Antikorruptions-Compliance

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2. Korruptionsdelikte

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Die Korruptionsdelikte werden allgemein als abstrakte Gefährdungsdelikte eingestuft und setzen daher keine Rechtsgutsverletzung voraus. Dies bedeutet aber nicht, dass die jeweiligen Tatbestände keine Erfolge voraussetzen. Kennzeichnend für die Korruptionsdelikte ist, dass der Täter etwas als Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt bzw. dass er dies anbietet, verspricht oder gewährt. Unter Fordern versteht man das einseitige Verlangen eines Vorteils.[47] Allerdings muss das Verlangen dem Empfänger jedenfalls zugehen, damit eine Bestrafung in Betracht kommt, nach h.M. ist sogar die Kenntnisnahme erforderlich.[48] Damit setzt das Fordern einen Teilerfolg voraus. Der Aufenthaltsort des Empfängers bei Zugang der Forderung ist somit Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB.[49]

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Ein Beispiel: Der Franzose F ist Europäischer Amtsträger und arbeitet in den Niederlanden. Von seinem Büro aus schreibt er dem Italiener I eine E-Mail, in der er einen Vorteil dafür fordert, dass er I‘s Antrag positiv bescheidet. Die E-Mail geht I auf einer Dienstreise in Deutschland zu, wo er sie liest.

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I hat in Deutschland Kenntnis von der Forderung erlangt, was eine notwendige Außenwirkungshandlung der Forderungshandlung des F ist. Über § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB findet daher deutsches Strafrecht Anwendung. Dabei hängt der Erfolgsort stark davon ab, was im Tatbestand als Erfolg vorausgesetzt ist, was wiederum im Einzelnen umstritten sein kann. Liest I die ihm in Deutschland zugegangene E-Mail erst im Zug in der Schweiz, hängt die Frage, ob die Tat in Deutschland begangen ist, davon ab, was genau man als Erfolg des Forderns voraussetzt. Kommt es nur auf den Zugang an, wäre der Erfolg in Deutschland eingetreten. Kommt es hingegen auf die Kenntnisnahme an, wäre der Erfolg in der Schweiz eingetreten. Deutschland wäre dann nur ein sog. Transitort.

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Beim Sich-Versprechen-Lassen schließt der Täter mit dem Opfer eine Unrechtsvereinbarung, d.h. er nimmt dessen Angebot an.[50] Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugang beim Empfänger zum Vertragsschluss führt.[51] Dieser Zugang ist damit ein dem Sich-Versprechen-Lassen innewohnender Teilerfolg, der bei Distanzdelikten, bei denen sich die Partner der Unrechtsvereinbarung in verschiedenen Staaten aufhalten, zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts über den Erfolgsort führen kann.[52] Hat im obigen Beispiel I F einen Vorteil versprochen und erklärt F in der E-Mail sein Einverständnis, begründet der Zugangsort in Deutschland einen deutschen Teilerfolgsort und somit die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. Entsprechendes gilt für das Anbieten eines Vorteils und das Versprechen eines Vorteils, die die Pendants zum Fordern und Sich-Versprechen-Lassen darstellen und jeweils eine Wirkung, nämlich den Zugang beim Empfänger, voraussetzen.[53]

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Auch das Gewähren eines Vorteils erfordert die tatsächliche Zuwendung des Vorteils an den Empfänger, so dass es auch hier einen weitergehenden Erfolgsort geben kann. Welcher dies ist, hängt von der Art des Vorteils ab. Bei materiellen Zuwendungen wird dies häufig der aktuelle Aufenthaltsort des Empfängers sein.[54] Dies kann, muss aber nicht dessen Heimatstaat sein.[55] Liegt der Vorteil dagegen darin, dass eine Reise finanziert wurde, kommt der Reiseort als Empfangsort in Betracht.

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Die Annahme eines Vorteils ist dessen tatsächliche Entgegennahme. Da hier, anders als bei dem Fordern oder Sich-Versprechen-Lassen, keine Einigung erforderlich ist, enthält das Merkmal des „Annehmens“ keinen von der Handlung zu trennenden Erfolg. Die Tat ist daher nur am Aufenthaltsort des Täters begangen.

