Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis

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Ein paar Tage später...

Das heruntergekommene Billard-Lokal hieß "The Devvils Club" und stellte so etwas wie das Stammlokal der Gang dar. Hier hing der Hauptteil der Gruppe tagsüber herum, wenn es nicht gerade irgendetwas zu tun gab.

Das Licht war gedämpft. Im Hintergrund lief gitarrenorientierte Rock-Musik. Düstere Riffs, jaulende Soli und der ausufernde Gebrauch von Crash-Becken und Bass-Drum kennzeichnete diesen Sound.

Ein paar Girls in knappem Leder-Outfit waren auch ständig in "The Devvils Club" anzutreffen. Das Geld in den Taschen der Gang-Mitglieder zog diese Schönen an wie das Licht die Motten.

Mein Mord an G-man Milo Tucker hatte mächtig Eindruck gemacht. Und selbst Skull-Face, der mich von Anfang an nicht besonders gemocht hatte, wagte es nicht, mir den Respekt zu versagen.

Ich hatte schließlich etwas getan, wozu ihm selbst bisher der Mumm gefehlt hatte.

Und daher hielt er sich wohl lieber zurück.

Von draußen war jetzt ein Brummlaut zu hören, der die Musik übertönte.

Ich wusste, was das bedeutete.

Dieser Brummlaut war so charakteristisch, dass ich ihn unter Hunderten verschiedener Motorengeräusche wiedererkannt hätte! John Delgado-Cruz alias "King Ghost" war mit seinem Trike vorgefahren, einem dreirädrigen Motorrad, das alles in den Schatten stellte, was sonst noch an großen Maschinen vor dem Eingang des Clubs abgestellt worden war.

Einen Augenblick später flog die Tür zur Seite.

Ein Mann in einem knöchellangen dunklen Ledermantel trat ein. Die Haare waren zu einem Zopf zusammengefasst. Der dunkle Knebelbart war millimetergenau ausrasiert. Dasselbe galt für die Koteletten, die in einer Breite von etwa einem Zentimeter bis auf die Wangenmitte stehen gelassen worden waren.

Das war John Delgado-Cruz, der unumschränkte Boss der Devvilish Demons. Von allen wurde er nur respektvoll "King Ghost" genannt.

King Ghost traf die Entscheidungen und es hätte niemand gewagt, ihm zu widersprechen. Er war jetzt 43 Jahre alt. In seinen jüngeren Jahren war durch eine ganze Latte von Straftaten aufgefallen. Inzwischen ließ sich King Ghost nicht mehr erwischen. Andere holten für ihn die Kastanien aus dem Feuer. Er selbst ging so gut wie kein Risiko ein. Die Akte, die wir beim FBI über ihn führten, war ziemlich dick. Aber fast nichts davon war gerichtsverwertbar.

Außerdem war King Ghost der Mann, der die Verbindung zwischen der Gang und den höheren Befehlsebenen jener Organisation darstellte, von uns noch nicht einmal die Umrisse bekannt waren.

Die Gang-Mitglieder hörten damit auf, ihre Kös gegen die Billard-Kugeln zu stoßen, als King Ghost den Raum betrat.

Der Gang-Chef hob lässig die Hand.

Er ließ den Blick schweifen.

Er streckte seine mit fingerlosen Nietenhandschuhen bestückte Rechte aus, richtete den Zeigefinger genau auf mich.

"Jesse", murmelte er. Seine Stimme klang heiser, war kaum mehr als ein leises Wispern. "Ich muss mit dir sprechen. Unter vier Augen."

Er winkte mich zu sich.

Den anderen bedeutete er mit einer ausholenden Armbewegung, dass sie weiter Billard spielen sollten.

Ich folgte King Ghost. Wir verließen den Hauptsaal des Clubs.

Er führte mich in einen Nebenraum. In der Mitte befand sich ein Billard-Tisch mit silbernen Totenköpfen an den Ecken.

