Antikorruptions-Compliance

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d) Sanktionen gegen Unternehmen

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Da Auslandsbestechungen häufig systematisch und zum vermeintlichen Vorteil des Verbandes begangen werden, stellen sie einen typischen Fall von „Unternehmenskriminalität“ dar. Abgesehen von einigen „Leuchtturm“-Verfahren wie gegen Siemens oder MAN/Ferrostaal wurden Verbandsgeldbußen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht jedoch nur selten und im bundesweiten Vergleich uneinheitlich verhängt.[19] Für Unternehmen bedeutete dieser Befund, dass ihr Sanktionsrisiko von der Ahndungsbereitschaft der zuständigen Staatsanwaltschaft und damit von ihrem Standort innerhalb Deutschlands abhing.[20] Ein wesentlicher Grund für die divergierende Verfolgungspraxis ist die Geltung des Opportunitätsprinzips in § 47 OWiG, das den Behörden Ermessen bei der Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens einräumt.[21]

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Nach dem neuen VerSanG dürften sich die Sanktionsrisiken für Unternehmen deutlich erhöhen. Hat eine Leitungsperson des Verbandes die Auslandsbestechung begangen oder angemessene Vorkehrungen zu ihrer Verhinderung unterlassen, kann gegen den Verband eine Sanktion verhängt werden. Die Staatsanwaltschaften sind hier zur Ermittlung verpflichtet; § 25 VerSanG verweist auf die Regelungen der StPO und damit auf das Legalitätsprinzip.

II. Die Bestechung ausländischer Amtsträger, § 335a StGB

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Da es in Fällen der Bestechung ausländischer Amtsträger fast nie zu streitigen Entscheidungen kommt, hat § 335a StGB bislang wenig klare Konturen gewonnen: Kaum eine der problematischen Rechtsfragen ist gerichtlich bislang abschließend geklärt. Ungewissheit besteht nicht nur über die rechtlichen Voraussetzungen der Norm, sondern auch über die Beweisanforderungen der Gerichte, etwa darüber, wie viele Informationen über die Person des Empfängers bekannt sein müssen.

1. Entstehungsgeschichte und rechtspolitischer Hintergrund

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Noch in den 1970er Jahren wurden Korruption und ihre Bekämpfung als im Wesentlichen nationale Phänomene betrachtet. Heute hat der Grundsatz, dass Bestechung und Bestechlichkeit sowie eine Anzahl weiterer, der „Korruption“ zugerechneter Verhaltensweisen nicht nur in Bezug auf inländische Amtsträger, sondern auch im Ausland strafbar sein sollen, globale Geltung.[22] Die große Mehrheit der Staaten hat sich gegenseitig durch ein Netz verbindlicher internationaler Konventionen auf diesen Gedanken verpflichtet und ihn im innerstaatlichen Recht umgesetzt.

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Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die OECD, die Convention on Combating Bribery of Foreign Public Officials in International Business Transactions, das Strafrechtsübereinkommen des Europarates von 1999, die United Nations Convention Against Corruption und das EU-Bestechungsübereinkommen von 2005 zur Ahndung von Auslandsbestechung verpflichtet. 1998 verabschiedete der Deutsche Bundestag das EU-Bestechungsgesetz (EUBestG), mit dem die Strafpflichten aus dem Protokoll der EU zu der PIF-Konvention erfüllt werden sollten.[23] Art. 2 des EUBestG ordnete die Gleichstellung von Amtsträgern der EU sowie ihrer Mitgliedstaaten mit deutschen Amtsträgern für die Anwendung von §§ 332, 334–336 und 338 StGB an. Noch im gleichen Jahr setzte der Gesetzgeber das OECD-Übereinkommen durch das Internationale Bestechungsgesetz (IntBestG) um.[24] Durch Art. 2 § 1 des IntBestG wurde die Geltung von § 334 StGB auf ausländische Richter und Amtsträger sowie auf Bedienstete internationaler Organisationen erstreckt, sofern der Bestechungsgeber eine künftige Diensthandlung[25] erreichen wollte, um sich oder einem Dritten einen Auftrag oder einen unbilligen Vorteil[26] im internationalen geschäftlichen Verkehr zu verschaffen oder zu sichern. Art. 2 § 2 Abs. 1 IntBestG stellt – auch heute noch – die Bestechung ausländischer Parlamentarier unter Strafe; dabei geht die Reichweite der Regelung deutlich über den Tatbestand der Bestechung deutscher Mandatsträger (§ 108e StGB) hinaus.

