Antikorruptions-Compliance

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2. Teil Deutsches Recht › 2. Kapitel Mandatsträgerbestechung

2. Kapitel Mandatsträgerbestechung[1]

Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Der Begriff des Mandatsträgers

C. Nichtstrafrechtliche Antikorruptionsregelungen, insbesondere für Mitglieder des Bundestages

D. Der Straftatbestand des § 108e StGB

Literatur:

Austermann Spenden an Abgeordnete, ZParl 2010, 527; Austermann/Schmahl (Hrsg.), Abgeordnetengesetz, 2016; Helmes Spenden an politische Parteien und an Abgeordnete des Deutschen Bundestages, 2014; Ruffert/Walter Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. 2015; Rossi/Pop/Berger Getting the Full Picture on Public Officials: A How-To Guide for Effective Financial Disclosure, 2017 (https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/25735/9781464809538.pdf?sequence=2&isAllowed=y, letzter Abruf: 20.6.2020).

A. Einleitung

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Mandatsträgerbestechung ist eine Kurzbezeichnung für den in § 108e StGB geregelten Straftatbestand der „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“.[2] Mit Freiheitsstrafe bis fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann hiernach sowohl der Mandatsträger, der sich bestechen lässt (sog. passive Bestechung bzw. Bestechlichkeit), als auch derjenige, z.B. der Repräsentant eines Unternehmens, der ihn besticht (sog. aktive Bestechung[3]). Ersteres ist in § 108e Abs. 1 StGB geregelt, Letzteres in § 108e Abs. 2 StGB. Bestraft wird – in beiden Varianten – auch die Anstiftung und Beihilfe, nicht aber der Versuch.[4] Eine Anwendung der Vorschriften über die Amtsträgerbestechung (§§ 331 ff. StGB) (dazu 1. Kap.) kommt im Falle von Mandatsträgern nur in Betracht, wenn diese zuzüglich Amtsträger sind und in dieser Eigenschaft Vorteile gefordert, sich versprochen gelassen oder angenommen haben bzw. wenn ihnen in dieser Eigenschaft Vorteile angeboten, versprochen oder gewährt worden sind (vgl. Rn. 6, 38, 40 f.).

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Der Straftatbestand ist sehr eng gefasst. Insbesondere Vorteile, die nicht in Erwartung einer konkreten Gegenleistung, sondern nur zum Zwecke des sog. Anfütterns oder der sog. Stimmungspflege gewährt werden, sind bei Mandatsträgern – anders als bei Amtsträgern – strafrechtlich nicht relevant (Rn. 38). Das erlaubt freilich nicht den Schluss, dass die Annahme derartiger Vorteile Mandatsträgern ohne Weiteres gestattet wäre (vgl. Rn. 20). Die meisten Mandatsträger unterliegen nämlich speziellen nichtstrafrechtlichen (in der Regel parlamentsrechtsrechtlichen) Normen, die ebenfalls dem Ziel dienen, Korruption vorzubeugen und zu bekämpfen,[5] und deutlich weiter gehen als § 108e StGB. Unmittelbarer Adressat dieser Regelungen ist grundsätzlich zwar nur der Mandatsträger selbst. Indirekt können aber auch Personen, die mit ihm in Kontakt treten, betroffen sein. So müssen z.B. Bundestagsabgeordnete grds. die Quelle ihrer Nebeneinkünfte und Spenden offenlegen (Rn. 9, 11, 16). Darüber hinaus unterfallen Vorteile, deren Annahme im Einklang mit diesen nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsregelungen steht, von vornherein nicht § 108e StGB (Rn. 26 ff.). Von der Einhaltung dieser Vorschriften profitiert damit nicht nur der Mandatsträger, sondern auch derjenige, der den Vorteil gewährt. Unternehmen, die mit Mandatsträgern Kontakt pflegen, sind daher gut beraten, nicht nur den relativ engen § 108e StGB im Auge zu behalten, sondern auch die ihn umlagernden, praktisch bedeutsameren nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsnormen.

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Bevor auf den Straftatbestand näher eingegangen wird (Rn. 23 ff.), wird deshalb ein Überblick über die für Mandatsträger geltenden nichtstrafrechtlichen Antikorruptionsnormen gegeben (Rn. 7 ff.). Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die für Bundestagsabgeordnete geltenden Regelungen[6] gelegt, die freilich nur eine Teilgruppe der von § 108e StGB erfassten Mandatsträger sind (Rn. 4 ff.).

