Antikorruptions-Compliance

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

2. Erscheinungsformen der Amtsträgerkorruption

2

Korruptionsdelikte sind (vorsätzliche) Kollusivdelikte, d.h. sie zeichnen sich aus durch das einverständliche Zusammenwirken zwischen Vorteilsgeber und -nehmer. Obwohl es sich bei materieller Betrachtung um eine Anstiftung des Entscheidungsträgers durch den Vorteilsgeber handelt[5] – der Geber „bestimmt“ den Nehmer zu einer pflichtwidrigen Handlung (vgl. § 334 Abs. 3 StGB) –, ist das Verhalten beider Seiten formell täterschaftlich ausgestaltet. Entsprechend sind Korruptionsdelikte spiegelbildlich aufgebaut, d.h. die Strafbarkeit von Geber und Nehmer wird in eigenständigen, aber in unmittelbarer Nähe zueinander angesiedelten Tatbeständen angeordnet.

3

Je nach Art und Unmittelbarkeit des Zusammenhangs zwischen dem vom Geber als „Schmiermittel“ eingesetzten Gegenstand und der vom Nehmer im Austausch geleisteten dienstlichen Tätigkeit sind verschiedene Korruptionsarten mit unterschiedlichem Unrechtsgehalt zu unterscheiden:

4

Sofern mittels einer Vorteilszuwendung der Staatsdiener zur Vornahme einer konkreten Verletzung seiner Dienstpflichten bestimmt wird (bspw. zum „Wegsehen“ bei einer Zollkontrolle oder zur vergaberechtswidrigen Erteilung eines Auftrags), liegt „echte“ Bestechung und damit genuines Korruptionsunrecht vor. Entscheidet sich der Geber hingegen ohne vorherige Absprache erst nachträglich dazu, eine bereits begangene Dienstpflichtwidrigkeit zu honorieren (meist in der Hoffnung, den Amtsträger dadurch zu ähnlichem Fehlverhalten in der Zukunft zu motivieren), liegt lediglich eine sog. Belohnungskorruption vor.[6] Eine solche „nachträgliche Bestechung“ bleibt vom Unrechtsgehalt her hinter demjenigen der echten Bestechung zurück. Eine besonders milde Korruptionsform schließlich ist die sog. Proto-Korruption.[7] Diese „Korruption light“ ist dadurch gekennzeichnet, dass jemand in seiner Eigenschaft als Staatsdiener mit einem Vorteil bedacht wird, ohne dass dabei eine konkrete pflichtwidrige Gegenleistung vereinbart wird.

II. Überblick zum Regelungskomplex §§ 331–337 StGB

5

Die Systematik der Vorschriften über die Amtsträgerkorruption ist komplex.[8] Die §§ 331 f. StGB enthalten die Straftatbestände in Bezug auf die Nehmerseite, die §§ 333 f. StGB diejenigen betreffs die Geberseite. Das echte Korruptionsunrecht (Rn. 4) wird dabei in den §§ 332 (Bestechlichkeit) und 334 StGB (Bestechung) unter Strafe gestellt. Zudem erfassen diese Vorschriften zugleich die Belohnungskorruption, also die sog. nachträgliche Bestechung (Rn. 4). Des Weiteren finden sich in diesen Vorschriften auch Regelungen in Bezug auf den Versuch (§§ 332 Abs. 1 S. 3, 334 Abs. 2 S. 2 StGB), Qualifikationstatbestände zur Richterbestechung mit differenzierten Strafrahmen (jew. Abs. 2) und Ergänzendes zum Spezialfall der gekauften Ermessensentscheidung (jew. Abs. 3).

6

Die §§ 331 (Vorteilsannahme), 333 StGB (Vorteilsgewährung) erfassen das mindere Unrecht der Proto-Korruption. Auch hier finden sich in den jeweiligen Absätzen 2 Qualifikationstatbestände zur Korrumpierung von Richtern. Die Absätze 3 enthalten Straffreistellungsgründe beim Vorliegen einer Genehmigung.

7

§ 335a StGB erweitert den Anwendungsbereich der §§ 331–334 StGB in bestimmten Konstellationen auf ausländische und internationale Bedienstete. Eine ausführliche Erläuterung dieser Vorschrift findet sich in Kap. 8.

