Antikorruptions-Compliance

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IV. Ticketvergabe

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Die Tickets bei den „Top Events“ oder bei den Spitzenspielen aller Wettbewerbe sind heiß begehrt. Nicht jeder Interessierte bekommt ein Ticket. Bei den FIFA-Weltmeisterschaften oder den Europameisterschaften muss man sich einem Online-Verlosungsverfahren unterziehen. Der DFB kann für das DFB-Pokalendspiel dreimal so viele Tickets verkaufen, wie das Berliner Olympiastadion Zuschauerplätze hat. Insider wissen, was es bedeutet, eine Dauerkarte etwa des 1. FC Köln zu bekommen: Die Warteliste ist lang. Sobald persönliche Enttäuschungen auftreten, ist es klar, dass die Ticketvergabe häufig als intransparent kritisiert werden wird.[60] Dies gilt insbesondere, wenn persönliche Einladungspräferenzen von Verantwortlichen vor Abgabe der Tickets an die Allgemeinheit abgearbeitet werden (s.o. Rn. 12 ff.).

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Unter Compliance-Gesichtspunkten ist hier eine nachvollziehbare und objektive Vergabe anzustreben, welche die berechtigten Interessen aller Beteiligten, also Sponsoren, Mitglieder und Fans, berücksichtigt.[61] Die Vergabevorgang muss also transparent gemacht werden, in dem die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Kartenkontingente eindeutig vorgenommen und klar kommuniziert wird.[62] Es spricht freilich nichts dagegen, in einem solchen Konzept auch Eintrittskarten für Sponsoren, Förderer oder sonstige Wohltäter (z.B. jahrelang tätige Ehrenamtler) vorzusehen, ohne die das Sportsystem nicht funktionieren würde, sofern hiermit offen und ehrlich umgegangen wird.

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Die von Fanseite aufgrund vielfacher Enttäuschungen ungeliebten und häufig technisch überlasteten IT-Hilfsmittel zur Vergabe von Eintrittskarten bei den Spitzenspielen und großen Wettbewerben haben sich hingegen bewährt. Bei den großen Events betreiben die Verantwortlichen bei dem jeweiligen Veranstalter nichts anderes als Mangelverwaltung. Bei deren Bewältigung mit einem technischen Lossystem machen sie sich gerade nicht angreifbar.[63] Forderungen, diese IT-Lösungen auch quellcodeoffen zu gestalten, damit unabhängige Spezialisten die Zufälligkeit und „Unbestechlichkeit“ des Vergabealgorithmus überprüfen und bestätigen können, werden auf die Veranstalter zukommen.

V. Vergabe von Fernsehrechten

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Eine besonders große Rolle spielt die Vergabe von Fernsehrechten. Bewegtbilder sind der Schlüssel zur Kommerzialisierung des Sports. Sportübertragungen, durch welchen Anbieter auch immer, genießen bei den Fans allerhöchstes Interesse. Viele sind bereit, hierfür z.T. horrende monatliche Abo-Gebühren zu bezahlen. Trotzdem – und auch trotz der nach wie vor bestehenden und i.W. unbestrittenen Informationsgarantien durch die Staatsverträge (Grundversorgung, Kurzberichterstattung) – hat sich das Bezahl„fernsehen“ durchgesetzt, welches sich heute mehr als Bezahlstreaming darstellen dürfte. Faktisch alle Sportgroßveranstaltungen und die großen Ligen (etwa die nordamerikanischen Football-, Baseball-, Basketball- und Hockeyligen; die europäischen Fußballligen) wären ohne eine Verwertung der Bewegtbilderrechte in der heutigen Form (so) nicht existent. Die Fußball-Bundesliga gäbe es allenfalls in amateurhaften Dimensionen: Alleine Sky, trotz gestiegener Konkurrenz immer noch der größte Medienpartner der Bundesliga, zahlt jedes Jahr fast 1 Milliarde Euro an die DFL.[64]

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Dass hier für die Beteiligten Unternehmen und Unternehmer, Verbände, Vereine und Funktionäre jeweils eine Menge Geld auf dem Spiel steht und deswegen die Korrektheit der Vorgänge besonders beachtet werden muss, liegt auf der Hand. Allerdings lädt die Ausschreibung der Medienrechte durch die DFL in Deutschland nicht gerade zum Einsatz unlauterer Methoden ein, weil das Verfahren seit einigen Jahren wegen der kartellrechtlichen Besonderheiten bei der sog. Zentralvergabe (besser: „Gesamtvergabe“)[65] dieser Medienrechte unter enger Begleitung durch das Bundeskartellamt stattfindet.

