Ius Publicum Europaeum

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2. Ausdifferenzierung verwaltungsrechtlicher Teildisziplinen

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Die Ausbildung der verwaltungsrechtlichen Fächer orientiert sich nach wie vor wesentlich an den Regelungsgegenständen. Differenzierungen nach der Art der Aufgabenstellung in Ordnungs-, Leistungs- und Infrastrukturverwaltung, nach dem Grad der Gesetzesbindung in gebundene Verwaltung und Ermessensverwaltung oder nach den Handlungsmodalitäten in obrigkeitliche und schlicht hoheitliche Verwaltung, Verwaltungsprivatrecht und Fiskalverwaltung können hinge- gen lediglich eine systematisch-dogmatische Bedeutung beanspruchen.[153] Zu den klassischen Gebieten zählen das Polizei-, Kommunal-, Bau- und Beamtenrecht, früh hinzugetreten sind das Wirtschaftsverwaltungs-, Sozial-, Haushalts-, Abgaben-, Wissenschafts- sowie Ausländerrecht, später verselbständigte sich das Umwelt- und Planungsrecht und entstanden das Datenschutz-, Medien- und Lebensmittelrecht; zu den neueren Entwicklungen rechnen das Arzneimittel-, Informationsverwaltungs- und vor allem Vergaberecht sowie das Recht der Infrastruktur- und Regulierungsverwaltung. Allesamt bilden sie den Bereich des Besonderen Verwaltungsrechts, dem das aus der frühzeitigen Abschichtung eines Allgemeinen Teils hervorgegangene Allgemeine Verwaltungsrecht gegenübersteht, worin sich die grundsätzlich für alle Gebiete des Fachverwaltungsrechts geltenden Rechtsnormen, -institute und -grundsätze wiederfinden.[154] Das äußere System des Allgemeinen Verwaltungsrechts ist mittlerweile weitgehend in den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern kodifiziert, ergänzt um das normativ zersplitterte Staatshaftungsrecht sowie das eigentlich eine Sondermaterie bildende öffentliche Sachenrecht. Ungeachtet des starken funktionellen Zusammenhangs mit dem Verwaltungsverfahrensrecht hat sich das Verwaltungsprozessrecht separat erhalten.

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Die Rechtfertigung eines inneren Systems[155] des Allgemeinen Verwaltungsrechts liegt in seiner Natur als Ordnungsidee, die auf der „Verallgemeinerungsfähigkeit“ fachverwaltungsrechtlicher Phänomene gründet und „größere Zusammenhänge“ und „durchlaufende Entwicklungslinien“ sichtbar macht.[156] Das vergleichsweise statische, aber reformoffene Allgemeine und das tendenziell dynamische Besondere Verwaltungsrecht stehen dabei in einer „Verbundperspektive“.[157] Letztere kennzeichnet eine dialektische Mischung aus Deduktion und Induktion,[158] die auf der Idee von jeweils repräsentativen,[159] jedenfalls innovativen „Referenzgebieten“ fußt. Das Allgemeine Verwaltungsrecht erfüllt eine rechtstechnisch entlastende und vereinfachende „Speicherfunktion“, erlaubt die zentrale Einspeisung verfassungsrechtlicher Vorgaben sowie die Diskussion rechtspolitischer „Wertungswidersprüche“ und „Entwicklungsrückstände“ sowie der Rezeptionsvoraussetzungen im Rahmen der fortschreitenden Europäisierung.[160] Eine Zwischenebene mittlerer Abstraktionshöhe bilden vereinzelt entstandene „Allgemeine Teile“ des Fachverwaltungsrechts, kodifiziert im Sozial- und Abgabenrecht, versucht als „Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil“ und wissenschaftlich geleistet im allgemeinen Planungsrecht sowie im Allgemeinen Teil des Wirtschaftsverwaltungsrechts.[161] Während die Zukunft der Idee eines Allgemeinen Verwaltungsrechts im Europäisierungskontext mangels paralleler systematischer Strukturen der nationalen Verwaltungsrechtsordnungen teils mit Skepsis betrachtet wird,[162] betonen andere eine gewisse Kohärenz von europäischem und deutschem Allgemeinen Verwaltungsrecht und erhoffen für Letzteres eine erneute Schlüsselrolle bei der Überwindung partikularer Rechtszustände.[163]

