Antikorruptions-Compliance

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b) Tatsituation: im geschäftlichen Verkehr

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Erfasst sind nur Handlungen im geschäftlichen Verkehr, also Maßnahmen, die der Förderung eines beliebigen, aber wettbewerbsbezogenen und wirtschaftlich geprägten Geschäftszwecks dienen.[66] Das Tatbestandsmerkmal grenzt sowohl private Tätigkeiten[67] als auch die Verfolgung rein wohltätiger und gemeinnütziger, also nicht-wirtschaftlicher Zwecke ab.[68] Mangels Außenwirkung scheiden zudem rein innerbetriebliche Vorgänge aus.[69] Selbiges gilt für hoheitliche Tätigkeiten, zu denen jedenfalls die Eingriffsverwaltung zählt. Erwerbswirtschaftliches Handeln der öffentlichen Hand fällt hingegen regelmäßig unter den Tatbestand und zwar unabhängig von der gewählten Organisationsform.[70]

c) Tathandlung: Fordern, Versprechen-Lassen oder Annehmen eines (Dritt-)Vorteils

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Der Täter muss für sich oder für einen Dritten einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Keine dieser Tathandlungen bedarf einer bestimmten Form.[71]

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Das Fordern ist das einseitige Verlangen eines Vorteils.[72] Es handelt sich um die einzige Handlungsmodalität, die keine Übereinstimmung von Nehmer- und Geberseite voraussetzt; es genügt also einseitiges Handeln des potentiellen Vorteilsnehmers, solange der potentielle Vorteilsgeber von der Forderung wenigstens Kenntnis erlangt.[73] Ob das Ansinnen vom potentiellen Vorteilsgeber in seinem Sinngehalt als korruptive Forderung erkannt oder das Begehren sofort zurückgewiesen wird, ist für die Tatbestandsverwirklichung unerheblich. Auch untaugliche Anbahnungsbemühungen oder sofort abgelehnte Avancen führen damit in die Vollendungsstrafbarkeit und schließen einen strafbefreienden Rücktritt (§ 24 StGB) aus.[74]

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Sich-versprechen-Lassen ist die Annahme des Angebots einer Unrechtsvereinbarung (siehe dazu Rn. 27 ff.). Ob das Versprechen zukünftiger Vorteile eingelöst wird, ist nicht von Belang.[75] Annehmen ist schließlich die tatsächliche Entgegennahme des Vorteils mit dem nach außen bekundeten Willen, über den Vorteil zu eigenen Zwecken oder zugunsten eines Dritten zu verfügen.[76] Anders als das Fordern, setzen die beiden letzten Handlungsalternativen also eine Übereinkunft von Geber und Nehmer voraus.

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Der Vorteilsbegriff entspricht dem der §§ 331 ff. StGB (vgl. daher auch 1. Kap. Rn. 45 ff.).[77] Er ist weit zu verstehen. Vorteil ist jede Leistung materieller oder immaterieller Art, die den Empfänger in wirtschaftlicher, rechtlicher oder persönlicher Hinsicht objektiv besserstellt und auf die dieser keinen Rechtsanspruch hat.[78] Typische Vorteile können neben Geldzahlungen oder Rabattgewährungen beispielsweise auch Einladungen zu Urlaubsreisen oder die Vermittlung von Nebentätigkeiten sein.[79] Auch bereits ein Vertragsschluss kann ein Vorteil sein[80] – und zwar selbst dann, wenn der Vorteil nur das angemessene Entgelt der im Vertrag geschuldeten Leistungen ist (sog. „Saldierungsverbot“).[81]