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Dass es auf internationaler Ebene erhebliche Schmiergeldzahlung in der Verbindung mit der Gewährung von Medien- und Sponsorenrechten gab, ist spätestens seit den spektakulären Verhaftung ranghoher FIFA-Offiziellen im Züricher Hotel „Baur au Lac“ im Mai 2015[66] und den anschließenden in den Vereinigten Staaten geführten Strafverfahren öffentlich bekannt.

VI. Ehrenamtler und Aufwandsentschädigung

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Die Bedeutung des Ehrenamts für den Sport und sein wirtschaftlicher Wert kann nicht hoch genug bemessen werden, s.o. Rn. 2. Unter Ehrenamt wird regelmäßig die altruistische Tätigkeit verstanden; ein Entgelt soll dem Ehrenamtler für seine Tätigkeit gerade nicht zu fließen. Hiervon geht seit dem 1.1.2015 nunmehr auch das BGH ausdrücklich im neueingefügten § 27 Abs. 3 S. 2 aus. Allerdings ist die Vorschrift durch die Satzung abdingbar, weil § 40 S. 1 BGB sie ausdrücklich zur „nachgiebigen Vorschrift“ erklärt. Dass auch im Sport nicht jedes Ehrenamt unentgeltlich ist, ist ebenfalls schon dargestellt worden (s.o. Rn. 23). Das weiß freilich auch der BGB-Gesetzgeber, denn ansonsten machten die Entgeltgrenzen in § 31a BGB, der die Haftung ehrenamtlicher (also überwiegend altruistisch tätiger) Vereinsvertreter verbessern soll, keinen Sinn.

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Vor dem gesetzlichen Leitbild erscheinen ein (auch pauschalierter) Auslagenersatz und eine geringfügige Aufwandsermäßigung nicht zu beanstanden. Allerdings darf der Ersatz tatsächlich entstandener Auslagen, wie z.B. Reisekosten, Übernachtungskosten, Büromaterialien, darf nicht unangemessen hoch sein.[67] Was die Höhe der Aufwandsentschädigungen angeht, gibt überwiegend das Steuerrecht den Rahmen vor. Beispielsweise kann die Übungsleiterpauschale (gem. § 3 Nr. 26 EStG ist eine Aufwandsentschädigung von jährlich bis zu 2 400 EUR steuerfrei) oder die Ehrenamtspauschale (Steuerfreibetrag von 720 EUR im Jahr nach § 3 Nr. 26a EStG) einen entsprechenden Anhalt bieten,[68] wobei letzterer Freibetrag Grundlage für die Haftungsgrenze nach § 31a BGB geworden ist. Eine jährliche Aufwandsentschädigung, die unter 720 EUR bleibt, dürfte also im Ergebnis nicht zu beanstanden sein, es sei denn, dem Ehrenamtler fällt überhaupt kein oder nur ein deutlich geringerer Aufwand an.

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Größere Zuwendungen oder unangemessene Geschenke der häufig gemeinnützigen (i.S.d. §§ 52 ff. AO) Sportvereine und -verbände sind nicht nur aus Compliance-Sicht, sondern auch gemeinnützigkeitsrechtlich gefährlich (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO). Im Hinblick auf Compliance besteht bei übermäßigen Entschädigungen oder Geschenken die Gefahr von Abhängigkeiten und Interessenkonflikten, die ein Nährboden für fragliche Vergabeentscheidungen bei Großereignissen in der Vergangenheit waren.[69] Sie sind zu vermeiden.

