Antikorruptions-Compliance

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1. Steuergeheimnis

43

Die Finanzbehörde verfügt über ein beträchtliches Wissen über die wirtschaftlichen und zum Teil auch persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen, wobei die gesammelten Erkenntnisse zu einem wesentlichen Teil von den Steuerpflichtigen selbst herrühren, da sie nach § 90 Abs. 1 S. 1, 2 AO zur Mitwirkung verpflichtet sind. Das kann aber nicht zur Abschwächung des Schutzes der Daten führen, auch nicht, wenn der Steuerpflichtige die Angaben gemacht hat, um eine Besserstellung, beispielsweise eine Steuerbefreiung oder Minderung seiner Steuerschuld zu bewirken.[81] § 30 AO schützt diese Informationen vor unbefugter Weitergabe, auch wenn sie sich auf Straftaten beziehen. § 355 StGB sichert die Einhaltung des Verbots der Offenbarung und Verwertung auch strafrechtlich ab.

2. Mitteilungspflichten

44

Lückenlos ist der Schutz jedoch nicht, weil § 30 Abs. 4–6 AO Mitteilungspflichten enthält, die auch bei Korruptionssachverhalten einschlägig sein können. Bei Korruptionssachverhalten bestehen konkurrierende Mitteilungspflichten und -befugnisse.[82] Zum einen enthält § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 3 AO eine originäre Mitteilungspflicht.[83] Da die Geltendmachung nicht abzugsfähiger Zuwendung unter unrichtiger Angabe ihrer Natur als andere Betriebsausgaben auch eine Steuerstraftat darstellt, ist auch die Mitteilungspflicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO i.V.m. § 10 BpO begründet, die aber neben der erstgenannten kaum einen eigenständigen Anwendungsbereich hat. Umstritten ist, ob eine Mitteilungspflicht nur besteht, wenn die Zuwendung unrichtig als Betriebsausgabe geltend gemacht worden ist. Richtigerweise ist das abzulehnen.[84]

Anmerkungen

[1]

Schmidt CCZ 2012, 121.

[2]

Spatscheck NJW 2006, 641.

[3]

Schmidt CCZ 2012, 121.

[4]

Schmidt CCZ 2012, 121.

[5]

Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke Wirtschaftsstrafrecht, § 370 AO Rn. 41; Joecks/Jäger/Randt § 370 AO Rn. 173.

[6]

Siehe aber auch MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO, Rn. 228, die darauf hinweisen, dass die konkludente Täuschung gerade wegen des formalisierten Verfahrens und der dadurch bedingten verkürzten Darstellungsweise von erheblicher Bedeutung ist.

[7]

Gehm S. 64.

[8]

BGH wistra 1987, 139, 142, NJW 2009, 2549, 2547.

[9]

Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke § 370 AO Rn. 19.

[10]

Differenzierend für Nr. 1 und Nr. 2 MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 16.

[11]

Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke § 370 AO Rn. 33.

[12]

MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 246.

[13]

BGH wistra 2000, 137.

[14]

Harms Stbg 2015, 12, 14.

[15]

MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 246.

[16]

MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 325.

[17]

Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke § 370 AO Rn. 52.

[18]

Ausführlich dazu MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 81.

[19]

Beckemper NStZ 2002, 518, 519; Blesinger wistra 2009, 294, 295; Hellmann FS Achenbach, S. 141, 149.

[20]

Klein/Jäger § 370 AO Rn. 85.

[21]

Siehe aber zu einer Steuerverkürzung außerhalb des Festsetzungsverfahrens Klein/Jäger § 370 AO Rn. 85.

[22]

MK-StGB/Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 13.

[23]

Graf/Jäger/Wittig/Bülte § 370 AO Rn. 352; Brüning FS Samson, S. 537, 544.

[24]

Klein/Jäger § 370 AO Rn. 120; Joecks/Jäger/Randt § 370 AO Rn. 136.

[25]

Klein/Jäger § 370 AO Rn. 130 ff.

[26]

BGH wistra 1982, 199; 1984, 183.

[27]

Klein/Jäger § 370 AO Rn. 131, 139.

[28]

Zu der gesetzgeberischen Begründung ausführlich Hübschmann/Hepp/Spitaler/Bülte § 376 AO Rn. 8 ff.

[29]

Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge § 370 AO Rn. 41.

[30]

Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge § 370 AO Rn. 40.