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Sozialadäquate Zuwendungen sollen die Voraussetzungen einer Strafbarkeit nicht erfüllen.[82] Dies lässt sich mit einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes begründen; in der Wettbewerbsvariante kann das Erfordernis fehlender Sozialadäquanz auch in die erforderliche Unlauterkeit hineingelesen werden (siehe Rn. 34). Die Tatbestandsbeschränkung dürfte bei § 299 StGB jedoch eine eher untergeordnete Rolle spielen, weil sozialadäquate Zuwendungen wie Werbegeschenke oder Einladungen zu einem Geschäftsessen in der Praxis kaum als Gegenleistung für eine konkrete Bevorzugung oder Pflichtverletzung gefordert, versprochen oder angenommen werden dürften.[83] Davon einmal abgesehen, ist ein Vorteil sozialadäquat, wenn er so gering ausfällt, dass eine Wettbewerbsgefährdung oder ein drohender Loyalitätskonflikt gegenüber dem Geschäftsherrn sicher ausgeschlossen werden kann.[84] Wo diese Grenze der Sozialadäquanz im Einzelfall verläuft, ist unklar. Mehr oder minder Einigkeit besteht insoweit, dass diese aufgrund der Gepflogenheiten in der Wirtschaft weiter zu stecken ist als bei der Amtsträgerkorruption.[85] Soweit in diesem Zusammenhang fixe Wertgrenzen gesetzt werden, stehen diese unter dem Verdacht der Beliebigkeit und Änderbarkeit. Sie versagen erst recht bei immateriellen Vorteilen. Es bedarf daher für die Bestimmung der Sozialadäquanz einer objektiv-konkreten Abwägung, die das Einkommen und die Stellung des Angestellten oder Beauftragten ebenso berücksichtigt wie dessen Verhältnis zum potentiellen Vorteilsgeber sowie die Höhe, den Anlass, die Streubreite und die sonstigen Begleitumstände der möglichen Vorteilsgewährung.[86] Dabei führt allein die Branchenüblichkeit einer Vorteilsgewährung nicht automatisch zur Sozialadäquanz.[87] Entsprechendes gilt für Taten mit Auslandsbezug. Hier geben nicht örtliche Üblichkeiten und Geschäftssitten das Maß,[88] sondern es ist im Zweifelsfall auf international anerkannte Standards abzustellen.[89] Zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit bei Auslandsbezug in der Geschäftsherrenvariante siehe Rn. 41.

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Erfasst sind – ebenfalls weitgehend im Gleichlauf mit §§ 331 ff. StGB[90] – auch Drittvorteile. Dritter kann jede natürliche oder juristische Person sein. Unklar ist, ob auch das Anstellungs- oder Beauftragungsunternehmen selbst Dritter sein kann. Eine herrschende Auffassung zu dieser Frage ist nur schwer auszumachen.[91] Festzuhalten ist: Der Wortlaut der Vorschrift steht zwar der Einbeziehung des Unternehmens in den Kreis tauglicher Dritter nicht entgegen. Systematik und Telos widerstreiten diesem Ergebnis jedoch. Denn der Unternehmensinhaber als Geschäftsherr ist gerade kein tauglicher Täter und könnte sich daher Vorteile straflos verschaffen. Weshalb die – übliche und sozialadäquate – Einschaltung Dritter an diesem Ergebnis etwas ändern sollte, ist nicht gut begründbar, zumal es gerade zu den Aufgaben und Pflichten der eingesetzten Angestellten oder Beauftragten gehört, Vorteile für ihr Unternehmen auszuhandeln.[92] Diese Ansicht führt jedoch zu Abgrenzungsproblemen: Zweifelhaft soll es erstens sein, welche Rolle vom Unternehmen für besonders vorteilhafte Geschäftsabschlüsse bezahlte Provisionen spielen und unter welchen Umständen im Einzelfall die angekündigte anteilige „Durchreichung“ eines Unternehmensvorteils zu einem strafrechtlich bedeutsamen Eigenvorteil des Angestellten oder Beauftragten wird.[93] Richtigerweise droht hier keine Strafbarkeit; denn es gilt der Grundsatz, dass Unternehmen einen legitim eingestrichenen Vorteil weiterreichen können, ohne dadurch den Anwendungsbereich des § 299 StGB zu berühren (siehe dazu auch Rn. 42 ff.). Schwerer zu beantworten ist allerdings zweitens, ob ein Drittvorteil, der von dem Angestellten oder Beauftragen einer Konzerngesellschaft zugunsten der Mutter- oder einer Schwestergesellschaft ausgehandelt worden ist, tatbestandsmäßig sein kann (Kopplungsgeschäft).[94] Im Ergebnis darf hier nicht der gesellschaftsrechtliche Trennungsgrundsatz Oberhand gewinnen, sondern es sind faktisch-wirtschaftliche Maßstäbe anzulegen.[95] Mithin müssen bei einer Konzernierung jedenfalls solche Drittvorteile für eine andere Konzerngesellschaft aus dem Tatbestand ausgenommen werden, die mit Einwilligung der anstellenden oder beauftragenden Gesellschaft ausgehandelt worden sind.[96]