8

Die Vorschriften der §§ 335, 336 und 337 StGB sind ergänzende Begleitregelungen. § 335 StGB normiert besonders schwere Fälle der §§ 332, 334 StGB. § 336 StGB stellt einer erkauften Diensthandlung die erkaufte Unterlassung einer solchen gleich, und § 337 StGB enthält eine klarstellende Spezialregelung für die Korrumpierung von Schiedsrichtern.

B. Bestechlichkeit und Bestechung (§§ 332, 334 StGB)

9

Prüfungsschema §§ 332, 334 StGB


I. Objektiver Tatbestand 1. Tauglicher Vorteilsnehmer, insb. Amtsträger (Rn. 13–28) 2. Unrechtsvereinbarung (Rn. 34) a) Leistung des Amtsträgers: pflichtwidrige Diensthandlung (Rn. 36–44) – Ermessensentscheidung (Rn. 40–43) b) Leistung des Bestechers: Vorteil (Rn. 45–51) – Vertraglicher Anspruch auf den Vorteil (Rn. 49) – Vorteil für einen Dritten (Rn. 50 f.) c) Äquivalenzverhältnis: Gegenleistung für künftige (Rn. 53) oder vergangene (Rn. 54) Diensthandlung d) Tathandlungen: Realisierung der Vereinbarung – Geberseite (§ 334 StGB): Anbieten (Rn. 57), Versprechen (Rn. 59) oder Gewähren (Rn. 60) – Nehmerseite (§ 332 StGB): Fordern (Rn. 57), Sichversprechenlassen (Rn. 59) oder Annehmen (Rn. 60)
II. Subjektiver Tatbestand (Rn. 62–65)
III. Rechtswidrigkeit (Rn. 70) und Schuld
IV. Besonders schwerer Fall, insb. hochwertiger Vorteil (Rn. 73)

I. Tatbild und Unrechtskern

10

Der Unrechtskern der (aktiven und passiven) Amtsträgerbestechung besteht darin, dass der von einem Vorteilsversprechen dazu motivierte Staatsdiener sich dienstpflichtwidrig verhält, also als Gegenleistung für einen Vorteil sein Amt fehlerhaft ausübt.[9] Allerdings sind die Tatbestände der §§ 332, 334 StGB so gestaltet, dass es auf die Vornahme der pflichtwidrigen Diensthandlung gar nicht ankommt. Vielmehr ist die Strafbarkeit insoweit vorverlagert, dass bereits das (versuchte) Treffen einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Geber und Nehmer unter Strafe steht. Daher ähnelt das Tatbild der §§ 332, 334 StGB der Verhandlung bzw. dem Abschluss eines illegalen Vertrages, welcher üblicherweise als Unrechtsvereinbarung bezeichnet und mit Kontraktmetaphern wie „do ut des“ oder „Äquivalenzverhältnis“ beschrieben wird. Da es auf den materiellen Unrechtserfolg tatbestandlich nicht ankommt, handelt es sich um ein Gefährdungsdelikt. Das hat u.a. für die Fragen von Tatzeitpunkt und -ort Bedeutung.

II. Täterkreis (Parteien der Unrechtsvereinbarung)

11

Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und Bestechung (§ 334 StGB) unterscheiden sich in Bezug auf den Kreis tauglicher Täter.

1. Bei der Bestechlichkeit (§ 332 StGB)

12

Bestechlichkeit ist ein Sonderdelikt, da bei der Korruption nehmerseitig per definitionem ein Entscheidungsträger agieren muss (Rn. 1). Bei der Amtsträgerbestechung geht es um Staatsdiener i.w.S., d.h. der Nehmer muss zum Zeitpunkt der Tathandlung[10] einer der folgenden Personengruppen angehören:

a) Amtsträger nach deutschem Recht

13

Der Begriff des (nationalen) Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert, wobei das Gesetz mehrere Untergruppen benennt (Buchst. a bis c).[11]

14

Gem. Buchst. a) ist zunächst Amtsträger, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist. Der Beamtenbegriff ist dabei verwaltungsakzessorisch im beamten- bzw. staatsrechtlichen Sinne zu verstehen.[12] Beamter ist demnach, wer nach den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften von der zuständigen Stelle durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde wirksam in das Beamtenverhältnis berufen worden ist; das Beamtenverhältnis endet, wenn ein Beendigungsgrund vorliegt (vgl. § 21 BeamtStG: Entlassung, Ruhestand usw.). Zum Begriff des Richters s. Rn. 27. Soldaten der Bundeswehr (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SoldatenG) sind zwar keine Amtsträger; sie werden diesen aber durch § 48 WStG gleichgestellt.

