Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis

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23

"Gute Arbeit!", stellte Lee Kuan fest. Er lehnte sich zurück.

Hinter ihm stand sein Leibwächter mit den blondgefärbten Haaren. Max O'Flaherty saß Lee Kuan gegenüber. An der Tür stand Jhao, der zierlich wirkende Chinese, der ihn während des Gesprächs in der BUFFALO-Bar mit dem Dorn seines Giftrings bedroht hatte.

"Ich habe meinen Job gemacht. Jetzt sind Sie an der Reihe", forderte O'Flaherty.

Lee Kuan nickte.

Sein Gesicht blieb regungslos. Es war ihm beim besten Willen nicht anzusehen, was er in diesem Moment dachte. Dann schnipste er mit den Fingern der rechten Hand.

Der Blonde griff in die Innentasche seines Jacketts und reichte seinem Boss einen Pass.

Lee Kuan betrachtete ihn kurz und reichte ihn dann an O'Flaherty weiter.

"Ein australischer Pass", erläuterte Lee Kuan. "An die Dinger kommen wir im Moment am Leichtesten heran. Gefällt Ihnen Ihr neuer Name?"

"John Smith... Mein Gott, ein bisschen mehr Fantasie hätte ich Ihnen schon zugetraut."

O'Flaherty zuckte die Achseln, steckte das Dokument in seine Gesäßtasche.

"Sie können gehen, Mister O'Flaherty", sagte Lee Kuan.

"Ich bräuchte aber auch noch ein bisschen Kleingeld für die Reise... Ich meine, wo soll ich denn hin? Sie wissen doch, wie lang der Arm von 'The Virus' ist.."

"Ja, allerdings", nickte Lee Kuan. "Aber den Rest Ihrer Flucht müssen Sie schon selbst organisieren..."

"Wenn 'The Virus' mich in die Hände bekommt, dann..."

"Dann was?"

"Er wird aus mir Informationen über Sie herauspressen... Zum Beispiel die, dass Sie jetzt seine Identität kennen."

Lee Kuan bleckte die Zähne. "Schlaues Kerlchen. Die Gefahr bestünde in der Tat, aber dafür werden wir Vorsorge treffen."

Er gab Jhao ein Zeichen.

Der zierliche Chinese verließ seine Position neben der Tür.

Mit wenigen Schritten hatte er O'Flaherty erreicht. Als dieser aufstehen wollte, drückte er ihn in den Sessel.

O'Flaherty spürte etwas am Hals.

Einen Stich.

Der Ring!, durchzuckte es den Hacker. Dieser verdammte Ring...

"Bring ihn hinaus, Jhao", meinte er. "Der Tod wird zwar erst in Stunden eintreten, aber schon vorher wird unserer Freund nicht mehr in der Lage sein, auch nur einen einzigen vernünftigen Satz zu sprechen..."

O'Flaherty wurde bleich.

"Sie...Schwein!"

Seine Augen traten aus ihren Höhlen hervor. Er stieß Jhao von sich, stand auf und schwankte. Dann rieb er sich die Augen.

Jhao sagte ein paar Worte auf Mandarin.

"Er sagte gerade, dass Sie sehr gut auf die in dem Dorn enthaltene Substanz anzusprechen scheinen, O'Flaherty. Sie werden durch Chinatown irren. Es hätte keinen Sinn, Ihnen Geld mitzugeben. Das würden sich nur die Mobster holen, die hier ihr Unwesen treiben. Außerdem brauchen Sie für Ihre letzte Reise keinen Cent, wenn ich richtig informiert bin..."

O'Flaherty wollte sich auf Lee Kuan stürzen. Aber seine Bewegungen waren unkontrolliert. Er taumelte, schlug zu Boden. Einen Augenblick später war Jhao bei ihm und packte ihn grob.

"Bring die Sache zu Ende", knurrte Lee Kuan.

24

Milo und ich saßen in unserem Dienstzimmer. Agent Max Carter vom Innendienst war bei uns. Seine Finger glitten mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit über die Computertastatur. Auf dem Bildschirm war das ziemlich grobkörnige Bild einer nackten Frau zu sehen, die sich auf einem Sofa räkelte.

"Unsere EDV-Cracks haben inzwischen herausgekriegt, was Sinn und Zweck dieser Emails war", erläuterte Max Carter.

