Die erste Umsegelung Asiens und Europas

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Aus der Reihe: Edition Erdmann
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TIERLEBEN IM POLARMEER

Wenn man nicht die wenigen Samojeden in Betracht zieht, welche sich während der letzten Jahre auf Nowaja Semlja niedergelassen haben oder im Sommer auf den Ebenen der Waigatsch-Insel umherstreifen, so sind alle die Länder, welche in der Alten Welt das Forschungsfeld der Polarforscher bilden – Spitzbergen, Franz-Joseph-Land, Nowaja Semlja, Waigatsch, die Halbinsel Taimur [Taimyr], die Neusibirischen Inseln und vielleicht auch Wrangel-Land – völlig unbewohnt. Die Bilder von Leben und Abwechslung, welche der Eingeborene mit seinen eigentümlichen Sitten und Gebräuchen dem Reisenden in fremden entlegenen Ländern gewöhnlich darbietet, findet man hier nicht. Aber stattdessen ist das Tierleben, welches man dort im Sommer antrifft – denn im Winter verschwinden beinahe alle über der Meeresfläche lebenden Wesen aus dem höchsten Norden –, frischer und vielleicht sogar reicher oder, richtiger gesagt, weniger durch die Üppigkeit des Pflanzenlebens verborgen als im Süden.

Es sind jedoch hier nicht die größeren Säugetiere, wie Wale, Walrosse, Seehunde, Bären und Rentiere, welche zunächst unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, sondern die unzähligen Scharen von Vögeln, welche den Polarfahrer während des langen Sommertags des Nordens umschwärmen.

Schon lange, ehe man in das eigentliche Gebiet des Eismeeres eingesegelt ist, sieht man das Fahrzeug von Scharen großer grauer Vögel umgeben, welche dicht über die Oberfläche des Meeres dahinfliegen oder vielmehr -schweben, indem sie sich mit dem Wogenschwall heben und senken und eifrig nach irgendeinem essbaren Gegenstand auf der Wasserfläche spähen oder in dem Kielwasser des Schiffs schwimmen, um ausgeworfenen Abfall aufzuschnappen. Dies ist der arktische Sturmvogel (Mallemuck, Eissturmvogel). Der Sturmvogel ist furchtlos und gefräßig; er hat einen üblen Geruch, weshalb man ihn auch nur im Notfall isst, obgleich das Fleisch, wenn der Vogel nicht kurz vorher zu reichlich in verfaultem Fleisch geschwelgt hat, durchaus nicht unschmackhaft für denjenigen sein soll, welcher wenigstens gegen einen nicht allzu scharf hervortretenden Trangeschmack abgehärtet ist. Bei der Bären-Insel und Spitzbergen ist derselbe allgemeiner als bei Nowaja Semlja, und hier scheint er auch kaum in irgendeiner größeren Anzahl zu nisten. Nördlich von Skandinavien kenne ich drei Stellen, wo große Scharen von Sturmvögeln nisten: Die erste ist auf der Bären-Insel auf dem Abhang einiger nicht sonderlich steiler Klippen außerhalb des sogenannten Südhafens der Insel, die andere am südlichen Strand der Branntwein-Bai auf Nordostland [Spitzbergen] und die dritte auf Vorsprüngen steiler Bergwände im Inneren des Eisfjords [Spitzbergen]. An den letzteren Stellen sind die Nester unzugänglich; auf der Bären-Insel dagegen kann man ohne allzu große Schwierigkeit eine ganze Kolonie ihrer schmutzig grauen, kurzen, an beiden Enden gleichmäßig abgerundeten Eier berauben. Diese sollen ganz gut von Geschmack sein. Das Nest ist höchst unansehnlich und übel riechend wie der Vogel selbst.

