Antikorruptions-Compliance

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b) Kooperation von Ärzten mit Pharmafirmen
aa) Fortbildungsveranstaltungen

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Sponsoring von Fortbildungsveranstaltungen durch Pharmafirmen ist von erheblicher praktischer Relevanz. Dieser Bereich wird im Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen mehrfach erwähnt und war bereits Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung.[42] Zudem existieren umfassende Regelungen im ärztlichen Berufsrecht und in den Verhaltenskodizes der beteiligten Berufskreise.

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Nach § 32 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä ist die Annahme von geldwerten Vorteilen ausdrücklich erlaubt, soweit diese ausschließlich für berufsbezogene Fortbildungen verwendet werden. Hinsichtlich der Teilnahme an einer wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung findet sich in Satz 2 eine Konkretisierung, wonach ein gewährter Vorteil unangemessen ist, wenn er über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hinausgeht.

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Detailliertere Anhaltspunkte liefern auch §§ 20, 22 FSA-Kodex Fachkreise und § 19 Verhaltenskodex der Mitglieder des „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V.“ (AKG e.V). Danach muss der berufsbezogene wissenschaftliche Charakter der Veranstaltung im Vordergrund stehen. Die Kosten für Bewirtung und Übernachtung dürfen einen angemessenen Rahmen nicht überschreiten, der Tagungsort soll im Regelfall im Inland bzw. innerhalb des EWR liegen und nicht nach seinem Freizeitwert ausgewählt werden. Weiterhin dürfen keine Unterhaltungsprogramme finanziert oder organisiert und keine Kosten für Begleitpersonen übernommen werden.

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Auch wenn strafbares Verhalten bei Einhaltung dieser detaillierten Regelungen nicht automatisch ausgeschlossen ist und ein Verstoß gegen die Bestimmungen nicht zur Strafbarkeit führen muss, liefern sie für die Praxis relevante Anhaltspunkte.[43] Insbesondere ist es naheliegend, dass die Ermittlungsbehörden bei offenkundigen Verstößen gegen Berufsrecht und Verhaltenskodizes eher geneigt sein werden, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten bzw. Eingriffsmaßnahmen durchzuführen. So liegt eine strafbarkeitsbegründende Unrechtsvereinbarung bei einer zweitägigen Fortbildung im bayerischen Wald mit umfangreichem wissenschaftlichen Programm von vornherein fern, anders als etwa bei einer einwöchigen Veranstaltung auf Mallorca mit viel Zeit zur freien Verfügung und Übernahme der Kosten für Begleitpersonen.

bb) Anwendungsbeobachtungen

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Anwendungsbeobachtungen (AWB) werden in § 67 Abs. 6 AMG definiert als Untersuchungen, die dazu bestimmt sind, Erkenntnisse bei der Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel zu sammeln. AWB sollen dazu dienen, Rückmeldungen zur Verwendungspraxis und zum Therapieverlauf zu erhalten, indem Ärzte ihre Erfahrungen bei der Anwendung von Medikamenten, die sie den betreffenden Patienten ohnehin verschreiben würden, dokumentieren. Auf diese Weise können Erkenntnisse über die praktische Wirksamkeit der Arzneien und ihre Alltagstauglichkeit gewonnen werden, die durch das Design der vor Zulassung von Arzneimitteln durchzuführenden Studien nicht zu Tage treten können. Dies betrifft etwa den Einfluss von Therapietreue und Begleiterkrankungen der Patienten. Auch können seltene Nebenwirkungen, Wechselwirkungen bei ungewöhnlichen Kombinationen mit anderen Medikamenten sowie der Einfluss individueller Ernährungsgewohnheiten erst bei Anwendung durch eine große Zahl von Patienten bekannt werden.[44]

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Das Ziel von Pharmafirmen wird allerdings häufig darin liegen, Ärzte durch finanzielle Anreize zu einer vermehrten Verschreibung ihrer Produkte zu motivieren bzw. diese jedenfalls bekannter zu machen und auf diese Weise die Verschreibungshäufigkeit und den Marktanteil zu erhöhen. Trotz zunehmender Regulierungsdichte scheinen AWB häufig weniger dem wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn als vielmehr der Setzung vertriebsfördernder Impulse zu dienen.[45]

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Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund im Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen die Ambivalenz von AWB betont. Sie seien forschungs- und gesundheitspolitisch wünschenswert, sofern sie nicht dem reinen Marketing dienen und ihre Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden. Andererseits hätten sich in der Vergangenheit gerade vertragliche Vereinbarungen über die Durchführung von Anwendungsbeobachtungen als Möglichkeit für eine korruptive Einflussnahme auf das Verschreibungsverhalten von Ärzten erwiesen.[46]

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§§ 63f, 67 Abs. 6 AMG sehen umfassende und detaillierte Verpflichtungen zur Anzeige derartiger Studien vor. Gem. § 67 Abs. 6 S. 3 AMG sind Entschädigungen an Ärzte nach ihrer Art und Höhe so zu bemessen, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht. Dem entspricht die Regelung in § 33 MBO-Ä, wonach die Vergütung von AWB der erbrachten Leistung entsprechen muss und Verträge schriftlich abzuschließen sowie der Ärztekammer vorzulegen sind.