VII. Zusammenarbeit mit Beratern und Vermittlern

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Gerade im Fußball ist es gang und gäbe, dass Clubs bei der Verpflichtung nationaler und internationaler Profifußballer mit Spielerberatern und Spielervermittlern verhandeln. Dieser Bereich wird häufig – in Teilen zu Recht – als halbseiden beschrieben, soweit sich nicht spezialisierte Rechtsanwälte oder Großkanzleien der Betreuung dieses finanzkräftigen Bereichs verschrieben haben. Welche „geschäftlichen“ Praktiken in diesem Bereich üblich sind, wird selten öffentlich beschrieben. Dass im Kampf um die besten Talente auch international mit harten Bandagen gekämpft wird, dürfte klar sein. Für Aufsehen haben die Ermittlungen gegen Reiner Calmund (seinerzeit Manager bei Bayer Leverkusen) gesorgt, der eine Barzahlung i.H.v. 580 000 EUR an einen Spielberater vorgenommen haben soll.[70] Das Ermittlungsverfahren wurde später gegen eine Geldbuße i.H.v. 30 000 EUR eingestellt.[71] Dass Barzahlung und Handgelder im Rahmen solcher Geschäfte nicht unüblich sind, wird immer wieder vermutet. Damit dies verhindert werden kann, müssen zunächst die bestehenden Regelungen („Reglements“) über Spielervermittler der FIFA und des DFB eingehalten werden. Dort wird – neben einem Registrierungserfordernis – transparente Dokumentation über Vereinbarungen, Entgelte und Transaktionen gefordert. Hiermit sollen Interessenkonflikte, (nicht-offengelegte) Doppelverwertungen oder gar In-Sich-Geschäfte verhindert werden.[72] Die Rechtslage bei den Spielervermittlern ist schwierig und nicht frei von Fallstricken.[73] Insbesondere die umsatzsteuerliche Behandlung ist immer wieder Gegenstand von Streit und höchstrichterlicher Rechtsprechung geworden.[74] Es versteht sich von selbst, dass sich Spielervermittler und Clubs entsprechend souverän aufstellen müssen.

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Auf gar keinen Fall – in Übereinstimmung mit den Reglements – dürfen bei den Transaktionen Handgelder verwendet werden, die nicht Gegenstand der Verträge und Vereinbarungen sind. Als wichtigste Präventionsmaßnahme sind Barzahlungen unbedingt zu vermeiden. Im Blickpunkt der CMS-Bemühungen muss hier stehen, dass bereits die Konzern-, Verbands- oder Vereinsmittel auf ein Schwarzgeldkonto (also eine „Schwarze Kasse“, früher auch „Reptilienfonds“ genannt) transferiert werden können. Allein die Einrichtung und Unterhaltung eines solchen Kontos (einer „Schwarzen Kasse“) stellt sich für die Person, die eine Verfügungsberechtigung über die Gelder der Körperschaft hat, als strafbare Untreue gegenüber der Körperschaft dar.[75] Auf die Absicht, das Geld im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers zu verwenden, kommt es nicht an.[76]

 

VIII. Zusammenarbeit mit Business Partnern/Abhängigkeiten von Geschäftspartnern

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Grundsätzlich ist bei allen Kontakten mit Geschäftspartnern der zukünftige Vertragspartner auf Seriosität und Integrität zu prüfen.[77] Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass – unabhängig von der rechtlichen Bewertung – die Kooperation mit Firmen in Steueroasen oder exotischen Ländern sehr negative Auswirkungen auf Reputation und Ansehen haben kann[78].[79] Diese Überprüfung ist also alleine wegen des eigenen guten Rufs erforderlich. Dass man in diesem Bereich nicht vorsichtig genug sein kann, hat ebenfalls die jüngere Vergangenheit gezeigt. Auch im Sport muss man sich ab einer gewissen Ebene und ab einer gewissen Bedeutung der abzuwickelnden Geschäfte zwischenzeitlich auch gegenüber den großen Verbänden absichern. Diesen bedauerlichen Rufverlust haben die Verbände freilich selbst zu vertreten. Im Hinblick auf die Vergabe von sportlichen Großereignisse auch an exotischere oder totalitäre Staaten oder bei der Kooperation mit Lieferanten etwa in Asien empfiehlt es sich zusätzlich, genau darauf zu achten, dass alle „Corporate Social Responsibility“-Anforderungen eingehalten werden. Nicht nur aus Imagegründen, sondern möglicherweise auch aus rechtlichen Haftungsgründen wäre es fatal, wenn das eigene Unternehmen oder die eigene Marke mit Themen wie Kinderarbeit, Verweigerung von Arbeitsschutzvorschriften oder Menschenrechten in Verbindung gebracht wird.[80]