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Kein Erfolgsort ist der Ort, an dem die Leistung, auf die die Unrechtsvereinbarung zielt, vorgenommen wurde.[56] Dies kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Straftatbestände nicht voraussetzen, dass es tatsächlich zu dieser (Gegen-)Leistung kommt und deren Vorliegen damit nicht zum Tatbestand gehört.[57]

III. Regelbeispiele

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Regelbeispiele zählen nicht zum gesetzlichen Tatbestand und können somit keinen weiteren Handlungs- oder Erfolgsort begründen. Die Abrede, wiederholt Straftaten zur Gewinnerzielung in Deutschland zu begehen, die bei gewerbsmäßigem Handeln oder bei einer Bandenbegehung vorliegen könnte, führt daher noch nicht zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts.

IV. Täterschaft und Teilnahme

1. Allgemeines

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§ 9 Abs. 1 StGB gilt für unmittelbare Täter, mittelbare Täter und Mittäter. Die h.M. rechnet bei Mittätern nicht nur die Handlungen, sondern auch die Handlungsorte zu.[58] Das ist plausibel, wenn man die jeweiligen Tatbeiträge als Teile einer Gesamttat beider Mittäter ansieht, da Teilhandlungen im Inland für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts genügen. Die Gegenansicht wendet zum einen ein, dann müsse auch bei eigenhändigen Delikten eine Mittäterschaft in Betracht kommen, die nach allgemeiner Ansicht abgelehnt werde.[59] Hierdurch werden allerdings zwei unterschiedliche Fragestellungen miteinander vermischt, da die eine das „Ob“ der Zurechnung, die andere deren Konsequenzen betrifft.[60] Zum anderen könne jeweils nur der eigene Handlungsort des Mittäters gemeint sein, da es kein Bedürfnis nach einer noch stärkeren Ausdehnung des Handlungsortes gebe und dies völkerrechtlich problematisch sei.[61] Der Einwand trifft zwar zu, lässt sich aber den §§ 3 ff. StGB insgesamt und § 9 StGB insbesondere entgegenhalten, die deutsches Strafrecht in sehr weitem Umfang für anwendbar erklären. Bei mittelbarer Täterschaft soll nach h.M. aus denselben Gründen das Verhalten des Tatmittlers ebenfalls einen inländischen Handlungsort begründen.[62] Da das Verhalten des Tatmittlers notwendig ist, damit die Tatbestandsmerkmale erfüllt werden, überzeugt auch diese Ansicht im Ergebnis. Die Einordnung als Teilhandlung ist allerdings nicht zwingend. Denkbar wäre es auch, das Verhalten des Tatmittlers als Teilerfolg des Verhaltens des mittelbaren Täters anzusehen, der von § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB vorausgesetzt wird.

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Für Teilnahme gilt die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 1 StGB. Danach ist die Teilnahme an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, sowie an dem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat, hätte handeln müssen oder an dem seiner Vorstellung nach die Tat begangen werden sollte. Die Regelung entspricht § 9 Abs. 1 StGB, wenn man die Haupttat als Erfolg der Teilnahme begreift. Dadurch, dass für die Haupttat die Anknüpfungspunkte des Abs. 1 gelten, lassen sich insgesamt zehn Konstellationen herausdestillieren, in denen deutsches Recht auf den Teilnehmer Anwendung findet.[63] Von besonderer Bedeutung für Korruptionsdelikte ist die Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, wonach die Inlandsteilnahme auch dann strafbar ist, wenn die im Ausland begangene Haupttat nach dem Recht des Tatorts nicht zu bestrafen ist. Hieraus folgt erst Recht, dass deutsches Strafrecht nicht auf die Haupttat anwendbar sein muss.[64] Es genügt vielmehr die hypothetische Strafbarkeit nach dem StGB.

2. Korruptionsdelikte

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Für die Korruptionsdelikte gelten keine Besonderheiten. Allerdings zeigen sich gerade im Bereich der Korruptionsdelikte die Probleme der weiten Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB.

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Beispiel:

Der Australier A möchte dem australischen Abgeordneten B ein Geschenk zukommen lassen, damit dieser bei einem Gesetzesvorhaben im australischen Parlament ggf. in A‘s Sinn abstimmt. Zu diesem Zweck bittet A seinen australischen Assistenten C, herauszufinden, worüber B sich wohl freuen könnte. C führt die Recherche im Flugzeug auf einer Europareise durch und schickt eine Nachricht mit den Informationen – in Kenntnis des Vorhabens des A – bei einem Zwischenstopp in Frankfurt am Main ab. A gibt das von C recherchierte Geschenk in Canberra B.