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Mit den Gesetzen von 1998 hatte der deutsche Gesetzgeber noch nicht die wesentlich weiter reichenden Inkriminierungsverpflichtungen des Strafrechtsübereinkommens des Europarates und der UNCAC erfüllt, die sich eine europa- bzw. weltweite Bekämpfung der Korruption (auch) mit den Mitteln des Strafrechts zum Ziel gesetzt hatten. Dies wurde erst im Jahr 2015 durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption erreicht.[27] Die zentrale Norm des § 335a Abs. 1 StGB erweitert den Anwendungsbereich der §§ 332 und 334 StGB auf die Gewährung von Vorteilen an Bedienstete und Beauftragte ausländischer Staaten für künftige Diensthandlungen. Mit § 335a StGB wurden Vorschriften aus dem EUBestG, dem IntBestG, dem NATO-Truppen-Schutzgesetz sowie aus dem IStGH-GleichstellungsG in das Kernstrafrecht überführt. § 335a StGB hebt damit die Unterscheidung zwischen Amtsträgern aus europäischen und nicht europäischen Staaten, wie sie im EUBestG und dem IntBestG angelegt war, zugunsten einer einheitlichen Lösung auf. Das früher bestehende Konkurrenzproblem zwischen EUBestG und IntBestG ist nach neuem Recht daher nicht mehr aktuell.[28]

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Nicht unter § 335a StGB fallen die bislang von Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. b, c sowie Abs. 2 EUBestG erfassten europäischen Amtsträger. Deren Strafbarkeit wegen Korruption ist durch die Begriffsbestimmung in § 11 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. §§ 331 ff. StGB generell derjenigen der deutschen Amtsträger gleichgestellt (hierzu 1. Kap. Rn. 24 f.). Flankiert wird die Neugestaltung des Rechts der Auslandskorruption durch eine deutliche Erweiterung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts in § 5 Nr. 15 StGB (siehe 9. Kap. Rn. 36).

2. Überblick über Schutzzweck und Regelungsgehalt von § 335a StGB

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§ 335a StGB formuliert keinen eigenständigen Tatbestand für die Bestechung ausländischer Amtsträger, sondern verweist für einen bestimmten Personenkreis eingeschränkt auf die Vorschriften der §§ 331 ff. StGB. § 335a Abs. 1 StGB definiert als zentrale Regelung für die Auslandsbestechung Äquivalente für die Begriffe des „Richters“ (Nr. 1) sowie des „Amtsträgers“ (Nr. 2) in §§ 332, 334 StGB. Damit ist grundsätzlich nur die Bestechung und Bestechlichkeit ausländischer Empfänger strafbar, nicht jedoch die bloße Gewährung oder Annahme von Vorteilen. Lediglich die in § 335a Abs. 2 und Abs. 3 StGB enthaltenen Spezialregelungen dehnen die Verweisung auf § 333 StGB und teilweise auch auf § 331 StGB aus. Nach § 335a Abs. 2 StGB gelten die Vorschriften der Vorteilsannahme und -gewährung auch für Angehörige des Internationalen Strafgerichtshofs; § 335a Abs. 3 StGB erklärt die (aktive) Gewährung von Vorteilen an in Deutschland stationierte Soldaten der NATO-Vertragsstaaten für strafbar. Alle Varianten des § 335a StGB begrenzen die Reichweite der Verweisung auf die Vornahme „künftiger“ Diensthandlungen. Damit wird die Strafbarkeit der Auslandskorruption gegenüber der Bestechung inländischer Amtsträger in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: In seinem Grundfall erfasst § 335a StGB allein Zuwendungen, die als Gegenleistung für eine künftige und pflichtwidrige Diensthandlung erbracht werden. Vorteile zur allgemeinen Klimapflege werden danach ebenso wenig erfasst wie „Dankeschön“-Spenden im Nachgang einer Amtshandlung.[29]

