Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten

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Freitag, 4. Februar

Was Gerald gestern gesagt hat, hat mich sehr aufgeheitert und inspiriert. Er hat absolut recht! Ich bin qualifiziert, für Gott zu sprechen, gerade weil ich nur ein ganz gewöhnlicher Nachfolger bin. Bilde mir ein, dass ich diese Tatsache jetzt mehr zu schätzen weiß als die meisten Leute. Ich brenne regelrecht für den Herrn! Kann es kaum erwarten, morgen zu einer Veranstaltung bei »Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club« in West Hammerton zu fahren, einem Dorf hier in der Nähe. Diese Leute haben mich eigens gebeten zu kommen. Sie freuen sich darauf, und ich werde ihnen nicht durch meine dummen Sorgen um mich selbst die Freude oder den Zugang zu geistlichen Dingen vermiesen.

Halleluja!

Samstag, 5. Februar

Kam um halb drei mit Gerald im Gemeindehaus in West Hammerton an, reichlich rechtzeitig für meinen Vortrag, der für drei Uhr angesetzt war. Ging in die Halle mit meinem schüchternen Ja-ich-bin’s-Leute-aber-ich-bin-auch-nicht-andersals-ihr-Ausdruck auf dem Gesicht. Hätte mir die Mühe sparen können. Es schien sowieso niemand zu merken, wer ich war.

Als wir eintraten, kam ein elegant gekleideter, ziemlich alter Mann mit steif militärischer, aber schon etwas unsicherer Haltung auf uns zu, der sich als Mr. B. Granger vorstellte, Sekretär von Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club. Sagte, die Person, die mich eingeladen habe, könne leider nicht kommen, weil sie inzwischen verstorben sei (eine erbärmlich lahme Ausrede, wie Gerald später bemerkte), sodass er eigentlich nicht so recht wisse, was hier eigentlich laufe.

Erschwerend komme hinzu, erklärte er mit seiner altersdumpfen, bellenden Stimme, dass ich die Alternative zu jemandem sei, der, soweit ich es verstehen konnte, nicht hatte an die Stelle eines Mannes treten können, der nicht als Ersatz für eine Frau hatte kommen können, die abgesagt hatte, einen wunderbaren Menschen namens Mr. A. Whittle zu vertreten, der ein Experte über »West Hammerton in alter Zeit« war und dessen Erscheinen (nebst dem seiner Dias) eigentlich der allgemeine Wunsch gewesen wäre.

Ob ich auch Dias mitgebracht hätte? Nein, weniger. – Oh.

Auf eine Frage von Gerald hin erklärte Mr. B. Granger, dass

»Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club« seinen Namen der Tatsache verdanke, dass er vor vielen Jahren von zwei Leuten namens Reginald und Eileen ins Leben gerufen worden war, die inzwischen ebenfalls verstorben waren.

Gerald nickte verständnisvoll.

Die meisten der etwa zwanzig älteren Leute, die in Viereroder Fünfergruppen an den kleinen Tischen saßen, starrten mich an, als ich Mr. B. Granger zu der Stelle folgte, wo ein Mikrofon gestanden hätte, wenn sie eines besessen hätten.

Sie hassen mich, dachte ich, weil ich nicht Mr. A. Whittle bin und weil ich keine Dias habe.

Mr. B. Granger blickte verstohlen auf ein kleines Stück Papier, das er in der Handfläche verborgen hielt, und räusperte sich gebieterisch.

Er sagte: »Also, fangen wir an, meine Damen und Herren. Zuerst die Bekanntmachungen.« Pause. »Es gibt keine. Hat irgendein Mitglied vor der Vorstellung des Referenten etwas bekanntzugeben?«

Eine uralte, weißhaarige kleine Dame, von der Last der Jahre gebeugt, hebelte sich von ihrem Stuhl hoch und machte sich entschlossen auf den verschlungenen Weg nach vorne, von wo sie sich mit zittrig aggressiver Stimme an die Versammlung wandte.