d) Unrechtsvereinbarung beim Bezug von Waren und Dienstleistungen

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Anders als der weite Vorteilsbegriffs (siehe Rn. 24) ist die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung, die im Wortlaut unter anderem im „dafür“ ihren Niederschlag findet, ein stark begrenzendes Tatbestandsmerkmal.[97] Bei § 299 StGB sind gedanklich zwei Ebenen zu unterscheiden: Neben die eigentliche Vereinbarung über den Bezug von Waren und Dienstleistungen (Leistungsvereinbarung) muss eine selbstständige Unrechtsvereinbarung treten.[98] Erst diese Dualität der Vereinbarungen ist es, die in der Wettbewerbsvariante die strafwürdige Gefahr einer strafwürdigen Bevorzugung bzw. in der Geschäftsherrenvariante einer strafwürdigen Pflichtverletzung schafft[99] und damit konstitutiv für das Korruptionsunrecht des § 299 StGB ist.[100]

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Bei der Unrechtsvereinbarung müssen der angebotene Vorteil und die mit ihm erstrebte Entscheidung ausdrücklich oder konkludent[101] synallagmatisch miteinander verknüpft werden („do ut des“).[102] So kann beispielsweise einem Angestellten oder Beauftragen die ihm obliegende Auswahl unter mehreren Anbietern durch Schmiergeldzahlungen „abgekauft“ werden. Im Unterschied zur Amtsträgerkorruption ist die Unrechtsvereinbarung des § 299 StGB nicht (teilweise) gelockert. Demgemäß muss der in Aussicht gestellte Vorteil stets auf eine konkrete unlautere Bevorzugung oder Pflichtverletzung beziehbar sein; eine in ihrem Zielpunkt diffuse „Klimapflege“ genügt nicht.[103] Die erst nachträgliche Honorierung einer bestimmten Handlung ist ebenso wenig tatbestandsmäßig, außer sie bezieht sich nachweisbar auf eine bereits vorher geschlossene Unrechtsvereinbarung und erfüllt nur die dort versprochene Leistung.[104] Daraus ergeben sich erhebliche Abgrenzungsproblematiken bei längerfristigen oder wiederholten Geschäftsbeziehungen. Hier wird nicht in jedem Fall plausibel darzulegen sein, dass eine konkrete Vorteilsgewährung eine bloß „klimapflegende“ Zuwendung oder nachträgliche Honorierung ist. Vielmehr kommt ebenso eine Vorteilsgewährung für einen nächsten, also einen künftigen Geschäftsabschluss in Betracht (vgl. dazu auch Rn. 59).

 

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Häufig wird das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung nur durch eine Vielzahl äußerer Indizien zu erschließen sein. Dafür ist eine wertende Gesamtschau anzustellen.[105] Einen Hinweis auf die Unrechtsvereinbarung können beispielsweise „private“ Finanz- und Geschäftsbeziehungen eines Angestellten oder Beauftragten zu einem Geschäftspartner des Unternehmens geben (auch sog. „Rückbeauftragungen“[106]) – zumal dann, wenn diese heimlich gehalten und gegebenenfalls in komplexen Firmen- und Finanzierungsnetzwerken verschleiert werden. Indizwirkung können daneben sichtlich parteiische Bewertungen von Angeboten samt der Auswahl eines teuren Anbieters oder auch die erkennbare „Ad-Personam-Ausschreibung“ eines Auftrags haben.[107]

