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Blanche von Beaulieu

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»Immer!« erwiederte Blanche, während sie zurückfiel und auf die rothe Rose in ihren Haaren deutete, die er ihr geschenkt hatte.

Und es schloß sich die Thüre wie die der Hölle.

V

Marceau fand den General Dumas, der ihn beim Kerkermeister erwartete; er verlangte Tinte und Feder.

»Was willst Du machen?« fragte Dumas erschrocken über seine Aufregung.

»An Carrier schreiben, zwei Tage von ihm verlangen, ihm sagen, sein Leben hafte mir für das Leben von Blanche.«

»Unglücklicher!« rief sein Freund, indem er ihm den angefangenen Brief entriß. »Du drohst, und Du bist in seiner Gewalt; bist Du nicht ungehorsam gegen den Befehl gewesen, den Du erhalten. Dich zur Armee zu begeben? Glaubst Du denn, wenn er Dich einmal fürchte, werden seine Befürchtungen dabei stehen bleiben, daß er einen glaubwürdigen Vorhand suche? Vor Ablauf einer Stunde wärest Du verhaftet; und was vermöchtest Du dann für sie und für Dich? Glaube mir, Dein Stillschweigen hat sein Vergessen zur Folge, denn sein Vergessen allein kann Dich retten.«

Der Kopf von Marceau war wieder in seine Hände gefallen; er schien tief nachzudenken.

»Du hast Recht!« rief er plötzlich aufstehend; und er zog seinen Freund nach der Straße fort.

Einige Personen waren um eine Postchaise versammelt. »Wenn heute Abend Nebel einträte,« sagte eine Stimme, »so weiß ich nicht, was zwanzig gute Bursche abhalten sollte, in die Stadt einzudringen und die Gefangenen zu entführen: Nantes ist zum Erbarmen bewacht.« Marceau schauerte, wandte sich um, erkannte Tinguy, wechselte mit ihm einen Blick des Verständnisses und sprang in den Wagen. »Nach Paris!« sagte er zum Postillon, dem er Gold gab; und die Pferde gingen mit der Geschwindigkeit des Blitzes ab. Ueberall dieselbe Eile, überall erhielt Marceau durch die Macht des Goldes das Versprechen, die Pferde werden am andern Tage bereit sein, und kein Hinderniß werde seiner Rückkehr im Wege stehen.

Auf dieser Reise erfuhr er, der General Dumas habe seine Entlassung genommen und nur um die Gunst gebeten, als Soldat bei einem anderen Heere verwendet zu werden; er war deshalb zur Verfügung des Wohlfahrtsausschusses gestellt worden und begab sich in dem Augenblicke nach Nantes, wo ihn Marceau auf der Straße von Elision fand. Um acht Uhr Abends kam der Wagen, der die zwei Generale enthielt, in Paris an.

Marceau und sein Freund verließen sich auf der Place du Palais-Egalite. Marceau wandte sich zu Fuße nach der Rue Saint-Honore, ging durch dieselbe auf der Seite von Saint-Roch hinab, blieb bei Nr. 366 stehen und fragte nach Robespierre.

»Er ist im Theâtre de la Nation,« antwortete ein Mädchen von sechzehn bis achtzehn Jahren; »willst Du aber in einer Stunde wiederkommen, Bürger General, so wird er zu Hause sein.«

»Robespierre im Theâtre de la Nation! Irrst Du Dich nicht?«

»Nein, Bürger.«

»Nun wohl! ich will ihn dort aufsuchen, und finde ich ihn nicht, so komme ich zurück und erwarte ihn hier. Mein Name ist: der Bürger General Marceau.«

Das Théâtre-Francais hatte sich in zwei Truppen getrennt: Talma war in Begleitung der patriotischen Schauspieler nach dem Odeon ausgewandert. In dieses Theater begab sich also Marceau, ganz erstaunt, daß er in einem Schauspielsaale das strenge Mitglied des Wohlfahrtsausschusses zu suchen hatte. Man spielte den Tod Cäsars. Er trat auf den Balcon ein: ein junger Mann bot ihm auf der ersten Bank einen Platz neben sich an. Marceau nahm dies an, in der Hoffnung, von hier aus den Mann zu erblicken, den er suchte.

Das Schauspiel hatte noch nicht angefangen; eine seltsame Gährung herrschte im Publikum; Gelächter und Zeichen wurden gewechselt und gingen wie von einem Hauptquartier von einer beim Orchester stehenden Gruppe aus; diese Gruppe beherrschte den Saal, ein Mann beherrschte diese Gruppe; das war Danton.