King Ghost warf mir ein Kö zu.

"Hast du Bock auf ein Spiel, Jesse?"

"Warum nicht?"

King Ghost setzte zu einem Stoß an. Die Kugeln flogen über den grünen Filz.

Er musterte mich einige Augenblicke lang. "Ich habe von deiner Heldentat gehört, Jesse. Du hast einen G-man erschossen."

"Ich hatte keine andere Wahl."

"Wieso?"

"Na, hätte ich vielleicht zulassen sollen, dass er uns hops nimmt?"

"Ein einzelner G-man?" King Ghost hob die Augenbrauen. Er deutete auf die Kugeln. "Du bist dran."

Ich führte meinen Stoß aus.

Sämtliche Alarmglocken schrillten in mir.

Ich fragte mich, was King Ghost von mir wollte. Der schneidende Unterton gefiel mir nicht.

"Dieser Agent Tucker war plötzlich da. Wir hatten eine Kokslieferung an ein paar Kleindealer verteilt. Du kennst doch sicher das Gelände dieser ehemaligen Papierfabrik. Scheiße, wie hieß die noch..."

"Hat er den Deal mitgekriegt?"

"Keine Ahnung. Die Sache war längst über die Bühne, wir wollten abdampfen. Skull-Face hat das Geld gezählt und da taucht dieser irre FBI-Cop plötzlich auf."

"Schon ungewöhnlich, dass sich einer dieser biederen Staatsdiener allein mit einer ganzen Meute anlegt."

Jetzt war mir klar, worauf mein Gegenüber hinaus wollte.

King Ghost hatte Zweifel an meiner Story. Und das, obwohl sie ihm doch von fast einem Dutzend Augenzeugen bestätigt worden war, von denen zumindest einer mich nicht leiden konnte. Skull-Face nämlich.

"Vielleicht war dieser Tucker ein besonders abgebrühter Hund. Außerdem bin ich mir sicher, dass er Verstärkung herbeigerufen hätte..."

"Aber dazu hast du ihm ja keine Gelegenheit mehr gelassen!" King Ghost klopfte mir auf die Schulter.

"So ist es."

"Was ist mit der Leiche?"

"Die findet in hundert Jahren keiner mehr!"

"Wäre auch besser für dich. Du weißt, dass man für Polizistenmord die Giftspritze kriegen kann."

"Weiß ich."

Plötzlich begann er in gedämpftem, fast vertraulichen Tonfall zu sprechen. "Da gibt's noch einen anderen Punkt, den ich gerne geklärt hätte."

"So?"

"Die Jungs erzählen merkwürdige Dinge über dich, Jesse!"

"Ach!"

"Du würdest kein Koks anrühren! Selbst die Eins-A-Qualität nicht, die wir von unseren Lieferanten bekommen!"

"Hey Mann, es reicht, wenn unsere Kunden am Ende nur Matsch in der Birne haben! Ich persönlich möchte einen klaren Kopf behalten. In jeder Situation."

King Ghost sah mich erstaunt an.

Er brach in schallendes Gelächter aus, schlug mir dabei grob auf die Schulter.

"Du bist cool, Mann!"

"Na, klar!"

Er warf seinen Kö auf den grünen Filz. Offenbar hatte King Ghost keine Lust mehr, das Spiel fortzusetzen. Für seine Launenhaftigkeit war der Gang-Boss auch unter den Devvilish Demons berüchtigt. "Hör zu, Jesse! Ich brauch ein paar coole, abgezockte Jungs für einen besonderen Job."

"Worum geht es?"

Er fuhr seinen Zeigefinger wie die Klinge eines Klappmessers aus und hielt ihn mir unter die Nase.

"Es geht um einen sehr wichtigen Mann, der bei einem entscheidenden Date etwas Begleitschutz benötigt!"

Bingo!, durchzuckte es mich. Endlich hielt mich King Ghost für würdig genug, um mich als Begleitschutz für die nächsthöhere Ebene der Organisation zu engagieren.