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Dazu gehört aber freilich auch eine Überprüfung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Eine Nachschau der Gesellschafter einer Gesellschaft oder des dahinter stehenden Konzerngeflechts durch eine Einsichtnahme des Handelsregisters,[81] die Kontrolle – ggf. unterstützt durch einen Sachverständigen – der veröffentlichten Jahresabschlüsse und Bilanzen,[82] der Ausschluss eines Insolvenzverfahrens,[83] ein fehlender Eintrag in der Schuldnerkartei[84] sowie eine Abfrage der bekannten und großen Wirtschaftsauskunfteien[85] können frühzeitig ein aussagekräftiges Bild über den zukünftigen Partner komplettieren (Business-Partner-Check). Dies ist unerlässlich – und heutzutage schnell, einfach und online möglich, wenn auch nicht immer ganz billig –, um vor späteren bösen Überraschungen gefeit zu sein. Ansonsten drohen eigene wirtschaftliche Schäden, wenn sich der Geschäftspartner bei der Bezahlung der Rechnungen ungewöhnlich viel Zeit lässt oder sogar in Insolvenz geht.

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Ein umfassender Business-Partner-Check mit klar definierten Verantwortlichkeiten und Prüfungspunkten muss daher zwingend Teil eines umfassenden Compliance-Management-Systems sein.[86]

IX. Geldwäsche

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Die aktualisierten Regelungen gegen Geldwäsche nach dem am 26.7.2017 in Kraft getretenen Geldwäschegesetz betreffen unmittelbar auch alle im Sport tätigen Vereine, Verbände und Gesellschaften. Durch die neuen Vorschriften werden die Schwellenwerte für Bargeldgeschäfte mit Gütern gesenkt und erhöhte Anforderungen an die Geschäftspartneridentifikation eingeführt. Register erleichtern es hier, den wirtschaftlich Berechtigten für ein Geschäft oder eine Transaktion festzustellen. Befinden sich die Geschäftspartner in Staaten mit bekannt hoher Risikoexposition oder besteht sogar die Notwendigkeit, sich mit einer „Briefkastenfirma“ einzulassen, müssen aktiv zusätzliche Vorkehrungen zur Absicherung getroffen werden.[87] Bei Nichtbefolgung können die Folgen verheerend sein: Bei Verstößen drohen erhebliche Sanktionen und – unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des eigenen guten Rufes noch schlimmer – eine Veröffentlichung der Bußgelder im Internet, womit die eigene Körperschaft deutlich am Pranger stehen würde.[88]

X. Interessenkonflikte im Tagesgeschäft

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Gerade wegen des oben beschriebenen Mit- und Nebeneinanders von professionellen und ehrenamtlichen Beteiligten im organisierten Sportbetrieb ist auf eine penible Trennung von privaten, geschäftlichen und dienstlichen Interessen im Tagesgeschäft zu achten. Es dürfen keine Abhängigkeiten von Geschäftspartnern existieren bzw. müssen offengelegt werden.[89]

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Die verschiedenen zwischenmenschlichen Verbindungen im Sport auf den unterschiedlichsten Alters- und Erfahrungsebenen mahnen hier zu einem besonders besonnenen und von gegenseitigem Respekt geprägten Miteinander. Die Wohlverhaltensregeln zur Prävention sexueller Übergriffigkeit im Sport sind in den Sportbetrieb zu integrieren und zu beachten.[90] Verstöße hiergegen können gerade bei sehr jungen Betroffenen zu erheblichen seelischen und körperlichen Verletzungen führen, die in jedem Falle zu vermeiden sind. Nicht ordnungsgemäße Handhabung und mediale Berichterstattung hierüber können für den Sport existenzbedrohliche Konsequenzen haben.[91]