 

15

Amtsträger ist nach Buchst. b) zudem, wer nach deutschem Recht in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht. Dieser Auffangtatbestand („sonstigen“) setzt einen Status des Betroffenen voraus, welcher der Sache nach einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis vergleichbar ist. Dies ist etwa einschlägig für Notare[13] oder Rechtsreferendare, zudem für Regierungsamtsträger[14] wie Kanzler und Minister(präsidenten), parlamentarische Staatssekretäre oder den Bundespräsidenten. Indiz für das Vorliegen einer Amtsträgereigenschaft nach Buchst. b) sind gesetzliche Formulierungen, die von einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis sprechen (vgl. § 1 BMinG, § 1 BNotO). Nicht erfasst sind hingegen Angehörige freier Berufe (Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Insolvenzverwalter),[15] ebenso wenig Abgeordnete; auch wenn Art. 48 Abs. 2 GG von einem „Amt“ des Abgeordneten spricht, gilt für diese ausschließlich die privilegierende Sondervorschrift § 108e StGB (dazu 2. Kap.).

16

Schließlich sind nach Buchst. c) diejenigen Personen Amtsträger, die sonst dazu bestellt sind, bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen – und zwar unabhängig von der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform. Dieser Passus ist höchst unklar, da das irgendwie Bestelltwordensein bei einer ggf. auch privatrechtlich organisierten „Stelle“ ausreichend ist.[16] Entsprechend ist die Rspr. in diesem Bereich letztlich kaum vorhersehbar und case law-artig.[17] Eine Groborientierung bieten aber die Grundsätze in Bezug auf die folgenden drei Tatbestandsvoraussetzungen:

17

Zunächst muss der Täter mit („bei“)[18] oder ohne („im Auftrag“) organisatorische Eingliederung[19] für eine dem Staat zuzurechnende Institution („Behörde“ oder „sonstige Stelle“) agieren. Hier bestehen insb. Abgrenzungsschwierigkeiten zu rein privatwirtschaftlichen Unternehmen, für die primär das Korruptionsstrafrecht der §§ 299 ff. StGB gilt (s. 3. Kap.). Möglich ist aber auch, dass Delikte aus beiden Korruptionsstrafrechtsgebieten einschlägig sind.

18

Der Behördenbegriff entspricht im Wesentlichen der Definition in § 1 Abs. 4 VwVfG; er erfasst alle ständigen und formell in das Staatsgefüge eingeordneten Organe der Staatsgewalt, die dazu bestimmt sind, mit einer gewissen Selbstständigkeit Staatszwecke zu verfolgen.[20] Hinsichtlich der sonstigen (lies: quasi-staatlichen) Stellen kommt es auf die Organisationsform nicht an, sodass neben Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts[21] auch bürgerlich-rechtlich verfasste Entitäten (etwa GmbH,[22] AG[23] oder eV[24]) erfasst sein können (zum Konkurrenzverhältnis zw. Amtsträger- und privatwirtschaftlicher Bestechlichkeit nach § 299 s. Rn. 85 f., 130). Im Falle öffentlich-rechtlicher Verfasstheit ist die notwendige Behördenähnlichkeit regelmäßig anzunehmen.[25]

19

Geht es hingegen um eine zivilrechtliche Organisationsform, bedient sich die Rspr. der Formel, notwendig sei, dass die fragliche Stelle auf der Basis einer Gesamtbetrachtung als „verlängerter Arm des Staates“ erscheint.[26] Indiziell sind insoweit die Eigentumsverhältnisse (Öffentliche Hand oder Private?),[27] das Bestehen einer ökonomischen Konkurrenzsituation (Monopol- vs. Wettbewerbssituation),[28] die gesellschaftsvertragliche Zwecksetzung,[29] die Wahrnehmung durch die Bevölkerung[30] und die staatlichen Steuerungs- und Einflussnahmemöglichkeiten.[31] Letztgenanntem Kriterium kommt insb. in PPP-Konstellationen (Public-Private-Partnership) Bedeutung zu. Hierzu hat der BGH entschieden, die Annahme einer sonstigen Stelle komme nicht in Betracht, sofern der Private über eine Sperrminorität verfügt, die ihm ein Mitbestimmungsrecht bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen verschafft.[32]