»Ich wollte nur sagen, dass ich seit zwanzig Jahren alle sechs Club-Tischtücher mit nach Hause genommen und gewaschen habe und nicht bereit bin, das noch weiter zu tun. Es ist an der Zeit, dass mal jemand anderes an die Reihe kommt.«

»Worin genau besteht diese Aufgabe, Mrs. Lazenby?«, erkundigte sich Mr. B. Granger in ernstem, dienstbeflissenem Tonfall.

»Man muss einmal im Jahr alle sechs Tischtücher mit nach Hause nehmen und waschen«, sagte Mrs. Lazenby ziemlich erwartungsgemäß. »Aber das mache ich jetzt schon seit zwanzig Jahren, und ich glaube, ich habe meinen Teil getan. Es ist an der Zeit, dass auch mal jemand anderes drankommt. Ich bin nicht bereit, es noch weiterhin zu tun. Ich habe es zwanzig Jahre lang gemacht, und ich glaube, das reicht. Nun kann jemand anderes – «

»Mrs. Lazenby hat es zwanzig Jahre lang gemacht«, unterbrach Mr. B. Granger, der offenbar merkte, dass die ständige Wiederholung dieser Beschwerde Mrs. Lazenby enorme Befriedigung verschaffte und dass sie vermutlich bis in alle Ewigkeit fortfahren würde, ihren Standpunkt deutlich zu machen, wenn niemand sie aufhielt, »und ich glaube, sie hat ihren Teil getan. Es ist an der Zeit, dass jemand anderes an die Reihe kommt, denn sie ist nicht bereit, es auch weiterhin zu tun.« Er räusperte sich noch einmal. »Ich möchte im Namen aller Mrs. Lazenby unseren Dank und unsere Anerkennung für die Arbeit ausdrücken, die sie während der letzten zwanzig Jahre bezüglich der Tischtücher auf sich genommen hat. Drücken wir ihr wie üblich unsere Wertschätzung aus, wenn sie sich nun von dem Posten zurückzieht, auf dem sie uns so großartige Dienste geleistet hat, und das seit – «

»Zwanzig Jahren«, ergänzte Mrs. Lazenby genussvoll, »und ich bin nicht bereit – «

»Vielleicht möchte sich nach dem Vortrag, wenn die Erfrischungen gereicht werden, eine Freiwillige – oder ein Freiwilliger« – Heiterkeit an den Tischen – »melden. Nochmals vielen Dank, Mrs. Lazenby, für Ihre unschätzbaren Bemühungen um unseren Club.«

Mrs. Lazenby trat, begleitet von unverhohlen lustlosem Applaus, widerstrebend, aber triumphierend den verschlungenen Rückweg zu ihrem Tisch an, wo sie sofort mit ihren zwei unmittelbaren Sitznachbarn eine heftig geflüsterte Diskussion über die Tatsache begann, dass sie es zwanzig Jahre lang gemacht habe und nicht bereit sei, es noch weiterhin zu tun …

»Schön«, hakte Mr. B. Granger die »Bekanntmachungen« auf seinem kleinen Zettel ab, »kommen wir zu unserem Referenten. Und wir schätzen uns in der Tat sehr glücklich, heute Mr. E. Bass hier begrüßen zu dürfen, einen sehr beliebten örtlichen Laienprediger.«

(Das einzig Zutreffende an dieser Vorstellung waren die Geografie und das Geschlecht, was, wie Gerald später bemerkte, nicht viel nützt, falls man kein reisender Gynäkologe ist.)

