Klinische Hypnose und Hypnotherapie

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Teil zwei
Methodik ◀
▶ Exkurs:
Das Unbewußte – ein geheimnisvoller Begriff

Schon lange vor Erfindung der Psychoanalyse ahnten Dichter und Denker von der Kraft des Unbewußten. In den letzten hundert Jahren haben sich dann viele Theorien und Modellvorstellungen vom Unbewußten (Freud und Jung) bzw. Unterbewußten (Adler) gebildet, ohne letztendlich die zugrundeliegenden Phänomene erklären zu können. Gerade die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Definitionen weisen auf einen unerschöpflichen Strom in den Tiefen der menschlichen Existenz hin.

Im Englischen spricht man von „inner mind“, von „the unconscious“ oder „deeper self“. Im Deutschen finden wir ähnlich viel- und somit nichtssagende Begriffe, die oft unbeholfen klingen, da sie nur gequält in Worten konstruieren, was wir eigentlich gar nicht benennen und definieren können. Gleichfalls ist uns ein Rätsel, was unser Unbewußtes nun tun und lassen kann. Aber wir erleben, daß wir mithilfe dieses ganz besonderen Bereiches in uns in der Therapie produktiv arbeiten können. Wir bauen darauf, auch wenn wir ihn nicht einmal vage zu beschreiben vermögen. Gestehen wir, daß wir – wie so oft in der Therapie – etwas benutzen, wovon wir im Grunde nicht so recht wissen, was es ist und wie es wirkt. Bei M. H. Erickson (1981) können wir nachlesen, wie er so herrlich intuitiv arbeitend, die Veränderung des Patienten auch nicht immer gleich erklären konnte. War das wieder eine von diesen „unfaßbaren unbewußten Leistungen“? Wahrscheinlich schon. Und meistens läßt sie sich im Rückblick doch noch nachvollziehen, diese nicht logische, sondern psycho-logische Entwicklung mit all ihrer tiefen Sinnhaftigkeit. Nehmen wir uns die Freiheit, zu dem zu greifen, was sich passend anfühlt! Gehen wir pragmatisch vor! Benutzen wir die Worte, die den jeweiligen Patienten ansprechen und verzichten auf Anspruch vollständiger Erklärung. Sagen wir einfach:

„Ein Teil in Ihnen weiß zu dieser Frage vielleicht schon eine Antwort.“

„Der Bereich in uns, der auch für unser Traumleben sorgt, kann uns oft weiterhelfen.“

„Der Körper kann sich erinnern, wie es sich anfühlt, wenn die Sonne wärmend auf die Haut scheint.“

„Auf tieferer Ebene verfügen wir ja über so viel mehr Fähigkeiten!“

„Während Sie sich bewußt vielleicht gerade fragen, was die Hypnose Ihnen heute bringen wird, kann Ihr Unbewußtes schon angefangen haben, an dem Therapieziel weiterzuarbeiten.“

Unterstützen wir den Patienten, sich an seine unbewußten Vorgänge zu halten und sie zu schützen!

Eine meiner Patientinnen mit primär chronischer Polyarthritis behandelt mit Selbsthypnose erfolgreich ihre starken Beschwerden. Direkt nach der Hypnose sind die Schmerzen wesentlich verringert, einige Stunden danach ist eine objektive Verminderung der Schwellung zu beobachten. Ihr Leitspruch lautet: „Der Glaube versetzt Berge.“ Die Fähigkeit zu glauben hat mit unserer Lebensgeschichte zu tun. Diese schließt unsere Zweifel ein und wirkt, aber nicht über bewußte Kanäle.

Kapitel 1
▶ Planung
1.1 Das Aufklärungsgespräch

Aufdecken von Mythen und Vorurteilen und Vermittlung klarer Information am Anfang der Therapie!

Typische Patientenfragen: Bin ich für Hypnose geeignet? Können Sie mich überhaupt hypnotisieren? Was wird mit mir geschehen? Verliere ich die Kontrolle? Bekommen Sie Macht über mich? Verhalte ich mich dann komisch? Weiß ich nachher noch was davon? Kann ich in meine Kindheit/mein früheres Leben gehen? Wie komme ich aus der Hypnose wieder zurück?