Wenn das Schiff etwas weiter nach Norden hinauf in ein eisbestreutes Meer gekommen ist, so hört der Seegang plötzlich auf, der Wind legt sich, und das Meer wird spiegelblank, indem es sich mit einer langsam leichten Wogenbewegung hebt und senkt. Scharen von Alkenkönigen (Krabbentaucher) und Teisten schweben jetzt in der Luft und schwimmen zwischen den Eisstücken. Der Alkenkönig, welcher auch »Seekönig« oder »Rotges« genannt wird, kommt auf Nowaja Semlja außer in dem südlichen Teil nur wenig vor und brütet dort auch nicht, soviel mir bekannt ist. Die Lage des Landes ist zu südlich und das Steingeröll an den Seiten der Berge zu unbedeutend für das Wohlbefinden dieses kleinen Vogels. Auf Spitzbergen aber kommt er in unglaublichen Scharen vor und nistet in den ein- bis zweihundert Meter hohen Steinhaufen, welche Frost und Verwitterung an mehreren Stellen der Seiten der steil abfallenden Küstenberge, z. B. bei dem Horn-Sund, der Magdalena-Bai, auf den Norskinseln (nahe an 80° nördl. Br.) und anderen Stellen gebildet haben. Diese Steinhaufen bilden den Palast des Alkenkönigs, reicher an Räumen und Sälen als irgendeine andere Stelle auf dem weiten Erdenrund. Klettert man zwischen den Steinen hinauf, so sieht man hier und da ganze Wolken von Vögeln plötzlich aus dem Boden hervorkommen, um entweder in der Luft umherzuschwärmen oder über die See hinauszufliegen, und gleichzeitig geben sich die unter der Erde zurückgebliebenen durch ein unaufhörliches Geschnatter und Gemurmel zu erkennen, welches dem Lärm einer Menge zankender Weiber nicht unähnlich ist. Sollte dieses Geräusch für einige Augenblicke verstummen, so braucht man nur zu versuchen, durch irgendeine der Öffnungen zwischen den Steinen ihr Geschrei nachzuahmen, um sofort eifrige und andauernde Antwort von allen Seiten zu erhalten. Die in der Luft kreisenden Vögel lassen sich bald genug wieder auf die Steine des Bergabhangs nieder, wo sie unter Streit und Zank so dicht aneinanderhocken, dass man fünfzehn bis dreißig Stück auf einen Schuss töten kann. Ein Teil des Schwarms fliegt dann wieder auf, und ein anderer sucht wie die Ratten seine Sicherheit in den Schlupfwinkeln zwischen den Steinblöcken. Bald aber kriechen sie wieder hervor, um, wie auf geheime Verabredung, in dichten Schwärmen zur See hinauszufliegen und ihre aus Krebstieren und Würmern bestehende Nahrung zu suchen. Der Vogel taucht mit Leichtigkeit. Sein einziges, blauweißes Ei legt er ohne Nest unmittelbar auf den Erdboden, so tief hinunter in den Steinhaufen, dass man nur mit Schwierigkeit dazukommen kann. In dem Steingeröll der Berge nördlich von dem Horn-Sund [West-Spitzbergen] traf ich am 18. Juni 1858 zwei Eier dieser Vögel, welche unmittelbar auf einem zwischen den Steinen befindlichen Eislager lagen. Wahrscheinlich hatte die Brutzeit damals noch nicht angefangen. Wo die Hauptmasse dieser Vögel den Winter zubringt, ist unbekannt, sie kommen aber frühzeitig nach dem Norden zurück, mitunter sogar zu früh. So sah ich 1873 gegen Ende April eine Menge erfrorener Alkenkönige auf dem Eis im nördlichen Teil der Hinlopen-Straße [Meeresenge zwischen West-Spitzbergen und dem Nordostland]. Dem Geschmack nach ist der Alkenkönig ausgezeichnet, und er gibt, infolge der starken Entwicklung der Brustmuskeln, mehr Nahrung her, als man bei der geringen Größe des Vogels erwarten sollte.