B. Der Begriff des Mandatsträgers

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Mandatsträger i.S.v. § 108e StGB sind neben den Mitgliedern des Bundestages auch die Mitglieder der Volksvertretungen der Länder (§ 108e Abs. 1 und 2 StGB), also der 16 Landtage, sowie die Mitglieder der Bundesversammlung (§ 108e Abs. 3 Nr. 3 StGB).

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Hinzu kommen die (deutschen und ausländischen[7]) Abgeordneten des Europäischen Parlaments (§ 108e Abs. 3 Nr. 4 StGB), die (deutschen und ausländischen[8]) Mitglieder parlamentarischer Versammlungen internationaler Organisationen (§ 108e Abs. 3 Nr. 5 StGB) und sogar die Mitglieder der Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten (§ 108e Abs. 3 Nr. 6 StGB)[9] (z.B. der französischen Nationalversammlung). In allen drei Varianten muss bei ausländischen Mandatsträgern jedoch der allgemeine Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts (§§ 3 ff. StGB) eröffnet sein.[10] Parlamentarische Versammlungen internationaler Organisationen bestehen aus Mitgliedern der Parlamente der Mitgliedstaaten, weshalb entgegen einer verbreiteten Ansicht[11] die Vereinten Nationen (anders als etwa der Europarat, die OSZE und die NATO) nicht über eine parlamentarische Versammlung verfügen.[12]

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Schließlich fallen auch sog. kommunale Mandatsträger[13] unter den Straftatbestand, nämlich zum einen die Mitglieder der Volksvertretungen kommunaler Gebietskörperschaften[14] und zum anderen die Mitglieder von in unmittelbaren und allgemeinen Wahlen gewählten Gremien von Verwaltungseinheiten, die für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildet wurden.[15] Zur ersten Fallgruppe gehören Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte, zur zweiten Ortsbeiräte und Mitglieder von Bezirksversammlungen, sofern sie unmittelbar und allgemein gewählt worden sind.[16] Es ist möglich, dass auf eine Person mehrere Mandatsträgertatbestände zutreffen.[17] Ferner kann ein Mandatsträger zugleich Amtsträger sein (Rn. 1, 40 f.).

C. Nichtstrafrechtliche Antikorruptionsregelungen, insbesondere für Mitglieder des Bundestages

I. Überblick

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Für die meisten der von § 108e StGB erfassten Mandatsträger (Rn. 4 ff.) gibt es außerstrafrechtliche Antikorruptionsregelungen (Rn. 2), die häufig zusammenfassend als „Verhaltensregeln“ bzw. (im internationalen Kontext) „Code of Conduct“ bezeichnet werden, auch wenn sie nicht oder nur zum Teil in einem Rechtstext niedergelegt sind, der diese Bezeichnung trägt.[18] Für Bundestagsabgeordnete (Rn. 4) sind insoweit einschlägig: die §§ 44a, 44b AbgG, die zur Geschäftsordnung des Bundestages gehörenden[19] „Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages“ (VR) sowie die dazu vom Bundestagspräsidenten erlassenen Ausführungsbestimmungen (AB) (s. Rn. 9 ff.). In den Bundesländern bestehen vergleichbare Regelungen für Landtagsabgeordnete (Rn. 4), die überwiegend ebenfalls auf mehrere Regelungsebenen verteilt sind.[20] Mitglieder des Europäischen Parlaments (Rn. 5) unterliegen seit 2002 einem „Verhaltenskodex im Bereich finanzielle Interessen und Interessenkonflikte“[21], der durch Durchführungsbestimmungen des Präsidiums[22] konkretisiert wird.[23] Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (Rn. 5) verfügt seit 2012 über einen eigenen „Code of Conduct“[24], der im Jahre 2017 geändert wurde und es ihren Mitgliedern beispielsweise untersagt, Vergütungen, Entschädigungen oder Belohnungen anzunehmen, die darauf abzielen, ihr Verhalten als Mitglied der Versammlung zu beeinflussen (Rn. 31). Bei ausländischen Gesetzgebungsorganen (Rn. 5) kann regelmäßig ebenfalls davon ausgegangen werden, dass ihre Mitglieder Korruptionspräventionsregelungen unterliegen – sei es solchen, die speziell auf sie zugeschnitten sind (Code-of-Conduct-Modell), sei es allgemeinen, für alle „public officials“ geltenden. Das Bestehen von (auch) Parlamentarier erfassenden Korruptionspräventionsregelungen ist eine zentrale Forderung der beim Europarat angesiedelten „Gruppe der Staaten gegen Korruption“ (GRECO, s. Einf. Rn. 29).[25] Für kommunale Mandatsträger (Rn. 6) sind dem Verfasser hingegen keine nichtstrafrechtlichen Korruptionspräventionsregelungen bekannt.[26] Ein denkbarer Regelungsort hierfür wären die Gemeinde- und Kreistagsordnungen oder die Geschäftsordnungen der entsprechenden Kommunalversammlungen.

