neigungen ergriffen sah.

»Einen Augenblick,« sagte.er, indem er vortrat. »Ich habe ein großes Unrecht begangen, indem ich diesem Manne Geld gab, welches dazu dienen sollte, eine schmachvolle Leidenschaft zu befriedigen, und ich kann nicht auch noch eine zweite ermuthigen. Dieses Gold gehört mir Beduis, und ich behalte es.«

Der Bettler richtete auf den jungen Holländer einen Blick, der zugleich eine Bitte und einen Vorwurf enthielt; dann wendete er sich, zu dem Javanesen und sagte:

»Ich bitte Euch, laßt Euch an dem hier genügen; hätte ich mehr, so würde ich es Euch geben.«

»Ha, ha, ha! Er ist wirklich unterhaltend, dieser alte Liebhaber der gelben Blumen des Herrn Thsermai!« sagte der Notar. »Nun, laßt ihn immerhin eine derselben pflücken.«

»Nein,« erwiederte der Javanese. »Alles was ich für ihn thun kann, ist, daß ich ihm gegen dieses Gold seine Freiheit gebe.«

»Meine Freiheit!« rief der Bettler,« die habe ich mir genommen, Tuan Thsermai; seitdem dein Stellvertreter mir den Boden geraubt hat, der der meinige war, seitdem er meine Hütte verbrannte, und mir nahm, was mir noch kostbarer war, meine Tochter, die gelbe Lilie des Lebak, habe ich das Band zerrissen, das mich an meinen Herrn fesselte. Die Freiheit, die Du mir verkaufen willst, habe ich mir selbst genommen und gegenwärtig habe ich keinen andern Herrn, als die Tiger und die schwarzen Panther des Waldes von Tjidaval.«

»Argalenka!« rief der Javanese, dessen Gesicht leichenblaß geworden war. »Du bist Argalenka, der Vater Arroa’s! Ha! jetzt begreife ich weshalb Du unter meinen Bedajas wählen wolltest.«

Argalenka ging, ohne diese Antwort abzuwarten.

»Nehmt doch das Gold mit Euch!« rief Eusebius ihm nach.

»Was kümmert mich dieses Gold, das mir nutzlos ist, mein Kind freizukaufen?« sagte der Bettler, indem er mit den Aeußerungen der Verzweiflung in der Dunkelheit verschwand.

Indem Eusebius erfuhr, daß es die Tochter war, welche dieser Mensch dem Serail Thsermais entreißen wollte, stand er wie vernichtet da. Die Tischgenossen hatten sich wieder gesetzt und das Gold, welches Argalenka in seiner Redlichkeit für seinen Wohlthäter bestimmt hatte, lag vor Eusebius. Dieser aber stieß es heftig dem Javanesen zu.

»Nehmen Sie dieses Gold,« sagte er zu Thsermai, »und geben Sie dem armen Teufel seine Tochter zurück.«

»Vortrefflich!« sagte der Notar, »der seit einigen Minuten sehr übler Laune zu sein schien, »jetzt werden wir auch noch sentimental. Der Teufel hole den Beduis, das Spiel und diese ganze Wirthschaft!«

»Herr van der Beck,« sagte Thsermai, indem er dem jungen Holländer antwortete, »Sie werden mir, wie ich hoffe, einen Besuch in meiner Residenz Kendand abstatten. Sie sollen Arroa sehen und darüber entscheiden, ob man auf sie verzichten kann, wenn man sie besitzt.«

»Aber was soll denn mit Alledem hier werden?« sagte der Chinese. »Herr van der Beek nimmt das, was ihm gehört, aber den Antheil des Beduis scheint mir, könnten wir unter uns theilen.«

»Pfui!« rief der Notar. »Die Chinesen könnten doch den Juden noch Etwas vorgeben. Ich will Ihnen zeigen, was man damit zu machen hat, und wie man sich durch dieses schmutzige Metall unterhalten kann. Herr Ti-Kai.«

Dabei nahm Herr Maes zwei Hände voll Goldstücke aus dem Sacke und schleuderte sie auf den Platz. Die, welche denselben erfüllten, hatten kaum die Handlung des Notars bemerkt, als sie herbeieilten, die Laternen herabrissen, Kerzen anzündeten, Strohbüschel anbrannten, und sich auf das in dem Staube umher liegende Gold stürzten.

Bei dem Tumult, der hieraus entstand, eilte Alles herbei, was bei Mynheer Cornelis auf den Beinen war.

Nur die Opiumraucher allein, welche in ihre Entzückungen versunken waren, verließen ihre Hütten nicht und fehlten demnach bei dem Feste, welches Herr Maes für die Besucher des Ortes improvisirt hatte.

Die Spieler verließen ihre Tische, die Musiker ihre Instrumente, selbst die Ranguns eilten in ihrer Tänzertracht herbei.