»Mr. Bass’ Vortrag, dem wir alle mit … äh … mit großer Vorfreude entgegensehen, trägt den Titel« – ein kurzes Schielen auf den Zettel – »trägt den Titel ›Lesungen aus dem Tagebuch eines frohen Choristen‹ und wird uns bis zum Tee um fünfzehn Uhr fünfunddreißig beschäftigen. Es gibt keine Dias. Vielen Dank, Mr. Bass.«

Die einzige Person in jenem Raum, mich selbst eingeschlossen, der meine dialosen »Lesungen aus dem Tagebuch eines frohen Choristen« Spaß machten, war Gerald, der natürlich jeden Augenblick auskostete. Der Rest meines Publikums starrte mich entweder mit unverhohlener Verwirrung oder schwerhöriger Verständnislosigkeit an, während ich mich, die Oberlippe unangenehm an den Zähnen klebend, durch eine halbe Stunde völlig ungeeigneten Materials quälte, das nicht das leiseste Schimmern eines Lächelns hervorzurufen vermochte. Genauso gut hätte ich versuchen können, Pflanzen mit Sand zu gießen.

Auch nicht gerade hilfreich war die Tatsache, dass ungefähr zehn Minuten vor dem Ende des Vortrags zwei Damen an unterschiedlichen Tischen sich wie durch Zauberei in exakt demselben Moment erhoben und in der Küche verschwanden, wo sie die nächsten zehn Minuten damit verbrachten, mit allem möglichen Zeug herumzuklappern und zu klirren und zu scheppern und sich dabei so laut zu unterhalten, dass sie einander über ihr eigenes Geklapper und Geklirr und Geschepper hinweg verstehen konnten.

War hinterher total ausgelaugt. Als Mr. B. Granger dazu einlud, Fragen zu stellen, meldete sich nur ein Zuhörer.

War ich bekannt mit Mr. A. Whittle, der einen Vortrag mit höchst interessanten Dias aus dem alten West Hammerton hielt? Nein, leider war ich nicht bekannt mit Mr. A. Whittle, der einen Vortrag mit höchst interessanten Dias aus dem alten West Hammerton hielt.

Diese Information schien jedem weiteren Interesse den Garaus zu machen. Verspürte den starken Wunsch, Mr. A. Whittle den Garaus zu machen und ihn mitsamt seinen Dias zu Reginald und Eileen zu befördern.

Hatte meinen Tee dringend nötig. Gerald kam mit den alten Leuten prächtig zurecht. Brachte sie zum Lachen und verwickelte sie in lockere Plaudereien. Wünschte, er hätte den Vortrag gehalten. Ich will nie wieder einen halten – niemals.

Die Versammlung endete mit dem Absingen des Clubliedes, angeleitet von einem Klavier in der Ecke, dessen Tastatur ebenso lückenhaft zu sein schien wie das Gebiss des alten Herrn, der es mit zittriger Großtuerei bearbeitete. Der Text des Liedes, das mit großer Inbrunst zweimal gesungen wurde, lautete folgendermaßen:

Reginald und Eileen sind nicht mehr unter uns,

denn hingerafft hat sie der Tod vor langer Zeit,

doch tut’s uns auch weh, wir treffen uns zum Tee,

und alle Welt ist Zeuge uns’rer Fröhlichkeit.

Gerald fuhr uns nach Hause. Ich saß jämmerlich da, mein im Voraus geschriebenes Dankeskärtchen (»Wir alle wissen die neuen Einsichten in die Arbeit unserer Chöre, die Sie uns heute Nachmittag vermittelt haben, sehr zu schätzen«) und meinen Fünf-Pfund-Schein in der Hand umklammert, und fragte mich, wie ich es anstellen konnte, alle weiteren Termine abzusagen. Auf dem ganzen Heimweg produzierte Gerald, der immer noch das Bedürfnis hat, jeden Witz bis zur bitteren Neige auszuweiden, deprimierend akkurate Imitationen von Mr. B. Granger, wie er sagte: »Mr. E. Bass, ein sehr beliebter örtlicher Laienprediger, dessen Vortrag den Titel ›Lesungen aus dem Tagebuch eines frohen Choristen‹ trägt.«

Anne und Thynn, der auf eine Tasse Tee vorbeigekommen war, lachten Tränen, als Gerald ihnen von meinem albtraumhaften Erlebnis erzählte.