Außer dem Alkenkönig trifft man zwischen dem Eis schon weit vom Land ab ganze Scharen von Alken, und je näher man dem Strand kommt, um so mehr nimmt ihre Zahl zu, besonders wenn die Strandklippen dieser gewöhnlichsten Vogelart der Polarländer eine passende Brutstelle bieten. Hierzu werden Klippenwände gewählt, welche steil gegen das Meer abfallen, aber doch durch Vorsprünge und Unebenheiten den brütenden Vögeln Platz bieten. Auf den wirklichen Alkenfelsen liegt Ei an Ei, in dichten Reihen von der Spitze der Klippe bis in die Nähe der Wasserfläche, und der ganze Felsen ist dicht mit Vögeln besetzt, welche außerdem noch in Scharen von Tausenden und Abertausenden nach und von dem Berg fliegen und die Luft mit ihrem äußerst unangenehmen Geschrei erfüllen. Die Eier werden ohne eine Spur von Nest auf die kahle oder nur mit altem Vogelabgang bedeckte Klippe so dicht aneinandergepackt gelegt, dass ich 1858 von einem Klippenvorsprung von unbedeutender Ausdehnung, der von der Spitze des Alkenfelsens mittels eines Taus erreicht wurde, nicht weniger als eine halbe Tonne Eier einsammeln konnte. Jeder Vogel hat nur ein ziemlich großes, grau und braun gesprenkeltes Ei von sehr abwechselnder Farbe und Form. Nachdem es eine Zeit lang bebrütet worden ist, wird es mit einem dicken Lager Vogelabgang bedeckt, und hieran pflegen die Fangmänner die verdorbenen Eier von den frischen zu unterscheiden.

Feuert man einen Schuss gegen den Alkenberg ab, so fliegen Tausende von Vögeln aus ihren Horsten, ohne dass sich die Zahl derjenigen, welche sich nicht aufscheuchen lassen, zu verringern scheint. Die plumpen und kurzflügeligen Vögel fallen, wenn sie sich aus ihrem Horst werfen, anfangs ein ziemliches Stück abwärts, ehe sie »genügend Luft« unter die Flügel bekommen, um fliegen zu können. Viele plumpsen, ehe dies geschieht, ins Wasser und manchmal in das Boot hinunter, welches vielleicht eben an dem Fuß des Vogelbergs entlang rudert.


Papageientaucher


Teist

Ein unaufhörliches, unbehagliches Geschnatter zeigt an, dass ein beständiges Geklatsche in der Alkenkolonie vorherrscht; und dass die Eintracht nicht groß ist, davon zeugt das heftige Geschrei, welches sich von Zeit zu Zeit hören lässt. Hier drängt sich ein Vogel vor, um noch einen Platz auf einem bereits vollgepackten Vorsprung zu bekommen, und dort zanken sich ein paar andere um das Eigentumsrecht an einem Ei, welches auf einer Klippenkante von nur wenigen Zoll Breite gelegt worden ist und das nun während des Streites in den Abgrund gestürzt wird.

Junge von der Größe eines Alkenkönigs habe ich bereits Mitte August der Mutter folgen sehen.

Neben den Alkenkönigen und Alken sieht man zwischen dem Treibeis an der Küste zwei andere nahe verwandte Vogelarten: den Papageientaucher und den Teist oder Blässling. Papageientaucherfelsen kenne ich nicht von Spitzbergen her. Der Papageientaucher scheint dort nur in geringer Zahl zu brüten, obgleich er sich noch auf dem nördlichsten Teil der Insel findet. Auch bei Nowaja Semlja kommt er ziemlich spärlich vor. Der Teist wird dagegen, obgleich nie in großen Scharen versammelt, überall an den Ufern auf Spitzbergen und Nowaja Semlja, sogar bis nach der Parry-Insel unter 80° 40' nördl. Br. [kleine Inselgruppe vor der Nordküste Nordostlands] angetroffen, wo ich 1861 verschiedene ihrer Nester sah. Diese werden auf den Spitzen steil abfallender Strandklippen angelegt. Außen auf den Buchten schwimmen die Teiste oft paarweise zusammen. Ihr Fleisch schmeckt ungefähr wie das der Alken, ist aber zäher und schlechter; die Eier sind dagegen gut.

