Antikorruptions-Compliance

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(1) Deutsches Recht als Maßstab

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Nach einer Ansicht soll sich die Bewertung einer Amtshandlung als „pflichtwidrig“ nach deutschem Recht richten.[51] Die Argumentation entspricht den bereits zur Amtsträgerstellung formulierten Erwägungen: Der deutsche Strafgesetzgeber habe die Voraussetzungen der Strafbarkeit im Tatbestand selbst zu regeln. Bestimme sich das Merkmal der Pflichtwidrigkeit nicht nach deutschem Recht, so liege in § 335a StGB ein „Blankettverweis auf das gesamte einschlägige ausländische öffentliche Recht zur Regelung der Dienstpflichten von Amtsträgern“[52]. Die Norm sei damit Einfallstor für die Wertungen ausländischer Rechtsordnungen und bewege sich nahe an der Grenze verfassungswidriger Unbestimmtheit.[53] Die Kritik übersieht jedoch, dass § 335a Abs. 1 i.V.m. § 334 StGB sein Handlungsverbot klar umschreibt: Strafbar ist, wer einem ausländischen Amtsträger einen Vorteil dafür gewährt, dass dieser gegen seine Dienstpflichten verstößt. Die Strafwürdigkeit der Korruption liegt in dem Akt des Erkaufens von Pflichtverstößen und dem damit verbundenen Angriff auf die Integrität der Verwaltung. Das Handlungsunrecht wird nicht durch Wesen und Inhalt der Pflichtverletzung konstituiert; es besteht vielmehr in der Bereitschaft, unrechtmäßiges Amtshandeln durch eine Zuwendung zu erkaufen. Kern des strafrechtlichen Vorwurfs ist also nicht etwa die fehlerhafte Erteilung einer Genehmigung, sondern die Tatsache, dass sie durch einen unzulässigen Vorteil erlangt wurde. Die Bestechungsdelikte dienen daher nicht dem Schutz der jeweiligen Dienstpflicht als solcher; das deutsche Recht muss sie daher grundsätzlich weder im Einzelnen festlegen noch bewerten.[54] Auch in Fällen innerstaatlicher Korruption muss der Gesetzgeber die Pflichtwidrigkeit der Amtshandlung nicht im Straftatbestand ausgestalten. Sie richtet sich nach den Vorgaben von Primärnormen, die den Handlungskreis eines Amtsträgers bestimmen.[55] Diese können nicht nur durch die Legislative, sondern etwa auch durch Selbstverwaltungskörperschaften oder Behörden geregelt werden:[56] Die Pflichtwidrigkeit einer Diensthandlung kann sich also durch die Verletzung eines Gesetzes ebenso ergeben wie durch Verstöße gegen Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften oder eine konkrete Einzelweisung eines Vorgesetzten des Amtsträgers.[57]

(2) Das Recht des Empfängerstaates als Maßstab

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Die Grundsätze von Gesetzlichkeit und Bestimmtheit stehen also einer Konkretisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals am Maßstab des ausländischen Rechts nicht entgegen. Für diese vom BGH für das IntBestG zugrunde gelegte[58] und auch von der im Schrifttum vorherrschenden Meinung[59] getragene Auslegung spricht, dass der Bestechungstatbestand auf diejenige Primärrechtsordnung Bezug nehmen muss, die für das Handeln des Amtsträgers maßgeblich ist. Dies ist in Fällen der Auslandskorruption die Rechtsordnung des Staates, für den er tätig wird.[60] Der deutsche Strafgesetzgeber kann als selbstständiges Handlungsverbot zwar die Bestechlichkeit normieren; es steht ihm aber nicht zu, den dienstlichen Pflichtenkreis eines ausländischen Amtsträgers zu regeln.[61] Die Gestaltung des amtlichen Aufgabenbereichs obliegt vielmehr allein dem Dienstherrn.[62] Auch mit Blick auf den vom Gesetzgeber formulierten Schutzzweck des § 335a StGB ist die Bezugnahme auf das Recht des Empfängerstaates sinnvoll: Hält sich der Amtsträger im Rahmen seiner Dienstpflichten, werden Integrität und Lauterkeit der ausländischen Verwaltung nicht i.S.d. §§ 332, 334 StGB angegriffen.[63]

