Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa



10


"Die sind uns erst einmal entwischt!", sagte ich, als ich in Dorettas Wohnung zurückkehrte. Die Autokennzeichen-Abfrage hatte nichts gebracht. Die Nummer war falsch. Diese Kerle waren also richtig profihaft vorgegangen.

Milo war bei Doretta Tomlin geblieben.

Er war gerade damit beschäftigt, den Inhalt eines Handkoffers zu durchsuchen. Selbstverständlich trug er Latexhandschuhe dabei.

Milo deutete auf die durchwühlten Kleidungsstücke.

"Dieser Kerl, den Miss Tomlin unter dem Namen Warren Anderson kannte, hatte noch drei weitere Pässe. Verschiedene Nationalitäten sind dabei. Großbritannien, Frankreich, Brasilien und USA."

"Warren Anderson schien auf alles vorbereitet gewesen zu sein", kommentierte ich das.

"Außerdem habe ich eine Waffe gefunden. Muss eine Spezialanfertigung sein. Vom Kaliber her gleicht sie unseren SIGs, aber die Waffe besitzt ein spezielles Zielfernrohr, einen Laserpointer und außerdem ein Extra-Magazin, sodassman insgesamt 30 Schuss verballern kann..."

"Vielleicht ist diese Waffe ja schon einmal benutzt worden. Wir hätten zumindest eine Spur."

Ich blickte mich suchend um.

Milo erriet meine Gedanken.

"Doretta Tomlin ist im Bad. Die Sache hat sie ziemlich mitgenommen. Wir müssen sie hier wegbringen."

Ich war derselben Ansicht.

"Offenbar ist sie nicht ganz so ahnungslos, wie sie tut."

"Ich habe eher den Eindruck, dass sie gar nicht weiß, warum sie in Gefahr sein könnte", erwiderte Milo.

"Möglicherweise ist sie irgendwann in Andersons Begleitung gesehen worden und jetzt versuchen die Leute, die hinter dem Laurence Harbour Massaker stecken, eventuelle Beweise zu vernichten. Schließlich hören die vermutlich auch die Frühnachrichten und wissen, dass die beiden Killer tot sind und sich ihre Leichen in den Händen der Gerichtsmedizin befinden."

Ich zuckte die Achseln.

Doretta kehrte aus dem Bad zurück.

Sie sah mich einen Augenblick lang an.

Ich trat auf sie zu.

"Haben Sie einen der beiden Kerle erkannt?", fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. "Wie sollte ich? Das ging alles so schnell..."

"Aber offenbar glauben diese Leute, dass Sie ihnen gefährlich werden könnten. Wieso?"

"Wie soll ich das wissen? Ich habe keine Erklärung dafür."

Einen Augenblick lang schwieg sie. Schließlich deutete sie auf den Handkoffer, den Milo gerade untersuchte. "Es könnte doch sein, dass sie das da gesucht haben."

"Da ist nichts besonderes drin", stellte Milo klar.

Doretta schluckte, rieb die Handflächen gegeneinander.

Ihre Lippen öffneten sich, so als ob sie etwas sagen wollte.

Aber sie schwieg doch.

"Ihnen dürfte klar sein, dass Sie hier nicht bleiben können, Miss Tomlin", stellte ich fest.

Sie sah mich etwas erstaunt an.

"Aber..."

"Packen Sie ein paar Sachen zusammen und kommen Sie mit uns."

Sie verzog das Gesicht, gewann ihre Fassung wieder. "Sie wollen damit doch wohl nicht zum Ausdruck bringen, dass ich verhaftet bin?"

"Natürlich nicht", beruhigte ich sie. "Aber diese beiden Kerle verstehen keinen Spaß. Sie werden wieder kommen, da bin ich mir ziemlich sicher."

"Ich könnte bei einer Freundin unterkommen."

"Wie heißt diese Freundin? Name und Adresse bitte."

Sie schwieg, biss sich auf die Unterlippe. Ich gewann den Eindruck, dass diese Frau einfach nicht wollte, dass wir wussten, wo sie war. Ein Gefühl nur. Aber meistens lag ich damit richtig.

"Vielleicht sollte ich meine Freundin da nicht hineinziehen", meinte sie dann. Sie sah mich mit großen, dunklen Augen an. "Und was haben Sie mir anzubieten, G-man? Eine gastliche Gewahrsamszelle des FBI etwa?"

"Das wäre eine Möglichkeit."

"Gibt es auch noch andere?"