 

Vielleicht sollte meine Unterstützergruppe aus chronisch Depressiven bestehen; dann könnten die wenigstens zweimal im Monat auf meine Kosten herzhaft lachen.

Der arme alte Leonard ist immer noch etwas angeschlagen seit dem Tod seiner Mutter. Doch wie er heute abend sagte, kann sie jetzt unter all den himmlischen Wesen wenigstens verstehen, was die anderen sagen. Was Leonard gegen Ende ihres Lebens zur Raserei brachte, war, dass sie sich weigerte, ein Hörgerät zu tragen, weil sie ihrer Meinung nach nicht schwerhörig war, sondern nur nicht verstehen konnte, was die Leute sagten.

Wir bekommen L. T. zurzeit ziemlich häufig zu sehen.

Sonntag, 6. Februar

Habe heute in der Gemeinde ein paar Worte mit Gott gewechselt. Bat ihn um irgendetwas, das mir hilft, die ganze Sache mit den Vorträgen wieder positiver zu sehen. Ich scheine viel zu leicht das Selbstvertrauen zu verlieren.

Als ich mit den anderen herauskam, blickte ich auf und sah eine Wolke, die genau wie Südamerika aussah. Fragte mich, ob das vielleicht »das Zeichen« wäre. Wies Richard Cook auf die Wolke hin.

Ich sagte: »Siehst du die Wolke dort, die genau wie Südamerika aussieht? Meinst du, das könnte ein Zeichen sein?«

Er sagte: »Ja, könnte sein, nur ist das nicht Südamerika. Sie hat genau die gleiche Form wie Italien. Das ist erstaunlich! Gott ruft dich nach Italien.«

Dachte mir, ich höre lieber mal, was die anderen denken. Gerald meinte, seiner Ansicht nach sei es der indische Subkontinent.

Anne (die besonders den Westen Englands liebt) sagte, es sei ganz bestimmt die Lizard-Halbinsel in Cornwall.

George Farmer wusste, dass es nur Grönland sein könnte, was, wie er sagte, eine Bestätigung für das sei, was er schon seit jeher über mich dachte.

Thynn sagte, es sei eine Karotte, und vertrat die Ansicht, ich sei berufen, denen zu dienen, die mit Wurzelgemüse arbeiten.

Kam schließlich zu dem Schluss, dass die Wolke doch nicht das Zeichen war, nach dem ich Ausschau hielt, es sei denn, Gott erwartet von mir, dass ich den größten Teil unseres Planeten bekehre, nicht zu vergessen diejenigen, die mit Wurzelgemüse arbeiten. Ich meine, Gott hat die Welt erschaffen, oder nicht? Dann müsste er doch auch in der Lage sein, ein Stück davon akkurat zu zeichnen, wenn er will.

Montag, 7. Februar

Die Wolken haben sich geteilt! Wenn ich auch sagen muss, dass es reichlich lange gedauert hat …

Erwachte in finsterer Stimmung.

Gerald, der sich bereiterklärt hat, als mein unbezahlter Teilzeitsekretär zu agieren, solange er zu Hause ist, überreichte mir heute Morgen den folgenden Brief. Er sei mit der ersten Post gekommen, sagte er. War ziemlich aufgeregt, als ich zu lesen begann. Darin stand Folgendes:

Sehr geehrter Mr. Plass,

Grüße im Namen dessen, der uns bevollmächtigt.