An seinen Seiten sprachen, wenn er schwieg, und schwiegen, wenn er sprach: Camille Desmoulins, sein Seide; Philippeaux, Hérault de Sechelles und Lacroix, seine Apostel.

Es war das erste Mal, daß sich Marceau diesem Mirabeau des Volkes gegenüber fand; er würde ihn an seiner starken Stimme, an seiner gebieterischen Geberde, an seiner mächtigen Stirne erkannt haben, wäre auch sein Name nicht mehrere Male von seinen Freunden ausgesprochen worden.

Man erlaube uns ein paar Worte über den Stand der verschiedenen Factionen, in die der Convent getheilt war: sie sind nothwendig zum Verständnisse der Scene, welche nun folgen soll.

Die Commune und die Montagne hatten sich vereinigt, um die Revolution vom 31. Mai zu bewerkstelligen. Die Girondisten, nachdem sie es vergebens versucht, die Provinzen zu föderalisiren, waren säst wehrlos mitten unter diejenigen gefallen, welche sie gewählt hatten und es nun nicht einmal wagten, ihnen in den Tagen ihrer Aechtung eine Zuflucht zu geben. Vor dem 31. Mai war die Macht nirgends, nach dem 31. Mai fühlte man das Bedürfniß der Einheit der Kräfte, um zur Geschwindigkeit im Handeln zu gelangen; die Assemblée war die ausgedehnteste Autorität? eine Faction hatte sich der Assemblée bemächtigt: einige Menschen geboten dieser Faction; die Macht befand sich natürlich in den Händen dieser Menschen. Der Wohlfahrtsausschuß hatte bis zum 31. Mai aus neutralen Conventsmitgliedern bestanden; es kam die Zeit seiner Erneuerung, und die äußersten Montagnards machten sich darin Platz. Barrère blieb darin als eine Repräsentation des alten Ausschusses, Robespierre aber wurde zum Mitgliede gewählt; Saint-Just, Collot d'Herbois, Billaud-Varennes unterdrückten, von ihm unterstützt, ihre Collegen Hérault de Séchelles und Robert Lindet. Saint-Just übernahm die Beaufsichtigung, Couthon übernahm es, in ihren Formen die im Grunde zu gewaltsamen Anträge zu mildern; Billaud-Varennes und Collot d'Herbois lenkten das Proconsulat der Departements, Carnot beschäftigte sich mit dem Kriege, Cambon mit den Finanzen, Prieux (von der Côte d'Or) und Prieux (von der Marne) mit den inneren und administrativen Arbeiten, und Barrère, der sich bald mit ihnen verband, wurde der tägliche Redner der Partei. Robespierre aber, ohne eine bestimmte Function zu haben, überwachte Alles und gebot diesem politischen Körper, wie der Kopf dem materiellen Körper gebietet und jedes Glied desselben nach seinem Willen handeln macht.

In dieser Partei hatte sich die Revolution verfleischt; sie wollte sie mit allen ihren Consequenzen, damit das Volk eines Tags alle ihre Resultate genießen könne.

Diese Partei hatte gegen zwei andere zu kämpfen: die eine wollte sie übertreffen, die andere zurückhalten. Diese zwei Parteien waren:

Die der Commune, vertreten von Hébert.

Die der Montagne, vertreten durch Danton.

Hébert popularisirte im Pére Duchesne die Unflätigkeit der Sprache; die Schmähung folgte hier den Opfern, das Gelächter den Hinrichtungen. In kurzer Zeit waren seine Fortschritte furchtbar: der Bischof von Paris und seine Vicare schworen das Christenthum ab; der katholische Cultus wurde durch den der Vernunft ersetzt, die Kirchen wurden geschlossen; Anarchasis Cloots wurde der Apostel der neuen Göttin. Der Wohlfahrtsausschuß erschrak vor der Macht dieser ultrarevolutionären Faction, von der man geglaubt hatte, sie sei mit Marat gefallen, und die sich auf die Immoralität und den Atheismus stützte; Robespierre allein übernahm es, sie anzugreifen. Am 5. December 93 bot er ihr auf der Tribune Trotz, und der Convent, der gezwungener Weise den Abschwörungen auf das Verlangen der Commune Beifall zugeklatscht, decretirte aus das Verlangen von Robespierre, der auch seine Religion zu gründen hatte, alle Gewaltthätigkeiten und der Glaubensfreiheit entgegengesetzte Maßregeln seien verboten.