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Die Unrechtsvereinbarung muss im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen stehen. Waren sind alle wirtschaftlichen Güter, die Gegenstand des Handels sein können;[108] der Dienstleistungsbegriff umfasst alle geldwerten unkörperlichen Leistungen des gewerblichen oder geschäftlichen Lebens.[109] Der Bezug beschreibt den gesamten auf die Erlangung oder den Absatz der Waren oder Dienstleistungen gerichteten Geschäftsvorgang.[110] Das Tatbestandmerkmal ist – unter Beachtung der Wortlautgrenze – weit auszulegen, um möglichst einen Gleichklang mit Art. 2 Abs. 1 EU-Rahmenbeschluss 2003/568/JI v. 22.7.2003 („in the course of business activities“) herzustellen (siehe auch Rn. 4).

e) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung

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Je nach Tatbestandsvariante ist der Gegenstand der Unrechtsvereinbarung unterschiedlich (siehe auch Rn. 8). In der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1) muss die Unrechtsvereinbarung darauf abzielen, dass ein Vorteil für eine zukünftige unlautere Bevorzugung im (ausländischen) Wettbewerb gewährt wird. In der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2) muss die Unrechtsvereinbarung hingegen auf eine Pflichtverletzung des Angestellten oder Beauftragten gegenüber seinem Unternehmen zielen.

aa) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung in der Wettbewerbsvariante

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Bevorzugung im Sinne der Wettbewerbsvariante ist jede anvisierte Besserstellung des Täters oder eines von ihm begünstigten Dritten, auf die jener oder der Dritte keinen Anspruch hat.[111] Erfasst ist beispielsweise die „geschmierte“ Vergabe von Bauleistungen, die „erkaufte“ Abwendung der anstehenden Kündigung eines Liefervertrags, die „bezahlte“ Nichtbeanstandung mangelhafter Waren oder die im Verhältnis zu Konkurrenten bevorzugte Vertragserfüllung.[112]

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Allerdings ist eine Bevorzugung nicht in jedem Fall tatbestandsmäßig. Vielmehr muss diese im Angesicht der verfolgten Schutzzwecke einen hinreichenden Wettbewerbsbezug aufweisen. Dies setzt zweierlei voraus: erstens eine Wettbewerbssituation und zweitens eine durch die Bevorzugung drohende Benachteiligung eines Konkurrenten (Gewährung von Vorteilen im Wettbewerb und auf Kosten von Mitbewerbern).[113] Nicht erforderlich ist, dass sich Konkurrenten im konkreten Einzelfall um den Absatz ihrer Waren oder Leistungen tatsächlich bemüht haben oder diese gar objektiv geschädigt worden sind.[114] Allerdings wird eine Situation vorausgesetzt, in der wenigstens potentiell eine Entscheidung unter mehreren Konkurrenten getroffen werden könnte. An einem solchen wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis und damit an einem hinreichenden Wettbewerbsbezug fehlt es, wenn ein Unternehmen eine (faktische) Monopolstellung hat.[115] Bei Kreditvergabeentscheidungen durch Banken kann der Wettbewerbsbezug zweifelhaft sein, wenn trotz einer Bestechung – etwa mit dem Ziel, auf eine Bonitätsprüfung zu verzichten – alle Wettbewerber mit einem Kredit bedient werden.[116] Freilich kann hier eine Strafbarkeit in der Geschäftsherrenvariante gegenüber der Bank in Betracht kommen.