3. Verhältnis zu anderen juristischen Subdisziplinen

a) Verfassungs- und Verwaltungsrechtslehre

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Die Verfassungsgeprägtheit des Verwaltungsrechts ist wegen grundgesetzlicher Vorgaben ebenso unbestreitbar wie die prinzipielle Verfassungsbindung der öffentlichen Verwaltung. Verfassungsvorgaben werden insbesondere aus der Abwehr- und Schutzfunktion der Grundrechte, einschließlich der verfahrensrechtlichen Dimension, dem Rechtsstaats-, Demokratie- und Sozialstaatsprinzip, der föderalen Gliederung des Bundes sowie der Garantie kommunaler Selbstverwaltung hergeleitet.[164] Trotz der hochgradigen Konstitutionalisierung der gesamten Rechtsordnung[165] goutiert die Verwaltungsrechtswissenschaft immer weniger die schon klassische Formulierung vom Verwaltungsrecht als „konkretisiertem Verfassungsrecht“[166] und verweist auf einen Selbststand des einfachen Rechts, das über eigene Prinzipien verfüge und nicht einfach aus der Verfassung deduziert werden könne.[167] Auch wenn das Verfassungsrecht stets als Prüfungsmaßstab präsent ist, lassen sich Verwaltung und Verwaltungsrecht nicht sinnvoll als reiner Verfassungsvollzug begreifen. Da umgekehrt aus der Verwaltungswirklichkeit ständig Impulse und Herausforderungen nicht nur für das Verwaltungs-, sondern auch für das Verfassungsrecht erwachsen, kann insgesamt von einem „Verhältnis der Interdependenz“[168] gesprochen werden. Die sich ihrer innovativen Dynamik und Komplexität gewisse Verwaltungsrechtswissenschaft betont mitunter die Statik und Schlichtheit des rangstärkeren Verfassungsrechts,[169] das überdies zum Teil, wie das Beispiel des aus dem preußischen Polizeirecht hervorgegangenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zeige, als „Abstraktion des Verwaltungsrechts“ zu begreifen sei.[170] Disziplinierende Wirkung auf die Entwicklung der „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“ gewinnt die verfassungsrechtliche Perspektive, wenn der „Rechtsstatus des Einzelnen“ ungeachtet der notwendigen „Perspektivenerweiterung“ den Ausgangspunkt bildet.[171] Effizienzorientierte Steuerungsmodelle finden hier eine Begrenzung.[172] Angesichts des massiven Einbruchs der Europäisierung in das nationale Verwaltungsrecht soll das geflügelte Wort „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“[173] aufgegeben oder jedenfalls umgedreht werden.[174] Die Verschränkung von Verfassungs- und Verwaltungsrechtswissenschaft zeigt sich auch am wissenschaftlichen Personal, das im Regelfall die Lehrbefugnis für beide Teildisziplinen des öffentlichen Rechts innehat, auf beiden Gebieten publiziert und sich unter dem gemeinsamen Dach der „Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“ versammelt, die traditionell auch verwaltungsrechtlichen Themen eine Diskussionsplattform bietet.[175]