Danton forderte im Namen der gemäßigten Partei der Montagne die Cassation der revolutionären Regierung; der von Camille Desmoulins redigirte Vieux Cordelier war das Organ der Partei. Der Wohlfahrtsausschuß, das heißt die Dictatur, war, nach seiner Behauptung, nur geschaffen worden, um im Innern zu unterdrücken und außen zu siegen, und da er im Innern unterdrückt und an der Gränze gesiegt zu haben glaubte, so forderte er, daß man eine seiner Ansicht nach unnütz gewordene Macht breche, damit sie später nicht gefährlich werde; die Revolution hatte niedergerissen, und er wollte auf einem Terrain, das noch nicht abgeräumt war, wieder bauen.

Das waren die drei Factionen, in die sich im Monat März 94, um welche Zeit unsere Geschichte sich ereignet, das Innere des Conventes theilte. Robespierre beschuldigte Hébert des Atheismus und Danton der Käuflichkeit; sodann wurde er seinerseits des Ehrgeizes bezichtigt, und das Wort Dictator fing an zu kreisen.

Dies war der Stand der Dinge, als Marceau, wie wir gesagt haben, zum ersten Male Danton sah, der sich aus dem Orchester eine Tribune machte und denjenigen, welche ihn umgaben, mächtige Worte zuwarf; man spielte den Tod Cäsars; es war eine Art von Losungswort den Dantonisten gegeben worden; sie fanden sich alle bei dieser Vorstellung ein, und auf ein Zeichen, das ihr Chef aufstehend geben würde, sollten sie auf Robespierre eine Anwendung folgender Verse machen.

 
Our, que César soit grand, mais que Rom soit libre.
Dieu! maitresse de l'Inde, esclave au bord du Tibre,
Qu'importe que son nom commande à I'uniivers
Et qu'on 1'appeIIe reine, alors qu'elle est aux fers?
Qu'importe à ma patrie, aux Romains que tu braves,
D'apprende que César ga de nonveaux esclaves?
Les persans ne sont pas nos plus fiers ennemis,
II en est plus grands: Je n'ai pas d'autre avis.2
 

Und darum war Robespierre, der von Saint-Just unterrichtet worden, an diesem Abend im Théâtre de la Nation, denn er begriff, welche Waffe in den Händen seiner Feinde wäre, wenn es ihnen gelänge, die Anklage, die sie gegen ihn erhoben, zu popularisiren.

 

Marceau suchte ihn indessen vergebens in diesem glänzend erleuchteten Saale, wo die Linie der Parterrelogen allein wegen des Vorsprungs, den die Gallerien über denselben bildeten, im Halbdunkel blieb, und seine von dieser vergeblichen Forschung ermüdeten Augen, fielen jeden Moment wieder auf die Gruppe des Orchesters, deren geräuschvolle Conversation die Aufmerksamkeit des ganzen Saales erregte.

»Ich habe unsern Dictator heute gesehen,« sagte Danton. »Man wollte uns aussöhnen.«

»Wo habt Ihr Euch getroffen?«

»Bei ihm: ich mußte die drei Stockwerke des Unbestechlichen hinaussteigen.«

»Und was habt Ihr Euch gesagt?«

»Ich kenne den ganzen Haß, den der Ausschuß gegen mich hege, doch ich fürchte ihn nicht. Er antwortete mir, ich habe Unrecht, man führe nichts Schlimmes gegen mich im Schilde, doch man müsse sich erklären.«

»Sich erklären! Sich erklären! das ist gut bei redlichen Leuten.«

»Das ist es gerade, was ich ihm erwiederte; da preßten sich seine Lippen zusammen, seine Stirne faltete sich, und ich fuhr fort; »»Man muß allerdings die Royalisten unterdrücken, doch man muß nur nützliche Streiche führen und nicht den Unschuldigen mit dem Schuldigen vermengen.«« – »»Ei! wer hat Ihnen gesagt, man habe einen Unschuldigen sterben lassen?«« entgegnete er mit Bitterkeit. – »»Was sagst Du dazu? nicht ein Unschuldiger ist gestorben!«« rief ich, indem ich mich an Herault de Sechelles wandte, der bei mir war; und ich ging ab.«

»Und Saint-Just war auch dort?«

»Ja.«

»Was sagte er?«

»Er strich mit seiner Hand durch seine schönen schwarzen Haare und ordnete von Zeit zu Zeit den Knoten seiner Halsbinde nach dem von Robespierre.«

Der Nachbar von Marceau, der seinen Kopf auf seine beiden Hände stützte, bebte und ließ jenes Pfeifen hören, das zwischen den zusammengepreßten Zähnen eines Menschen, der sich bewältigt, durchgeht; Marceau gab nicht Acht darauf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Danton und seine Freunde.