 

Alken, Teiste, Papageientaucher und Alkenkönige kommen nie im Inneren des Landes vor. Niemals lassen sie sich auf einer Grasfläche oder auf einem ebenen Sandufer nieder; die steilen Seiten der Vogelberge, das Meer, das Grundeis, Treibeisstücke und kleine, aus dem Wasser hervorragende Steine bilden ihren Aufenthalt. Die schwimmen mit großer Geschicklichkeit sowohl auf wie unter der Oberfläche des Wassers. Die Teiste und Alkenkönige fliegen schnell und gut, die Lummen dagegen schwerfällig und schlecht. Die Letzteren dürften deshalb im Winter wohl kaum weiter von ihren Brutstellen fortziehen als bis nach dem nächsten offenen Wasser, und es lässt sich annehmen, dass keine Lummenkolonie an Stellen angelegt werden, wo das Meer auch weit von der Küste ab ganz und gar zufriert. Hierauf beruht vielleicht die Seltenheit der Alken oder Lummen im Karischen Meer.

Während der Fahrt im Polarmeer folgen den Schiffen fast immer zwei Möwenarten, die raublustige Großmöwe und die geschmeidig geformte, schnell fliegende dreizehige Möwe, und wenn der Robbenfänger an einem Eisstück anlegt, um einen geschossenen Seehund abzuziehen, so dauert es nicht lange, bis eine Menge schneeweißer Vögel mit schwarzblauem Schnabel und schwarzen Beinen sich in der Nachbarschaft niederlässt, um ihren Teil der Beute zu erhalten. Das ist die dritte, gewöhnliche Möwenart des Nordens, die Elfenbeinmöwe.

In Laune und Lebensart sind diese Möwenarten ganz verschieden. Die Großmöwe ist stark genug, um ihre Eier und Jungen gegen die Angriffe des Bergfuchses verteidigen zu können. Sie brütet deswegen gewöhnlich auf der Spitze leicht zugänglicher kleinerer Klippen, Hügel oder Steinhaufen, am liebsten in der Nähe der Alkenfelsen oder auf Vogelinseln, wo die Jungen der Nachbarn ihr Gelegenheit zu Raub und Jagd während der Zeit bieten, wo ihre eigenen Jungen aufgefüttert werden. Manchmal, wie z. B. bei der Branntwein-Bucht auf Spitzbergen, brüten die Großmöwen zusammen in großen Scharen auf Vorsprüngen steiler Felsenseiten, mitten unter den Alken. Auf der Bären-Insel habe ich sie auf der Strandfläche selbst, an einer Stelle sogar unter dem Bogen eines von einer Klippe herabstürzenden Wasserfalls brüten sehen.

Noch gewöhnlicher als die Großmöwe ist in den nordischen Ländern die dreizehige Möwe. Man trifft sie weit in das Meer hinaus, wo sie den Schiffen ganze Tage lang folgt, die Mastspitzen umkreisend, und manchmal – nach Aussage der Fangmänner, wenn ein Sturm im Anzug ist – nach den Spitzen der Wimpel schnappend. Wenn das Schiff im Hafen liegt, versammeln sich diese Möwen gewöhnlich um das Fahrzeug herum, um alles Essbare zwischen dem ausgeworfenen Abfall aufzuschnappen.

In den bebauten Gegenden Europas sind die größeren Säugetiere so selten, dass die meisten Menschen in ihrem Leben kein wildes Säugetier, nicht einmal eins so groß wie ein Hund, gesehen haben. Im hohen Norden ist dies aber nicht der Fall. Die Zahl der größeren Säugetiere ist zwar auch hier nicht mehr so bedeutend wie im 17. Jahrhundert, wo ihre Jagd zwanzig- bis dreißigtausend Menschen ein reichliches Auskommen gab; noch immer aber nährt die Jagdausbeute bei Nowaja Semlja und Spitzbergen mehrere Hundert Fangmänner, und selten wird im Sommer für denjenigen, welcher sich an den Küsten dieser Inseln aufhält, ein Tag vergehen, ohne dass er einen Seehund oder ein Walross, ein Rentier oder einen Eisbären sieht. Zu einem richtigen Bild der Umgebung und Lebensweise des Polarforschers gehört deshalb auch eine Schilderung des Auftretens und der Lebensweise der wilden Säugetiere in den Polarländern.