[31]

Klein/Ratschow § 40 Rn. 2; Koenig 3. Aufl. 2014, § 40 AO Rn. 15.

[32]

BGH NJW 1981, 1457; BFH NJW 2000, 2918.

[33]

Spatscheck NJW 2006, 641, 642.

[34]

BGH NStZ-RR 2004, 242.

[35]

Rotsch/Beckemper § 12 Rn. 78; Spatscheck NJW 2006, 641, 642.

[36]

Klein/Ratschow § 30 AO Rn. 1.

[37]

BGBl I 1995, 1250.

[38]

BGBl I 1999, 402.

[39]

Vgl. hierzu auch FG Köln NZWiSt 2012, 434; krit. zur Neuregelung Park DStR 1999, 1097, 1099 f.; Pelz WM 2000, 1567 ff.

[40]

Stapf DB 2000, 1092; Quedenfeld StraFo 1999, 253, 259; Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 200.

[41]

Bürger DStR 2003, 1421 zu Zuwendungen an den Geschäftsführer und die Tatbestandsmäßigkeit nach § 299 StGB und das daraus folgende Abzugsverbot.

[42]

Spatscheck NJW 2006, 641, 644.

[43]

Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 201.

[44]

Spatscheck NJW 2006, 641, 643 f.

[45]

Dannecker/Leitner/Randt S., 129, 133.

[46]

BT-Drucks. 14/23 S. 5.

[47]

Preising/Kiesel DStR 2006, 118, 119; Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 201; Übersicht bei Blümlein/Wied § 4 EstG Rn. 906.

[48]

Rotsch/Bülte § 17 Rn. 87, 92.

[49]

Pelz WM 2000, 1566, 1568.

[50]

Joecks DStR 1997, 1025, 1027.

[51]

 

Pelz WM 2000, 1566,1568.

[52]

Joecks DStR 1997, 1025; Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 202.

[53]

Joecks DStR 1997, 1025, 1027; Sagasser/Jakobs DStR 1995, 1649, 1652; Salzberger/Theisen DB 1996, 396.

[54]

Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 202.

[55]

BT-Drucks. 13/1686, S. 18; BMF vom 10.10.2002, BStBl I 02/1031.

[56]

Vgl. Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 202.

[57]

Siehe ausführlich dazu Ermert S. 182.

[58]

Blümlein/Wied § 4 Rn. 906.

[59]

BStBl I 2002, 1031, Ziff. 8.

[60]

Bei Letzteren str., vgl. Dölling/Lembeck Kap. 5, Rn. 24 f.; bejahend Blümlein/Wied § 4 Rn. 909.

[61]

Ermert S. 189.

[62]

Zu den Fällen, in denen das Unternehmen eine Geldstrafe oder ein Bußgeld für jemand anderen übernimmt Ermert S. 191 ff.

[63]

Stapf DB 2000, 1092; Kiesel DStR 2000, 949; Randt BB 2000, 1006.

[64]

Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 203.

[65]

Dannecker/Leitner/Dannecker S. 159, 203.

[66]

Siehe dazu ausführlich Ermert S. 212 ff.

[67]

Spatscheck NJW 2006, 641, 643.

[68]

BT-Drucks. 18/11640 S. 78.

[69]

Schönke/Schröder/Eser/Schuster § 73d StGB Rn. 4; Maciejewski/Schumacher DStR 2017, 2021, 2022.

[70]

Lackner/Kühl/Heger § 73d StGB Rn. 4.

[71]

Siehe ausführlich dazu Ermert S. 208 ff.

[72]

Ermert S. 212.

[73]

BGH NZWiSt 2020, 157.

[74]

Maciejewski/Schumacher NZWiSt 2020, 158.

[75]

Park DStR 1999, 1097, 1099.

[76]

Randt BB 2000, 1006, 1012.

[77]

Randt BB 2000, 1006, 1010.

[78]

Flore/Tsambikakis/Rübenstahl/Idler § 160 Rn. 2.

[79]

Kiesel DStR 2000, 949, 951; Flore/Tsambikakis/Rübenstahl/Idler § 160 Rn. 17.

[80]

Spatscheck NJW 2006, 641, 644.

[81]

Joecks DStR 1997, 1025, 1029.

[82]

Höll ZIS 2010, 309 ff.

[83]

Gotzens DStR 2005, 673, 677.

[84]

Madauß NZWiSt 2013, 176, 179.