"Das FBI unterhält eine Reihe von Wohnungen für derartige Zwecke."

"Ich bevorzuge diese Variante."

"Aber vorher werden Kollegen von uns Sie zum Field Office an der Federal Plaza bringen."

"Wieso?"

"Sie werden eingehend befragt werden. Außerdem wird es notwendig sein, dass unsere Erkennungsdienstler Ihre Wohnung unter die Lupe nehmen."

"In meinen Sachen herumschnüffeln?" Sie verschränkte die Arme unter den vollen Brüsten. "Damit bin ich nicht einverstanden."

Ich trat etwas näher an sie heran. "Es geht nicht um Ihre Sachen, Miss Tomlin."

"Ach, nein?"

"Wir suchen nach Spuren, die der Mann hinterlassen hat, der sich Ihnen gegenüber Warren Anderson genannt hat."

"Ich denke, Fingerabdrücke können Sie auch von einem Toten abnehmen!", erklärte sie. Ihr Tonfall war jetzt eisig geworden. Ich spürte ihren abgrundtiefen Widerwillen gegen die Aussicht, dass jemand die Wohnung durchsuchte.

Einerseits war mir das verständlich. Niemand lässt so etwas gern über sich ergehen, wenn es sich vermeiden lässt.

Andererseits schwebte diese junge Frau doch ganz offensichtlich in Lebensgefahr. Und wenn sie die Wahrheit gesagt hatte und sich tatsächlich nicht vorstellen konnte, wer hinter dem Anschlag auf sie steckte, musste sie doch eigentlich selbst am meisten daran interessiert sein, dass endlich Licht ins Dunkel gebracht wurde...

"Es wäre nicht ungewöhnlich, dass Warren Anderson in Ihrer Wohnung noch etwas hinterlassen hat. Bargeld, eine Waffe, Munition, falsche Papiere... Ihre Wohnung wäre ein unverdächtiges Versteck. Ich wette mit Ihnen, dass es hier Dutzende von Ecken gibt, auf die Sie nie kommen würden!"

Sie schluckte.

"Wenn Sie meinen, Mister Trevellian."

"Was halten Sie davon, wenn Sie mich einfach Jesse nennen?"

"Jesse...", hauchte sie.

Dabei konnte sie nicht sehen, wie hinter ihr Milo die Augen verdrehte.




11


Unsere Kollegen trafen bald ein und brachten Doretta Tomlin in unsere Zentrale in der Federal Plaza. Die Einsatzkräfte der Scientific Research Division trafen etwas später ein.

Ich drückte den Beamten des zentralen Erkennungsdienstes der verschiedenen New Yorker Polizeibehörden die Daumen, dass sie irgendetwas fanden, was uns auf die Spur jener beiden Killer bringen konnte, die es auf Doretta Tomlin abgesehen gehabt hatten.

Eine zurückgelassene Patronenhülse, die verschossenen Projektile, Aufnahmen von Überwachungskameras in der Umgebung, die vielleicht das Fluchtfahrzeug aufgenommen hatten...

Manchmal waren es Kleinigkeiten, die uns weiter brachten.

Außerdem hatten die Erkennungsdienstler natürlich Doretta Tomlins Wohnung genauestens unter die Lupe zu nehmen.

"Ich frage mich, ob sie unseren Verhörspezialisten gegenüber etwas weniger zugeknöpft ist!", meinte ich an Milo gewandt.

Milo grinste.

"Für dich war die Lady ja offenbar noch lange nicht zugeknöpft genug, Jesse."

"Was willst du damit sagen?"

"Na, so wie du sie angestiert hast!" Milo atmete tief durch. "'Was halten Sie davon, wenn Sie mich einfach Jesse nennen?'", imitierte er mich dann. "Jesse, diese Frau sieht vielleicht wie jemand aus, der unseren Schutz braucht, aber die hat es faustdick hinter den Ohren."

"Mag ja sein..."

"Ich hoffe, du hast dir nicht allzu sehr das Hirn vernebeln lassen."

"Milo, ich glaube auch, dass Doretta uns einiges verschweigt."

"Jesse, wenn wir nicht gewesen wären, hätten die beiden Typen sie erwischt! Und sie kann sich angeblich nicht vorstellen, wer die zwei geschickt hat oder um wen es sich bei diesen Mobstern handelt!" Milo schüttelte energisch den Kopf. "Das stinkt doch zum Himmel!"

"Sie hat Angst, Milo!"