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In dem Fallbeispiel spielt sich die Haupttat (§ 108e Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6 StGB) in Australien in Bezug auf das australische Parlament ab und wird nur von Australiern begangen, weshalb deutsches Strafrecht hierauf keine Anwendung findet. Die Beihilfe des C erfolgt allerdings auf deutschem Territorium, weshalb gem. § 9 Abs. 2 S. 1 Var. 2 StGB deutsches Strafrecht anwendbar ist, und zwar völlig unabhängig davon, ob diese Art von Lobbyismus in Australien erlaubt ist oder nicht. In der Literatur werden deswegen zum Teil Einschränkungen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB diskutiert, u.a. die Anwendung von § 3 Abs. 2 StGB a.F., die Lösung über die Versuchsdogmatik, die Anwendung von § 153c StPO (s. Rn. 58), die Einführung des Erfordernisses einer beiderseitigen Strafbarkeit sowie die Beschränkung auf schwere Kriminalität, die sich bislang allerdings nicht durchgesetzt haben.[65] Dasselbe Problem stellt sich, wenn die Bewertung der Tat an Handlungs- und Erfolgsort voneinander abweicht.[66]

V. Tatbegriff

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Umstritten ist, ob § 3 StGB ein materieller oder ein prozessualer Tatbegriff zu Grunde liegt. Die h.M. geht davon aus, dass ein prozessualer Tatbegriff maßgeblich sei, was u.a. mit den Erfordernissen des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes begründet wird.[67] Die Gegenansicht[68] verweist darauf, dass mit „Handlung“ und „Erfolg“ auf Merkmale des materiellen Straftatbestands abgestellt werde, was nicht zur prozessualen Tatbestimmung passe. Sie kommt aber über Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf Taten, die Teil der angeklagten prozessualen Tat sind, zu im Wesentlichen gleichen Ergebnissen.

 

C. § 5 StGB

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§ 5 StGB enthält Regelungen für Taten, die im Ausland begangen werden. Er ist schon einschlägig, wenn die Tat nur zu einem Teil im Ausland begangen wurde, also deutsches Strafrecht wegen der teilweisen Begehung im Inland bereits gem. §§ 3, 9 StGB anwendbar wäre: So, wie eine Tat bei Teilbegehung im Inland Inlandstat ist, ist sie zugleich bei Teilbegehung im Ausland Auslandstat. Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts kann sich in diesen Fällen aus verschiedenen Vorschriften ergeben.[69] Regelmäßig wird § 5 StGB aber nur dann eine Rolle spielen, wenn kein inländischer Begehungsort vorliegt.

I. Nr. 10a

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Nr. 10a enthält eine Sonderregelung für den Sportwettbetrug und die Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (§§ 265c, 265d StGB). Die Straftatbestände sind immer dann anwendbar, wenn der Wettbewerb im Inland stattfindet, selbst wenn die Unrechtsvereinbarung vollständig von Ausländern im Ausland geschlossen wird. Damit wird die Lücke geschlossen, die dadurch entsteht, dass die Straftatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte keinen Gefahrerfolg voraussetzen.

II. Nr. 12

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Nr. 12 erfasst alle Taten von deutschen Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, die diese im Ausland während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Bezug auf den Dienst begehen. Letzteres ist bei den §§ 331 ff. StGB regelmäßig der Fall.[70] Die Begriffe „Amtsträger“ und „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter“ beziehen sich auf die Legaldefinitionen in § 11 StGB und erfassen nur Positionen nach deutschem Recht. Die Personen müssen die deutsche Staatsangehörigkeit haben, damit Nr. 12 Anwendung findet.

III. Nr. 13

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Nr. 13 erfasst Ausländer, die Taten „als“ Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter begehen. Auch hier müssen die Ausländer eine entsprechende Position innehaben. Die Vorschrift ist insoweit enger als Nr. 12, als der Täter die Tat in seiner amtlichen Eigenschaft begehen muss,[71] was bei den §§ 331 ff. StGB der Fall ist.