2. Teil Deutsches Recht › 7. Kapitel Sonstige Begleit- und Anschlussdelikte

7. Kapitel Sonstige Begleit- und Anschlussdelikte

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Untreue, § 266 StGB

C. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, § 298 StGB

D. Betrugsdelikte, §§ 263, 264 StGB

E. Urkundendelikte, §§ 267 ff. StGB

F. Strafvereitelung, § 258 StGB

G. Verletzung des Geheimbereichs

H. Geldwäsche, § 261 StGB

I. Verstöße gegen strafrechtliche Nebengesetze

Literatur:

Becker Und ewig lockt die Untreue, HRRS 2012, 237; Bernsmann „Kick-Back“ zu wettbewerbswidrigen Zwecken – Keine Untreue, StV 2005, 576; Böttger (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2015; Ceffinato Einführung in das Internetstrafrecht, JuS 2019, 337; Dann/Markgraf Das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, NJW 2019, 1774; Düwell (Hrsg.) Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl. 2018; Freund Urkundenstraftaten, 2. Aufl. 2010; Gaede Die objektive Täuschungseignung als Ausprägung der objektiven Zurechnung beim Betrug, FS Roxin, 2011, S. 967; Geisler Korruptionsstrafrecht und Beteiligungslehre, 2013; Ginou Systematik der Bezifferungsmethoden zur Ermittlung des Vermögensschadens, NZWiSt 2017, 138; dies. Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei der Untreue. Ein rechtspolitischer Restriktionsvorschlag, 2020; Greeve Korruptionsdelikte in der Praxis, 2005; Grützner/Jakob Begleitdelikte von Korruption, 2. Aufl. 2015; Fischer/Hoven/Huber/Raum/Rönnau/Salinger/Trüg (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015; Immenga/Mestmäcker (Hrsg.) Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014; Jahn Versuchte Strafvereitelung durch „Konfliktverteidigung“, JuS 2006, 760; König Neues Strafrecht gegen die Korruption, JR 1997, 397; Korte Bekämpfung der Korruption und Schutz des freien Wettbewerbs mit den Mittel des Strafrechts, NStZ 1997, 513; Kraatz „Kick-Back“-Zahlungen als strafbare Untreue. Versuch einer dogmatischen Konkretisierung und Systematisierung, ZStW 122 (2010), 521; Mohamed Übernahme der einem Vorstandsmitglied auferlegten Geldsanktion durch die Gesellschaft – Wenn Gesellschaftsrecht auf Strafrecht trifft, CCZ 2015, 111; Ransiek Untreue durch Vermögenseinsatz zu Bestechungszwecken, StV 2009, 321; Rönnau Einrichtung „schwarzer“ (Schmiergeld-)Kassen in der Privatwirtschaft – eine strafbare Untreue?, FS Tiedemann, 2008, S. 713; ders. Untreue durch Einrichtung verdeckter Kassen, Bestechung im geschäftlichen Verkehr im Ausland, Bestechung ausländischer Amtsträger, StV 2009, 246; Rostalski Der Vermögensschaden als Tatbestandsmerkmal im Schatten des „Verschleifungsverbots“, HRRS 2016, 73; Rotsch (Hrsg.) Criminal Compliance, 2015; Saliger Parteienuntreue durch schwarze Kassen und unrichtige Rechenschaftsberichte, NStZ 2007, 545; ders. Die Normativierung des Schadensbegriffs in der neueren Rechtsprechung zu Betrug und Untreue, FS Samson, 2010, S. 455; Saliger/Gaede Rückwirkende Ächtung der Auslandskorruption und Untreue als Korruptionsdelikt – Der Fall Siemens als Startschuss in ein entgrenztes internationales Wirtschaftsstrafrecht?, HRRS 2008, 57; Satzger Der Submissionsbetrug, 1994; ders. Grundprobleme der Strafvereitelung (§ 258 StGB), JURA 2007, 754; ders. „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption – Eine Besprechung des Urteils BGH – 2 StR 587/07 (Siemens-Entscheidung), NStZ 2009, 297; Schünemann Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punkt des Untreuetatbestandes, StraFo 2010, 477; Straube/Rasche (Hrsg.) Arbeitsrechtliche Korruptionsbekämpfung, 2017; Strelczyk Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen, 2008; Szebrowski Kick-Back, 2005; Tsagkaraki Die Bildung der sogenannten „schwarzen Kassen“ als strafbare Untreue gem. § 266 StGB, 2013; Wagner Zum Erfordernis einer „gravierenden“ Pflichtverletzung bei der Untreue – Überlegungen zu Legitimität, Anwendungsbereich und Inhalt eines umstrittenen Korrektivs, ZStW 131 (2019), 319; Walther Das Korruptionsstrafrecht des StGB, Jura 2010, 511; Wolters Die Änderungen des Strafgesetzbuchs durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, JuS 1998, 1100.