b) Verwaltungsrechts- und Zivilrechtswissenschaft

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Eine vergleichbare institutionelle Verknüpfung von Zivil- und Verwaltungsrechtslehre fehlt trotz weitreichender inhaltlicher Zusammenhänge weitgehend, sieht man vom Alltagsgeschäft der juristischen Fakultäten und dem stark rechtspolitisch orientierten Deutschen Juristentag ab, der keine wissenschaftliche Vereinigung darstellt. Dabei überlässt die von öffentlich-rechtlichen Interventionen in ihren Kernmaterien geplagte Zivilrechtswissenschaft es der Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, sich um die Anwendung von Privatrecht im Verwaltungsbereich zu kümmern. Beide Seiten rekurrieren zur Selbstbeschreibung auf „zeitbedingte“[176] Abgrenzungsformeln zur jeweiligen Gegenseite,[177] was vor allem wegen der damit positivrechtlich verbundenen Rechtswegfrage hohe rechtspraktische Relevanz genießt. Das nicht minder bedeutsame Zusammenspiel beider Rechtsregime führte in der Verwaltungsrechtslehre zur Ausbildung des Verwaltungsprivatrechts[178] neben dem Fiskalbereich, zu der Lehre von Formenwahl und -missbrauch[179] sowie der Zweistufentheorie[180] und erfuhr im Zuge der Privatisierungsdebatte eine vertiefte wissenschaftliche Reflexion sowohl im Hinblick auf die Leistungsprofile, (Dys-)Funktionen und Komplementarität der beiden Teilordnungen als auch ihren Einsatz im Organisations-[181] und Handlungsbereich.[182] Innovativ wirkte ihr Verständnis als „wechselseitige Auffangordnungen“,[183] das Teile der „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“ unter Akzentuierung des Gewährleistungsverwaltungsrechts in einer „Verbund-Perspektive“ fortschreiben wollen, was auch dem weitgehend „regimeunabhängigen Ansatz“ des Europarechts entgegenkommt.[184]

4. Verhältnis zur Verwaltungswissenschaft

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Nach wie vor existiert eine Konzeption von juristischer Methode im Verwaltungsrecht, die eine klare Trennung zwischen Verwaltungsrechts- und Verwaltungswissenschaft postuliert,[185] jedenfalls dort, wo es um Entscheidungen über rechtmäßiges oder rechtswidriges Verwaltungshandeln geht.[186] Im juristischen Fächerkanon findet sich die Verwaltungswissenschaft unter dem Namen „Verwaltungslehre“ in die Nebenrolle einer untergeordneten Hilfswissenschaft gedrängt und fungiert als „Sammelplatz für das ‚Nichtjuristische‘ der Verwaltung“.[187] Die hohe Übereinstimmung der in den Lehrbüchern des Allgemeinen Verwaltungsrechts einerseits und der Verwaltungslehre andererseits behandelten Gegenstandsbereiche (Strukturen, Organisation, Handlungsformen, Personal und Kontrolle) liefert allerdings ein Argument dafür, über eine rein additive, multidisziplinäre Behandlung der öffentlichen Verwaltung hinauszugehen.[188] Interdisziplinäre Aufmerksamkeit erheischen insbesondere die vergleichsweise erfolgreicheren, autonom sozialwissenschaftlich fundierten und an die US-amerikanischen Administrative Sciences angelehnten „Verwaltungswissenschaften“,[189] die teilweise zum transdisziplinären Projekt einer singulären „Verwaltungswissenschaft“ verbunden werden.[190] Gerade die „Neue Verwaltungsrechtswissenschaft“ hat sich die sowohl multi-, inter- und sogar transdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Verwaltungswissenschaften auf das Panier geschrieben, getragen von einem „differenziert-integrativen Ansatz“ und einer „transdisziplinären Metatheorie“[191] und unter Wahrung der ihr eigenen normativen Ausrichtung.[192] Die mit der Perspektivenerweiterung eröffneten Inspirations- wie Lernchancen und das damit einhergehende Innovationspotenzial liegen für eine methodisch versierte Rechtsdogmatik, die um die Theorieabhängigkeit ihrer Modellierungen weiß, auf der Hand. Eine Schlüsselrolle spielen hierbei die im Theorie- und Methodenkapitel schon problematisierten „Brücken-“ oder „Verbundbegriffe“ wie beispielsweise „Steuerung“, „Information“, „Kooperation“, „Vernetzung“, „Verantwortung“ und „Legitimation“.[193] Namentlich die Stichworte „Effizienz“ und „Ökonomisierung“ der Verwaltung erfreuen sich angesichts leerer Haushaltskassen und des enormen Kostendrucks gegenwärtig besonderer Zuwendung im Rahmen einer ökonomischen Analyse des Rechts sowie des „New Public Management“ und können auch nicht einfach als „Verfallssymptome“ abgetan werden.[194] Auch wenn für die Verwaltungsrechtswissenschaft rechtsstaatliche Garantien nicht unter ökonomischem Vorbehalt stehen können, kann ein seinerseits normativ anerkanntes Wirtschaftlichkeitskalkül jedoch dort zum Tragen kommen, wo es um die Ausfüllung von Entscheidungs- und Gestaltungsspielräumen geht.[195]