IV. Nr. 15

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Nach Nr. 15 findet deutsches Strafrecht auf die §§ 331–337 StGB Anwendung, wenn eine der in a)-d) bezeichneten Voraussetzungen vorliegt. Gem. lit. a muss der Täter Deutscher sein. Die Regelung ist somit Ausdruck des aktiven Personalitätsprinzips. Sofern es sich bei dem Täter um einen Amtsträger handelt, wird die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts häufig bereits aus Nr. 12 folgen.[72] Relevant wird lit. a allerdings für die Fälle der Vorteilsgewährung und Bestechlichkeit, die durch jedermann begangen werden können.[73] Lit. b erfasst Taten von Europäischen Amtsträgern, deren Dienststelle im Inland liegt. Die Gleichstellung von Europäischen Amtsträgern mit Deutschen folgt aus dem Unionsschutzprinzip und dem Gebot der Assimilierung.[74] Da andere Mitgliedstaaten vergleichbare Regelungen haben, soll die Strafbarkeit durch den Inlandsbezug stärker koordiniert werden.[75]

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Lit. c regelt Taten, die gegenüber Amtsträgern, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder Soldaten der Bundeswehr begangen werden. Gemeint sind nach den Legaldefinitionen in § 11 StGB jeweils nur Amtsträger und Verpflichtete nach deutschem Recht.[76] Die explizite Einbeziehung der Soldaten erklärt sich aus der begrenzten Geltung des Verweises in § 48 WStG und der entsprechenden Regelung in §§ 333 ff. StGB (s. Rn. 3). Lit. c lässt sich nicht mit Hilfe des passiven Personalitätsprinzips rechtfertigen, weil der Vorteilsempfänger kein Opfer der Straftat ist.[77] Möglich ist aber eine Rechtfertigung über das Staatsschutzprinzip:[78] Durch die Bestechung deutscher Amtsträger wird die Lauterkeit der deutschen öffentlichen Verwaltung in Frage gestellt, die der deutsche Staat mit Mitteln des Strafrechts schützen darf.

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Lit. d erfasst hingegen Taten gegenüber Europäischen Amtsträgern, Schiedsrichtern und den ihnen gem. § 335a StGB gleichgestellten Personen, wozu u.a. ausländische Amtsträger gehören (s. 8. Kap. Rn. 31 ff.), allerdings nur, soweit es sich um Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit handelt. Die Beschränkung auf Taten gegenüber deutschen Staatsangehörigen wird in der Literatur als inkonsequent kritisiert.[79] In der Tat ist mit Blick auf die Europäischen Amtsträger nicht erklärbar, warum deren Fehlverhalten nur bei deutscher Staatsangehörigkeit bestraft werden sollte, denn der Schutz der Lauterkeit der Verwaltung der EU ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit zu gewähren. Das Gleiche gilt für Taten gegenüber ausländischen Amtsträgern, die sich nur mit Blick auf die Lauterkeit der ausländischen Verwaltung rechtfertigen lassen, wofür deren deutsche Staatsangehörigkeit aber keine Rolle spielen sollte.[80] Zudem ist die Staatsangehörigkeit weiterer Tatbeteiligter weder nach dem aktiven noch nach dem passiven Personalitätsprinzip tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit.[81] Insoweit überzeugt die 2015 neugefasste Nr. 15 nicht.

V. Nr. 16

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Nr. 16 betrifft die im Ausland vorgenommene Mandatsträgerbestechung. Deutsches Strafrecht ist zum einen anwendbar, wenn der Täter Mitglied einer deutschen Volksvertretung ist oder die Tat gegenüber einem solchen Mitglied begangen wird. Relevant wird dies etwa für EU-Ausländer, die Mitglieder deutscher Kommunalvertretungen sind.[82] Diese Regelung stützt sich erkennbar auf das Staatsschutzprinzip, da die Bestechung und Bestechlichkeit der Mandatsträger in deutschen Volksvertretungen ein schlechtes Licht auf die Bundesrepublik wirft.[83] Außerdem findet deutsches Strafrecht Anwendung, wenn der Täter oder sein Gegenüber die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Jedenfalls im letzteren Fall ist die Anwendbarkeit deutschen Rechts bedenklich (s. bereits Rn. 36).[84] Die Regelung beruht allerdings auf völkerrechtlichen Vereinbarungen.[85]

VI. Täterschaft und Teilnahme

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§ 5 StGB bestimmt den Anwendungsbereich deutschen Strafrechts materiell durch Auflistung einzelner Straftatbestände. Grundsätzlich sind damit alle Formen der Beteiligung an diesen Tatbeständen erfasst.[86] Dies gilt jedenfalls für die Nr. 10a, 12, 13, 15 lit. c und d, 16 lit. b. In Nr. 15 lit. a und b und Nr. 16 lit. a findet sich die Besonderheit, dass explizit auf den „Täter“ abgestellt wird, der bestimmte Eigenschaften haben muss. Hier stellt sich die Frage, ob dieser Begriff im Lichte der Beteiligungslehre auszulegen ist. Die Konsequenzen können anhand eines Beispiels verdeutlicht werden:

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Der deutsche D lebt und arbeitet in China. Um eine Baugenehmigung zu erhalten, die ihm rechtlich nicht zusteht, möchte er dem zuständigen chinesischen Beamten C als Gegenleistung 10.000 € anbieten. Da D‘s Chinesisch noch lückenhaft ist, bittet er seine chinesische Freundin F, C das Angebot zu unterbreiten, was diese auch tut.

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Im vorliegenden Fall verwirklicht F §§ 334 Abs. 1 i.V.m. 335a I Nr. 2 lit. a StGB. D ist Anstifter. Fraglich ist aber, ob deutsches Strafrecht überhaupt anwendbar ist. Da der Fall vollständig in China spielt, sind die §§ 3, 9 StGB nicht einschlägig. Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts könnte sich aus § 5 Nr. 15 lit. a StGB ergeben. Dazu müsste der Täter Deutscher sein. Legt man die Beteiligungslehre zu Grunde, wäre F Täterin, D nur Teilnehmer. Da F nicht Deutsche ist, wäre deutsches Strafrecht dann nicht anwendbar. Dieses Ergebnis überzeugt nicht, weil so die Anwendbarkeit des Strafrechts von der Staatsangehörigkeit eines anderen Tatbeteiligten abhinge, was den Rahmen des aktiven Personalitätsprinzips sprengt. Dies erkennt man deutlich am umgekehrten Fall, dass ein deutscher Haupttäter die Bestechung vornimmt und der Teilnehmer Chinese ist. Dann wäre der chinesische Teilnehmer wegen der in China gegenüber einem Chinesen begangenen Bestechung nach deutschem Recht strafbar, weil der Haupttäter Deutscher ist. Damit würde der Regelungsgedanke des § 9 Abs. 2 StGB auf das Personalitätsprinzip übertragen. Dass dies vom Gesetzgeber gewollt ist, lässt sich nicht begründen. Im Ergebnis folgt daraus, dass der Begriff „Täter“ in § 5 StGB nicht i.S.d. restriktiven Täterbegriffs aus § 25 StGB zu verstehen ist, sondern alle Formen der Beteiligung umfasst.[87]

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Dennoch stellt sich im obigen Beispielsfall die Frage, ob D wegen Anstiftung zur Bestechung bestraft werden kann, wenn deutsches Strafrecht auf die Haupttat nicht anwendbar ist und diese möglicherweise von keiner Rechtsordnung bestraft wird. Für § 3 StGB stellt das Gesetz in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB klar, dass der Teilnehmer auch dann bestraft wird, wenn die Tat am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist. Eine solche Regelung fehlt in § 5 StGB. Hieraus wird geschlossen, dass die Bestrafung des Teilnehmers aus Akzessorietätsgründen die Anwendung deutschen Strafrechts auf die Haupttat erfordert.[88] Zwingend ist diese Auslegung nicht. Je nachdem, wie man den Strafgrund der Teilnahme definiert, ließe sich auch ein anderes Ergebnis begründen. Sieht man diesen allein im Rechtsgüterschutz, spielt die Bewertung des Verhaltens des Haupttäters durch die hierauf anwendbaren Strafrechtsordnungen keine Rolle. Die hypothetische Strafbarkeit der Haupttat nach deutschem Recht würde dann genügen. Sieht man dagegen zumindest auch die Verleitung des Haupttäters zu Fehlverhalten als Grund für die Strafbarkeit der Teilnahme, müsste man im Fall der straflosen Haupttat auch die Teilnahmestrafbarkeit ablehnen. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber im Fall des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eine Sonderregel geschaffen hat, spricht allerdings dafür, dass die Strafbarkeit der Haupttat nach deutschem Recht in den anderen Fällen für die Teilnahmestrafbarkeit von Bedeutung ist.

VII. Tatbegriff

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Nach allgemeiner Ansicht gilt für §§ 5, 6 StGB sowie Art. 2 § 3 IntBestG (Rn. 45) wegen der darin enthaltenen Auflistung einzelner Straftatbestände ein materieller Tatbegriff.[89]

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