1. Gehen Sie davon aus, daß der Patient irrige Vorstellungen über Hypnose hat!

2. Lassen Sie den Patienten seine Vorstellungen (knapp) schildern.

3. Gehen Sie nicht auf die (oft abstrusen) Vorurteile über Hypnose ein, sondern stellen Sie sachlich die Falschheit dieser Ansichten fest und bieten dem Patienten fachlich kompetente Information an.

4. Vermeiden Sie weitere Negativbeispiele, welche in diesem Kontext schon wie Suggestionen wirken können. Erklären Sie dagegen in positiven Aussagen,

was Hypnose ist und wie sie wirkt:

1. Der hypnotische Zustand ist etwas ganz Natürliches.

2. Normalerweise wird angenehme Entspannung empfunden, womit sich das Gefühl der Sicherheit und auch der Kontrolle über die Situation vergrößert.

3. Man verbleibt immer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und Werturteile und ist sich seiner Gefühle, Handlungen und Aussagen bewußt.

4. Hypnose unterscheidet sich vom Zustand des Schlafes, was sich neurophysiologisch besonders in der EEG-Ableitung deutlich macht. Der Entspannungszustand der Hypnose hat allerdings physiologische Gemeinsamkeiten mit denen von anderen Entspannungsverfahren.

5. Je besser man sich etwas in der Phantasie vorstellen kann (z. B. einen schönen Sonnenuntergang), um so leichter kann man sich entspannen und auf das Thema der Therapie konzentrieren.

6. Gefühle können freieren Lauf nehmen, was immer positiv gewertet werden sollte. Anschließend werden sich Entlastung und Erleichterung breitmachen.

7. Hypnose ist keine eigenständige Therapieform, sondern muß in einen medizinischen oder/und psychotherapeutischen Rahmen eingebettet werden.

8. Der Erfolg der Hypnose hängt sehr wohl von den Fachkenntnissen und menschlichen Qualitäten des Therapeuten ab, aber auf keinen Fall von Fähigkeiten magischer Art.

9. Hypnose ist eine effektive Technik, sich körperlich heilend und seelisch stärkend zu beeinflussen (Beispiele nennen).

10. In Hypnose können unter fachlicher Begleitung tiefe psychische Traumata gelöst und geheilt werden.

1.2 Psychotherapie und Hypnose: Überleitung vom Gespräch zur Hypnose

Ausgehend von einem Zeitraum von 50 bis 60 Minuten für eine Therapiestunde, ist die erste Hälfte in das therapeutische Gespräch zu investieren. Dieses dient zum ersten dem Auflisten von neuen Erfahrungen und Ergebnissen seit der letzten Sitzung. Nicht jeder Patient hat da spontan etwas zu berichten. Oftmals ist es reiner Zufall, wenn zutage tritt, daß z. B. der Nachtschlaf ruhig und erholsam war, die Abgrenzung besser oder Konflikte geklärt wurden. Viele Patienten bemerken ihre Fortschritte nicht oder ‚vergessen‘ gar, wie schlecht es ihnen ging. Aus diesem Grunde ist es oftmals vonnöten, den Patienten akribisch auszufragen und Situationen im Detail haargenau beschreiben zu lassen. Dabei erweist es sich manchmal als sinnvoll, zu erklären, daß man den anderen keineswegs seckieren möchte, sondern daß jedem – im eigenen System steckend – Veränderungen verborgen bleiben können. Es ist aber wichtig, Fortschritte zu erkennen und wertzuschätzen. Das stärkt sowohl das Selbstvertrauen als auch die Basis der Therapie („Sehen Sie, wozu Sie alles fähig sind?“). Zum zweiten gewinnt der Therapeut im Gespräch Informationen, die er für die Hypnoseintervention nutzen wird. So kann er dem Patienten besser an der Stelle begegnen, wo dieser sich innerlich gerade befindet. Der Patient wird sich besser verstanden fühlen, was die therapeutische Beziehung (den Rapport) stützt.

Natürlich ist es oftmals sinnvoll, spontan auftretende Trancezustände sofort therapeutisch zu nutzen. Aber es können auch innerhalb des Gespräches indirekt wirkende Suggestionen eingeflochten werden:

Zum Beispiel Bestätigungen: „Sehr gut, und das kann sich sogar verstärken …“

Oder Infragestellungen:

Pat.: „Schrecklich, das ist bei mir immer so.“

Ther.: „Wenn es auch bislang immer so war, wären Sie überrascht, wenn es sich ändern würde?“

Pat.: „Ja, sehr.“

Ther.: „Wären Sie bereit, sich überraschen zu lassen?“

Patient lacht. In diesem Moment erweitert sich sein Bezugsrahmen. Er öffnet sich für Neues.