Hiermit setzen wir Sie davon in Kenntnis, dass das betende Nachdenken unseres Gemeindevorstandes Sie als Gottes auserwählten Gastredner zum Anlass unserer diesjährigen Herbst-Familien-Gemeindefreizeit offenbart hat. Ihre Botschaft wird am Freitag, dem achten September, um neunzehn Uhr dreiunddreißig ausgerichtet werden und sollte nicht länger als siebenundzwanzig Minuten sein, einschließlich einer abschließenden fünfminütigen Zeit, in der sich Zeichen (bitte ohne Ruhen im Geist und langwierige individuelle Dienste) an und unter der Versammlung manifestieren können. Ihr Vortrag muss sich auf angemessene biblische Bezüge stützen (bitte anhand der Revidierten Urtextgetreuen Umgangssprachlichen Dogmatisch Unverfänglichen Übersetzung der Heiligen Schrift) und sollte sich in drei leicht verständliche Abschnitte teilen, deren Überschriften mit demselben Buchstaben beginnen.

Humor in begrenztem Umfang (bitte mit Zurückhaltung) ist zu Beginn zulässig, um zu demonstrieren, dass Christen auch Sinn für Spaß haben, sollte jedoch bald einer ermahnenden und belehrenden Redeweise weichen, die in einem beherrschten, dabei jedoch auch bewegend leidenschaftlichen Appell zur Veränderung des Lebens gipfelt, etwa um die Zwanzig-Minuten-Marke. Bitte betonen Sie, dass solche Veränderungen sich innerhalb eines konfessionellen Bezugsrahmens vollziehen sollten. In der Vergangenheit haben einige Referenten bedauerlicherweise gewissermaßen alle Zäune niedergerissen, sodass einzelne Mitglieder unserer Gemeinde auf Abwege gerieten und zu neuen geistlichen Weiden abwandern konnten. In diesem Zusammenhang möchten wir Sie bitten, die gottgegebene Autorität unserer Gemeindeältesten zu betonen sowie die Tatsache, dass Ihre Aufgabe einfach darin besteht, die anwesenden Gemeindeglieder in ihre Richtung zu weisen.

Bitte fordern Sie nicht zu Fragen auf, da diese unweigerlich den Zeitplan durcheinanderbringen und oft eine verwirrende Wirkung auf jene haben, die noch nicht fest auf unser Verständnis und unsere Auslegung des Wortes gegründet sind.

Wir möchten Sie bitten, über das Thema »DEM GEIST RAUM GEBEN« zu sprechen. Bitte fühlen Sie sich (innerhalb der oben genannten Richtlinien) frei, der Führung des Herrn in der Verkündigung seines Wortes zu folgen, wie es Ihnen aufgetan wird.

Bitte informieren Sie uns über das Honorar, das Sie voraussichtlich dafür verlangen werden, bei diesem Anlass das Werk des Herrn zu tun, wobei Sie bitte bedenken wollen, dass wir, abgesehen davon, dass wir bereits schwer verschuldet sind, während wir auf die Bestätigung warten, dass gewisse Glaubensunternehmungen wirklich von Gott sind, wahrscheinlich am Ende der Veranstaltung zahlungsunfähig sein werden und dass alles überzählige Geld ohnehin im Allgemeinen fortgegeben wird, um das Leiden kranker und hungernder Kinder zu lindern, um die sich niemand kümmert und die in den von Armut geschlagenen Teilen der Welt einsam in der Gosse dahinvegetieren.

Ihre Fahrtkosten werden wir selbstverständlich übernehmen. Wir beabsichtigen, bei der Überlandbus-Gesellschaft einen Fahrschein zu erwerben und Ihnen zuzusenden, deren Fahrplan eine ideale Verbindung ausweist, Abfahrt von Ihrem Wohnort um fünf Uhr dreißig morgens am fraglichen Freitag, voraussichtliche Ankunft um achtzehn Uhr dreißig in einer Ortschaft, die zwei Meilen vom Veranstaltungsort entfernt liegt. Der letzte Abschnitt Ihrer Reise könnte in Form eines forschen Spazierganges vor sich gehen (nicht unakzeptabel nach einer Tagesreise im Bus, wie ich zuversichtlich annehme), oder falls Sie sich dazu entschließen sollten, glaube ich, dass in der Ortsmitte auch Taxis zur Verfügung stehen. Freilich vermute ich, dass es Ihnen widerstreben dürfte, einen so großen Anteil Ihres Honorars dafür aufzuwenden.