"Da bin ich aber gespannt", meinte ich.

"Die Bilder dienten zur Datenübertragung. Es gibt auf jedem von ihnen mindestens einen Mikropunkt. Auf so einem Mikropunkt können gewaltige Datenmengen komprimiert werden. Der Inhalt ganzer Bücher könnte mit einem einzigen dieser Bilder verschickt werden, ohne dass es jemand merkt. Deswegen auch die Grobkörnigkeit. Jeder dieser hunderttausend Punkte könnte derjenige sein, in dem die eigentliche Mitteilung in unwahrscheinlich verkleinerter Form enthalten ist. Man braucht schon Spezialisten, um überhaupt darauf zu kommen..."

"Und was sind das für Mitteilungen?"

"Anweisungen von 'The Virus'. Auf diesem Weg regierte er sein verborgenes Imperium..."

"Und keiner kann an diesen Kerl heran", meinte Milo.

"Wir sind immer noch dabei, das Material zu sichten. Aber es steht wohl außer Frage, dass Vonda McDaniels und Mark Sorello zur Organisation dieses Unbekannten namens 'The Virus' gehörten."

Das Telefon schrillte. Ich nahm ab.

Auf der anderen Seite der Leitung meldete sich niemand.

"Hier Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York. Bitte melden Sie sich..."

Ein stöhnender Laut, dann ein paar lallende Geräusche die an einen Betrunkenen erinnerten, der nicht mehr in der Lage war, Worte zu formen.

Aber wer immer dort auch unsere Nummer gewählt hatte, er hängte nicht auf.

Ich wandte mich an Max.

"Los! Eine Fangschaltung! Ich will wissen, woher das kommt!"

Max nickte, stand dann auf.

Ich versuchte noch einmal, mit dem Anrufer in Kontakt zu kommen. Oder ihn wenigstens daran zu hindern, vorschnell den Hörer einzuhängen. Er versuchte zu reden. Es war eine sinnlose, unverständliche Aneinanderreihung von Lauten. Im Hintergrund war Straßenlärm zu hören. Der Anrufer meldete sich also aus einer Telefonzelle heraus.

Ein weiteres Geräusch mischte sich in den Straßenlärm.

Musik.

Aus einem Lautsprecher dröhnte ein chinesischer Pop-Song.

Der Anrufer hängte ein.

"Wir haben ihn!", rief Max Carter. "Der Anruf kam von einer Telefonzelle an der Ecke Bayard/Mulberry Street."

"Dachte ich es mir doch..."

"Was?", hakte Milo nach.

"Chinatown!"

25

Als wir die Ecke Bayard/Mulberry Street erreichten, waren dort bereits ein Notarzt des Emergency Service und ein paar Kollegen vom NYPD.

Dazu wurde der Ort des Geschehens von mehreren Dutzend Schaulustigen eingekreist.

"Der Mann ist an Herzversagen gestorben", meinte der Arzt vom Emergence Service. Er erhob sich schulterzuckend und sah mich an. "Leider sind wir zu spät gekommen..."

Wir sahen uns den Toten an.

Es war Max O'Flaherty.

Mit starren, weit aufgerissenen Augen lag er auf dem Boden. Er hatte einen der übergroßen Turnschuhe halb ausgezogen. Ich beugte mich über ihn. Mir fiel die frische Einstichstelle am Hals auf.

"Könnte der Mann vergiftet worden sein?", fragte ich an den Arzt gewandt.

Dieser zuckte die Achseln.

"Es könnte sich um eine Vergiftung durch Syntho-Drogen oder Medikamente handeln... genaueres werden Sie wahrscheinlich erst nach der Obduktion wissen. Wenn überhaupt, schließlich gibt es Gifte, die so gut wie nicht nachweisbar sind... Die Pupillen sind stark geweitet. Das könnte auf den Gebrauch von synthetischen Drogen hinweisen."

"Der Mann war am Telefon nicht mehr in der Lage, ein vernünftiges Wort herauszubringen", berichtete ich. "Obwohl er mir zweifellos etwas sagen wollte..."

Der Arzt nickte leicht. "Ja, das würde ins Bild passen. Aber ich bin kein Gerichtsmediziner."

"Schon klar."