»Der Muscadin!« sagte Camille Desmoulins von Saint-Just sprechend, »er schätzt sich so hoch, daß er seinen Kopf mit Ehrfurcht auf den Schultern trägt, wie ein heiliges Sacrament.«

Der Nachbar von Marceau that seine Hände auseinander; dieser erkannte das sanfte, schöne Gesicht von Saint-Just, der bleich vor Zorn.

»Und ich,« sprach Saint-Just, indem er sich in seiner ganzen Höhe aufrichtete, »ich, Desmoulins, werde Dich den Deinigen tragen machen, wie ein heiliger Dionysius.«

Er drehte sich um, man trat auf die Seite, um ihn passieren zu lassen, und er ging vom Balcon weg.

»Ei! wer wußte, daß er so. nahe war?« rief Danton lachend. »Bei meiner Treue, das Paquet , ist an seine Adresse gekommen.«

»Ah! sprich!« sagte Philippeaux zu Danton, »hast Du das Pamphlet von Lava gegen Dich gelesen?«

»Wie! Laya macht Pamphlete? er soll den Freund der Gesetze aufs Neue machen, ich wäre begierig, ihn zu lesen, – das Pamphlet versteht sich.«

»Hier ist es,« sagte Philippeaux. Und er reichte ihm eine Brochüre.

»Ei! er hat, bei Gott! unterzeichnet. Er weiß also nicht, daß man ihm, flüchtet er sich in meinen Keller, den Hals abschneidet . . . St! st! der Vorhang geht auf.«

Das St! dehnte sich durch den ganzen Saal aus; ein junger Mann, der nicht bei der Verschwörung war, setzte indessen ein Privatgespräch fort, obgleich die Schauspieler auf der Bühne standen. Danton streckte den Arm aus, berührte feine Schulter mit der Fingerspitze und sagte zu ihm mit einer Höflichkeit, an der eine leichte Färbung von Ironie nicht zu verkennen war:

»Bürger Arnault, laß mich hören, als ob man Marius in Minturnä spielen würde.«

Der junge Autor hatte zu viel Geist, um einer in solchen Worten ausgesprochenen Bitte kein Gehör zu schenken; er schwieg, und die vollkommenste Stille erlaubte eine der schlechtesten Expositionen, die es auf dem Theater gegeben hat, zu hören, die vom Tode Cäsars.

Es war aber augenscheinlich, daß trotz dieses Stillschweigens, kein Mitglied der von uns bezeichneten kleinen Verschwörung, den Grund, warum es gekommen, vergessen hatte; Blicke tauschten sich aus, Zeichen kreuzten sich und wurden häufiger, so wie sich der Schauspieler der Stelle näherte, welche die Explosion hervorrufen sollte. Danton sagte leise zu Camille: »Es ist in der dritten Scene.« Und er wiederholte die Verse zugleich mit dem Schauspieler, als wollte er seinen Vortrag beschleunigen. Als die kamen, welche ihnen vorangehen:

 
(César, nous attendions de ta clémence augusté
Un don plus précieux, une faveur plus juste,
Au-dessus des états donnes par ta, bonté.
 

César.

 
Qu'oses tu demander, cimber?
 

Cimber.

 
La liberte!3
 

wurden sie mit drei Beifallssalven empfangen.

»Das geht gut,« sagte Danton; und er stand halb auf.

Talma begann.

Oui, que César soit graud, mäis que Roms soit libre.4

Danton stand ganz auf, schaute rings umher mit dem Blicke eines Herrführers, der sich versichern will, daß Jeder auf seinem Posten ist, als plötzlich seine Augen sich auf einen Punkt des Saales hefteten; das Gitter einer Parterreloge war emporgegangen; Robespierre streckte im Schatten seinen spitzigen, bleichen Kopf hervor. Die Augen der zwei Feinde waren sich begegnet und konnten sich nicht mehr von einander losmachen; es lag in denen von Robespierre die ganze Ironie des Triumphes, der ganze Uebermuth der Sicherheit. Zum ersten Male fühlte Danton einen kalten Schweiß über seinen ganzen Körper laufen; er vergaß das Signal, das er geben sollte; die Verse gingen ohne Beifall und ohne Murren vorüber, er fiel besiegt nieder: das Gitter der Parterreloge wurde aufgehoben, und Alles war geschehen. Die Guillotineurs behielten die Oberhand über die Septembriseurs; 93 verblendete 92.