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Gegen diese Lesart hat die Bundesrechtsanwaltskammer eingewandt, dass es letztlich „nicht ernsthaft vorstellbar [sei], dass ein deutsches Gericht darüber zu befinden hätte, ob eine handelnde Person nach nord-koreanischem oder kubanischem Recht die tatbestandlichen Voraussetzungen“[64] erfüllt. Das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung wird indes regelmäßig evident sein, sodass tatsächliche Nachweisschwierigkeiten allenfalls in – dann hinzunehmenden – Ausnahmefällen auftreten können.[65] Zudem hat der BGH in seinem Beschluss vom 13.2.2014 vergleichsweise geringe Anforderungen an die Prüfung ausländischen Dienstrechts gestellt.[66] Hiernach bedürfe es keiner „bis in die Einzelheiten gehenden Beschreibung der konkreten Pflichtenstellung des betroffenen ausländischen Amtsträgers nach den beamtenrechtlichen oder ähnlichen maßgeblichen Rechtsvorschriften des ausländischen Staates“. Vielmehr genüge eine Heranziehung allgemeiner rechtlicher Rahmenbedingungen, wie der „von dem ausländischen Staat im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Korruption übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen“.

(3) Korrekturen durch ein autonomes Begriffsverständnis

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Obgleich sich die Pflichtwidrigkeit einer Diensthandlung grundsätzlich nach dem Recht des Empfängerstaates bestimmt, sind in zwei Richtungen Korrekturen notwendig: Zum einen können die im ausländischen Recht normierten Pflichten zu weit gehen und ihre Verletzung daher für die Verwirklichung der § 335a Abs. 1 i.V.m. §§ 332, 334 StGB unbeachtlich sein. Zum anderen können die Vorgaben des nationalen Rechts hinter konventionsrechtlichen Anforderungen zurückbleiben; eine Strafbarkeit muss dann ausnahmsweise auch in Betracht kommen, wenn innerstaatliches Recht nicht verletzt wird.

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1. Korrektur: Die Diensthandlung ist nach dem Recht des Empfängerstaates pflichtwidrig; gleichwohl liegt kein Fall der § 335a Abs. 1 i.V.m. §§ 332, 334 StGB vor. Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des deutschen Rechts, die internen Regelungen ausländischer Institutionen zu bewerten. Hierin läge nicht nur eine fehlende Achtung der Normen eines souveränen Staates, sondern auch eine Verkennung des Unrechts der Bestechung: Schließlich richtet sich der Unrechtsvorwurf nicht auf die Nichtbeachtung einer bestimmten Dienstpflicht, sondern auf ihre Verletzung gegen einen persönlichen Vorteil. Damit ist prinzipiell jede dem Amtsträger von seinem Dienstherrn gesetzte Regel tauglicher Bezugspunkt der Strafbarkeit.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird für den Fall diskutiert, dass der Geber bei Einhaltung der ausländischen Vorschriften deutsches Recht verletzen würde.[67] Als Beispiel für diese Konstellation wird die Situation eines deutschen Unternehmens genannt, das sowohl in Kuba als auch in den USA investieren möchte und das durch die Zahlung von Bestechungsgeldern Restriktionen der jeweils anderen Seite entgehen möchte.[68] Eine Strafbarkeit der Geber solle hier unangemessen sein, da die „Teilnahme an derartigen Boykottmaßnahmen nach deutschem Außenwirtschaftsrecht nämlich rechtswidrig oder sogar bußgeldbewährt ist“.[69] In der Tat wäre der Anwendungsbereich der § 335a i.V.m. § 334 StGB entsprechend einzuschränken, wenn der Geber anderenfalls sowohl durch Beachtung als auch durch Nichtbeachtung der Pflicht Sanktionen unterworfen würde; in eine solche Konfliktsituation ohne Möglichkeit rechtmäßigen Handelns dürfte eine Rechtsordnung ihre Adressaten nicht bringen. Dies ist in der beschriebenen Konstellation des in den USA und Kuba tätigen Unternehmens allerdings auch nicht der Fall. Als Ordnungswidrigkeit geahndet wird nach § 7 AWV i.V.m § 81 Abs. 1 Nr. 1 AWV allein die Abgabe einer Boykotterklärung im Außenwirtschaftsverkehr.[70] Wird das Unternehmen jedoch – wie im gebildeten Beispiel – wegen seiner Investition in dem einen Staat den „staatlichen Sanktionen“ des anderen unterworfen, so liegt hierin bereits keine „Teilnahme“ an einem Boykott; das Unternehmen wirkt an dem Boykott nicht mit, sondern ist vielmehr Opfer der fremden Außenpolitik. Soll das Unternehmen indes eine Boykotterklärung abgeben und verhindert dies durch eine Zuwendung, so besteht auch hier keine „Kollision widersprüchlicher Pflichten“[71]: Schließlich ist das Unternehmen nicht gezwungen, unter diesen Voraussetzungen im Ausland Geschäfte zu machen.