A. Einleitung

1

Die Begehung eines Korruptionsdelikts erfolgt selten isoliert. In den meisten Fällen gehen damit weitere Straftaten einher, die etwa die Korruptionstat erst ermöglichen bzw. diese verdecken sollen. Als Begleitdelikte zur strafbaren Korruption werden daher Fehlverhaltensweisen gezählt, die einen direkten Zusammenhang zur Korruptionsstraftat aufweisen. Erfasst werden hiervon insbesondere die Vorschriften der §§ 266 (Untreue), 263 (Betrug), 298 (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen), 267 ff. (Urkundendelikte), 289 (Strafvereitelung), 203 ff. (Verletzung des Geheimbereichs), 261 StGB (Geldwäsche) und Verstöße gegen strafrechtliche Nebengesetze.[1] Denkbar sind freilich noch weitere Begleittaten in Gestalt der strafbaren Erpressung, Nötigung, Unterschlagung bzw. der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat. Auch Mord ebenso wie Körperverletzungsdelikte können zusammen mit einer Korruption auftreten.[2] Angesichts des gleichwohl eher losen materiellen Zusammenhangs zur Korruption sowie ihrer statistisch weniger ausgeprägten Häufigkeit verglichen mit den vorab genannten Delikten werden entsprechende Straftatbestände nachfolgend ausgespart.[3]

B. Untreue, § 266 StGB

2

Bei Begehung einer strafbaren Korruption kommt es oftmals zur Verletzung einer persönlichen Treuepflicht, die der Betreffende gegenüber anderen natürlichen bzw. juristischen Personen aufweist. Die zusätzliche Verwirklichung des Straftatbestandes der Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB liegt daher nahe. Eine solche kommt beispielsweise bei der Erbringung und Entgegennahme von Bestechungsgeldern, der Erstellung von Scheinrechnungen oder der Anlage sog. „schwarzer Kassen“ in Betracht.[4] Dabei kann § 266 StGB in der Praxis als Auffangtatbestand dienen, sofern eine Strafbarkeit i.S.d. §§ 331 ff. StGB aus materiellen oder tatsächlichen Gründen nicht vorliegt.[5]

I. Tatbestand des § 266 StGB

1. Allgemeines

3

Wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Zu unterscheiden sind danach die Missbrauchs- und die Treubruchvariante der Untreue.[6] Nach überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretener Ansicht handelt es sich bei der Missbrauchsuntreue um einen Spezialfall der weitergehenden Treubruchalternative.[7] Die Besonderheit soll dabei darin liegen, dass der Täter im Fall des Missbrauchstatbestandes eine nach außen wirkende Vertretungsmacht entgegen der internen Abrede überschreitet, mithin sein rechtliches Dürfen durch sein rechtliches Können nach außen überdehnt. Auch für die Begehung einer Treubruchuntreue bedarf es der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Diese kann aber bereits durch bloß tatsächliches Verhalten verwirklicht werden.[8]

 

4

§ 266 StGB schützt das Vermögen,[9] nicht etwa ein individuelles oder kollektives „Vertrauen“ in die Sicherheit der Güterzuordnung oder das Befriedigungsinteresse von Gläubigern.[10] Die Untreue ist ein Fremdschädigungsdelikt.[11] Dabei ist der Täter in die organisatorische Sphäre des betroffenen Vermögens eingebunden und schädigt dieses von innen heraus.[12] Insofern unterscheiden sich Untreue und Korruption in der Mehrdimensionalität der letzteren: Während § 266 StGB allein das Verhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer erfasst, richten die §§ 331 ff. StGB ihren Blick auf die Dreiecksbeziehung zwischen Treugeber, Treunehmer und Dritten.[13]

2. Missbrauchstatbestand

a) Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis

5

Der Missbrauchstatbestand setzt zunächst das Vorliegen einer Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis voraus. Diese kann qua Gesetz, durch behördlichen Auftrag oder durch ein Rechtsgeschäft bestehen. Gemeint ist damit die Rechtsmacht, wirksam die Vermögensrechte eines anderen zu übertragen, aufzuheben, zu belasten oder zu ändern bzw. den Betreffenden gegenüber einem Dritten zu verpflichten.[14]