Sollten sich größere Schwierigkeiten ergeben, und nur wenn unbedingt nötig, können Sie uns natürlich am Veranstaltungsort telefonisch erreichen, aber ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sich dort nur ein Telefon befindet, und zwar im hintersten Winkel eines ausgedehnten und durch zahlreiche Schlösser gründlich abgesicherten Kellersystems unter einem ganz anderen Gebäude als dem, das wir benutzen werden, und dass der Verwalter des Zentrums, der sich bereits im fortgeschrittenen Alter befindet, unter Arthritis leidet und Sonderwünschen nicht sehr zugänglich ist, keinen telefonischen Zugang zu Besuchern erlaubt. Sicherlich verstehen Sie, dass wir seinen guten Willen in dieser Hinsicht nicht überstrapazieren wollen. Wenn Sie sich zu dem Fußmarsch entschließen (und die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen), sollten Sie spätestens um neunzehn Uhr bei uns sein, sodass Ihnen noch eine gute halbe Stunde Zeit bleibt, um das Zentrum zu erkunden, sich ein oder zwei Minuten auszuruhen, Ihr Abendessen einzunehmen, das June Salmons in eine Schüssel gießen und aufbewahren wird, um es Ihnen aufzuwärmen, ein paar von den Leuten zu begrüßen, zu denen Sie sprechen werden, ein Kennenlern-Spiel zu beaufsichtigen, ein kurzes Wort an die Kindergruppe zu richten, deren Veranstaltung kurz vor der unsrigen beginnt, und sich den Ältesten zu einer Zeit der Unterweisung und des Gebets anzuschließen, bevor Sie mit Ihrem Vortrag beginnen.

Ich schätze, dass bei der Veranstaltung etwa dreihundert Personen anwesend sein werden. Der Saal, den wir benutzen, war früher ein Arm eines alten Klosterganges und ist, wenngleich sehr lang, doch auch sehr schmal. Wie Sie sich vorstellen können, ist es eine anregende Herausforderung für einen Redner, mit einem Publikum aus fünfundsiebzig Viererreihen zu kommunizieren, insbesondere, wenn, wie es hier der Fall ist, kein Lautsprechersystem zur Verfügung steht. Bitte sprechen Sie laut und deutlich, da die meisten unserer älteren Freunde gerne hinten sitzen, um leichter hinauszukommen, wenn sie sich langweilen oder die sanitären Einrichtungen aufsuchen müssen.

Nach der Versammlung sind Sie herzlich eingeladen, noch zu bleiben und sich mit den Leuten zu unterhalten, solange Sie es wünschen, wenn wir auch vollstes Verständnis dafür haben, dass Sie rechtzeitig in die Stadt zurückkehren müssen, um den Bus für Ihre Heimreise zu erreichen, der um einundzwanzig Uhr dreißig abfährt. Falls Sie schweres Gepäck zurück in die Stadt zu tragen haben, sagen Sie nur den Ältesten Bescheid, die Ihnen gern ihre Dienste zu sehr günstigen Preisen anbieten werden.

Vielleicht sollte ich am Rande noch erwähnen, dass auch die Möglichkeit einer Übernachtung im Konferenzzentrum besteht, und für den Fall, dass Sie sich dazu entschließen wollen, lege ich Ihnen gerne die gültige Preisliste bei. Der Gruppenrabatt, den die Mitglieder unserer Gemeinde genießen, würde Ihnen, fürchte ich, nicht zugute kommen, und ich muss auch betonen, dass Ihre Rückfahrkarte, falls Sie als zahlender Gast bleiben, ihre Gültigkeit verlieren wird, sodass Sie für eine alternative und möglicherweise sehr kostspielige Rückreisemöglichkeit für den folgenden Tag sorgen müssten. Das Letzte, das wir wollen, ist, dass Sie am Ende mit leeren Taschen dastehen und sich ausgenutzt fühlen. Das wäre nicht sehr christlich, nicht wahr?