 

5. Verhältnis zur Verwaltungspraxis und Verwaltungsgerichtsbarkeit

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Auch wenn in den deutschen Amtsstuben keine Habilitationsschriften, in der Regel auch keine Gesetzeskommentare, sondern allenfalls innenrechtlich hierarchisch administrierende Verwaltungsvorschriften auf den Schreibtischen liegen, vermittelt sich das wissenschaftlich ausgearbeitete Verwaltungsrecht über zahlreiche Schaltstellen, gewiss mit Abstrichen und Verlusten, bis in die „Tiefen“ der Verwaltungspraxis. Selbst das nicht akademisch ausgebildete Personal kennt über Studien an Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung und Verwaltungsakademien die Grundlagen des Rechtssystems, das dort nach Maßgabe derselben Grundsätze gelehrt wird, nach denen es auch die in den Verwaltungsspitzen präsenten Fachjuristen an den Juristischen Fakultäten studiert haben. Namentlich universitäre Lehrbücher zu den Grundrechten, zum Europa- und Verwaltungsrecht prägen methodisch wie sachlich ganze Juristengenerationen, auch wenn diese im Beruf den Kontakt zur „Wissenschaft“ verlieren, auf deren „Praxisferne“ man gerne verweist. Weil die Verwaltung einen eigenen Betrieb mit knappen Ressourcen und Aufgabenüberlastung bildet, macht sie sich das Recht strategisch als ein nützliches „Instrument“ dienstbar, das allerdings auch „Probleme“ zu bereiten vermag.[196] Von daher läuft sie dem Recht zuweilen davon, ignoriert und unterläuft es und verweist darauf, dass die Dinge anders liegen,[197] als es das Gesetz allgemein vorsieht, erst recht wie es die ferne Wissenschaft entwirft. Gleichwohl besteht gerade bei Verwaltungsspitzen, auch in den Kommunen und der Ministerialbürokratie, ein Informations- und Orientierungsbedarf, der über Fachvereinigungen, -tagungen und -zeitschriften bedient wird, an denen auch Hochschullehrer mitwirken, meistens ausgehend von spezialisierten universitären Forschungsstellen.[198]