20

Kasuistik: Als sonstige Stellen sind in der Rspr. bspw. angesehen worden ein öffentliches Krankenhaus,[33] öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,[34] ein Rechtsanwaltsversorgungswerk,[35] die GIZ,[36] Landesbanken,[37] gesetzliche Krankenkassen,[38] kassenärztliche Vereinigungen,[39] eine vereinsrechtlich organisierte Stelle zur Begutachtung der Sachkunde im Umgang mit Waffen[40] und die Deutsche Bahn Netz AG (eine 100 %ige Tochter der Deutsche Bahn AG),[41] nicht hingegen die Deutsche Bahn AG,[42] kirchliche Stellen,[43] eine 100 %ige Tochter-GmbH des Roten Kreuzes,[44] Privatschulen,[45] die Fraport AG[46] sowie eine medizinisch-psychologische Begutachtungsstelle für die Fahreignung[47].

21

Des Weiteren muss der Täter für die (quasi-)behördliche Stelle mit der Wahrnehmung öffentlicher Verwaltungsaufgaben betraut sein. „Öffentliche Verwaltung“ ist ein vager Begriff. Er umfasst prinzipiell jede aus der Staatsgewalt abgeleitete und staatlichen Zwecken dienende Tätigkeit, die nicht Rspr.[48] oder Gesetzgebung[49] ist. Darunter fallen grds. Tätigkeiten der Eingriffsverwaltung,[50] aber auch der Leistungsverwaltung[51] insb. soweit diese den Bereich der Daseinsvorsorge[52] betrifft (z.B. ÖPNV,[53] kommunale Müllentsorgung[54] oder Energieversorgung[55] sowie Gesundheitsvorsorge[56]). Beschaffungs- und Bedarfs- sowie staatliche Vermögensverwaltung ist öffentliche Verwaltung,[57] nicht hingegen die rein wirtschaftliche Betätigung.[58] Bei „Mischfällen“ ist für die Annahme öffentlicher Verwaltungstätigkeit entscheidend, ob zwischen erwerbswirtschaftlicher Betätigung und Verwaltungshandeln ein enger Zusammenhang besteht oder nicht (bejaht z.B. für die Vermarktung von Werbeflächen im ÖPNV durch eine AG in städtischer Hand).[59]

22

Die Aufgaben muss der Täter zudem selbst und unmittelbar[60] wahrnehmen. Für eine „Wahrnehmung“ in diesem Sinne ist dabei erforderlich, dass die Person in gewissem Umfang eigenständig agiert, d.h. als Entscheidungsträger fungiert (s. Rn. 1). Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt und wirft nur in besonders gelagerten Fällen Zweifel auf. Problematisiert und bejaht wurde das Merkmal etwa bei einem für das Zahl- und Bestellungswesen einer Schule zuständigen Schulsekretär[61] sowie einer Feuerwehrpraktikantin.[62] Für nicht ausreichend gehalten werden rein mechanische oder nur untergeordnete Hilfstätigkeiten[63] (z.B. Reinigungs-[64] oder Schreibarbeiten[65] sowie das Fahren eines Linienbusses[66]). Auch ein Vertragsarzt nimmt bei der Verordnung von Medikamenten für seine Patienten nach Ansicht des BGH selbst keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, weil insoweit das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient im Vordergrund stehe.[67]

23

Schließlich muss die Person auch zur Wahrnehmung der Aufgabe „bestellt“ worden sein. Daraus folgt zunächst, dass es sich nicht um eine bloß angemaßte Tätigkeit handeln darf.[68] Eines förmlichen Bestellungsakts bedarf es allerdings nicht, sodass grds. auch eine formfreie[69] und ggf. konkludente[70] Übertragung der Tätigkeit ausreicht. Die Rspr. misst aber dem Merkmal jedenfalls in Bezug auf die Bestellung zur Tätigkeit bei einer nicht-privatwirtschaftlich organisierten Stelle[71] einschränkendes Potenzial bei: Die vereinzelte Beauftragung ohne längerfristige Tätigkeit (z.B. einmaliger Einsatz eines freiberuflichen Planungsingenieurs zur Vorbereitung einer öffentlichen Ausschreibung[72] oder die mehrfache Hinzuziehung eines vereidigten Dolmetschers bei einer Fahrprüfung[73]) reiche nicht aus.[74] In diesen Fällen kann sich die Eigenschaft als tauglicher Nehmer aber aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergeben (s. Rn. 26).

b) Europäische Amtsträger

24

Der Begriff des europäischen Amtsträgers ist missverständlich, da er gerade nicht die Amtsträger anderer europäischer Nationalstaaten erfasst, selbst wenn diese mit der Durchführung von EU-Recht betraut sind (für diese Tätergruppe greift ggf. § 335a StGB);[75] er bezieht sich vielmehr allein auf Amtsträger der EU.