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Zweifel an der Strafbarkeit des Gebers können allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt bestehen. Die Aufforderung eines Unternehmens zur Abgabe einer Boykotterklärung oder dessen Sanktionierung wegen Investitionen in einem anderen Staat wären nach deutschem Recht nicht zulässig. Es erscheint daher zunächst widersprüchlich, wenn das deutsche Strafrecht ein Verhalten ahndet, mit dem im Ergebnis ein in Deutschland rechtswidriger Zustand vermieden wird. In diese Richtung zielt auch der Hinweis, dass Maßstab für die Pflichtwidrigkeit einer Diensthandlung keine Regelung sein könne, deren „Durchsetzung nicht Aufgabe deutscher Strafverfolgungsorgane sein darf“[72]. Eine solch generelle Einschränkung der § 335a i.V.m. §§ 334, 332 StGB geht indes zu weit. Da die Bestechungsdelikte weder dem Schutz noch der Durchsetzung spezieller Dienstpflichten dienen, sondern allein ein Kopplungsverbot zwischen Vorteilsgewährung und Normbruch festlegen, kann nicht jeder Widerspruch zur deutschen Rechtslage einen Strafbarkeitsausschluss begründen. Abweichende Rechtsvorstellungen anderer Staaten über die Pflichtgemäßheit einer Diensthandlung sind grundsätzlich hinzunehmen; der Amtsträger bewegt sich bei seiner Aufgabenwahrnehmung nun einmal in dem Rahmen, den ihm sein Heimatrecht vorgibt.

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Eine Korrektur der Wertungen des Empfängerstaates ist daher allein in eng umgrenzten Ausnahmefällen zulässig; nämlich dann, wenn die Dienstpflicht gegen elementare Grundsätze des deutschen Rechts verstößt[73] und ihre Anerkennung im Rahmen der § 335a i.V.m. §§ 334, 332 StGB schlechterdings unerträglich wäre. Sie ist damit Konstellationen vorbehalten, in denen eine Verletzung elementarer Garantien des Rechtsstaates oder der Menschenrechte droht: etwa Zahlungen zur Abwendung einer nach nationalem Recht zulässigen Foltermaßnahme, zur Verhinderung der Vollstreckung einer Todesstrafe oder einer eindeutig rassistischen Verwaltungsentscheidung.

 