Eine merkwürdige Tatsache ist es, dass die Rentiere, ungeachtet der verheerenden Jagd, welcher dieselben auf Spitzbergen ausgesetzt sind, dort doch in so viel größerer Menge vorkommen als auf dem nördlichen Nowaja Semlja oder der Taimur-Halbinsel, wo sie vor den Verfolgungen der Jäger ziemlich geschützt waren. Selbst auf dem lang gestreckten Teil des südlichen Nowaja Semlja ist das Rentier trotz der reichlichen Sommerweide so selten, dass man beim Landen dort kaum auf eine ergiebige Rentierjagd rechnen kann. Erst weiter nach Norden hinauf, zu beiden Seiten des Matotschkin-Schar, kommt es in größerer Menge vor.

Es verdient hierbei erwähnt zu werden, dass das Rentier vor dreihundert Jahren, als der nördliche Teil von Nowaja Semlja zum ersten Mal von Menschen besucht wurde, dort nicht allgemeiner vorgekommen zu sein scheint als in der jetzigen Zeit.

Auf Spitzbergen haben die Rentiere erst durch die Jagd der Holländer und Engländer und später durch die der Russen und Norweger bedeutend abgenommen. In dem nordwestlichen Teil der Insel, wo die Holländer ihre Tranküchen hatten, sind sie sogar vollständig ausgerottet worden.

Am besten kennt man das Leben des wilden Rentiers von Spitzbergen. Im Sommer hält es sich zu den Grasflächen in den eisfreien Talgängen der Insel, im Spätherbst zieht es, nach der Aussage der Fangmänner, nach der Meeresküste, um das Seegras zu fressen, welches sich am Strand aufgeworfen findet, und im Winter begibt es sich nach den moosbekleideten Berghöhen im Inneren des Landes, wo es ganz gut zu gedeihen scheint, obgleich die Kälte dort im Winter fürchterlich streng sein muss. Wenn die Rentiere im Frühjahr an die Küste zurückkommen, sind sie nämlich noch ganz fett, aber einige Wochen später, wenn sich auf dem Schnee eine gefrorene Rinde gebildet hat und diese Eiskruste die Abhänge der Berge schwer zugänglich macht, dann werden sie so mager, dass man sie kaum essen kann. Im Sommer aber fressen sie sich bald wieder fett, und ihre Fettigkeit im Herbst ist so groß, dass sie auf einer Ausstellung von Mastvieh unbedingt einen Preis gewinnen würden.


oben: Elfenbeinmöwe unten: Dreizehige Möwe

Der Eisbär kommt vorzugsweise an den Küsten und Eilanden vor, welche von Treibeis umgeben sind, häufig sogar auf den Eisfeldern weit hinaus in die See. Zwischen den Treibeisstücken macht er gewöhnlich seinen besten Fang. Jetzt ist er an den im Sommer eisfreien Südwestküsten von Spitzbergen und Nowaja Semlja ziemlich selten, kommt aber in den nördlichen, beinahe beständig von Eis umgebenen Teilen dieser Insel allgemeiner vor.

Der Eisbär findet sich übrigens überall längs der Nordküste Asiens und Amerikas, dem Anschein nach in um so größerer Menge, je weiter man nach Norden kommt. Mitunter ist er auch, erst auf dem Eis, dann schwimmend, bis nach der Nordküste Norwegens gekommen.

Der Eisbär ist nicht schwer zu töten. Wenn er einen Menschen bemerkt, nähert er sich gewöhnlich, in der Hoffnung eines Fanges, mit geschmeidigen Bewegungen und in hundert Zickzackwindungen, um nicht zu zeigen, wohin eigentlich sein Ziel geht, und dadurch seine Beute zu erschrecken. Hierbei klettert er oft auf einen Eisblock und hebt sich auf die Hinterbeine, um einen weiteren Gesichtskreis zu erlangen, oder er steht auch still, mit augenscheinlicher Bedachtsamkeit nach allen Seiten witternd, um mithilfe des Geruchs, auf den er sich mehr zu verlassen scheint als auf sein Gesicht, sich über die rechte Art und Natur der umliegenden Gegenstände zu unterrichten. Wenn er glaubt, es mit einem Seehund zu tun zu haben, kriecht er oder schleppt sich auf dem Eis entlang und soll dann den einzigen von der weißen Farbe des Eises abstechenden Teil seines Körpers, die große schwarze Schnauze, mit seiner Vordertatze zu verbergen suchen. Wenn man sich nur still verhält, so kommt der Bär auf diese Weise so nahe, dass man ihn auf einige Büchsenlängen Entfernung leicht erlegen oder, was die Fangmänner für sicherer ansehen, mit der Lanze töten kann. Begegnet man unbewaffnet einem Eisbären, so sind gewöhnlich einige heftige Bewegungen und Schreie genügend, ihn in die Flucht zu jagen; flieht man aber selbst, so kann man sicher sein, ihn dicht hinter sich auf den Fersen zu haben. Wird der Bär verwundet, so flieht er stets. Oft legt er mit der Tatze Schnee auf die Wunde, und mitunter gräbt er im Todeskampf mit den Vorderfüßen ein Loch in den Schnee, um seinen Kopf darin zu verbergen.