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Trotz dieser Limitation seines Anwendungsbereichs führt § 335a StGB zu einer gegenüber dem IntBestG erheblichen Erweiterung der Strafbarkeit von Auslandsbestechung. Dies liegt zum einen an der Verweisung auf § 332 StGB, der eine Sanktionierung auch des ausländischen Empfängers ermöglicht. Nach deutschem Recht soll also künftig – in den Grenzen des Strafanwendungsrechts – der ausländische Amtsträger für die Annahme von Bestechungsgeldern bestraft werden können. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerregelung in Art. 2 § 1 IntBestG enthält § 335a StGB zudem keine Beschränkung auf Vorteilsgewährungen im internationalen geschäftlichen Verkehr. Die Strafbarkeit der Auslandskorruption beschränkt sich daher nicht mehr auf wettbewerbsbezogene Zuwendungen durch Unternehmen; von § 335a StGB wird etwa auch die Bestechungszahlung eines deutschen Touristen an einen ausländischen Polizeibeamten bei einer Verkehrskontrolle erfasst.

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Die neuen Regelungen lösen sich von der Orientierung am Schutz des fairen internationalen Wettbewerbs, wie er noch dem IntBestG zugrunde lag.[30] In der Gesetzesbegründung heißt es: Die effektive Bekämpfung grenzüberschreitender Korruption ist im Interesse der Sicherung des Vertrauens in die staatlichen und internationalen Institutionen, aber auch zur Erhaltung und zum Schutz des freien und fairen internationalen Wettbewerbs erforderlich. Daher unterstützt die Bundesrepublik Deutschland die Schaffung internationaler Rechtsinstrumente zur Bekämpfung der Korruption nachdrücklich. Um möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen im Weltmarkt zu schaffen, ist ein koordiniertes Vorgehen der Staatengemeinschaft gegen Korruption erforderlich.“[31] Zwar scheinen hier noch immer die beiden Zielsetzungen des Schutzes staatlicher Institutionen (scil. auch in ausländischen Staaten) und des fairen internationalen Wettbewerbs unverbunden nebeneinander zu stehen. Die operativen Regelungen – insbesondere der Verzicht auf jeden tatbestandlichen Bezug zum internationalen Geschäftsverkehr – lassen sich jedoch nur damit vernünftig erklären, dass sich die Bundesrepublik Deutschland das Funktionieren der staatlichen Verwaltungen in fremden Staaten angelegen sein lässt.[32]

 

3. Empfänger von Auslandskorruption

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§ 335a StGB enthält Gleichstellungsvorschriften für Richter (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1), Amtsträger (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2), Soldaten der Bundeswehr (Abs. 3 Nr. 1) sowie den für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (Abs. 3 Nr. 3). Die Bestechung ausländischer Abgeordneter bleibt hingegen weiterhin in Art. 2 § 2 IntBestG sowie § 108e Abs. 3 Nr. 5, 6 StGB geregelt.[33]

a) Kern der Regelung: Der ausländische Bedienstete

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Kern des § 335a StGB ist die Einbeziehung der zuvor vom EUBestG und IntBestG erfassten ausländischen Amtsträger in § 335a Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB. Nach § 335a Abs. 1 Nr. 2 StGB gilt als „Amtsträger“ (a) ein Bediensteter eines ausländischen Staates und eine Person, die beauftragt ist, öffentliche Aufgaben für einen ausländischen Staat wahrzunehmen, (b) ein Bediensteter einer internationalen Organisation und eine Person, die beauftragt ist, Aufgaben einer internationalen Organisation wahrzunehmen,[34] sowie (c) ein Soldat eines ausländischen Staates und ein Soldat, der beauftragt ist, Aufgaben einer internationalen Organisation wahrzunehmen.