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2. Korrektur: Die Diensthandlung ist nach dem Recht des Empfängerstaates pflichtgemäß; gleichwohl liegt ein Fall der § 335a Abs. 1 i.V.m. §§ 332, 334 StGB vor. In der spiegelbildlichen Konstellation wird eine Diensthandlung als pflichtwidrig i.S.v. § 335a Abs. 1 i.V.m. §§ 332, 334 StGB bewertet, obwohl sie den rechtlichen Vorgaben des Empfängerstaates entspricht. Dass eine solche Korrektur erforderlich sein kann, zeigen bereits die Erläuterungsgründe zur OECD-Konvention.[74] Dort heißt es in Nr. 3, dass eine Beschränkung der Strafbarkeit auf pflichtwidrige Diensthandlungen nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass der Amtsträger einer vom nationalen Recht unabhängigen Pflicht zum unparteilichen Handeln unterliegt.[75] Die Forderung nach einem autonomen Pflichtwidrigkeitsverständnis ist aus der Perspektive der OECD-Konvention zwingend.[76] Hinter der Konvention steht der Schutz des internationalen Geschäftsverkehrs und nicht die Integrität ausländischer Administrationen; die Grundregeln des fairen Wettbewerbs müssen für sie also ohne Rücksicht auf das Recht des Empfängerstaates gelten. Der Wettbewerbsbezug hat in § 335a StGB zwar keinen Niederschlag gefunden; gleichwohl soll mit der Verweisungsnorm die OECD-Konvention vollständig umgesetzt werden, sodass die Anerkennung einer universalen Pflicht zur Unparteilichkeit bei der Auslegung der deutschen Tatbestandsvoraussetzungen völkerrechtlich notwendig ist.[77] Dem hat der Gesetzgeber durch die Einbeziehung von § 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB Rechnung getragen, der jede Parteilichkeit in Ermessensentscheidungen zur pflichtwidrigen Diensthandlung erklärt. Der von Bernsmann/Gatzweiler erhobene Einwand, die Erstreckung des § 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB auf Auslandssachverhalte überschreite die Kompetenz der deutschen Legislative,[78] ist nicht überzeugend. Die grundsätzliche Pflicht zu Objektivität und Unparteilichkeit ist keine spezifische Wertung des deutschen Rechts oder der OECD-Konvention, die unbeteiligten Drittstaaten oktroyiert wird. Sie ist vielmehr Grundbedingung jeder lauteren, auf Recht und Gesetz verpflichteten Verwaltung. Die Anerkennung einer nationalen Regel, die parteiliche Amtstätigkeit als rechtmäßig bewertet, würde Sinn und Zweck internationaler Korruptionsverbote konterkarieren. Da es sich hier jedoch um Mindestanforderungen an administrative Integrität handelt, dürfte auch diese Korrektur des Pflichtwidrigkeitsbegriffs nur geringe praktische Konsequenzen haben; kaum ein Staat wird Parteilichkeit bei amtlichen Entscheidungen für rechtmäßig erklären. Für deutsche Behörden bedeutet der Rückgriff auf § 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB allerdings eine gewisse Beweiserleichterung, da das ausländische Recht im Falle einer Ermessensbeeinflussung nicht weiter überprüft werden muss.

bb) Zur Strafbarkeit von „facilitation payments“

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Einen Grenzfall bilden die sog. Beschleunigungs– und Erleichterungszahlungen („facilitation payments“[79]). Hier wendet der Geber dem Empfänger einen Vorteil zu, um die zügigere oder weniger bürokratische Vornahme einer an sich rechtmäßigen Amtshandlung zu erreichen; etwa die zeitnahe Ausstellung eines Visums oder eine schnelle Zollabfertigung. Die Zuwendung des Gebers richtet sich zwar auf ein gesetzeskonformes Ergebnis (z.B. die Erteilung eines zulässigen Visums). Doch wird der Geber oftmals versuchen, durch die Vorteilszuwendung eine bevorzugte Behandlung gegenüber seinen Mitbewerbern zu erreichen. Insofern haben viele (wenn auch nicht alle) Zuwendungen, die in der Diskussion als „facilitation payments“ bezeichnet werden, ein Element des Hinwirkens auf eine unrechtmäßige (da gleichheitsverletzende) Diensthandlung. Das macht ihre Einordnung schwierig.[80]

(1) Internationale Vorgaben

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Die Texte der internationalen Übereinkommen verhalten sich zum Umgang mit Beschleunigungs- und Erleichterungszahlungen nicht. Allerdings findet sich in Erläuterungsgrund Nr. 9 zur OECD-Konvention eine ausdrückliche Ausnahme für „facilitation payments“:

„Small ‚facilitation‘ payments do not constitute payments made ‚to obtain or retain business or other improper advantage‘ within the meaning of paragraph 1 and, accordingly, are also not an offence. Such payments, which, in some countries, are made to induce public officials to perform their functions, such as issuing licenses or permits, are generally illegal in the foreign country concerned. Other countries can and should address this corrosive phenomenon by such means as support for programmes of good governance. However, criminalisation by other countries does not seem a practical or effective complementary action.“