Oder Fokussierung auf den Moment:

Ther.: „Wie fühlt sich denn das jetzt an, spüren Sie mal nach.“

Pat.: „Besser.“

Ther.: „Bitte beschreiben Sie mir das doch genauer.“

Dann gibt es noch die Patienten, die zum Verquasseln der Stunde neigen, sich nachher eher unwillig aus dem Sessel erheben und offensichtlich mit sich und der Therapie unzufrieden sind. Der Therapeut verbleibt mit dem Gefühl, daß die Stunde zwar anstrengend, aber irgendwie zu kurz war. Bei solchen Patienten muß der Therapeut um so besser strukturieren und rechtzeitig zur Hypnose übergehen.

Meine persönliche Erfahrung ist, daß therapeutische Gespräche eher geistige Anstrengung bedeuten und mir als Therapeuten in einigen wenigen Fällen sogar Kopfschmerzen bereiten. Wenn ich Hypnose einsetze, fühle ich mich geistig weniger ermüdet, aber emotional mehr beansprucht.

Soll nach Ablauf der Gesprächseinheit Hypnose nicht nur indirekt, sondern direkt eingesetzt werden, kann sich die Frage nach der elegantesten Überleitung stellen. Es gibt unzählige Variationen, die allein auf den Patienten und die Situation – den Therapeuten nicht zu vergessen – abgestimmt werden sollten.

Einige Beispiele:

Die eher lockere Version: „Jetzt ist es an der Zeit zu schauen, was das Unbewußte dazu meint.“

Die erklärende: „Da gibt es ja (mindestens) zwei Ebenen in uns, die wache, bewußte und eine andere, die sich ja auch in unseren Träumen ausdrückt …, wenden wir uns dieser zu, das kann uns weiterhelfen.“

Die motivierende: „Jetzt haben wir uns aber genug angestrengt. Setzen wir doch mit Hypnose fort, wo Sie sich erlaubterweise zurücklehnen dürfen.“

 

Die humorvolle: „Ein typischer Fall für Hypnose!“ Oder: „Da muß wohl das Unbewußte jetzt Detektiv spielen, damit wir an dieser Stelle weiterkommen.“

Die entlastende: „Ich schlage jetzt etwas ganz anderes vor: Legen Sie (in der Phantasie) das gesamte Fragenpaket/den Konflikt in Ihre Hände. Schließen Sie diese dann fest zusammen, während Sie sich zurücklehnen und tief durchatmen. In dem Moment, in dem unbewußte Arbeit für die Lösung des Problems beginnt, werden die Hände anfangen, sich zu entspannen und zu lösen.“

Die klare Aufforderung: „Sie können Hypnose, nutzen wir das!“

Wie sich im Austausch mit Kollegen bestätigt, hält sich der zeitliche Rahmen für die Hypnoseintervention bei ca. 20 Minuten. Ein Mehr an Zeit kann den Eindruck vermitteln, es sei immer noch nicht genug erzielt worden. Wie bei vielen anderen Gelegenheiten ist auch hier weniger einfach mehr und umgekehrt.

Es ist die Aufgabe des Therapeuten, den Patienten zu lehren, kleinen Veränderungen Achtung zu schenken.

Bewährt hat sich auch eine kurze fünfminütige Hypnose gegen Ende der Therapiesitzung, um z. B. das Besprochene zu filtern, der unbewußten Ebene anzuvertrauen, therapeutische Träume zu initiieren oder einfach nur ein Wohlgefühl zu hinterlassen und die Therapie einzurahmen. In den meisten Fällen wird die Therapiestunde mit Hypnose vom Patienten als reichhaltiger erlebt. Er verläßt die Praxis mit dem Gefühl, etwas bekommen zu haben.

1.3 Die zwanzig Schritte der ersten Hypnotherapiesitzung

Motto: Nicht über Hypnose philosophieren, sondern knapp erklären und anwenden!