Bitte bestätigen Sie uns so bald wie möglich Ihre Verfügbarkeit für diese Veranstaltung und Ihre Zustimmung zu den oben ausgeführten Punkten.

Ihr

Dennis Floom

(Für die Gemeinschaft des offenen Herzens)

P.S.: Bitte legen Sie Ihrer Antwort einen frankierten und adressierten Rückumschlag für die Zusendung Ihrer Busfahrscheine bei.

Gerald muss mich für schrecklich naiv halten. Merkte, dass der Brief nicht echt war, sobald ich mir die Worte auf dem Papier näher ansah und die Schrift von Geralds Maschine erkannte. Wollte gerade anmerken, dass ich Witze über Einladungen zu Vorträgen im Moment nicht besonders witzig finde, als er mir einen anderen Brief übergab, der mir von meinem Verlag zugeleitet worden war.

Ich traute meinen Augen nicht!

Der Brief kam aus einem Ort namens Bongalinga Creek in Westaustralien und setzte mich davon in Kenntnis, dass die Gemeinden von Bongalinga Creek eine Inszenierung der

»Theatralischen Tonbänder des Leonard Thynn« planten, eines Buches, das ich vor einigen Jahren geschrieben habe und das vom Einstudieren eines Stückes für ein lokales Theaterfest handelt. Man entschuldigte sich für die kurzfristige Benachrichtigung, aber aufgrund einer erst ganz kürzlich eingegangenen, zweckbestimmten, anonymen Spende sei man in der Lage, mich und Leonard einzuladen, NACH AUSTRALIEN ZU KOMMEN und der Vorstellung am vierundzwanzigsten März dieses Jahres beizuwohnen, und ALLE KOSTEN WÜRDEN ÜBERNOMMEN. Falls ich Lust hätte, auf ein paar Veranstaltungen zu sprechen, wenn ich schon da wäre, könne man vermutlich AUCH FÜR ANNE DIE REISE BEZAHLEN.

Konnte vor Aufregung kaum sprechen. Musste erst grundlos den ganzen Weg bis hinauf zum Dachboden und zurück rennen, bis sich all die hüpfenden Sprungfedern in meinem Innern wieder beruhigten. Gerald sagt, wenn etwas daraus wird, will er mitkommen und seine Reise selbst bezahlen. Konnte gar nicht erwarten, es Anne zu erzählen, als sie mittags nach Hause kam. Hatte schreckliche Angst, ihr würde irgendeine blöde Hochzeit oder Beerdigung einfallen, an der die Reise scheitern würde. Die Sorge hätte ich mir sparen können. Sie sagte, das Einzige, was mich daran hätte hindern können zu fahren, wäre gewesen, wenn sie nicht hätte mitkommen können. Alle drei vollführten wir einen kleinen Tanz durch die Küche. Ist das aufregend!

Ich bin ein internationaler Redner, und ich fliege nach Australien! Ich fliege nach Australien, und ich bin ein internationaler Redner! Nach Australien fliege ich in der Rolle eines internationalen Redners!

 

Ich halte Vorträge in Australien auf internationaler Basis!

Internationaler Vortragsdienst ist die Basis, auf der ich nach Australien fliege!

Rief heute Abend Leonard an. Erzählte ihm, dass wir nach Australien fliegen und dass er Ehrengast bei der Aufführung in Bongalinga Creek sein wird.

»Großartig!«, sagte er. »Muss ich dafür Übernachtungszeug einpacken?«