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Mit der Unrechtsvereinbarung muss eine Bevorzugung in unlauterer Weise anvisiert werden. Über die Auslegung dieses mehr oder minder unbestimmten Tatbestandsmerkmals herrscht Uneinigkeit. Teilweise wird auf eine (positive) Akzessorietät zum Wettbewerbsrecht abgestellt, was aber den Besonderheiten des § 299 StGB ebenso wenig Rechnung trägt wie eine schlichte Übertragung der Grundsätze zu § 138 BGB.[117] Soweit dem Tatbestandsmerkmal überhaupt eine wesentliche Funktion beizumessen ist (vgl. Rn. 35), ist es strafrechtlich und schutzzweckorientiert zu bestimmen. Unlauter ist eine Bevorzugung daher im Ausgangspunkt immer dann, wenn der Wettbewerb durch die abstrakte Gefahr sachwidriger unternehmerischer Entscheidungen gestört zu werden droht.[118] Die abstrakte Gefahr einer sachwidrigen unternehmerischen Entscheidung besteht, wenn durch eine bestimmte Verhaltensweise der freie Wettbewerb ausgehebelt und infolgedessen eine Entscheidung nicht länger von solchen Faktoren gesteuert zu werden droht, die von Marktmechanismen vorgegeben werden.[119] Eine solche Gefahr besteht nicht, wenn das Unternehmen selbst der wirtschaftliche Vorteilsempfänger ist. Sofern eine Strafbarkeit hier nicht schon am Fehlen eines tatbestandsmäßigen Vorteils scheitert (siehe Rn. 26), scheidet diese jedenfalls wegen fehlender Unlauterkeit aus – und zwar richtigerweise auch dann, wenn das Unternehmen einen Vorteil an seine Angestellten oder Beauftragten weiterreicht oder eine direkte Zuwendung an diese billigt (siehe dazu auch Rn. 47). Die Einheit der Rechtsordnung gebietet es ferner, solche Verhaltensweisen nicht als unlauter anzusehen und von einer Strafbarkeit auszunehmen, die im Einklang mit außerstrafrechtlichen Vorgaben – naturgemäß vor allem solchen des Wettbewerbsrechts – stehen (negative Akzessorietät).[120] Naheliegend ist es auch, in der Wettbewerbsvariante die Strafbarkeit bei sozialadäquaten Vorteilen über das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit und nicht durch eine „freischwebende“ teleologische Reduktion auszuscheiden (vgl. Rn. 25). Schließlich wird diskutiert, ob Handlungen, die sich in den Grenzen freiwilliger Selbstregularien einzelner Branchen bewegen, stets lauter sind und den Tatbestand ausschließen.[121] Dem ist nur insoweit zuzustimmen, wie Selbstregularien im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben stehen oder eine Leitlinie für die soziale Adäquanz vorzeichnen.

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Abgesehen davon dürfte dem Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit keine wesentliche Tatbestandsbegrenzung abzutrotzen sein.[122] Denn Bestechungshandlungen, die die übrigen Voraussetzungen des § 299 erfüllen, verstoßen regelmäßig gegen grundlegende Anforderungen des Wettbewerbs und sind selbst unter einem engen strafrechtlichen Begriffsverständnis unlauter. Zumindest kann eine Wettbewerbsgefährdung nicht sicher ausgeschlossen werden, was für eine Strafbarkeit bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie § 299 StGB (s. Rn. 6) ausreicht.[123] Es kann deswegen auch dahinstehen, ob in Fällen einer objektiv-sachlichen Richtigkeit der Entscheidung die Unlauterkeit gleichsam nachträglich entfällt.[124] Abgesehen von besonders einfach gelagerten und praktisch eher unwahrscheinlichen Fällen – z.B. bei qualitativ gänzlich unterschiedslosen Massenprodukten und völlig austauschbaren Anbietern – wird sich nämlich kaum je einmal mit Sicherheit sagen lassen, welche Entscheidung ex ante objektiv die einzig „lautere“ war, weil sie allein von Wettbewerbsmechanismen getragen ist. Ohne Belang für die Frage der Lauterkeit muss es auch bleiben, ob in einzelnen Branchen oder Regionen bestimmte Einwirkungen auf den Wettbewerb üblich[125] oder für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit de facto unerlässlich sind.[126]

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Der ausländische Wettbewerb ist unterschiedslos in den Tatbestand der Wettbewerbsvariante einbezogen. Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei Auslandsbezug siehe auch Rn. 12.

bb) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung in der Geschäftsherrenvariante

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In der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2) muss die Unrechtsvereinbarung darauf abzielen, dass ein Angestellter oder Beauftragter seine Loyalitäts- und Treuepflichten gegenüber seinem Unternehmen verletzt. Diese Pflichten können sich unmittelbar aus Gesetz, einem öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt oder einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis samt Direktionsrecht ergeben. Anknüpfungspunkte können insbesondere arbeitsrechtlich verbindlich gemachte Compliance-Vorschriften sein.[127] In Entsprechung zur Wettbewerbsvariante muss die Pflichtverletzung nur angestrebt werden und nicht tatsächlich eintreten (vgl. Rn. 34).[128]