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Die KBV veröffentlicht auf ihrer Homepage eine regelmäßig aktualisierte Übersicht über beendete AWB sowie Kriterien, die Ärzten die Entscheidung über die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen erleichtern sollen.[47] Gegen eine Teilnahme sprechen aus Sicht der KBV insbesondere die Zahlung ungewöhnlich hoher Vergütungen sowie die Ausrichtung von Studien auf längst eingeführte, gut erprobte Produkte und die Durchführung unterschiedlicher, einander sehr ähnlicher AWB zum selben Produkt. Detaillierte Regelungen für AWB finden sich auch in der Selbstverpflichtung der beteiligten Berufskreise in § 19 FSA-Kodex Fachkreise.[48]

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Anhaltspunkte zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung werden teilweise aus Nr. 80, 85 GOÄ abgeleitet. Diskutiert werden insoweit Stundensätze im Bereich von 75 EUR bis 120 EUR, teilweise auch Beträge bis zu 180 EUR. Letztlich wird allerdings immer eine einzelfallbezogene Abwägung unter umfassender Bewertung des Forschungsvorhabens, des zeitlichen Aufwands, der fachlichen Schwierigkeit sowie der jeweiligen unternehmens- und arztbezogenen Faktoren vorzunehmen sein.[49]

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Für eine Strafbarkeit entscheidend ist zwar auch im Bereich von AWB allein das Vorliegen eines rechtswidrigen Austauschverhältnisses im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung. Verstöße gegen die in den genannten Vorschriften enthaltenen Transparenzgebote und Kriterien zur Angemessenheit einer Vergütung dürften jedoch in der Praxis zentrale Kriterien bei der Prüfung eines strafrechtlichen Anfangsverdachts sein.

c) Kooperation von Ärzten mit andere Berufsgruppen
aa) Verordnungen

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Soweit für die Verordnung von Arzneimitteln oder eine Zuweisung an Apotheken eine Gegenleistung gewährt wird, sei es in Form von Geld- oder Sachzuwendungen, durch Umsatzbeteiligungen oder Treuepunkte, wird neben einem Verstoß gegen § 31 MBO-ÄÄ im Regelfall auch eine Strafbarkeit gem. § 299a StGB vorliegen.

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Zulässig sind gem. § 32 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä Bonuszahlungen auf sozialrechtlicher Grundlage, soweit sie einer wirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsweise dienen und dem Arzt die Möglichkeit erhalten bleibt, aus medizinischen Gründen eine andere als die mit finanziellen Anreizen verbundene Entscheidung zu treffen. Eine Strafbarkeit gem. §§ 299a, 299b StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers mangels tatbestandlich vorausgesetzter inhaltlicher Verknüpfung zwischen Vorteil und Verordnungsentscheidung ausscheiden, da derartige Bonuszahlungen für eine wirtschaftliche Verordnungsweise und eine sinnvolle Mittelallokation gewährt würden.[50]

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Auch die Annahme von Rabatten, die von Ärzten zugunsten der Patienten bzw. des zuständigen Kostenträgers weitergereicht werden, ist nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig. In der Sache handele es sich insoweit um eine straflose Geschäftsinhaberbestechung.[51]

bb) Verkürzter Versorgungsweg

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Als verkürzter Versorgungsweg wird eine Kooperation von Ärzten mit anderen Leistungserbringern bezeichnet, in deren Rahmen Hilfsmittel direkt durch den Arzt an den Patienten übergeben werden. Ebenfalls unter diesem Schlagwort diskutiert werden teilweise auch ärztliche Zuweisungen an Hilfsmittelhersteller und -lieferanten. Besonders praxisrelevant sind derartige Zuweisungen im Verhältnis HNO-Ärzte und Hörgeräteakkustiker, Augenärzte und Optiker, diabetologische Schwerpunktpraxen und Hersteller von Blutzuckermessgeräten oder Ärzte und Apotheker. In der letzteren Konstellation werden etwa bei der Versorgung schwerstkranker Patienten oder von Patienten in Pflegeheimen Fahrdienste eingerichtet oder Rezepte an Apotheken gefaxt.[52]

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Dem verkürzten Versorgungsweg sind sozialrechtlich enge Grenzen gesetzt. Das in § 128 Abs. 1 SGB V geregelte Depotverbot beschränkt die direkte Abgabe von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte auf Notfälle. § 128 Abs. 2 SGB V verbietet die Gewährung von Entgelten oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen an Vertragsärzte oder Ärzte in Krankenhäusern im Zusammenhang mit der Versorgung mit Hilfsmitteln.