Wenn man vor Anker liegt, schwimmt der Bär mitunter zu dem Fahrzeug hinaus; und schlägt man in entlegenen Gegenden sein Zelt auf, so findet man häufig des Morgens beim Erwachen einen Eisbären in der Nachbarschaft, welcher während der Nacht das Zelt umschnuppert hat, ohne es anzugreifen. Ich erinnere mich jetzt nur eines Falles, wo der Bär gewagt hatte, in ein bewohntes Zelt hineinzuschauen, und zwar war dies auf Kanes Reise [Elisha Kent Kane, amerikanischer Polarforscher, 1820–1857, versuchte von Grönland aus 1854 den Pol zu erreichen]. Er wurde durch das Anzünden einiger Streichhölzer verscheucht. Ich selbst habe mit meinen Kameraden eine Nacht nach der anderen in Gegenden im Zelt gelegen, wo wir sicher sein konnten, dass der Lagerplatz, während wir im tiefsten Schlaf lagen, von irgendeinem Bären genau bewacht wurde, welcher auch, als der Koch aufstand, um Kaffee zu kochen, selten versäumte, auf Schussweite heranzukommen.


Eisbären

Dagegen hat der Eisbär eine besondere Neigung, eine Inventarisierung der Proviantniederlagen verlassener Fahrzeuge und Boote vorzunehmen, welche man am Strand aufgelegt hat. Die meisten arktischen Reisenden wissen mancherlei merkwürdige Abenteuer zu erzählen, denen sowohl Menschen wie Bären bei solchen Gelegenheiten ausgesetzt waren. Auf der Reise von 1864 kam z. B. einmal ein großer Bär und untersuchte genau den Inhalt eines mit dem Zelt überdeckten Bootes; welches wir einige Stunden vorher im Inneren des Großfjords [Spitzbergen] ohne Wache zurückgelassen hatten. Er fraß einen sorgfältig angerichteten Rentierbraten auf, zerriss unsere Reservekleider und streute die Schiffszwiebäcke und andere Sachen umher; und nachdem wir am Abend nach unserer Rückkehr unsere Sachen wieder zusammengelesen, das Zelt ausgebessert und uns schlafen gelegt hatten, kam derselbe Bär wieder und eignete sich während unseres Schlafens alles Rentierfleisch an, das wir anstatt des verlorenen Bratens für die Fahrt am folgenden Tag zubereitet hatten. Während einer der englischen Expeditionen zur Aufsuchung Franklins wurde einmal ein Bär erlegt, in dessen Magen man unter anderen guten Sachen den Vorrat eines ausgeplünderten Heftpflasterdepots fand. Der Bär kann auch große Steine fortwälzen, aber eines Lagers von gefrorenem Sand kann er nicht Herr werden.

Der Eisbär schwimmt ausgezeichnet, aber nicht so schnell, dass er durch Schwimmen entgehen könnte, wenn er, wie es oft geschieht, bei seinen Fluchtversuchen seine Rettung im Meer sucht und man ihn in einem Boot verfolgt, wenn also ein Boot und tüchtige Ruderer zur Hand sind. Dabei ist er, wie die Fangmänner behaupten, ebenso leicht zu töten wie ein Schaf; man muss sich jedoch beeilen, sich seiner mit der Harpune oder in anderer Weise zu bemächtigen, da er, wenn er nicht sehr fett ist, schnell sinkt.