XI. Kartellrecht

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Neben den oben genannten kartellrechtlichen Bedingungen bei der Gesamtvergabe der Fernsehrechte (s.o. Rn. 40) sind die kartellrechtlichen Vorgaben stets zu beachten.[92] Das gilt freilich ebenfalls für die großen Verbände und auch für die Olympische Bewegung. Das Bundeskartellamt hat in seiner lesenswerten Verpflichtungszusagenentscheidung zur „Rule 40“ der Olympischen Charta (gegen die dort geregelten, erheblichen Vermarktungsbeschränkungen für Teilnehmer Olympischer Spiele) zu Recht diese „Olympische Bewegung“ unter dem Tatbestandsmerkmal „mehrere Unternehmen“ als marktbeherrschend i.S.v. Art. 102 AEUV, § 19 GWB angesehen: „Die Organisation und Vermarktung der Olympischen Spiele erfolgt durch die Olympische Bewegung.“[93] Wegen der äußerst engen rechtlichen und faktischen Verflechtungen bestehen keine Bedenken, das IOC als internationalen überfachlichen Verband zu behandeln, obwohl es selbst kein solcher ist.[94] An seiner sozialen Mächtigkeit und Marktmacht bestehen ohnehin keine Zweifel.

XII. Datenschutz

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Das Thema Datenschutz ist – gerade in Deutschland – nach Inkrafttreten der DSGVO äußerst sensibel und muss bei allen am Markt auftretenden Anbietern präsent sein.[95] Datenlecks (sog. „Leaks“) können zu einem erheblichen Reputations- und Vertrauensverlust führen. Ihre unsachgemäße Handhabung kann zudem Maßnahmen der Datenaufsichtsbehörden bis hin zu äußerst spürbaren Bußgeldern nach sich ziehen.

XIII. Tax Compliance

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Die Einhaltung der steuerlichen Pflichten, neudeutsch: Tax Compliance, darf von keiner am Sport beteiligten Person, sei es Unternehmen, Verband, Verein oder Einzelsportler, unterschätzt werden. Sie ist nicht nur deswegen extrem compliancerelevant, weil die Verantwortlichen für nicht ordnungsgemäß abgeführte Steuern juristischer Personen persönlich haften, §§ 69 ff. AO, sondern auch etwa nach den §§ 369, 370 AO mit staatlicher Kriminalstrafe strafbewehrt sind.

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Im Hinblick auf die Tax Compliance von Großunternehmen, die beispielsweise als Sponsorenauftreten, millionenschwere Gesellschaften, in die der professionelle Sportbetrieb eines „e.V.“ ausgegliedert wurde oder großen Vereinigungen und Verbänden, die selbst hunderte von Mitarbeitern und Bilanzsumme in Konzerngrößenordnung haben, ergeben sich zu Tax Compliance in Unternehmen keine wesentliche Besonderheiten. Sie muss durch Beratung, Controlling und Zertifizierung ausgefeilt sein. Spezialitäten ergeben sich allenfalls dadurch, dass Mehrheitsgesellschafter von Gesellschaften im Sport ein „e.V.“ i.S.d. §§ 21 ff. BGB sein kann, der gleichzeitig – etwa im Fußball – die sog. „50+1“-Regel[96] beachten (also mehr als 50 % + x der Stimmanteile innehaben) muss –, andererseits zur Wahrung des Nebenzweckprivilegs[97] sich im geschäftsführerischen Einfluss auf die Gesellschaft zurückhalten sollte.

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Fast alle im Sport tätigen Vereine und Verbände sind e.V. i.S.d. §§ 21 ff. BGB und regelmäßig auch gemeinnützig i.S.d. §§ 52 ff. AO. Dies bringt besondere Compliance Anforderungen, auch für ein Compliance-Management-System mit sich.[98] Dies musste schmerzlich auch der DFB erfahren: Für das Jahr, in dem die oben beschriebene (s.o. Rn. 29) 6,7 Millionen-Zahlung im Zusammenhang mit der WM 2006 geleistet wurde, soll ihm auch die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.[99] Die Entscheidung ist angefochten.