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Zulässig ist ein verkürzter Versorgungsweg auf der Grundlage von Verträgen zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen gem. § 128 Abs. 4, 4a, 6 S. 2 SGB V. Soweit derartige Vereinbarungen in sozialrechtlich zulässiger Weise geschlossen und gelebt werden, wie dies etwa im Bereich der Versorgung von Patienten mit Blutzuckermessgeräten geschieht,[53] wird nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig auch kein gem. §§ 299a, 299b StGB strafbares Verhalten vorliegen.[54]

 

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Kooperationen außerhalb dieses vertraglichen Rahmens sind strafrechtlich relevant, wenn im Zusammenhang mit der Zuweisung Vorteile gewährt werden, die nicht in zulässiger Weise eine anderweitige, konkret bestimmbare ärztliche Leistung vergüten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll etwa eine adäquate Vergütung für die ärztliche Anpassung von Hörgeräten zulässig sein, nicht jedoch für eine augenärztliche Brillenanpassung.[55]

IV. Praktische Hinweise

1. Konkurrenzen

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Nach der Gesetzesbegründung können bei angestellten Angehörigen eines Heilberufes wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen der beiden Normen sowohl die §§ 299a und b StGB als auch der § 299 StGB in Tateinheit verwirklicht werden. Dies wird in der Literatur z.T. kritisch gesehen mit der Begründung, dass die §§ 299a und b StGB gegenüber § 299 StGB lex specialis seien.[56]

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Die Korruptionsstraftatbestände nach §§ 331 ff. StGB sind einschlägig, wenn auf der Nehmerseite ein Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB involviert ist. Dies wird beispielsweise im Bereich der stationären Behandlung in Kliniken häufig der Fall sein. Da der Gesetzgeber die §§ 299a und b StGB nicht als lex specialis ansieht, dürfte auch hier Tateinheit mit den Amtsträgerdelikten nach §§ 331 ff StGB möglich sein.

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Das Erfüllen einer Unrechtsvereinbarung durch die Zuwendung des Vorteils kann den Tatbestand der Untreue oder des Betruges erfüllen.[57]

Anders als § 299 StGB sind die §§ 299a, 299b StGB nicht in den Vortatenkatalog der Geldwäsche nach § 261 StGB aufgenommen worden.

2. Verjährung

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Die Verjährungsfrist beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Sie beginnt gem. § 78a S. 1 StGB mit der Beendigung der Tat. Bei der Bestechung beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der Bestochene den gesamten Vorteil erhalten hat.[58]

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Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Verjährung der Bestechung für die Tatbeendigung aber auch auf die jeweils letzte Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung an. Wird die pflichtwidrige Diensthandlung erst nach der Zuwendung des Vorteils vorgenommen, so führt erst die Diensthandlung zur Beendigung der Tat.[59] Dieser Grundsatz bedeutet für die Korruption im Gesundheitswesen, dass die Verjährung frühestens beginnt, wenn der bestochene Heilberufsangehörige die letzte auf der Unrechtsvereinbarung beruhende unlautere Bevorzugung vorgenommen hat.[60]

3. Steuerrechtliche Konsequenzen

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Die Zahlung und die Annahme von Bestechungsvorteilen im Gesundheitswesen können auch steuerrechtliche und steuerstrafrechtliche Folgen haben.

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Bestechungsvorteile unterliegen der Steuerpflicht und stellen bei Arbeitnehmern sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG dar[61]. Dies gilt auch für freiberuflich tätige Heilberufsangehörige, sofern die Annahme der Bestechungsvorteile nicht auch Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit (§ 15 EStG) darstellen. Damit besteht für den selbstständigen Heilberufsangehörigen zusätzlich das Risiko, dass seine eigentlich freiberufliche (und damit von der Gewerbesteuer befreite) Tätigkeit gem. § 18 EStG insgesamt als gewerbliche Tätigkeit nach § 15 EStG eingestuft wird (sogenannte „Abfärberegelung“).[62]

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Die Annahme von Bestechungsvorteilen, die nicht versteuert wurden, kann eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begründen.

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Auch auf Seiten des Bestechenden kommt eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht, wenn dieser die Bestechungsvorteile verschleiert als Betriebsausgaben geltend gemacht hat.[63] Umstände, die ein steuerliches Abzugsverbot für Betriebsausgaben begründen, sind steuerlich erhebliche Tatsachen, bei denen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO unrichtige oder unvollständige Angaben eine Straftat darstellen. Gem. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG dürfen Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die u.a. den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Dies ist bei der Bestechung im Gesundheitswesen nach § 299b StGB grundsätzlich der Fall. Dabei genügt für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG schon die abstrakte Strafbarkeit der Tat nach deutschem Recht. Eine rechtskräftige Bestrafung oder Ahndung im konkreten Fall muss nicht vorliegen.[64]

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Soweit für die Verschleierung der Zahlung der Bestechungsvorteile Scheinrechnungen erstellt wurden, kann in dem mit der Scheinrechnung zu Unrecht vorgenommenen Vorsteuerabzug auch eine Umsatzsteuerhinterziehung liegen.