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Von praktischer Bedeutung ist vor allem die Bestechung von ausländischen Bediensteten und Beauftragten nach § 335a Abs. 1 Nr. 2a StGB. Der Entwurfsbegründung zufolge richtet sich die Stellung als „Bediensteter“ oder „Beauftragter“ eines ausländischen Staates „nach den Vorgaben von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe a des OECD-Übereinkommens, Artikel 1 Buchstabe a des Strafrechtsübereinkommens des Europarates und Artikel 2 Buchstabe b des VN-Übereinkommens“. Dies deutet zunächst auf eine autonome Definition des Amtsträgerbegriffs hin. Jedenfalls ist das deutsche Recht als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Amtsträgerstellung ausgeschlossen, da keine der in Bezug genommenen Konventionen auf das Recht des Geberstaates abstellt.

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Die Verweisung auf drei unterschiedliche Konventionen zur Definition des Amtsträgerbegriffes ist problematisch, da die in den Übereinkommen verwendeten Begriffsinterpretationen nicht deckungsgleich sind. Der OECD-Konvention sowie dem VN-Übereinkommen liegt ein autonomer Amtsträgerbegriff zugrunde.[35] Die Verträge rekurrieren also nicht auf das Recht von Geber- oder Empfängerstaat, sondern formulieren einen eigenständigen Begriff, den die Mitgliedstaaten umzusetzen haben. Ein Amtsträger i.S.d. Konventionen ist „eine Person, die in einem anderen Staat durch Ernennung oder Wahl ein Amt im Bereich der Gesetzgebung, Exekutive, Verwaltung oder Justiz innehat, und eine Person, die für einen anderen Staat einschließlich einer Behörde oder eines öffentlichen Unternehmens eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt.“[36] Einen anderen Weg wählt hingegen das Strafrechtsübereinkommen des Europarates. Gem. Art. 1 lit. a des Übereinkommens wird der Begriff des Amtsträgers – sowohl für inländische als auch für ausländische Empfänger – nach dem „innerstaatlichen Recht des Staates, in dem die betreffende Person die entsprechenden Aufgaben wahrnimmt, und so, wie er in dessen Strafrecht verwendet wird, ausgelegt“. Für das Strafrechtsübereinkommen des Europarates ist also das Recht des Empfängerstaates für die Bestimmung der Amtsträgereigenschaft maßgeblich.

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Kommt es zu unterschiedlichen Bewertungen durch das nationale Recht und das Recht der OECD- und VN-Konvention, so reicht es aus, dass der Empfänger nach einer der möglichen Auslegungen als Bediensteter anzusehen ist. Diese alternative Anwendung der Definitionen ist völkerrechtlich zwingend:[37] Der Gesetzgeber hat die Verbotsvorschriften des IntBestG und des EUBestG in die gemeinsame Norm des § 335a StGB überführt, die nunmehr sämtlichen konventionsrechtlichen Vorgaben genügen muss. Dies wäre bei einer kumulativen Anwendung der Voraussetzungen von Strafrechtsübereinkommen des Europarates, VN- und OECD-Konvention nicht möglich.[38] Kumulierte man die Anforderungen an ein Tatbestandsmerkmal, so würde auf diese Weise stets ein zusätzliches, einschränkendes Kriterium aufgestellt. Ist etwa ein Empfänger nach den Maßstäben der OECD-Konvention „Beauftragter“, nach dem Verständnis des Strafrechtsübereinkommens des Europarates hingegen nicht, würde eine kumulative Lesart zu einer Ablehnung der Amtsträgerstellung und somit zu einer Verneinung der Strafbarkeit führen. Damit wäre Deutschland jedoch seiner Bestrafungspflicht aus der OECD-Konvention nicht nachgekommen. Ein Tatbestand, der trotz des Vorliegens aller konventionsrechtlichen Voraussetzungen nicht eingreift, verletzt die völkervertragliche Pflicht zur Umsetzung des Abkommens.[39] Damit ist stets Amtsträger i.S.d. § 335a StGB, wer entweder nach dem Verständnis von VN- und OECD-Konvention oder nach den Regeln des Empfängerstaates als Amtsträger gilt.