"Angst uns gegenüber auszupacken und dadurch ihre eigene Lebenserwartung erheblich zu erhöhen? Das ergibt für mich keinen Sinn."

"Wir wissen einfach nicht genug über sie, das ist alles."

 

Sergeant Darren Konkrite, einer der SRD-Kollegen wandte sich an uns. "Es gibt einen Ohrabdruck!", berichtete er in einem fast triumphierenden Tonfall. "Einer der beiden Täter muss sein Ohr an die Tür gehalten und gelauscht haben, bevor sie in die Wohnung einzudringen versuchten."

Der Abdruck eines menschlichen Ohres ist ebenso individuell wie ein Fingerabdruck. Vor allem bei Einbruchsdelikten kam es immer wieder vor, dass Täter am Tatort derartige Spuren hinterließen.

Immer häufiger wurden Täter mit Hilfe von Ear-Prints überführt.

Der Unterschied zu den Fingerprints lag im Wesentlichen darin, dass wir über AIDS, das Automated Identification System zur Erkennung von Fingerabdrücken die Prints von etwa 250 Millionen Personen abgespeichert vorfanden. Ganze Generationen von erkennungsdienstlich behandelten Kriminellen und Verdächtigen sowie sämtliche Bewerber für den öffentlichen Dienst oder die Army der letzten fünfzig Jahre waren dort abrufbar.

Bei den Ohrabdrücken sah das Ganze noch sehr bescheiden aus.

Die Zahl der gespeicherten Personen lag inzwischen im fünfstelligen Bereich.

Für Fahndungszwecke lächerlich wenig.

"Dann brauchen wir ja nur noch den passenden Kopf zu dem Ohr", meinte Milo.

"Das ist immerhin ein Anfang", fand ich.

Wenig später saßen wir im Sportwagen und fuhren zunächst zu einer Snack Bar, um einen Hot Dog zu genehmigen. Vielleicht nicht gerade die gesündeste Ernährung, aber bei einem G-man im Außendienst muss die Mahlzeit oft nebenbei erledigt werden. Anschließend fuhren wir zurück zur Federal Plaza.

Doretta Tomlin wurde dort von unseren Verhörspezialisten Dirk Baker und Irwin Hunter befragt.

Inzwischen waren die bei dem Einsatz am Yachthafen von Laurence Harbour mit Hilfe meiner Knopfkamera entstandenen Bilder ausgewertet worden.

Max Carter stellte die Erkenntnisse in Mister McKees Besprechungszimmer vor.

Außer Milo und mir waren noch die Agenten Fred LaRocca, Jay Kronburg und Leslie Morell anwesend. Orry und Clive waren mit der Fahndung nach Zapata beschäftigt und noch im Einsatz.

Ein halbes Dutzend Personen, die auf den Videoaufzeichnungen zu sehen waren, hatten unsere Innendienstler inzwischen identifizieren können. Einige waren alte Bekannte. Aber keiner von ihnen hatte das Laurence Harbour-Massaker überlebt. Ich sah schon, worauf das Ganze hinauslief: Wir würden eine endlose Adressenliste von Angehörigen und Bekannten abklappern müssen, an deren Erarbeitung Carter und sein Team gerade arbeitete.

"Da spielt man doch lieber den Rocker aus der Bronx, was?", raunte Milo mir zu, während ich an meinem Kaffee nippte.

Ich grinste.

"I'm born to be wild!"

"Ja sicher! Und gleichzeitig Staatsdiener!"

Für unseren Dialog ernteten wir einen tadelnden Blick von Mister McKee.

Max Carter trug uns anschließend das Protokoll vor, dass die Lippenlese-Experten von dem Gespräch zwischen Taylor und Almali erstellt hatten. Es war sehr lückenhaft. Es fiel mehrmals der Name Raymond Zapata.

Zusammenfassend ließ sich sagen, dass die ursprüngliche Vermutung richtig gewesen war. Es war Taylors Auftrag gewesen, in Zapatas Namen eine Verbindung zu einer mächtigen mediterranen und von christlichen Libanesen beherrschten Organisation herzustellen. Und auch die dahinterstehende Absicht wurde klar.

Jemand, den Taylor einfach nur "unseren Konkurrenten" genannt hatte, sollte aus dem Rennen um das Geld der Süchtigen geworfen werden.

Und zwar endgültig.

Max Carter spielte uns eine Sequenz aus den Videoaufnahmen vor, in der Taylor sich mit der Handkante am Hals entlang fuhr. Eine eindeutige Geste.