6

Beispiele: Elternschaft (§§ 1626, 1629 BGB); „Schlüsselgewalt“ der Ehepartner (§ 1357 BGB); Prokura (§§ 48 ff. HGB), Handlungsvollmacht (§§ 54 ff. HGB); Aufträge, Dienstverträge etc.

b) Vermögensbetreuungspflicht

7

Die Begehung einer Missbrauchsuntreue setzt zudem nach überwiegend vertretener Ansicht ebenso wie die Treubruchvariante eine Vermögensbetreuungspflicht voraus.[15] Hiervon ist auszugehen, wenn dem Treunehmer die Befugnis eingeräumt ist, im Interesse des Geschäftsherrn über dessen Vermögen in bedeutsamer Weise zu verfügen, und es sich hierbei um den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses zwischen Treugeber und Treunehmer handelt.[16] Als Anhaltspunkt kann es dienen, wenn dem Treunehmer die „Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums“ (und nicht lediglich mechanische Hilfstätigkeiten) eingeräumt wird, es an einer „engmaschigen Kontrolle“ fehlt bzw. das Schuldverhältnis einen fremdnützigen Charakter aufweist.[17]

c) Missbrauch der Befugnis

8

Die Tathandlung liegt im Missbrauch der Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis, d.h. der Täter hat seine Befugnis im Außenverhältnis entsprechend seinem rechtlichen Können wirksam (rechtsgeschäftlich) ausgeübt und dadurch die ihm im Innenverhältnis gezogenen Grenzen des rechtlichen Dürfens überschritten.[18] (Unwirksame) schädigende Handlungen außerhalb der rechtlichen Befugnis unterfallen nicht dem Missbrauchstatbestand. Typische Fälle sind unter anderem das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht, das unerlaubte Ausfüllen von Blanko-Formularen oder auch die Vereinbarung von Kick-Back-Provisionen durch Geschäftsführer oder Vorstände zu Lasten der vertretenen Gesellschaft.[19]

3. Treubruchtatbestand

9

Anders als für die Missbrauchsvariante genügt für die Annahme einer Treubruchuntreue bei Vorliegen der übrigen Strafbarkeitsvoraussetzungen gerade auch nicht-rechtsgeschäftliches Verhalten.[20] Angesichts dieser tatbestandlichen Weite ist die Norm in der Vergangenheit in die Kritik geraten. Das Bundesverfassungsgericht bejaht indes die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG.[21]

a) Vermögensbetreuungspflicht

10

Die für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht erforderlichen Voraussetzungen entsprechen den beim Missbrauchstatbestand näher erläuterten. Neben der Entstehung aus Gesetz, behördlichem Auftrag und Rechtsgeschäft kommt noch ein sonstiges „Treueverhältnis“ als Entstehungsgrund der Vermögensbetreuungspflicht in Betracht. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass zivilrechtliche Hindernisse der strafrechtlichen Verantwortlichkeit entgegenstehen. Eine Vermögensbetreuungspflicht kann im Fall der Treubruchvariante daher etwa auch aus einem unwirksamen Rechtsverhältnis erwachsen.[22]

b) Pflichtverletzung

11

Das tatbestandliche Verhalten der Untreue liegt in der Verletzung der (gesetzlichen oder vertraglichen) Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Der Pflichtenkreis wird im Einzelnen von gesetzlichen Bestimmungen, Richtlinien oder auch konkreten Weisungen des Vermögensinhabers festgelegt.[23] Möglich erscheint ein Rückgriff auf untergesetzliche Regelungen, jedoch nur soweit sie gleichsam individualschützend ausgestaltet sind. Beispielsweise sind im Bereich des Banken- und Wertpapierrechts vor allem Kapitalerhaltungs- und Betriebsvorschriften taugliche Anknüpfungspunkte, nicht jedoch Vorschriften, die überindividuelle Schutzgüter betreffen.[24]

12

In spezifisch gelagerten Konstellationen wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Teil ein besonderes Gewicht der Pflichtverletzung als strafbarkeitsbegründendes Kriterium verlangt.[25] Das Erfordernis ist sowohl bezüglich seines Inhalts als auch seiner prinzipiellen Berechtigung umstritten.[26]