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Praxisrelevant für die Geberseite ist auch das Abzugsverbot bei fehlender Empfängerbenennung gem. § 160 AO. Diese Norm sieht vor, dass u.a. Betriebsausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu benennen. Gerade bei Bestechungszuwendungen wird der Geber häufig nicht offenlegen wollen, wer der tatsächliche Empfänger eines als Betriebsausgabe verschleierten Bestechungsvorteils ist. Die Finanzbehörden können dann im Rahmen einer Ermessensentscheidung die hierfür geltend gemachten Betriebsausgaben nicht zum Abzug zulassen.

4. Approbationsrechtliche und vertragsarztrechtliche Konsequenzen

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Bestechung im Gesundheitswesen kann für die Angehörigen der Heilberufe nicht nur erhebliche strafrechtliche Folgen haben, sondern auch zu sehr gravierenden und unter Umständen existenzbedrohenden weiteren Konsequenzen führen. Zu diesen Konsequenzen gehören neben zivilrechtlichen und arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen insbesondere die berufsrechtlichen und die sozialrechtlichen Sanktionen.

a) Widerruf der Approbation

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Die Verhängung einer berufsgerichtlichen Disziplinarstrafe neben einer Kriminalstrafe kommt dann in Betracht, wenn ein „berufsrechtlicher Überhang“ besteht und nicht schon die strafgerichtliche Verurteilung den disziplinarischen Anforderungen genügt. Ob dies der Fall ist, muss für jeden Fall einzeln und unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden, was für die Betroffenen zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen kann.[65]

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Die Approbation eines Arztes ist nach § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO zu widerrufen, wenn sich der Arzt nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Anlass für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos.[66] Von einem Arzt, dem auch von seinen Patienten ein besonderes Vertrauen entgegen gebracht wird, erwartet man nicht nur eine sorgfältige Behandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung.[67] Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird dagegen durch eine Prognose gekennzeichnet, ob der Betroffene auch in Zukunft seine beruflichen Pflichten nicht zuverlässig erfüllen wird.[68]

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Bislang ist noch keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage des Approbationswiderrufes wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen nach § 299a StGB bekannt geworden. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings den Widerruf der Approbation eines u.a. wegen Vorteilsannahme verurteilten Chefarztes für rechtmäßig erklärt.[69] Verurteilungen von Ärzten und Apothekern wegen Abrechnungsbetruges haben bereits zum Widerruf ihrer Approbation geführt.[70] Diese höchstrichterlichen Entscheidungen lassen erwarten, dass auch bei strafrechtlichen Verurteilungen nach § 299a StGB das Risiko eines Approbationsentzuges im Einzelfall nicht unerheblich sein könnte.

b) Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung

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Einschneidende Wirkung kann auch der Ausschluss eines Arztes von der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung haben. Die vertragsärztliche Zulassung ist nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV vom Zulassungsausschuss dann zu entziehen, wenn der Arzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Dies wurde in der Vergangenheit beispielsweise bei manipulierten Abrechnungen durch einen Arzt angenommen.[71]

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Auch bei der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen kann das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen so tiefgreifend und nachhaltig gestört sein, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann und die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung droht.

5. Das Ermittlungsverfahren

a) Anonyme Anzeigen

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Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren werden häufig durch anonyme Anzeigen ausgelöst. Angaben anonymer Hinweisgeber sind als Verdachtsquelle zur Aufnahme von Ermittlungen nicht generell ausgeschlossen. Dabei ist oft nicht leicht zu beurteilen, ob in der Anzeige tatsächlich zutreffende Vorwürfe erhoben werden oder ob ein Anzeigeerstatter unter dem Deckmantel der Anonymität möglicherweise einen Wettbewerber im Gesundheitswesen anschwärzen möchte. Als Grundlage für Zwangsmaßnahmen kann eine anonyme Aussage nur genügen, wenn sie von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt worden ist.[72] Der Wahrheitsgehalt von anonymen Anzeigen muss daher erst aufgrund eingehender weiterer Ermittlungen bestätigt oder widerlegt werden. Außerdem muss gerade bei Verfahren wegen des Verdachtes der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen beachtet werden, dass hier Berufsgeheimnisträger i.S.d. § 53 StPO betroffen sind. Deren besonderer Schutz gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, beispielsweise bei der Anordnung einer Durchsuchung einer Arztpraxis.[73]