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Aus dem Wortlaut des Erläuterungsgrundes geht nicht hervor, ob sich die Ausnahmebestimmung auf sämtliche Zuwendungen oder allein auf Vorteile zur Erlangung pflichtgemäßer Amtshandlungen bezieht. Liest man die Vorschrift im Zusammenhang mit Erläuterungsgrund Nr. 5, spricht jedoch vieles für eine allgemeine Ausschlussregel. In Erläuterungsgrund Nr. 5 wird die Zielsetzung des Gebers präzisiert. Ein „sonstiger unbilliger Vorteil“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 OECD-Konvention soll Handlungen erfassen, auf die der Geber keinen Anspruch hat, etwa eine Genehmigung, deren Voraussetzung er nicht erfüllt.[81] Der Ausnahmevorschrift in Erläuterungsgrund Nr. 9 kommt daher nur dann ein eigenständiger Anwendungsbereich zu, wenn er (auch) für pflichtwidrige Diensthandlungen gilt.[82] Angesichts der unterschiedlichen Regelung von „facilitation payments“ in den Vertragsstaaten hat die Working Group bereits in ihrem Zwischenbericht aus dem Jahr 2006 festgestellt, dass die Vorgaben der Konvention zu vage sein könnten.[83]

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Auch der FCPA sieht eine Sonderbestimmung für „facilitation payments“ vor. Von der Strafbarkeit der Auslandsbestechung ausgenommen sind Leistungen, mit denen eine Erleichterung oder Beschleunigung alltäglicher Diensthandlungen („routine action“) bewirkt werden soll.[84] Eine solche Diensthandlung liegt allerdings nur dann vor, wenn sie keine Ermessensentscheidung des Amtsträgers voraussetzt („non-discretionary acts“).[85]

(2) Regelung im deutschen Recht

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Das deutsche Recht deckt sich im Ergebnis weitgehend mit der US-amerikanischen Regelung. Es enthält zwar keine explizite Ausnahme für Beschleunigungs- und Erleichterungszahlungen.[86] Durch die Verweisung des § 335a Abs. 1 StGB allein auf §§ 332, 334 StGB werden jedoch Zahlungen für pflichtgemäße Handlungen grundsätzlich vom Verbot der Auslandsbestechung ausgenommen.[87] „Facilitation payments“, die zur Abwendung einer unzulässigen Nichterteilung von Lizenzen oder einer drohenden rechtswidrigen Beschlagnahme von Ware geleistet werden, sind nach § 335a StGB also nicht strafbar.[88] Andererseits kommt eine Strafbarkeit nach § 335a StGB i.V.m. § 334 StGB dann in Betracht, wenn durch ein „facilitation payment“ eine pflichtwidrige Handlung – etwa eine unlautere Bevorzugung am Zoll – bewirkt werden soll. Außerdem erstreckt sich die Gleichstellungsklausel auch auf § 334[89] Abs. 3 Nr. 2 StGB.[90] Diese Norm erklärt den Bestechungstatbestand für anwendbar, wenn die bezweckte Handlung im Ermessen des Amtsträgers steht und sich dieser bei der Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen lassen soll.[91] Hat der Amtsträger etwa bei der Reihenfolge der Bearbeitung oder der Festsetzung einer Gebühr einen Ermessensspielraum, so erfüllt eine Zahlung, mit der auf diese Ermessensausübung Einfluss genommen werden soll, den Straftatbestand – selbst wenn sich das Entscheidungsergebnis in den Grenzen des rechtlich Zulässigen bewegt.[92] Eine Einschränkung bei kleineren Zuwendungen („small facilitation payments“) ist für solche Fälle nicht vorgesehen. Damit ist die deutsche Regelung zu „facilitation payments“ im Ergebnis strenger als die Vorgaben der Konvention im Erläuterungsgrund Nr. 9. Bedenken der OECD, das deutsche Recht könne „facilitation payments“ auch oberhalb einer Bagatellgrenze straflos stellen,[93] sind zumindest mit Blick auf die – konventionsrechtlich relevanten – pflichtwidrigen Diensthandlungen unbegründet.