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Nach dem IntBestG – das noch immer für Taten gilt, die vor Inkrafttreten des § 335a StGB im Jahr 2015 begangen wurden – war die Bestechung ausländischer „Amtsträger“ strafbar. In seinem Urteil zum Fall „Siemens/Enel“ entschied der BGH, dass der Begriff des Amtsträgers autonom nach den Vorgaben der OECD-Konvention auszulegen sei.[40]

b) Praktische Anforderungen an den Nachweis eines konkreten Empfängers

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Der Nachweis einer Bestechungszahlung an einen „Bediensteten“ oder „Beauftragten“ gestaltet sich in der Praxis häufig als schwierig.[41] Teilweise ist für die Ermittlungsbehörden bereits nicht rekonstruierbar, an welche konkrete Person eine Leistung erbracht wurde. In anderen Fällen war der Staatsanwaltschaft zwar der Empfänger bekannt, seine Stellung in der ausländischen Verwaltung jedoch nicht geklärt. Besondere Schwierigkeiten bereitete hier insbesondere der Nachweis der Amtsträgerschaft bei staatlichen Betrieben, die sowohl privatwirtschaftlich als auch hoheitlich tätig waren: Den Ermittlungsbehörden fehlten hier nicht selten Kenntnisse über den Aufgabenbereich der Empfänger, sodass sich eine Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nicht zweifelsfrei belegen ließ. Allerdings genügt der Staatsanwaltschaft – und in einem Verfahren auch dem Gericht – nicht selten der Nachweis eines Scheinberatervertrages, gekoppelt an die Erlangung eines Auftrages in einem atypisch verlaufenen Vergabeverfahren. Den Einwand, ohne Ermittlung eines konkreten Endempfängers lasse sich dessen Funktion (als Amtsträger oder, im Falle des § 299 StGB, als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes) nicht sicher bestimmen, begegnete ein Gericht mit dem pragmatischen Hinweis auf den Erfolg der Bestechung. Nur Personen in entsprechenden Entscheidungspositionen hätten „einen solchen Einfluss ausüben [können], um die Auftragsvergabe an eine bestimmte deutsche Firma zu gewährleisten“.[42]

4. Künftige, pflichtwidrige Diensthandlung

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Wie seine Vorgängerregelungen im IntBestG und EUBestG enthält § 335a StGB gegenüber den Bestechungsregeln für deutsche Amtsträger zwei Einschränkungen. Zum einen werden über § 335a StGB allein Taten erfasst, „die sich auf eine künftige richterliche Handlung oder eine künftige Diensthandlung“ beziehen. Zum zweiten ist die Verweisung in § 335a Abs. 1 StGB auf §§ 332, 334 StGB begrenzt, also auf das Erkaufen pflichtwidriger Amtshandlungen. Für den Grundfall der Bestechung ausländischer Amtsträger muss sich die Unrechtsvereinbarung somit auf eine künftige, pflichtwidrige Diensthandlung richten.

a) Künftige Diensthandlungen

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Die Beschränkung auf künftige Diensthandlungen ist mit den internationalen Vorgaben vereinbar.[43] Das Strafrechtsübereinkommen des Europarates, die VN- und OECD-Konvention stellen wortgleich darauf ab, dass der Vorteil als Gegenleistung dafür gewährt wird, dass der Amtsträger in Ausübung seiner Dienstpflichten „eine Handlung vornimmt oder unterlässt“.[44] Die Zuwendung durch den Geber ist also stets zukunftsgerichtet; mit der Zahlung soll eine bestimmte Handlung des Amtsträgers nicht entlohnt, sondern erst bewirkt werden.