1. Problemdarstellung, Beschwerdebild (medizinisch abgeklärt?)

2. Frage nach bisherigen Versuchen der Problembewältigung

3. Ist der Patient ‚visitor‘ oder ‚customer‘, d. h. will er mich nur ‚besuchen‘ oder wünscht er wirklich Veränderung?

4. Rapport (die therapeutische Beziehung) einleiten

5. Klärung der Erwartungshaltung: realistisch, pessimistisch, zu hoch, erwartet er/sie Wunder?

6. Frage: Wann treten Ausnahmen von der Regel auf (wann beschwerdefrei?)?

7. Formulierung des Therapiezieles oder eines Teilzieles

8. Was wird dann anders sein (möglichst konkret beschreiben lassen)? Wie wird sein (Familien-)System reagieren?

9. Frage: Wie hoch ist der Glaube, das Therapieziel zu erreichen?

10. Wieviel Zeit wird nach Ansicht des Patienten bis zum Erreichen des Therapiezieles vergehen?

11. Liegt die Bereitschaft vor, maßvoll und nicht maßlos zu sein?

12. Abklären: Auf welcher Stelle der Linie ist der Patient postiert?


13. Frage: „Heute schon Hypnose?“ (Pseudofrage)

14. Frage: „In welchem Sessel in Hypnose?“ (Pseudofrage); „Jahaltung“ provozieren

15. Momentane Beschwerden (z. B. Angst, Schmerz, Unruhe) auf einer Skala von 0–100 einschätzen

16. Hypnose (evtl. auf Tonband für den Patienten mitschneiden)

17. Nach der Hypnose Tranceverifikation durch die Frage nach Zeitwahrnehmung und Eintreten von erwünschten Phänomenen.

18. „Wie ist es jetzt anders?“ Einschätzung auf der Skala nach der Hypnose. Ist der Glaube an Therapie bzw. die Fähigkeiten zur Veränderung höher?

19. Partner zu Partnersitzung bereit (systemische Einbettung)?

20. Therapiekontrakt, Absprachen, gegenseitige Verpflichtungen, Honorar.

Nicht erst Hypnose nach Vertrauensaufbau, sondern Hypnose zum Vertrauensaufbau

1.4 Therapieplanung, Verlauf und Rückfallprophylaxe

Kommt ein Patient ausdrücklich wegen Hypnose in die Therapie, schwingt in seiner Motivation die Erwartung mit, er möge schnell Fortschritte machen und geheilt werden. Da mit Hypnose verstärkt unbewußte Prozesse aktiviert werden, können in vergleichsweise wenigen Sitzungen oft gute Fortschritte erzielt werden. Das beruht auf mehreren Faktoren:

– schneller Aufbau von Vertrauen durch therapeutische Veränderungen schon in der ersten Sitzung

– Dichte und Prägnanz der hypnotherapeutischen Diagnostik mit Hilfe ideomotorischer Signale

– vereinfachtes und direktes Auffinden von Widerstand

– Involvierung des Patienten durch Spannung, Spiel, Freude

– stimulierende Zusammenarbeit zwischen Patient und Therapeut, beruhend auf dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen

– Beteiligung des Patienten an der Arbeit durch Ausüben von Selbsthypnose und damit Gewinn an Autonomie

– spielerische Breite des Verfahrens zwischen Traumaarbeit in der Zeitregression und lösungsorientiertem Vorgehen in der Zeitprogression

– Möglichkeit, parallel auf Ursachen- und Symptomebene zu arbeiten

– Depoteffekt der Hypnosearbeit, besonders dank der posthypnotischen Suggestionen

– assoziative Trancearbeit mit der Halluzination von Zuständen, in denen das Therapieziel schon erreicht worden ist (siehe Übung: „Stell dir vor, heute nacht geschieht ein Wunder, und das Problem ist morgen früh gelöst. Was ist anders?“, nach der Technik „Kristallkugel“ von de Shazer 1985). Es ist zu vermuten, daß diese Arbeit permanente Aufträge an die unbewußte Ebene gibt, sich mit dem Weg zur Problemlösung zu beschäftigen.

– möglicher Einbezug von Partner oder Familie in hypnotherapeutische Übungen (Arbeit mit dem System, systemische Einbettung)

und: Veränderungen und Entwicklungen dürfen und sollen Zeit brauchen.