 

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Aus rechtsvergleichender Perspektive lassen sich zwei im Grundansatz unterschiedliche Herangehensweisen identifizieren, die in der Praxis freilich häufig auf verschiedene Weise miteinander kombiniert werden.[27] Die eine Herangehensweise zielt darauf ab, in regelmäßigen Abständen das Vermögen des Mandatsträgers (und häufig auch enger Familienangehöriger) möglichst vollständig zu erfassen und durch eine Betrachtung der Vermögensentwicklung Anhaltspunkte für „unerklärliche“ und damit möglicherweise durch Korruption erlangte Vermögenszuwächse zu erlangen. Die andere Herangehensweise geht darauf aus, (tatsächlich oder potentiell) interessenkonfliktträchtiges Verhalten des Mandatsträgers zu erfassen, dieses offenzulegen und im Extremfall auch zu verbieten. Das Vermögenserfassungsmodell lässt (zumindest formal) wenig Schlupflöcher, greift dafür aber erheblich in die informationelle Selbstbestimmung des Mandatsträgers (und seiner Angehörigen) ein und verursacht, wenn es effektiv sein soll, einen nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand. Das Interessenkonfliktoffenlegungsmodell ist tendenziell lückenhaft, erfordert aber weniger bürokratischen Aufwand und greift auch nicht so intensiv in die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein.

II. Die für Mitglieder des Bundestags geltenden Regelungen

1. Einleitung

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Das Interessenkonfliktoffenlegungsmodell (Rn. 8) liegt auch den für den Bundestag geltenden Vorschriften der §§ 44a, 44b AbgG, VR und AB zugrunde.[28] Die beiden zentralen Regelungsgegenstände sind zum einen Nebentätigkeiten – entgeltliche wie unentgeltliche – sowie damit ggf. generierte Einnahmen, zum anderen materielle Zuwendungen.[29] Eine allgemeine Vermögensoffenlegungspflicht gibt es nicht.[30] Lediglich Unternehmensanteile müssen ab einer bestimmten Größenordnung angezeigt und veröffentlicht werden,[31] ebenso Vereinbarungen, wonach dem Mandatsträger während oder nach Beendigung seiner Mitgliedschaft im Parlament bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögensvorteile zugewendet werden sollen.[32] Angezeigt und zum Teil veröffentlicht werden auch bestimmte Tätigkeiten, die er vor dem Mandat ausgeübt hat.[33] Kein Regelungsgegenstand sind immaterielle Vorteile, die der Abgeordnete erhält,[34] sowie Aktivitäten von und Zuwendungen an Familienangehörige oder sonstige ihm nahestehende Personen.[35] Eine indirekte Betroffenheit von Dritten ist aber insoweit gegeben, als Unternehmen oder sonstige natürliche oder juristische Personen, bei denen der Abgeordnete einer anzeigepflichtigen Nebentätigkeit nachgeht oder von denen er Spenden erhält, grundsätzlich ebenfalls anzuzeigen und zu veröffentlichen sind (Rn. 11, 16).