Leider hatten wir keine Ahnung, wer da als ungenannter Konkurrent in Frage kam. Da gab es mehrere Möglichkeiten.

Einige Bosse in Little Italy kamen ebenso in Frage wie ein paar große Fische aus Chinatown.

In diesem Augenblick klingelte eines der zahlreichen Telefone auf Mister McKees Schreibtisch.

Unser Chef nahm den Hörer ans Ohr, sagte ein paar Mal "ja" und legte danach wieder auf.

"Das war ein Kollege von der SRD", berichtete er. "Der Ohrabdruck, der an der Tür von Doretta Tomlins Wohnung gefunden wurde, ist mit der entsprechenden Datei abgeglichen worden."

"Sagen Sie bloß, wir hatten Glück, und der Kerl wurde schon einmal erfasst", stieß Leslie Morell hervor.

Mister McKee nickte.

"Er heißt George Tamales. Er wurde mal unter dem Verdacht festgenommen, an einem Einbruch beteiligt gewesen zu sein. Der Ohrabdruck bewies damals seine Unschuld. Glücklicherweise wurde er nicht aus der Datei gelöscht..."




12


George Tamales war kein unbeschriebenes Blatt. Er war als Mann fürs Grobe bekannt, hatte einige Jahre lang ein Inkassobüro betrieben, das unter anderem auch für verschiedene Unterweltgrößen die Schulden eingetrieben hatte. Ob eine Verbindung zu Raymond Zapata bestand, war bislang nicht bekannt.

Die Erlöse seiner Drogengeschäfte steckte Tamales in einen Boxclub, der in der 92.Straße lag. Offenbar hoffte er darauf, irgendwann einmal den neuen Muhammad Ali zu entdecken und in dessen Windschatten den ganz großen Reichtum zu ernten.

Milo und ich fuhren wenig später in die 92. Straße.

Leslie, Jay und Fred folgten uns in einem weiteren Einsatzfahrzeug.

Nach dem Abgleich des Ohrabdrucks stand es fest, dass Tamales einer der beiden Killer gewesen war, die versucht hatten, Doretta Tomlin umzubringen.

Wir hofften ihn festnehmen zu können.

Die wirklich interessante Frage war, wer den Kerl und seinen Komplizen beauftragt hatte.

Wir betraten den Boxclub, der im Erdgeschoss eines etwas heruntergekommenen Brownstone-Gebäudes untergebracht war.

Der Geruch von Schweiß schlug uns entgegen. Ächzlaute erfüllten den Raum. Ein paar muskelbepackte Fighter kämpften gerade verbissen mit ihren Sandsäcken.

Im Sparring standen sich zwei Schwergewichtler gegenüber und droschen aufeinander ein.

Etwa ein Dutzend Personen stand um den Sparring herum und feuerte die Beiden an.

Ein dicker Mann mit schütterem grauem Haar brüllte abwechselnd Kommandos und gut gemeinte Ratschläge wie: "Achte auf deine Scheiß-Deckung! Du verdienst noch nicht genug, um dir dritte Zähne leisten zu können!"

Der Dicke war wohl eine Art Trainer.

Von George Tamales besaßen wir Fahndungsfotos. Die waren zwar schon in paar Jahre alt, reichten aber, um ihn wiederzuerkennen.

Ich ließ den Blick schweifen.

"Er ist hier", stellte ich fest.

Am Hemdkragen befand sich ein Mikro. Unsere Kollegen konnten auf diese Weise alles mithören. Und Jay sicherte den Hintereingang, Fred LaRocca beobachtete zur gleichen Zeit die Vordertür.

Tamales hatte unter normalen Umständen keine Chance.

Er war gerade damit beschäftigt, auf einem Laufrad zu trainieren. Das Gerät war auf eine ziemlich hohe Geschwindigkeit eingestellt. Er blickte kurz zu uns hinüber, war aber so mit seinem Training beschäftigt, dass er uns nicht wiedererkannte.

Vielleicht hatten die wenigen Sekunden, in denen wir uns gegenübergestanden hatten, für ihn auch nicht ausgereicht, um sich unsere Gesichter einzuprägen.

Wir traten an ihn heran.

"Mister George Tamales?", fragte ich und hielt ihm meine ID-Card entgegen.

Er kniff die Augen zusammen, schaltete das Laufrad ab und griff nach seinem Handtuch.

"Was wollen Sie?"

"Sie sind vorläufig festgenommen. Falls Sie auf Ihr Recht zu schweigen verzichten und eine Aussage machen, kann sie vor Gericht gegen Sie verwendet werden..."