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Weshalb die für deutsche Amtsträger angestellte Erwägung, mit der Pönalisierung nachträglicher Leistungen in § 331 StGB solle „jeder Anschein von Käuflichkeit“ vermieden werden,[45] für ausländische Verwaltungen nicht gelten soll, hat der Gesetzgeber nicht erörtert. Das unterschiedliche Schutzniveau von § 335a und §§ 331 ff. StGB ist hier wenig überzeugend.[46] Der Ausschluss nachträglicher Zuwendungen schränkt nicht nur den rechtlichen Anwendungsbereich der Norm ein, sondern verstärkt bestehende Beweisprobleme. Wird eine Zahlung an den Amtsträger erst nach der Auftragsvergabe angewiesen, so ist eine im Vorfeld getroffene Unrechtsvereinbarung für die Ermittlungsbehörden schwer nachzuweisen:[47] In Zweifelsfällen müsste – in dubio pro reo – von einer „Dankeschönspende“ auszugehen sein, die nach § 335a StGB straflos bleibt.

b) Pflichtwidrige Diensthandlungen

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Die Bestechung ausländischer Bediensteter und Beauftragter ist nur strafbar, wenn ihnen ein Vorteil für eine Verletzung ihrer Dienstpflichten gewährt wird. Zahlungen zur bloßen „Klimapflege“ oder zum „Anfüttern“ eines Amtsträgers sind daher nach deutschem Recht ebenso wenig strafbar wie Zahlungen zur Bewirkung einer pflichtgemäßen Diensthandlung.

aa) Maßstab für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit

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Ebenso wie bei der Definition des Amtsträgerbegriffs stellt sich auch für das Tatbestandsmerkmal der „Pflichtwidrigkeit“ die Frage, nach welchen rechtlichen Maßstäben sie sich bestimmt.[48] Es sind drei Ansätze zur Auslegung von § 335a Abs. 1 i.V.m. § 334 StGB denkbar: Die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung kann sich (1) nach dem Recht des Geberstaates, (2) den Vorgaben des Empfängerstaates oder (3) einem autonomen Begriffsverständnis richten.

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Die Auslegung der Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung war bereits nach altem Recht umstritten,[49] der Unterschied der Auffassungen war in der Praxis jedoch kaum von Bedeutung. Nach dem IntBestG musste die Pflichtverletzung des Amtsträgers auf die Verschaffung eines unbilligen Vorteils im internationalen geschäftlichen Verkehr abzielen. Damit bestanden für die Begriffsdefinition hinreichend klare Konturen: Die Diensthandlung des Amtsträgers musste stets die Privilegierung eines Wettbewerbers zum Gegenstand haben.[50] Da die Verletzung von Chancengleichheit und Fairness im Geschäftsverkehr in nahezu allen Rechtsordnungen als pflichtwidrig gilt, kam es zu keinen Divergenzen zwischen den verschiedenen Begriffsauslegungen. Durch die Streichung des Wettbewerbsbezugs in § 335a StGB wurde der Kreis möglicher Pflichtverletzungen nunmehr deutlich erweitert. Nach neuem Recht kann grundsätzlich jedes dienstliche Handeln, das rechtlichen Vorgaben widerspricht, den Tatbestand der Auslandsbestechung erfüllen. Die Frage, nach welchem Recht sich diese Vorgaben bestimmen, gewinnt damit erhebliche Relevanz.