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Die der Maßstäblichkeit des Verwaltungsrechts verschriebenen Verwaltungsgerichte stehen in der Eingangsinstanz zu sehr im Geschäft der Sachverhaltsaufklärung und Interessenvermittlung, um ihren juristischen Blick über Gesetzeskommentierungen und die gängigen Fachzeitschriften hinaus erheben zu können. Gleichwohl finden sich auch ihre Judikate im Rechtsprechungsteil der verwaltungsrechtlichen Zeitschriften berücksichtigt. Stärker im Fokus wissenschaftlicher Aufmerksamkeit steht die immer wieder auf wissenschaftliche Elaborate rekurrierende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, an der zum Teil auch Hochschullehrer als Richter im Nebenamt mitwirken; ebenso werden umgekehrt profilierte Richterpersönlichkeiten als Honorarprofessoren für die universitäre Lehre herangezogen. Die zentrale Rolle gebührt allerdings dem Bundesverwaltungsgericht, dem die Verwaltungsrechtswissenschaft nach nicht unwidersprochen gebliebener Sicht die Schleppe hinterhertragen soll.[199] Die schwierige Wechselbeziehung von (nicht zur Wissenschaft berufenem) Gericht und (nicht zum Urteilen verpflichteter) Wissenschaft kennzeichnet zunächst die teilweise wissenschaftsabstinente Arbeitsweise auch eines Bundesgerichts, jedenfalls was die Darstellung im Urteil anlangt, die bevorzugt auf Entscheidungsketten des eigenen Senats verweist. Im Spektrum liegen jedoch auch zitierfreudigere Urteile, die entweder neugeartete und brisante Rechtsfragen betreffen oder solche, bei denen sich das Gericht allfällig dem wissenschaftlicher durchwirkten Bundesverfassungsgericht gegenüber verantworten muss.[200] In Anbetracht der dirigierenden Wirkung von Revisionsurteilen für die bundesweite Vollzugspraxis leuchtet die Zurückhaltung gegenüber dem Import von in ihren Implikationen nur schwer vollständig überschaubaren Literaturstellen ein. Zuweilen machen literarische Vorschläge in der Judikatur offen Karriere, wie etwa das Verständnis von Verwaltungsvorschriften als „antizipierte Sachverständigengutachten“,[201] zuweilen erfolgen die Einflussnahmen auf verdeckten Pfaden und lassen sich vermeintlich innovative „Glanzstücke“ der Judikatur, wie zum Abwägungsgebot im Planungsrecht, als literarische Produkte dechiffrieren.[202] Umgekehrt zieht die Verwaltungsrechtswissenschaft vielfältigen Nutzen aus der permanenten Problemaufbereitung und -bewältigung in der verwaltungsgerichtlichen Praxis, ohne die sie ihre Erdung verlieren würde.[203] Neben Literaturberichten haben von daher Rechtsprechungsanalysen in Fachzeitschriften ihren festen Ort[204] und dienen der wissenschaftlichen Systematisierung und Reflexion, von der auch die Judikatur zu profitieren vermag. Selbstbewusst schreibt sich die Wissenschaft in der Summe zu, die „wirklich großen Entwicklungslinien im Verwaltungsrecht“, darunter die „Entfaltung des subjektiven öffentlichen Rechts“ und die „Forcierung des verfahrensrechtlichen Denkens“ selbst gezogen zu haben.[205]

6. Foren und Medien

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Regelmäßig versehen mit einer venia legendi für das gesamte öffentliche Recht, zumeist für Staats- und Verwaltungsrecht, häufig mit dem Zusatz Europarecht, nicht aber Europäisches Verwaltungsrecht,[206] sind die deutschen Verwaltungsrechtslehrer in der 1922 gegründeten Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer organisiert, die bei ihrer ersten dokumentierten Tagung 1924 in Jena 81, bei ihrer Jahrestagung 2008 dagegen 670 Mitglieder aufwies.[207] Traditionell widmete sich die Vereinigung am zweiten Verhandlungstag mit zwei Referaten verwaltungsrechtlichen Themen, seit 2002 werden vier Themen mit je zwei Referaten behandelt, wovon cum grano salis die letzten beiden Themenblöcke dem Verwaltungsrecht entstammen. Unter dem Dach der Vereinigung etablierte sich Anfang der achtziger Jahre ein „Gesprächskreis Verwaltungslehre“. Als sichtbarer Ausdruck der voranschreitenden Europäisierung erfolgte im Jahre 2003 in Frankfurt am Main die Gründung der „Societas Iuris Publici Europaei (SIPE)“, die sich Fragen des öffentlichen Rechts in Europa verschrieben hat.[208] Besondere Wirkkraft entfalteten überdies den „Grundlagen des Verwaltungsrechts“[209] gewidmete Kolloquien in Form von zehn Tagungsbänden in der von Wolfgang Hoffmann-Riem und Eberhard Schmidt-Aßmann herausgegebenen Reihe „Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts“.[210]