25

Die Legaldefinition § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB ist in drei Untergruppen geteilt. Buchst. a) erfasst „Mitglieder“ der dort aufgezählten EU-Institutionen.[76] Gem. Buchst. b) sind Beamte und die sonstigen Bediensteten der EU erfasst; auch diese Merkmale sind unionsrechtsakzessorisch auszulegen, wobei Art. 1 Ziff. 1 Buchst. b) erster Spiegelstrich des Protokolls v. 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften[77] eine gewisse Indizwirkung zukommt.[78] Buchst. c) enthält einen Auffangtatbestand für von der EU bspw. qua Werkvertrag beauftragte Personen, die funktionell Bediensteten gleichstehen.[79] Besonderes Augenmerk ist in sämtlichen Fallvarianten auf das Strafanwendungsrecht (§ 5 Nr. 15 StGB) zu richten (dazu Rn. 80 f.).

c) Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete

26

Die Figur des für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllt eine Auffangfunktion für Nr. 2 dieser Vorschrift („ohne Amtsträger zu sein“).[80] Erfasst werden können damit nach Buchst. a) zunächst Personen, deren dauerhafte („bei“) oder gelegentliche („tätig für“) Tätigkeit bei einer Behörde oder quasi-behördlichen Stelle von derart untergeordneter Bedeutung ist, dass diese nicht als aufgabenwahrnehmende Entscheidungsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB angesehen werden können, bei denen aber gleichwohl die Gefahr einer Beeinträchtigung des Staatshandelns besteht (z.B. Putz- oder Schreibkraft in Büros mit Geheimakten;[81] V-Personen[82]). Buchst. b) erfasst Beschäftigte bei „Zusammenschlüssen“ (etwa Ausschüssen[83]) oder Unternehmen, die ihrerseits für eine (quasi-)behördliche Stelle Verwaltungsaufgaben ausführen. Damit sind insb. Konstellationen des Outsourcings (bspw. im Bereich der massenhaften Datenverarbeitung durch Anwaltskanzleien oder Banken) erfasst.[84] Hinzukommen muss aber in beiden Varianten, dass die betroffene Person verwaltungsrechtlich wirksam[85] i.S.v. § 1 VerpflG auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten verpflichtet worden ist.

d) Richter

27

Richter sind gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB Amtsträger. Gemeint sind sowohl Berufs- als auch ehrenamtliche[86] Richter nach deutschen Recht (vgl. § 1 DRiG). Voraussetzung für die Richtereigenschaft ist eine wirksame Ernennung durch Aushändigung der Urkunde (vgl. § 17 DRiG) bzw. sonstigen Bestellungsakt (§ 44 DRiG). Mitglieder eines EU-Gerichts (insb. EuGH-Richter)[87] sind europäische Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB (s. Rn. 25). Für ausländische Richter und solche des Internationalen Strafgerichtshofs gilt § 335a StGB (dazu 8. Kap.).

28

(Nur) hinsichtlich der Qualifikationstatbestände der Richterkorruption (§§ 331–334 StGB, jew. Abs. 2) sind auch Schiedsrichter taugliche Vorteilsnehmer. Entscheidend für die Stellung als Schiedsrichter ist, dass der Person die verbindliche Entscheidung eines Rechtsstreits auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung (insb. Schiedsvertrag) oder einseitigen Verfügung (z.B. Testament) zugewiesen ist.[88] Erfasst sind vor allem Schiedsrichter i.S.v. §§ 1025 ff. ZPO,[89] nicht hingegen Sportschiedsrichter, für welche die Sondervorschriften der §§ 265c ff. StGB gelten (dazu 5. Kap.).

 

2. Bei der Bestechung (§ 334 StGB)

29

Das Delikt der Bestechung ist ein Allgemeindelikt, sodass geberseitig jedermann als Täter in Frage kommt. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Geber zugleich Nutznießer der pflichtwidrigen Handlung des Amtsträgers ist; auch „altruistische“ Bestechungen (etwa zum Nutzen eines Familienangehörigen oder einer juristischen Person) sind möglich.[90]