Herr Maes füllte zum zweiten Male seine beiden großen Hände mit Goldstücken, die erden erstern nachschickte; nun war es nicht blos noch ein Gewirr, sondern es wurde ein Kampf, bei dem es noch allen Seiten Hiebe regnete, wo Jeder nach seinem Alter, seinem Geschlecht oder nach seiner Kraft sich seine Fäuste, seine Füße, seine Nägel oder seine Zähne zur Waffe machte. Der Boden war mit zerfetzten Sacongs, mit Stücken von Gold- und Silberstoffen, mit Blumen, den Köpfen der Tänzerinnen entrissen, bedeckt, und färbte sich bald auch mit Blut.

 

Je gellender und schneidender das Geschrei in diesem höllischen Wirbel wurde, um desto größeres Wohlgefallen fand Herr Maes daran. Er warf wie rasend die Goldstücke aus und vorzugsweise an die Orte, wo die Menge am dichtesten gedrängt und am wildesten war, und wir müssen gestehen, daß der würdige Notar sich außerordentlich an diesem abscheulichen Schauspiel ergötzte und jeden Fluch, der außerhalb des Pavillons ertönte, mit einem lauten Gelächter oder einer anderen Aeußerung begleitete. Er wendete sich, um einen neuen Vorrath seiner sonderbaren Wurfgeschosse zu ergreifen, doch zu seiner großen Ueberraschung bemerkte er, daß er den Vorrath vollkommen erschöpft hatte, und war nicht nur das, was der Beduis verachtete, sondern auch Eusebius Antheil.

»Meiner Treu,« sagte er, »es bleibt nichts mehr; das ist schade. Ich glaube; ich habe ein wenig von ihrem Brode gegessen, Herr van der Beek, allein Sie werden mir deshalb nicht zürnen.Ich glaube, der beste Gebrauch, den Sie von diesem Gelde machen konnten; war, diese armen Teufel damit zu ergötzen.«

»Sie nennen das ergötzen!« sagte mit Bitterkeit Ti-Kai, welcher es schmerzlich beklagte, daß die Rücksicht für seine Würde ihn verhindert hatte, Antheil an einem Kampf zu nehmen dessen Glücksfälle er wahrhaft beneidete.

»Ganz gewiß,« sagte der Notar. »Sehen Sie mich an; ich habe so sehr gelacht, daß ich wie in Schweiß gebadet bin. Ei, da ist noch ein Stück!« fuhr er fort, indem er einen Doppeldeut ergriff, der zwischen zwei Schüsseln versteckt lag.

Der Notar wollte dieses Geldstück zu einem neuen Gegenstande des Kampfes zwischen den Gästen des Mynheer Cornelis machen, als Eusebius seinen Arm zurückhielt.

»Verzeihung,« sagte er; »lassen Sie mir dies. Ich möchte es behalten, um zu sehen, ob das, was mir Buddha geschickt hatte, Glück bringen wird.«

»Wissen Sie wohl,« sagte der Chinese Ti-Kai »daß es mir scheint, als wäre das Wenigste, was die Ranguns zum Dank für das, was Sie für sie thaten, wäre, daß sie zu uns kämen, um vor uns zu tanzen.«

Herr Maes klatschte diesem Gedanken mit allen Kräften Beifall und bald darauf traten die armen Mädchen, die, so gut es gehen wollte, ihre in dem Kampfe zerrissenen Kleider wieder in Stand gesetzt hatten, in den Pavillon und nahmen auf der Erhöhung im Hintergrunde desselben Platz. Mit ihnen war auch Harruch in das Festgemach getreten und hatte sich zu der Musik gesetzt.

Während Herr Maes sich an dem Kampfe unterhielt, hatte Eusebius bei Tuan Thsermai seine Bitten verdoppelt, um von demselben zu erlangen, daß er Argalenka sein Tochter zurückgebe, und Tuan Thsermai hatte, ohne irgend Etwas zu versprechen, mit solcher Artigkeit geantwortet, daß die Aussicht, eine gute Handlung zu vollbringen, den jungen Holländer heiterer machte, als er es während des ganzen Abends gewesen war, und obgleich die Unterhaltung, die stattfinden sollte, nicht sehr nach seinem Geschmack war, sprach er doch nicht mehr davon, sich zu entfernen.

Die Tänzerinnen hatten sich im Kreise rings um das kleine Theater gesetzt und warteten auf, das Signal zum Beginn ihrer Pantomimen.

Eusebius blickte zerstreut über die funkelnde Linie der Tänzerinnen hin und seine Augen hefteten sich endlich auf ein junges Mädchen, dessen weiße und rosige Gesichtsfarbe und goldblonde Haare auffallend gegen die Kupferfarbe ihrer Gefährtinnen abstach und seine ganze Aufmerksamkeit erweckte.

Es schien ihm, als sei dies weibliche Gesicht ihm nicht unbekannt, und er suchte sich zu erinnern, wo er das Mädchen schon gesehen haben könnte, als Thsermai aufstand und Harruch zu sich rief.