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Im Regelungsbereich „Nebentätigkeiten“ geht es überwiegend um Herstellung von Transparenz durch Anzeige- und Veröffentlichungspflichten. Der Bereich „materielle Zuwendungen“ ist dagegen stärker durch Annahmeverbote geprägt, außer bei Spenden, die grundsätzlich angenommen werden dürfen, ab einer bestimmten Größenordnung aber anzuzeigen und zu veröffentlichen sind.[36] Für Pflichtverletzungen gibt es ein spezielles parlamentsrechtliches Sanktionssystem, das – abhängig von der Schwere des Verstoßes – drei Stufen umfasst: (1) Ermahnung durch den Parlamentspräsidenten (für minder schwere Fälle oder Fahrlässigkeit); (2) Veröffentlichung des Regelverstoßes in Form einer Parlamentsdrucksache (für mittelschwere Verstöße); (3) Verhängung eines Ordnungsgeldes (für besonders gravierende Fälle).[37] Unzulässige Zuwendungen muss der Abgeordnete abführen.[38] In Zweifelsfragen ist er verpflichtet, sich durch Rückfragen beim Präsidenten über den Inhalt seiner Pflichten nach den VR zu vergewissern.[39]

2. Nebentätigkeiten

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Entgeltliche Nebentätigkeiten neben dem Mandat sind dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen, ebenso die damit erwirtschafteten Einnahmen, wenn sie bestimmte Bagatellgrenzen überschreiten.[40] Dieser veröffentlicht sie im Internet, im Falle der Einkünfte allerdings nicht die genauen Beträge, sondern nur die Spannbreite, innerhalb derer diese sich bewegen (sog. Einkommensstufen).[41] Anzuzeigen und zu veröffentlichen sind grundsätzlich auch die Arbeitgeber bzw. Vertragspartner, für die der Mandatsträger tätig geworden ist, es sei denn dieser kann sich insoweit auf eine gesetzliche oder vertragliche Verschwiegenheitspflicht berufen.[42] Ist der Mandatsträger entgeltlich mit einem Gegenstand beschäftigt, der in einem Ausschuss des Bundestages zur Beratung ansteht, muss er dies im Ausschuss offenlegen, sofern sich die Interessenverknüpfung nicht schon aus den bereits veröffentlichten Angaben zu seinen Nebentätigkeiten und -einkünften ergibt.[43] Er ist aber nicht an der weiteren Mitwirkung in dieser Angelegenheit im Ausschuss oder im Plenum gehindert; Befangenheitsregelungen sind bei Abgeordneten die Ausnahme.[44]

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Die Transparenzregeln[45] sind aber keineswegs auf entgeltliche Nebentätigkeiten beschränkt. Anzuzeigen und zu veröffentlichen sind vielmehr auch Tätigkeiten in Gremien von Unternehmen, Verbänden, Vereinen und Stiftungen sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, unabhängig davon, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt werden. Das betrifft z.B. Aufsichtsrats- und Vorstandstätigkeiten, aber auch Tätigkeiten in (beratenden) Beiräten und Kuratorien. Werden mit solch einer Gremientätigkeit Einnahmen erzielt, sind diese ebenfalls wie Einnahmen aus sonstigen entgeltlichen Tätigkeiten offenlegungspflichtig.[46]

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Die Ausübung von Nebentätigkeiten unterliegt also umfangreichen Offenlegungspflichten, dafür aber kaum Beschränkungen. Insbesondere bedarf sie – anders als bei Beamten – keiner Genehmigung.[47] Allerdings trifft den Abgeordneten die (freilich nicht sanktionsbewehrte) Pflicht, zu gewährleisten, dass die Ausübung seines Mandats weiterhin „im Mittelpunkt“ seiner Tätigkeit steht.[48] Ferner sind Hinweise auf die Mitgliedschaft im Parlament in beruflichen und geschäftlichen Angelegenheiten unzulässig.[49] Mit dem Mandat darf also nicht im Rahmen entgeltlicher Nebentätigkeiten geworben werden.[50] Schließlich dürfen mit Nebentätigkeiten keine Einnahmen generiert werden, die im Widerspruch zu den Annahmeverboten stehen, die in § 44a Abs. 2 S. 1 bis 3 AbgG in Bezug auf materielle Zuwendungen an Mitglieder des Bundestages statuiert sind.