"Immerhin war er noch klar genug im Kopf, um Ihre Dienstnummer zu wählen, Agent Trevellian!"

"Passt das denn ins Bild?"

"Natürlich. Wer weiß, was der hier für ein Medikamentencocktail intus hat? Wir kriegen immer wieder Fälle, wo die reinsten Horrorkombinationen ganz bedenkenlos geschluckt wurden, um ein gutes Feeling zu bekommen und drei Nächte am Stück durchtanzen zu können. Die Wirkung ist völlig unkalkulierbar. Aber Genaueres wird Ihnen der Coroner sagen können..."

"Danke."

Einer der NYPD-Cops meldete sich zu Wort. Er hieß Green.

"Als Zeugen können Sie diese Leute hier vergessen", meinte er. "Hier in Chinatown will niemand was mit der Polizei zu tun haben, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt!"

Ich nickte düster.

"Wer hat denn den Hörer eingehängt?", fragte Milo.

Green zuckte die Achseln. "Vermutlich derjenige, der uns gerufen hat. Leider ist er anonym geblieben."

"Ist der Coroner verständigt?", fragte ich.

"Ja, habe ich erledigt", sagte Green. "Ich wundere mich, warum er noch nicht hier ist. Muss wohl irgendwo im Verkehr steckengeblieben sein."

Ich erhob mich, sah ihn mir nochmal an. Sein Gesicht sah aus, als ob der Teufel persönlich hinter ihm hergewesen wäre.

Kein Zweifel, dass er ganz gezielt unsere Nummer angegeben hatte. Er krallte die linke Faust zusammen. Ich öffnete sie vorsichtig. Darin befand sich die Karte, die ich ihm bei unserem Besuch hinterlassen hatte. Verdammt, dachte ich, du hättest dich früher melden müssen... Warum hatte Max O'Flaherty versucht, sich den Schuh auszuziehen? Es musste einen Grund dafür geben.

Er hockte mich hin, zog ihm den Schuh ganz aus.

Es war Instinkt. Ich sah in den Schuh, fühlte mit der Hand hinein. Aber außer einer orthopädischen Sohle fand ich dort nichts.

"Was hast du vor, Jesse?", erkundigte sich Milo.

"Dieser Mann wusste, dass er mit einem Bein im Grab stand!", meinte ich. "Was immer er genommen hat - es geschah kaum freiwillig."

"Er torkelt also durch Chinatown, nicht mehr seiner Sinne und wählt mit letzter Kraft deine Nummer..."

 

"Was würdest du in seiner Situation tun, Milo?"

Er zuckte die Achseln. "Dafür sorgen, dass es dem, der mir das angetan hat, doch noch an den Kragen geht. Aber das hat er ja nicht mehr geschafft..."

"Aber dieser Schuh..."

Ich begann, dem Toten die Socke auszuziehen und erlebte eine Überraschung.

Mit Kugelschreiber war dort hastig etwas auf die Fußsohle geschmiert:

VIRUS = DRAKE

"Sieht ganz so aus, als wusste O'Flaherty, wer 'The Virus' ist", meinte ich.

"George Drake?", fragte Milo stirnrunzelnd.

"Ein Zusammenhang besteht: Er kannte Bruce Levonian und Vonda McDaniels."

Milos Gesicht wirkte trotz allem etwas ratlos. "Ein Beweis ist dieses Gekrakel auf der Fußsohle allerdings nicht!"

"Nein, aber ich schätze, dass wir Mister Drake jetzt noch einen Besuch abstatten müssen."

26

"Wer ist da?", fragte George Drake über die Sprechanlage.

"Kurierdienst. Eine persönlich abzugebende Sendung."

Drake blickte durch den Spion.

Der Mann auf der anderen Seite trug einen grauen Kittel, irgendein Paket unterm Arm und eine Schirmmütze, die ziemlich tief ins Gesicht gezogen war. Da er außerdem etwas vornüber gebeugt dastand, konnte Drake vom Gesicht nicht mehr als das Kinn erkennen.

"Stellen Sie's vor die Tür", sagte Drake.

"Ich brauche Ihre Unterschrift."

Drake öffnete die Tür.

Augenblicke später blickte er in den Schalldämpfer einer Automatik. Der Mann hob den Kopf, grinste schief.