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Es genügt dabei grundsätzlich die Verletzung jedweder Pflicht gegenüber dem Unternehmen, auch die Verletzung bloß untergeordneter Nebenpflichten.[129] Im Unterschied zur Untreue gem. § 266 StGB setzt die Geschäftsherrenvariante des § 299 StGB nicht die Verletzung einer qualifizierten, gravierenden (Vermögensbetreuungs-)Pflicht voraus.[130] Systematisch und mit Blick auf die Unrechtskonstruktion des § 299 StGB ist dies durchaus stimmig. Denn während die Untreue keine besonderen Anforderungen zur Art und Weise der Vermögenspflichtverletzung formuliert, ist das Unrecht der Geschäftsherrenvariante an dieser Stelle weitaus voraussetzungsreicher: Es besteht darin, dass sich ein Angestellter oder Beauftragter die Loyalität zu seinem Geschäftsherrn, die auch und gerade in der Befolgung von Nebenpflichten ihren Ausdruck finden kann, „abkaufen“ lässt.[131]

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Teilweise wird dennoch einschränkend gefordert, das Merkmal der Pflichtverletzung sei wettbewerbsbezogen auszulegen.[132] Strafbar sei nach Systematik und Zweck der Vorschrift allein der Verstoß gegen unternehmensintern aufgestellte Compliance-Pflichten, die ausschließlich oder jedenfalls primär dem Ziel dienten, Wettbewerbsverstöße zu vermeiden.[133] Dieses Verständnis mag im Hinblick auf Verwerfungen zu § 266 StGB dogmatisch und rechtspolitisch wünschenswert sein, liegt aber angesichts der europäischen Vorgaben[134] sowie der Entstehungsgeschichte und der Systematik der Vorschrift nicht nahe (siehe dazu bereits Rn. 11) und dürfte sich bislang auch in der Rechts- und Compliance-Praxis eher nicht durchgesetzt haben. Folgte man dieser Auffassung, stellte sich zudem das schwierige Abgrenzungsproblem, welche Legalitäts- und Legalitätskontrollpflichten in einem Unternehmen ausschließlich oder primär wettbewerbsbezogen sind. In Zeiten holistischer Compliance-Management-Systeme dürfte sich dies kaum noch klar beantworten lassen.

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Soweit teilweise einschränkend vertreten wird, dass die angestrebte Pflichtverletzung in einer wesentlichen Beziehung zum Unternehmenszweck stehen sowie für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und dessen Loyalitätserwartungen an seine Angestellten und Mitarbeiter nicht völlig belanglos sein dürfe,[135] ist dem im Ergebnis zuzustimmen. Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nicht bereits aus einer objektiv fehlenden oder schwach ausgeprägten Beziehung zum Unternehmenszweck oder daraus, dass objektiv bagatellhafte Pflichtverletzungen im Wirtschaftsverkehr per se nicht strafwürdig sind. Denn ob eine Pflicht in einer wesentlichen Beziehung zum Unternehmenszweck steht, ist richtigerweise aus der Sicht des jeweiligen Unternehmens, also subjektiv zu bestimmen. Dieses darf innerhalb gesetzlicher Grenzen festlegen, wie es sich eine loyale Aufgabenerfüllung durch seine Angestellten und Beauftragten im Detail vorstellt und worauf es dabei besonderen Wert legt. Dazu können beispielsweise auch scheinbar belanglose Kleidungsvorschriften zählen,[136] wenn diese für das Unternehmen und seine „Corporate Identity“ eine zentrale Rolle spielen. Dieser subjektiv festzustellende Bezug zum Unternehmenszweck lässt sich nicht durch eine vermeintlich objektivierte Alternativbewertung von außen ersetzen. Interessengerecht und stimmig lässt sich die Vermeidung einer unerwünschten Strafbarkeit rein bagatellhafter Pflichtverletzungen vielmehr über die Einwilligung des Unternehmens erreichen (siehe Rn. 45).

 

41

Bei Auslandssachverhalten ist für die Bestimmung der unternehmensinternen Pflichtwidrigkeit Fremdrecht maßgeblich, also das Recht des betroffenen Staates anzuwenden.[137] Zu den weiteren Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei Auslandsbezug siehe auch Rn. 12.