Marceau, dessen befangener Geist sich mit etwas ganz Anderem als dem Trauerspiele beschäftigte, war vielleicht der Einzige, der, ohne sie zu begreifen, diese Scene sah, welche nur ein paar Secunden dauerte; er hatte indessen Zeit, Robespierre zu erkennen; unverzüglich stürzte er aus dem Balcon fort und kam noch früh genau, um ihm im Corridor zu begegnen.

Robespierre war ruhig und kalt, als ob nichts vorgefallen wäre. Marceau trat vor ihn und nannte sich. Robespierre reichte ihm die Hand: einer ersten Bewegung nachgebend, zog Marceau die seinige zurück. Ein bitteres Lächeln schwebte über die Lippen von Robespierre.

»Was wollen Sie denn von mir?« fragte er ihn.

»Eine Unterredung von ein paar Minuten.«

»Hier oder bei mir?«

»Bei Dir.«

»So komm.«

Und diese zwei Männer, deren Gemüthsbewegungen so verschiedenartig, gingen neben einander: Robespierre gleichgültig und kalt; Marceau begierig und aufgeregt.

Das war also der Mann, der das Schicksal von Blanche in seinen Händen hielt, der Mann, von dem er so viel hatte reden hören, dessen Unbestechlichkeit allein offenkundig war, dessen Popularität aber als ein Problem erscheinen mußte. In der That, er hatte, um sie sich zu erwerben, keines von den Mitteln angewandt, welche von seinen Vorgängern gebraucht worden waren. Er besaß weder die hinreißende Beredtsamkeit von Mirabeau, noch die väterliche Festigkeit von Bailly, noch das erhabene Ungestüm von Danton, noch die sprachfertige Unflätigkeit von Hébert: arbeitete er für das Volk, so geschah es insgeheim und ohne dem Volke davon Rechenschaft zu geben. Unter der allgemeinen Nivellirung der Sprache und der Tracht hatte er seine höfliche Sprache und seine elegante Tracht beibehalten;5 so viel sich endlich die Anderen Mühe gaben, sich mit der Menge zu vermischen, eben so viel schien er sich zu geben, um sich über derselben zu halten; und man begriff mit dem ersten Blicke, daß dieser Mensch für die Menge nur ein Idol oder ein Opfer sein konnte: er war das eine und wurde das andere.

Sie kamen an: eine schmale Treppe führte sie zu einem im dritten Stocke liegenden Zimmer; Robespierre öffnete es: eine Büste von Rousseau, ein Tisch, auf welchem der Contral social und der Emile offen lagen, eine Commode und ein paar Stühle bildeten das ganze Mobiliar dieses Zimmers. Nur herrschte überall die größte Reinlichkeit.

Robespierre sah, welche Wirkung dieser Anblick auf Marceau hervorbrachte.

2Ja, Cäsar sei groß, doch Roma sei frei; Gott!Herrin Indiens, Sklavin am Ufer der Tiber, wasliegt daran, daß ihr Name dem Weltall gebietet,da sie in Ketten ist? Was liegt meinem Vaterland?,was den Römern, denen Du trotzest, daran,zu erfahren, Cäsar habe neue Sklaven? Die Persersind nicht unsere kühnsten Feinde, es gibt größere:ich habe keine andere Meinung.
3Cäsar, wir erwarteten von deiner hohen Huld einkostbarer Geschenk, eine gerechtere Gunstbezeigungüber den Staaten, die deine Güte uns gegeben.– Cäsar – Was erkühnst du dich zu fordern,Cimber? – Cimber. – Die Freiheit.
4Ja, Cäsar sei groß, doch Rom ist frei.
5Der gewöhnliche Anzug von Robespierre ist so bekannt, daß er fast sprichwörtlich geworden. Am 20. Prairial. dem Festtage des Höchsten Wesens, dessen Oberpriester er war, erschien er bekleidet mit einem hellblauen Fracke, einer gestickten Monsselineweste mit einem rosa Futter; eine Hose von schwarzem Atlaß, weiße seidene Strümpfe und Schuhe mit Schnallen vervollständigten dieses Costume. In derselben Kleidung trug man ihn aufs Schaffot.