"Hey, mal halblang, Jungs!", maulte er. "Was liegt überhaupt an!"

"Sie haben versucht, in die Wohnung von Miss Doretta Tomlin einzudringen. Vermutlich mit der Absicht sie umzubringen. Außerdem wird man Ihnen wohl einen bewaffneten Angriff auf zwei Polizisten vorwerfen."

"Scheiße, Mann, wovon redet ihr?"

"Sag bloß, du erinnerst dich nicht an uns!", mischte sich Milo in das Gespräch ein.

Er starrte erst Milo und anschließend mich an.

Seine Kinnlade klappte herunter.

"Ihr Ärsche..."

"Beleidigen Sie uns ruhig weiter. Bei dem, was Sie erwartet, wird das im Strafmaß ohnehin kaum ins Gewicht fallen", sagte ich.

Seine gewaltigen Muskeln und Sehnen spannten sich.

Als er allerdings in den Lauf von Milos SIG starrte, nahm er brav die Hände hoch.

Sein Kopf war hochrot, das Gesicht zur grimmigen Maske verzerrt.

Ich ließ den Blick schweifen.

"Bevor wir den Weg zur Federal Plaza antreten, geht's erst mal in Ihr Büro!", bestimmte ich.

"Hey, was ist das jetzt für ein Scheiß-Spiel? Wahrscheinlich wollt ihr ungestört irgendein Geständnis aus mir herauspressen! Aber ich habe einen guten Anwalt! Wenn ich auch nur eine Sekunde allein mit euch bin, verklage ich euch wegen Misshandlung!"

"Ihnen gehört doch dieser Laden hier", sagte ich.

"Sicher!"

"Ich nehme stark an, dass Ihr Komplize auch hier trainiert! Also will ich an die entsprechenden Daten heran!"

Ich bog Tameles die Arme nach hinten, ließ die Handschellen klicken.

Tamales protestierte lauthals.

"Ich weiß überhaupt nicht, was das soll!"

"Das wird Ihnen schon klar werden!"

"Ich habe mächtige Freunde!"

"Über die können Sie gerne mehr erzählen!"

Inzwischen hatten alle Anwesenden mit dem Training aufgehört. Ihre Aufmerksamkeit galt ausschließlich uns.

Sie bildeten eine Art Halbkreis.

Ein ratschendes Geräusch ließ mich herumfahren.

Ich blickte in die Mündung eines Pump Action Gewehrs, das einer der Kerle aus irgendeiner Ecke hervorgezaubert hatte.

George Tamales grinste zufrieden.

"Ich glaube nicht, dass ihr G-men hier einfach so herausspazieren könnt", meinte er triumphierend.

"Und ich glaube, dass es sich sehr ungünstig für Sie auswirkt, was hier passiert", erwiderte ich. "Insbesondere, wenn der Haftrichter über eine Kaution zu entscheiden hat!"

Tamales atmete tief durch.

"Leg die Bleispritze weg, Ricky!", befahl er dem Kerl mit dem Pump Action-Gewehr.

Dieser zögerte, gehorchte aber schließlich und legte die Waffe auf den Boden.

Sekundenbruchteile später krachte hinter uns ein Schuss.

Tamales stieß einen gellenden Schrei hervor, taumelte getroffen nach vorn.

Mit einer reflexartigen Bewegung riss ich die SIG aus dem Holster, wirbelte herum.

Milo, der seine Waffe ja schon in der Faust gehabt hatte, war schneller.

Er feuerte sofort in die Richtung, aus der Schuss gekommen war.

Der Schütze war aus einer Nebentür hervorgetaucht, schnellte jetzt zurück.

Für Sekundenbruchteile sah ich das Gesicht eines Mannes mit dunklem Vollbart.

Ich erkannte ihn sofort wieder.

Es handelte sich um Tamales' Komplizen, der offenbar verhindern wollte, dass der Boxclubbesitzer ihn verraten konnte.

Der Bärtige musste sich in einem der Nachbarräume aufgehalten haben.

Jetzt lief er wohl den Korridor hinunter in Richtung Hinterausgang.

Ich gab eine entsprechende Meldung über mein Hemdkragen-Mikro an die Kollegen durch.

"Alles klar, den kaufen wir uns!", schrillte Jay Kronburgs Antwort in meinem Ohrhörer.

Wenig später hörte ich einen Schuss.

 

"Jay?", rief ich.

Keine Antwort.




Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?