XIV. Wettbewerb- und Spielmanipulation

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Für Wettbewerbs– und Spielmanipulation in Deutschland bestehen mittlerweile eigenständige Straftatbestände im deutschen Kernstrafrecht, §§ 265c und §§ 265d StGB.[100] Über ihren Sinn ist schon trefflich gestritten worden. Tsambikakis hält sie gar – mit beachtlichen Gründen – für überflüssig.[101] Jedenfalls, was die Anzahl der in der Praxis auftauchenden Fälle angeht, scheint dem Gesetzgeber mit den Normen kein großer Wurf gelungen zu sein. Eine Datenbankrecherche (beck-online und juris) am 18.4.2020 führt zu keiner Fundstelle einer strafrechtlichen Verurteilung. Verf. ist aus der Praxis der 3. Liga noch der Fall des VfL Osnabrück bekannt, in dem es allerdings (bislang) zu einem Freispruch kam.[102] Es scheint so, als wären viele vorkommende Fälle durch die neuen Regeln schlicht nicht erfasst oder mit dem klassischen Kernstrafrecht besser bedient.[103]

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Gleichwohl darf man diesen Bereich unter Compliance-Gesichtspunkten nicht verkennen. Dieser Regelungsbereich hat auch Eingang in der Verbandsregeln, insbesondere im Fußball gefunden, wo nun selbstständige verbandsrechtliche Straftatbestände vorgesehen sind.[104] Der vorstehend benannte Fall des VfL Osnabrück hat, jedenfalls in der Lokal- und sportlichen Fachpresse, für einiges mediales Echo gesorgt und ist von der DFB-Gerichtsbarkeit auch mit Sperr- und Geldstrafen geahndet worden.[105]

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Beteiligten, Clubs, Vereinen und Verbänden können also gleichwohl, wenn auch nicht von strafrechtlicher Seite, erhebliche Sanktionen und durch die Berichterstattung darüber erhebliche Rufschädigungen entstehen. Schon deswegen gehören sinnvolle Präventionsmaßnahmen, wie etwa eine regelmäßige Fortbildung eigener Spieler und Trainer sowie ihre Sensibilisierung für das Verbot, auf eigene Spiele zu wetten, in jedes Compliance-Management-System. Denn die Unlauterbarkeit dieses Verhaltens hat noch nicht jede Ebene des organisierten Sports durchdrungen: Wer selbst einmal in einer Mannschaftssportart im Amateurbereich gegen den Abstieg gespielt hat, dem ist der Gedanke, der gegnerischen Mannschaft „eine Kiste Bier auszugeben“, wenn sie sich nur gegen den Abstiegskonkurrenten besondere Mühe geben würde, wohl bekannt. Mag dies eventuell noch – anders als im Fall des VfL Osnabrück – auch angesichts des eingesetzten Mittels als zulässige Motivationsmaßnahme verstanden werden, ist die Grenze zur unzulässigen Manipulation auf jeden Fall immer da überschritten, wo derjenige, dem ein Vorteil dafür in Aussicht gestellt wird, möglichst verlieren, also gegen seinen eigenen sportlichen Anspruch tätig werden soll. Auch der Einsatz hoher Geld- oder Sachwerte („Ich bezahle Euch die Mannschaftstour.“) deuten klar in die Illegalität – zumindest nach Sportstrafrecht. Der Compliance-Wächter hat u.a. auch gegen den darin liegenden moralischen Verfall einzuschreiten, weil er eine erhebliche sportliche Rufschädigung mit sich bringen kann.

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Aber auch im Übrigen müssen bei jeder Nähe von Absprachen über Spiel- und Wettbewerbsergebnisse bei den Verantwortlichen die Alarmglocken klingeln. Mögen auch die Tatbestände der §§ 265c, 265d StGB im Einzelfall nicht erfüllt sein, liegt ein Bezug zur organisierten (Wett-)Wirtschaftskriminalität im Zweifel nicht fern (um nur ein Stichwort zu nennen: Geldwäsche durch hohe Geldeinsätze auf weniger überwachte Amateurwettbewerbe).[106]