Natürlich kann es zu Spontanheilungen kommen, und wir sollten dem Patienten diese Option nicht versperren. Normalerweise aber braucht jede Therapie ihre Zeit. Unser Patient lebt nicht in luftleerem Raum, sondern ist in menschliche Systeme eingebunden, deren Rückkoppelungsprozessen er – auch wenn er diese mitgestaltet – unterworfen ist. Er hat während seiner Therapie eine Menge anderer Menschen in seinem Schlepptau, die sich (oft notgedrungen) mit ihm verändern werden. Das erklärt die gewisse Trägheit des Prozesses, aber auch die oft frappierenden Auswirkungen der Therapie auf Partnerschaft oder Familie. Wenn ein Mitglied sich weiterentwickelt, bleibt das nicht ohne Spuren im gesamten Systemmechanismus. Und manchmal wirkt es gerade so, als ob der Partner sich verändere, und nicht derjenige, der brav die Therapie aufsucht. Das sind alles ganz normale Erscheinungen, die die Vielfalt der Reaktionen menschlicher Systeme widerspiegelt. Ganz abgesehen davon, sollte der Patient seine Fortschritte wirklich Schritt für Schritt genießen dürfen. Gönnen wir ihm den Stolz auf seine Veränderungen, seien sie objektiv auch noch so klein.

Die Zeitdauer mag tatsächlich kürzer, die Therapiestundenzahl weniger sein, was aber als wesentlicher Vorzug der Intervention mit Hypnose erscheint, ist, daß der Patient sich schneller wohl fühlt.

Arbeit sollte möglichst nicht aufgeschoben und Probleme nicht verschleppt werden, sonst wird der Erfahrung nach alles schlimmer. Wenn mich also jemand bezüglich eines Wunsches nach Therapie anruft, verabrede ich – wenn mir die Anfrage plausibel, das Problem bearbeitbar erscheint, und ich überhaupt noch Kapazitäten habe – möglichst bald, meistens innerhalb der nächsten zehn Tage einen Termin. Wenn dann die erste Sitzung eine gewisse menschliche Stimmigkeit zwischen uns ergibt, die Methoden abgeklärt sind und das Therapieziel formuliert ist, muß die Therapie wie ein Medikament richtig dosiert werden. Nach meinen Erfahrungen ist hoch dosiert am Anfang das Bewährteste. So werden die Sitzungen nach dem Abschließen des Therapiekontraktes mit einer Stunde wöchentlich über vier bis sechs Wochen geplant, während denen sich die Arbeitsbasis zwischen Therapeut und Patient bildet. Dieser erlernt Selbsthypnose und diverse Techniken, wie z. B. das ideomotorische Signalisieren. Erste Erfolge werden verbucht, eventuell ein Rückfall abgefangen. Die erste Partnersitzung findet statt. Der Patient darf mich jederzeit bei „Fragen, die nicht warten können“, anrufen, was überaus selten in Anspruch genommen wird. Der Patient formuliert eher: „Beinahe hätte ich Sie angerufen, aber dann habe ich es auf einmal alleine geschafft.“ Wir vereinbaren in gemeinsamer Absprache immer drei bis vier Termine im voraus. Ein Termin darf aber (rechtzeitig) abgesagt werden, wenn äußere Ereignisse sich überstürzen, er sich erstmals „prima“ fühlt und die Woche ohne Therapie bestreiten will oder wenn ihm alles „zu eng“ wird. (Dabei muß wiederum im Auge behalten werden, daß „Verschleppung“ z. B. der Konfliktsituation oder der Angstzustände, schlecht ist.) Genauso darf angefragt werden, ob schon früher als geplant ein Termin vereinbart werden kann.

Auch in der Hypnotherapie ist das Vorgehen prozeßorientiert. Das (sich evtl. modifizierende) Therapieziel immer im Auge behaltend, arbeitet man am aktuellen Geschehen, weil auf dieser Bühne die momentane Inszenierung spielt. Auf welchem inhaltlichen Gebiet ein Problem (der Abgrenzung, der Hierarchie, der Macht und Ohnmacht, des Ungleichgewichtes von Geben und Nehmen u.v.a.m.) gelöst wird, spielt keine Rolle. Es wird gelöst und ist übertragbar. Den gesamten Lebensrahmen immer überschauend, weiß der Therapeut Fortschritte zu verallgemeinern und zu unterstützen.