3. Materielle Zuwendungen

a) Überblick

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Nach § 44a Abs. 2 S. 1 AbgG darf ein Mitglied des Bundestages „[f]ür die Ausübung des Mandats [. . .] keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen.“ § 44a Abs. 2 S. 2 AbgG verbietet „insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird.“ Gem. § 44a Abs. 2 S. 3 AbgG ist „ferner die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen [unzulässig], wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestags gewährt wird.“ „Die Entgegennahme von Spenden“, so heißt es in § 44a Abs. 2 S. 4 AbgG dann allerdings weiter, „bleibt unberührt.“ Spenden sind gem. § 44b Nr. 3 AbgG vielmehr einem eigenen, in den Verhaltensregeln, also auf untergesetzlicher Ebene (Rn. 7) zu statuierenden Regelungsregime zu unterwerfen, das neben Rechnungsführungs- und Anzeigepflichten auch Annahmeverbote enthalten muss.[51] Dieses Regelungsregime findet sich in § 4 Abs. 1 bis 5 VR.

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§ 4 Abs. 1 bis 5 VR erfassen ausschließlich Abgeordnetenspenden (Rn. 16 ff.), d.h. Vermögenswerte, die einem Abgeordneten zur Unterstützung seiner politischen Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden.[52] Beispiele sind Geld oder Sachmittel für den Wahlkampf, die mietfreie Überlassung von Räumen für die Nutzung als Wahlkreisbüro oder die Übernahme der Eintritts-, Reise- und Aufenthaltskosten für Veranstaltungen, an denen der Parlamentarier im Rahmen seiner politischen Tätigkeit teilnimmt.[53] Vermögenswerte, die einem Abgeordneten hingegen zur privaten oder freien Verwendung überlassen werden (Rn. 19 ff.), unterliegen ausschließlich den Annahmeverboten in § 44a Abs. 2 S. 1 bis 3 AbgG.[54] Beispiele sind Einladungen zu Urlaubsreisen, die Überlassung eines Sportwagens oder einer Ferienwohnung, Einkünfte aus Nebentätigkeiten oder sonstige Geldbeträge, über die der Mandatsträger nach dem Willen des Zuwendenden nach Belieben verfügen können soll. Parteispenden unterliegen ausschließlich dem PartG. Der Abgeordnete, der sie für seine Partei entgegennimmt, trifft lediglich die – freilich strafbewehrte – Pflicht, sie unverzüglich an ein für Finanzangelegenheiten von der Partei satzungsgemäß bestimmtes Vorstandsmitglied weiterzuleiten (§ 25 Abs. 1 S. 3, § 31d Abs. 1 Nr. 3 PartG, Nr. 10 Abs. 2 AB). Die Abgrenzung zwischen Partei- und Abgeordnetenspende richtet sich nach dem Willen des Zuwendenden. Wünscht dieser eine steuerabzugsfähige Spendenquittung, deutet dies in der Regel auf eine Parteispende hin, da nur diese steuerlich privilegiert ist.[55] Weder Spende noch Zuwendung zur freien Verwendung sind die in § 4 Abs. 6 VR geregelten Gastgeschenke mit Bezug zum Mandat (Rn. 22).

b) Abgeordnetenspenden (§ 4 Abs. 1 bis 5 VR)

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Nach § 4 Abs. 1 VR müssen Abgeordnete über Spenden, die ihnen für ihre politische Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden (Rn. 15), gesondert Rechnung führen. Gem. § 4 Abs. 2 VR sind Spenden, deren Wert in einem Kalenderjahr 5 000 EUR übersteigt, dem Bundestagspräsidenten unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders sowie der Gesamthöhe anzuzeigen.[56] Übersteigt der Kalenderjahreswert, der von einem Spender empfangenen Spenden, 10 000 EUR veröffentlicht der Präsident Höhe und Herkunft der Spende gem. § 4 Abs. 3 VR auf der Homepage des Bundestages. § 4 Abs. 4 VR enthält schließlich die in § 44b Nr. 3 AbgG vorgeschriebene Regelung über Annahmeverbote, indem er (mit einer in § 4 Abs. 5 VR geregelten Ausnahme) die für Spenden an politische Parteien (Rn. 15) geltenden Annahmeverbote des § 25 Abs. 2 PartG für entsprechend anwendbar erklärt.