Ich lächelte.

"Claro, ich bin dabei!"

"Von einem coolen Jungen wie dir habe ich auch nichts anderes erwartet, Jesse! Im Übrigen ist kaum ein Risiko dabei. Wir müssen eben nur etwas die Augen offen halten..."

"Schon klar!"




4


Am nächsten Morgen saß ich im Besprechungszimmer von Mister Jonathan D. McKee, dem Chef des FBI Field Office New York im Rang eines Special Agent in Charge. Außer mir waren noch die Außendienst-Agenten Milo Tucker, Clive Caravaggio, Orry Medina und Fred LaRocca anwesend. Außerdem Max Carter, ein Innendienstler aus der Fahndungsabteilung.

Mister McKee zog die Augenbrauen zusammen.

"...und Sie haben keine Ahnung, um wen es sich bei dem Kerl handelt, den King Ghost mit seinen Devvilish Demons schützen soll?", fragte unser Chef.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Und die anderen Gang-Brüder scheinen auch ziemlich uninformiert zu sein. King Ghost handelt wohl nach der Devise, dass man Wissen am besten nicht teilen sollte. Jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden lässt."

 

Mandy, die Sekretärin unseres Chefs kam herein und servierte ihren vorzüglichen Kaffee, der im gesamten Bundesgebäude seinesgleichen suchte.

Als sie mir den Becher mit dem dampfenden Gebräu hinstellte, musterte sie mich etwas verwundert.

Ich konnte es ihr nicht verdenken.

Schließlich trug ich die Lederkluft mit den Emblemen der Devvilish Demons.

"Ich muss sagen, Jesse, Sie waren auch schon einmal geschmackvoller gekleidet", hielt sie mir lächelnd vor.

Ich zuckte die Achseln.

"Vielleicht solltest du dir ein Beispiel an Orry nehmen", stichelte Milo.

Unser Kollege Orry Medina galt als bestangezogener G-man des Field Office. Meistens erschien er in Seidenkrawatte und Jackett zum Dienst.

Der Dressman unter den FBI-Agenten.

"Nichts gegen Orrys Stil, aber bei King Ghosts Rocker-Truppe würde ich da wohl ziemlich schnell auffallen", erwiderte ich.

Mandy wandte sich an Mister McKee. "District Attorney Lionel Robertson möchte Sie gern heute noch sprechen, Sir! In spätestens einer halben Stunde ruft er zurück."

Mister McKee seufzte.

"Danke, Mandy."

"Wenn Sie noch etwas wünschen, sagen Sie bitte Bescheid."

"Ja."

Mandy verließ den Raum.

Mister McKee verschränkte die Arme vor der Brust. "Mister Robertson will ein paar Ermittlungsergebnisse präsentiert bekommen. Leider werde ich ihm wohl noch nicht allzu viel vorlegen können." Robertson war noch nicht lange in seinem Amt, dachte aber jetzt schon an seine Wiederwahl. Jedenfalls war der allgemeine Tenor, dass Robertson sich gerne auf Kosten anderer profilierte. In erster Linie hatten darunter natürlich seine eigenen Mitarbeiter zu leiden. Aber Mister McKee gehörte inzwischen auch zu den Opfern dieser Charaktereigenschaft.

"Die Frage ist, wie wir jetzt vorgehen", brachte es der Chef schließlich auf den Punkt.

Die Meisten im Raum machten einen ziemlich ratlosen Eindruck.

"Egal, was wir tun, wir werden kaum schnell genug unseren Job erledigen können, um Mister Robertson zufrieden stellen zu können", war Agent Max Carters Kommentar.

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen im Büro unseres Chefs.

Ich meldete mich zu Wort. "Eigentlich gibt es da nur eine einzige Möglichkeit."

Mister McKee hob die Augenbrauen.

"Und die wäre?"