Arbeiten Sie permissiv! Drängen Sie nie! Der Patient kommt, weil er in Druck ist. Die Therapie selber darf nie zum Druck werden. So lassen sich die besten Erfolge verbuchen, da unbewußte Tätigkeit Freiraum braucht. Setzen Sie nicht auf Zwang und Kontrolle, sondern Vertrauen. Dann wird der Patient gerne kommen. Sie sind Modell für das, was Sie lehren. So adaptiert er automatisch, Vertrauen in sich selbst zu etablieren. Nach der Hypnose soll er die Wirkung verspüren und genießen, nicht analysieren oder interpretieren. Wenn er aber dazu neigen sollte, ist er nach der Beendigung einfach abzulenken (z. B.: „Was werden Sie mit dem Rest des Tages jetzt noch anfangen?“). Beispiele vom Gärtner, der sät und auch nicht täglich die Erde wieder aufwühlt, um zu prüfen, ob sich da wohl schon ein Keimling erspähen läßt oder von der neugierigen, dummen Schneidersfrau, die doch glatt die Heinzelmännchen derart verschreckte, daß sie für immer verschwanden, helfen, unbewußte Arbeit zu verstehen. Es gilt, den Zauber zu wahren. Der Patient muß seine Therapie schützen lernen. Er darf nicht darüber schwatzen.

Sobald der Patient Therapieerfolge aufweist, sind die Intervalle der Sitzungen nach der Devise ‚So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich‘ in Abstände von zwei bis drei Wochen zu strecken, und es ist Zeit, an Rückfälle zu denken und Prophylaxe zu betreiben. Es bedarf der Information, daß Psychotherapien eine Eigendynamik aufweisen, die einer Art höher strebender Wellenbewegung entspricht: Fortschritte und Rückfälle, wobei die Vorwärtsbewegung dominieren sollte. Rückfälle sind also natürlich und gehören zur Therapie dazu. Hierbei sollen nicht Rückfälle suggeriert werden, sondern es geht um Voraussehen und Vorbeugen. Im Wortlaut: „Ich höre von Ihnen, daß es Ihnen besser geht, und das kann man Ihnen auch ansehen. Das ist schön, und ich könnte mir vorstellen, daß Sie auf sich selber stolz sind. Nicht, daß ich Sie ärgern oder vergraulen möchte, aber es ist jetzt das erste Plateau der Therapie erreicht, und wir müssen uns mit dem Thema Rückfall beschäftigen. (‚Nach dem Motto der Polizei: Vorbeugen heißt verhindern.) Ich frage Sie jetzt: „‚Nehmen wir an, es kommt ein Rückfall, was werden Sie tun?‘“

Der Patient sollte zuerst seine Ideen beschreiben. Diese werden daraufhin mit folgenden Anweisungen komplettiert:

1. Deklarieren Sie die Situation für sich selber als Rückfall.

2. Erinnern Sie sich an die Information von mir als Fachfrau, daß Rückfälle zur Therapie gehören.

3. Reflektieren Sie gut, ob der Rückfall Ihnen einen Hinweis geben will und letztendlich einen guten Sinn erfüllt.

 

4. Erinnern Sie sich der Fähigkeiten, die Sie zuletzt in den gleichen Schwierigkeiten erfolgreich eingesetzt haben.

5. Wenden Sie Ihre Art der Selbsthypnose mit Ihrer eigenen Technik (Fingerschluß o. ä.) an.

Alle diese Punkte helfen, einen psychischen Abstand zu der aktuellen Situation herzustellen. Die Betrachtung der Rückfälle als natürlich nimmt die Heftigkeit sowie die Tiefe. Mit diesem Programm in der Tasche fühlt sich der Patient sicherer, und in der Konsequenz wird die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles verringert.

Während des Therapieprozesses soll der Patient es als erlaubt empfinden, zu experimentieren und Entwicklungen auf anderem Weg zu gehen, als wir ihm vorgeschlagen hätten. Jede Art von Autarkie sollte recht sein. Manche Störung in der Therapeut-Patient-Beziehung kann vermieden werden, wenn wir als Therapeuten immer wieder unsere eigenen Bezugssysteme flexibel öffnen. Dann wird auch für uns das Therapiegeschehen spannender.

Rückt die Therapie der Stabilität des erreichten Therapiezieles nach 10, 20 oder 30 Sitzungen näher, sind Sitzungen in längeren Abständen (alle drei Monate) angebracht. Auf jeden Fall ist in einer Art Langzeitkontrolle nach einiger Zeit nochmals eine Sitzung zu planen, um den Therapieerfolg zu stabilisieren und sicherzugehen, daß der evtl. schnell erreichte Fortschritt auch anhält. Außerdem dient es uns als Selbstkontrolle zur Überprüfung und Korrektur unserer Interventionen.

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