(3) Ausschluss „erpresserischer“ Bestechungsforderungen

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Die Forderung nach einer Ausnahme für „facilitation payments“ beruht nicht nur auf dem bagatellarischen Charakter der Vorteilszuwendung, sondern auch auf der Vorstellung einer „Erpressungssituation“ für die Geberseite. Beschleunigungs- und Erleichterungszahlungen erscheinen wenig strafwürdig, wenn sie von Amtsträgern anderer Staaten aktiv verlangt werden und sich der Geber keinen eigenen Vorteil sichern, sondern in erster Linie eine Benachteiligung vermeiden will. Nach dem IntBestG waren solche Konstellationen selten,[94] da das Handeln des Zuwendenden auf die Verschaffung eines unbilligen Vorteils im internationalen geschäftlichen Verkehr abzielen musste.[95] Mit der Streichung des Merkmals ist eine besondere Intention des Gebers bei seiner Zahlung an den Amtsträger nicht mehr erforderlich. Damit können grundsätzlich auch Zuwendungen, die allein zur Nachteilsabwehr oder zur Erhaltung gleicher Chancen geleistet werden, strafbar sein.

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Durch die Beschränkung des § 335a Abs. 1 StGB auf pflichtwidrige Diensthandlungen hat der Gesetzgeber „erpresserische“ Forderungen ausländischer Amtsträger bereits zu einem großen Teil herausgefiltert. Muss ein deutscher Unternehmer für eine Leistung zahlen, auf die er einen Anspruch hat – etwa die Erteilung einer Genehmigung bei Vorliegen aller Voraussetzungen –, bleibt er straflos. Doch die partielle Verweisung auf § 334 StGB bietet keinen lückenlosen Schutz gegen die Strafbarkeit von erpressten Zuwendungen. Gibt ein Entscheidungsträger etwa zu verstehen, dass er ohne eine Zahlung ein ihm zustehendes Ermessen zu Ungunsten des Betroffenen ausüben werde, so unterfällt eine Vorteilsgewährung dem § 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB.[96]

Für erpresste Bestechungsleistungen, die unter § 335a Abs. 1 i.V.m. § 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB fallen, bleibt nur die vom Gesetzgeber angedeutete Lösung über die Strafzumessung bzw. die frühzeitige Einstellung entsprechender Verfahren.[97] Eine Rechtfertigung über § 34 StGB[98] könnte demgegenüber nur in Ausnahmekonstellationen in Betracht kommen, etwa in dem unwahrscheinlichen Fall, dass der Geber zur Abwehr einer – nach nationalem Recht zulässigen – Foltermaßnahme handelt. Der Einwand, das Unternehmen würde ohne die illegale Auftragserlangung Arbeitsplätze verlieren, wird hingegen in aller Regel nicht ausreichen. Zwar ist der Erhalt von Arbeitsplätzen in der Rechtsprechung als notstandsfähiges Rechtsgut anerkannt.[99] Doch dürfte es fast immer an einem wesentlichen Überwiegen des Unternehmensinteresses gegenüber den beeinträchtigten Rechtsgütern fehlen.[100] Zum einen kommt dem Schutz von Arbeitsplätzen durch unlautere Geschäftspraktiken bereits kein großes Gewicht zu. Das Scheitern eines Unternehmens und der damit verbundene Verlust von Arbeitsstellen, die nur durch eine pflichtwidrige Amtshandlung abgewendet werden können, sind in der Wirtschaft hinzunehmende und sozial einkalkulierte Gefahren.[101] Diesem – geringen – Erhaltungsinteresse steht das Interesse an der Integrität der Verwaltung und ihrer pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung gegenüber. Liegt eine Wettbewerbssituation vor, so treten die Belange der Mitbewerber (denen gegebenenfalls gleiche wirtschaftliche Nachteile drohen) und – wird das kostenintensivere Angebot des bestechenden Unternehmens angenommen – die ökonomische Verwendung staatlicher Haushaltsmittel hinzu.