"Ich muss verkabelt werden, sodass ihr über Mikro und Kamera gewissermaßen aus der Entfernung dabei seid."

"Das ist verdammt gefährlich, Jesse", meinte Milo. "Wenn einer dieser Devvilish Demons ein Mikro bei dir bemerkt, machen sie mit dir genau das, was du ihnen mit mir nur vorgespielt hast. Im günstigsten Fall jedenfalls. Vielleicht sind diese Typen ja auch pervers veranlagt und haben vorher noch Freude daran, dich bei lebendigem Leib zu zerstückeln, so wie diesen kleinen Betreiber einer Crack-Küche vor zwei Monaten."

Dieser Fall war uns allen an die Nieren gegangen. Die Kollegen der City Police hatten uns die entsprechenden Unterlagen überlassen. Ich war froh, dass ich nicht am Tatort hatte sein müssen. Allein vom Anblick der Fotos konnte einem schon schlecht werden.

Sie zeigten einem, auf welche Weise King Ghost aufzuräumen pflegte, wenn er der Meinung war, dass jemand ihm im Weg stand.

Manchmal reichte auch einfacher Ungehorsam.

"Ich gehe das Risiko ein. Aber ihr müsst euch im Hintergrund halten, sonst könnte alles in einem Fiasko enden. Sobald ich etwas mehr weiß, lasse ich es euch wissen. Aber dann muss eventuell alles sehr schnell gehen..."




5


Ich hatte für die Zeit meines Undercover Einsatzes eine Wohnung in der Bronx. Die Tarnung musste schließlich perfekt sein. In meiner Jackentasche steckte ein Motorradführerschein, ausgestellt auf den Namen Jesse Rodriguez. Angeblich war ich in East Harlem geboren, hatte diverse Verurteilungen wegen Raub und Körperverletzung auf Rikers Island abgesessen und keine weiteren Angehörigen.

Mir war klar, dass King Ghost und seine Leute mich verdammt genau unter die Lupe genommen hatten, bevor ich einer der ihren werden konnte.

Aber wir hatten meine Legende so perfekt wie möglich gestaltet.

Fred LaRocca war dafür eigens ein paar Wochen in den Knast gegangen und war dort mit einem gewissen Roy Dorensky zusammengelegt worden.

Unter dem Namen Little Killer war Roy Mitglied der Devvilish Demons. Er war bei einer Schlägerei in einem Club an der Avenue A erwischt worden und saß ein paar Monate wegen Körperverletzung ab. Fred war angeblich ein Lebenslänglicher. Seine Aufgabe war es gewesen, Little Killer mit Stories über einen angeblichen Mitgefangenen namens Jesse Rodriguez zu füttern.

Beiläufig zwar aber doch so wirksam, dass er sich später daran erinnerte.

Little Killer hatte tatsächlich bestätigt, dass ich offenbar wirklich auf Rikers Island eingesessen hatte.

Für manche Leute war das eben wie eine Art Referenz.

Meine Wohnung lag in der 145. Straße im sechsten Stock eines Brownstone-Hauses, das mit Sicherheit schon einmal bessere Zeiten erlebt hatte. Die Fassade musste seit ewigen Zeiten schon nicht mehr gemacht worden sein. Der Laden im Erdgeschoss zahlte an die Devvilish Demons ebenso Schutzgeld wie die Snack-Bar auf der anderen Straßenseite.

Ich brauste mit meiner Harley hin.

Nichts gegen flotte Motorräder. Aber der Sportwagen, den mir die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York normalerweise zur Verfügung stellte, war mir eigentlich lieber.

Die Harley stellte vor dem Eingang ab.

Normalerweise hätte ich in dieser Gegend kaum gewagt, einen rostigen Chevy irgendwo abzustellen. Aber jeder hier wusste, dass man die Maschine eines Mitglieds der Devvilish Demons nicht ungestraft stehlen konnte. Wer so etwas tat, musste damit rechnen, sich in Plastik eingewickelt in irgendeiner Seitenstraße wiederzufinden.