Ob der Bär den Winter in einem Lager verbringt, ist noch nicht völlig entschieden, jedoch verschiedene Gründe sprechen dafür. Er verschwindet z. B. während der dunklen Zeit fast vollständig von den Überwinterungsplätzen, und man hat mitunter Höhlen unter dem Schnee gefunden, wo Bären verborgen gewesen waren. So geschah es einmal, dass Tobiesen [Sivert Tobiesen, 1821–1873, berühmter norwegischer Robbenfänger und Eismeerfahrer, erfroren 1873 bei der Überwinterung auf Spitzbergen] mit einem Fuß in eine derartige Höhle geriet, und zwar zu nicht geringem Schrecken für den vielerfahrenen Fangmann wie für den Bären.

Ich kenne nur eine einzige Gelegenheit, bei welcher ein norwegischer Fangmann von einem Bären ernstlich beschädigt wurde. Es scheint jedoch, als ob dieses Tier in solchen Gegenden kühner und gefährlicher wäre, in denen es noch nicht mit den gefährlichen Jagdgerätschaften der Menschen Bekanntschaft gemacht hat. Während der ersten englischen und holländischen Reisen traf man z. B. in Gegenden, wo der Eisbär jetzt fast ganz und gar fehlt, beinahe an jedem Landungsplatz Bären an, mit denen man gezwungen war, richtige Kämpfe aufzunehmen, Kämpfe, welche manchmal mehrere Menschenleben kosteten.

 

Walrosse

Das wichtigste Fangtier ist während der letzten fünfzig Jahre das Walross gewesen, aber auch dessen Ausrottung beginnt, sodass es bereits jetzt nur noch selten im Sommer an der Westküste von Nowaja Semlja südlich von Matotschkin-Schar angetroffen wird. So haben wir z. B. während unserer Besuche auf dieser Insel in den Jahren 1875, 1876 und 1878 nicht ein einziges dieser Tiere dort gesehen. Aber an der Karischen Pforte, an der Ostküste von Nowaja Semlja und an gewissen Stellen im Karischen Meer kann man noch einen reichlichen Fang machen. In früherer Jahreszeit soll das Walross auch zwischen dem Treibeis an der Westküste und nach Süden hin gegen die Mündung der Petschora vorkommen, obgleich die Anzahl der Tiere, welche von den Samojeden bei Chabarowa gefangen werden, äußerst gering zu sein scheint. Dagegen aber sahen die Holländer bei ihren ersten Reisen in diese Gegenden eine bedeutende Menge dieser geselligen Tiere; aber auch damals kamen die Walrosse hier nicht in so großer Menge vor wie zu derselben Zeit auf Spitzbergen und der Bären-Insel, welche offenbar ihre Hauptheimat bildeten.

Fanggerätschaften


Harpune für den Fang des Weißwals


Lanze


Harpune für den Walrossfang

Geselligkeit und Neugierde scheinen Hauptcharakterzüge der Walrosse zu sein. Diese ihre Eigenschaften habe ich Gelegenheit gehabt zu beobachten, als ich einst an einem stillen, herrlichen nordischen Sommertag über das spiegelblanke, mit Treibeis bestreute Meer mitten zwischen einer bedeutenden Herde dieser Tiere hindurchfuhr. Ein Teil derselben folgte dem Boot ein langes Stück in aller Friedlichkeit, dann und wann einen grunzenden Laut von sich gebend; andere schwammen ganz nahe an das Boot heran und erhoben sich hoch aus dem Wasser, um die Fremdlinge in Augenschein zu nehmen, und wieder andere lagen so dicht gepackt auf dem Treibeis, dass dieses bis an den Rand im Wasser versenkt lag, während die im Meer umherschwimmenden Kameraden sich mit Gewalt einen Platz gerade auf dem vorher schon überfüllten Ruheplatz zu erzwingen suchten, obgleich eine Menge unbenutzter Eisstücke in der Nachbarschaft umhertrieb.