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Die in § 25 Abs. 2 PartG enthaltenen acht Spendenannahmeverbote verfolgen unterschiedliche Ziele.[57] § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG verbietet die Annahme von Spenden, die „erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden“. Ähnlich wie § 44a Abs. 2 S. 2 AbgG[58] will die Vorschrift Korruption im klassischen Sinne verhindern. Gegen die Umgehung der gesetzlichen Obergrenzen der staatlichen Parteienfinanzierung[59] richtet sich hingegen das in § 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG geregelte Verbot der Annahme von Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Parlamentsfraktionen und -gruppen sowie von Fraktionen und Gruppen kommunaler Vertretungen (die zumindest auch aus öffentlichen Mitteln finanziert werden). Demselben Zweck dient das Annahmeverbot in Bezug auf Spenden von (steuerlich privilegierten) politischen Stiftungen, gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 PartG) sowie das Verbot der Annahme von Spenden von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand zu mehr als 25 Prozent direkt beteiligt ist (§ 25 Abs. 2 Nr. 5 PartG). Um politische Einflussnahme aus dem Ausland einzuschränken, dürfen gem. § 25 Abs. 2 Nr. 3 PartG Spenden aus dem Ausland, die 1 000 EUR übersteigen, nur in bestimmten Fällen angenommen werden, z.B. wenn sie von einem EU-Ausländer stammen. Einem Annahmeverbot unterliegen außerdem (§ 25 Abs. 2 Nr. 6 PartG) anonyme oder erkennbar von einem anonym bleibenden Dritten weitergeleitete Spenden von mehr als 500 EUR, ferner (§ 25 Abs. 2 Nr. 4 PartG) Spenden von Berufsverbänden, die diesen mit der Maßgabe zugewandt wurden, sie an den Abgeordneten weiterzuleiten. Hier geht es darum, eine Verschleierung der Herkunft von Spenden und somit eine Umgehung der insoweit bestehenden Rechenschaftspflichten[60] zu verhindern. Schließlich dürfen gem. § 25 Abs. 2 Nr. 8 PartG keine Spenden angenommen werden, die von einem Dritten gegen ein vom Abgeordneten zu zahlendes Entgelt eingeworben werden, das 25 % des Wertes der eingeworbenen Spenden übersteigt. Das in § 25 Abs. 1 S. 2 PartG geregelte Verbot von Barspenden über 1 000 EUR wird von der Verweisung des § 4 Abs. 4 VR, der nur § 25 Abs. 2 und 4 nennt, hingegen nicht erfasst, gilt also nicht für Abgeordnetenspenden.

 

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Eine dem Wortlaut nach umfassende Freistellung von den Spendenannahmeverboten des § 25 Abs. 2 PartG bewirkt § 4 Abs. 5 VR. Diese Regelung will es Abgeordneten ermöglichen, sich von Parlamentsfraktionen, politischen Stiftungen und ausländischen Institutionen, von denen gem. § 25 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 PartG i.V.m. § 4 Abs. 4 VR an sich keine oder nur eingeschränkt Spenden angenommen werden dürfen (Rn. 17), gleichwohl Reise- und Aufenthaltskosten zum Zwecke der Teilnahme an von diesen ausgerichteten Kongressen, Tagungen, Podiumsdiskussionen und ähnlichen Veranstaltungen bezahlen zu lassen.[61] Dies wird erreicht, indem § 4 Abs. 5 VR anordnet: Geldwerte Zuwendungen aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer oder internationaler Beziehungen oder zur Teilnahme an Veranstaltungen zur politischen Information, zur Darstellung der Standpunkte des Deutschen Bundestages oder seiner Fraktionen oder als Repräsentant des Deutschen Bundestages „gelten nicht als Spenden im Sinne dieser Vorschrift“. Da diese Nichtspendenfiktion aber nicht nur die „störenden“ Annahmeverbote in § 25 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 PartG erfasst, sondern alle Annahmeverbote des § 25 Abs. 2 PartG, insbesondere auch das in § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG, schießt sie über das gesetzte Ziel hinaus. Dem ist entweder durch eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 5 VR Rechnung zu tragen, so dass zumindest § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG anwendbar bleibt, oder durch die Anwendung des § 44a Abs. 2 S. 2 AbgG. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre es jedenfalls nicht hinnehmbar, die von der Vorschrift erfassten geldwerten Zuwendungen auch dann als annahmefähig zu betrachten, wenn mit ihnen die Mandatsausübung gezielt beeinflusst werden soll. Das freie Mandats in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verlangt gesetzliche Vorkehrungen gegen Leistungen, die in der Erwartung einer politischen Gegenleistung gewährt werden, unabhängig davon, ob diese als Bezüge für eine (vermeintliche) Nebentätigkeit oder als Zuwendung zur Unterstützung der politischen Tätigkeit getarnt werden.[62]