Ich betrat das Haus, erreichte den Lift. Seit einer Woche funktionierte er wieder. Ich ließ mich in den sechsten Stock tragen, ging den Korridor entlang und blieb vor meiner Apartment-Tür stehen.

Auf dem Boden lag ein Papierschnipsel.

Ein winziger Fetzen aus USA Today, wie ich wusste, denn ich hatte diesen Schnipsel im Türrahmen festgeklemmt, als ich am Morgen gegangen war. Ein alter Trick. Auf diese Weise ließ sich feststellen, ob jemand die Tür geöffnet hatte.

Ich griff zur SIG.

Trat die Tür ein.

Mit beiden Händen hielt ich die Waffe, ließ den Lauf herumschwenken.

Ein großer, hagerer Kerl wirbelte herum. Er trug einen Helm, der einem Totenschädel nachempfunden war.

"Skull-Face!", stieß ich hervor.

Er wollte unter seine Jacke greifen. Ich wusste, dass er dort einen Magnum Colt vom Kaliber 45 trug. Eine Waffe von gewaltiger Durchschlagskraft.

Mitten in der Bewegung hielt Skull-Face inne, verzog das Gesicht zu einem verlegenen Grinsen.

"Hey, nichts für ungut, Alter!"

"Beweg dich nicht, oder du hast ein Loch in deinem komischen Helm!", erwiderte ich eisig.

Ich ließ den Blick schweifen.

Meine Ein-Zimmer-Wohnung war sparsam eingerichtet.

Skull-Face hatte alles auf den Kopf gestellt. Die Ledersessel waren aufgeschlitzt. Selbst die Kissen.

Offenbar hatte der Mann mit dem Totenkopf-Helm hier irgendetwas gesucht.

Ich trat näher.

Kickte mit dem Absatz die Tür zu. Richtig schließen konnte man sie jetzt allerdings wohl nicht mehr. Das Schloss war wohl endgültig hin.

Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe, zog ihm gleichzeitig mit der Linken den riesigen Magnum Colt unter der Jacke weg.

"Was ist das für eine Nummer, die hier abziehst, Skull-Face?", fragte ich.

"Dasselbe könnte ich dich fragen, Jesse!"

"Was willst du damit sagen?"

"Ich wusste immer, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt, Alter! Ich konnte nur nicht genau sagen, was das war..."

"Und jetzt bist du schlauer?"

Die Gedanken in meinem Hirn rasten. Hatte ich vielleicht irgendetwas in der Wohnung zurückgelassen, was mich verraten könnte? Ich konnte mir das eigentlich kaum vorstellen. Bei dieser Operation war ich wirklich mit äußerster Sorgfalt vorgegangen. Gerade, was meine Legende angeht. Mir war nur zu gut bewusst, dass der geringste Fehler mich in ein kühles Grab auf dem Grund des East River bringen konnte.

Mir fiel nichts ein.

Skull-Face ließ sein Bein hochschnellen. Ein gezielter Karate-Tritt kickte mir den Magnum Colt aus der Hand.

Er packte das Handgelenk meiner Rechten, in der ich die SIG hielt. Mit einem Ruck riss er meinen Waffenarm zur Seite, zog mich an sich heran und rammte mir sein Knie in den Magen. Ich schnappte nach Luft.

Sekundenbruchteile später traf mich eine rechts-links Kombination seiner Fäuste.

Skull-Face hatte einen Schlag wie ein Dampfhammer.

Ich taumelte durch den Raum, prallte gegen eine Kommode, rutschte zu Boden.

Mein Gegner hatte inzwischen den Magnum Colt vom Boden aufgehoben.

Mit beiden Händen umfasste er den Griff der Waffe.

Der Lauf zeigte in meine Richtung.

Skull-Face drückte ab.

Ich zuckte zur Seite.