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In der Zeitschriftenlandschaft stechen das 1885 begründete, sich allen Aspekten des öffentlichen Rechts widmende „Archiv des öffentlichen Rechts“ wie das seit 1892 erscheinende „Verwaltungsarchiv“ hervor, das sich im Untertitel als Fachzeitschrift für „Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik“ ausweist. Als drittes Archiv deckt „Die Verwaltung“ als „Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften“ seit 1968 das Fach in seiner ganzen Breite ab. Eher rechtsvergleichenden Themen des Verwaltungsrechts ist das 1907 ins Leben gerufene „Jahrbuch des öffentlichen Rechts“ gewidmet. Deutlicher als die Archivzeitschriften auf die Verwaltungspraxis ausgerichtet sind das „Deutsche Verwaltungsblatt“, „Die Öffentliche Verwaltung“ sowie die „Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht“, die sich nicht wie die beiden erstgenannten mit einem integrierten Rechtsprechungsteil begnügt, sondern seit 1988 einen separaten Rechtsprechungsreport („NVwZ-RR“) aufweist. Hinzu kommen die Verwaltungsblätter einzelner Bundesländer, ergänzt um die spezifisch ostdeutschen Ländern gewidmete „Landes- und Kommunalverwaltung“ sowie eine Legion von Fachzeitschriften zu den Teilgebieten des Besonderen Verwaltungsrechts, vom „Gewerbearchiv“ über das „Recht der Energiewirtschaft“ bis hin zu Periodika für Bau-, Beamten-, Berg-, Umwelt- und Wasserrecht. Auch hier spiegelt sich der enorme Bedeutungszuwachs des Europäischen Rechts wider, das nicht mehr nur als eigenständige Sachmaterie, sondern in seiner allgegenwärtigen Verzahnung mit der nationalen Verwaltungsrechtsordnung behandelt wird.

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Maßstäbe setzten die in der Detailinformation zuverlässigen und zugleich das jeweilige verwaltungsrechtliche Teilgebiet wissenschaftlich strukturierenden, wenn nicht konstituierenden Handbücher von Carl Hermann Ule und Hans-Werner Laubinger zum „Verwaltungsverfahrensrecht“ (41995), von Fritz Ossenbühl zum „Staatshaftungsrecht“ (51998) und Michael Kloepfer zum „Umweltrecht“ (32004). In anderer Weise versuchen nun die von Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann und Andreas Voßkuhle herausgegebenen, dreibändig angelegten „Grundlagen des Verwaltungsrechts“[211] die Konzeption einer „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“ umfassend auszubuchstabieren. Unbeschadet ihrer Ausrichtung an der Paragraphenfolge des positiven Rechts vermochten aber auch die großen Kommentare namentlich zum Verwaltungsverfahrensgesetz[212] und zur Verwaltungsgerichtsordnung[213] wissenschaftliche Impulse zu geben, was für die inzwischen über 30 Lehrbücher zum Allgemeinen Verwaltungsrecht und über 15 Lehrbücher zum Verwaltungsprozessrecht nur in beschränktem Ausmaß zutrifft.[214] Eine didaktische Vorreiterrolle kommt hier dem erstmals 1980 erschienenen Standardwerk „Allgemeines Verwaltungsrecht“ von Hartmut Maurer (172009) zu, das das vormals führende „Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1“ von Ernst Forsthoff (101974) in der Studienpraxis ablöste.

Erster Teil Landesspezifische Ausprägungen › § 58 Wissenschaft vom Verwaltungsrecht: Deutschland › III. Lehre des Verwaltungsrechts