Das gewaltige Projektil vom Kaliber 45 schlug in die Kommode ein, fetzte ein beinahe faustgroßes Loch in das preiswerte Kiefernholz. Ich griff nach einer der ungeöffneten Bierdosen, die auf dem Boden verstreut herumlagen. Skull-Face hatte sich wohl eine davon aus dem Six-Pack herausgeholt, den ich in der Wohnung gehabt hatte, und den Rest der Büchsen einfach durch die Gegend rollen lassen.

Ich schleuderte die Bierdose meinem Gegner entgegen.

Ein gezielter Wurf.

Eine Dose Budweiser war die einzige Waffe, die mir im Augenblick zur Verfügung stand.

Ehe Skull-Face seinen Magnum-Colt noch einmal abdrücken konnte, traf ihn die Dose mit voller Wucht an der Nase.

Er taumelte zurück.

Blut schoss hervor.

Zweifellos war Skull-Face benommen. Ein ungezielter Schuss löste sich aus dem Magnum-Colt.

Ich hechtete zu meiner SIG, rollte mich auf dem Boden herum, bekam sie endlich zu fassen und riss sie hoch.

Skull-Face stöhnte zur gleichen Zeit laut auf, brüllte förmlich. Es hörte sich wie eine Mischung aus einem monströsem Kampfruf und einem Wutgeheul an.

Er lehnte gegen die Wand, wischte sich das Blut mit dem Ärmel seiner Jacke ab und zielte wieder mit dem Colt auf mich.

Aber ehe er abdrücken konnte, war ich bereits bei ihm. Mit einem Karate-Tritt kickte ich ihm die Waffe aus der Hand. Er schrie auf.

Der Revolver fiel zu Boden.

Skull-Face blickte ungläubig in den Lauf meiner SIG.

Er schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Ich trat näher an ihn heran. Er sah mich an. Sein Gesicht war zu einer Maske der Wut geworden. Immer noch rann das Blut in Strömen aus seiner Nase. Ich nahm an, dass sie gebrochen war.

"Du Bastard!", zischte Skull-Face zwischen den Zähnen hindurch.

"Du hast Glück gehabt!", erwiderte ich.

"So?"

"Ja, ich habe heute meinen netten Tag. Deshalb lebst du noch."

"Was hindert dich daran, mich jetzt noch umzunieten. Na los, worauf wartest du? Bring es schon hinter dich!"

Ich schüttelte den Kopf.

"Wenn es sich vermeiden lässt, töte ich keinen Gang-Bruder!"

"Pah!", machte Skull-Face. Verachtung spiegelte sich in seinen Zügen. "Du bist kein Gang-Bruder! Nicht für mich!"

 

Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe.

Er wagte es nicht, auch nur etwas heftiger zu atmen. Ich durchsuchte ihn mit der Linken, holte ein Springmesser hervor und ein paar Briefchen mit Koks. Die nahm ich an mich. "Das Zeug nehme ich als Schadensersatz für die Verwüstung, die du hier angestellt hast, du Scheißkerl. Und jetzt verschwinde. Und lass dich nie wieder dabei erwischen, meine Möbel aufzuschlitzen, wenn du alt werden willst!"

Er taumelte aus der Wohnung heraus.

Eigentlich hätte er in den Knast gehört. Er hatte versucht, mich umzubringen. Schon das reichte für einige Jahre auf Rikers Island. Liebend gern hätte ich ihm die Handschellen angelegt. Aber Skull-Face war nur ein kleiner Fisch. Und meine Aufgabe war es, nicht Laufburschen wie ihn festzusetzen, sondern an die großen Haie heranzukommen.

Ich war einfach zu dicht davor, um diesen Erfolg jetzt gefährden zu wollen.

Du hast jetzt allerdings einen gnadenlosen Feind!, warnte mich eine Stimme aus dem Hinterkopf. Skull-Face wird dir an die Gurgel gehen, sobald er die Gelegenheit dazu hat!