"Levonian!", stieß Drake hervor, wich dabei zurück.

Bruce Levonian kickte die Tür mit dem Absatz hinter sich zu.

"Damit hätten Sie nicht gerechnet, was?", murmelte er.

"Was tun Sie hier?"

"Jedenfalls haben die Flaschen, die Sie mir auf den Pelz gesetzt haben, es nicht geschafft, mich umzubringen."

"Hören Sie, Mister Levonian, ich habe keine Ahnung, worum es geht."

"Ach, wirklich nicht?"

"Wir beide kennen -- kannten! --- Vonda. Eine andere Verbindung zwischen uns gibt es nicht."

"Sie mochte nur Ihr Geld, Drake... Und darum konnte sie es auch nicht lassen, mit mir ins Bett zu steigen..."

George Drakes Gesichtsfarbe veränderte sich. Sie wurde dunkelrot. "Ich denke, es ist sinnlos, darüber zu diskutieren, Mister Levonian. Oder sind Sie wirklich deswegen hier und bedrohen mich mit einer Waffe?"

"Nein, das ist nicht der Grund."

"Na, dann bin ich aber gespannt!"

"Ich hatte eine sehr interessante Unterhaltung mit einem dicken Schwein namens Belmonte, der sogenannte Leute fürs Grobe vermittelte. Vom Rausschmeißer bis zum Killer. Alles vorhanden... Leider ist dieser praktische Dienstleister jetzt vom Markt abgetreten..."

"Sie haben ihn umgebracht?"

"Ja."

"Den Namen Belmonte habe ich nie gehört."

"Sie lügen, Drake - oder soll ich Sie besser 'The Virus' nennen?"

"Wie bitte?"

"Sie sind dieses Phantom, das seine Organisation per Email leitet und völlig im Hintergrund bleibt. Komisch, einem Lackaffen wie Ihnen hätte ich es nie zugetraut, die Rechner des Pentagon zu knacken... Wie ein Genie sehen Sie nämlich nun wirklich nicht aus."

"Sie irren sich."

"Mein Gott, ich habe als Leibwächter für Sie gearbeitet und wäre niemals darauf gekommen, dass ich einen Mann bewache, der daran arbeitet, in die Rechner des Pentagon einzudringen... Boote und Motorräder sind wohl doch nicht alles für Sie!"

"Was soll das alles?"

"Jetzt wundern Sie sich, wie ich drauf gekommen bin, nicht wahr? Ich habe Belmonte zu Tode gefoltert, aber der konnte mir nichts sagen. Seine Handlanger ebenso wenig. Die hatten keine Ahnung."

"Dann verstehe ich nicht, wie..."

"Ich bin durch eigenes Nachdenken drauf gekommen. Und dadurch, dass Sie Ihre Rache an mir vollkommen auskosten wollten. Es ging Ihnen nämlich nicht nur um den Geldkoffer. Da steckte auch etwas Persönliches dahinter..."

Drakes Gesicht verfinsterte sich. Zeit gewinnen!, dachte er. Jede Sekunde konnte jetzt wertvoll sein.

"Das müssen Sie mir erklären", sagte er dann gedehnt.

"Einer der beiden Gorillas, die mich foltern und umbringen sollten, hat eine Bemerkung darüber fallen lassen. Er sagte 'The Virus' könne mir die Sache mit dem Geldkoffer und Vondas Tod noch verzeihen. Aber nicht, dass ich mit Vonda Sex hatte... Sie sind ein Mann, der jede Kleinigkeit plant, Drake. Sie überlassen nichts dem Zufall oder Ihren Untergebenen. Der Mann hatte zweifellos den Auftrag, mir das zu sagen. Es sollte in mir arbeiten und während die Kerle mich gefoltert hätten, hätte ich dann irgendwann darauf kommen sollen, wem ich das alles zu verdanken hatte. Ein Risiko war das für Sie ja nicht, denn wer hätte schon damit rechnen können, dass ich diesen Schlamassel überlebe? Sie wollten meine Niederlage voll auskosten, mich demütigen... Vonda hat mir von Ihrer krankhaften Eifersucht erzählt."

Drake atmete tief durch. Er presste die Lippen aufeinander, wandte kurz den Blick zur Seite, so als suchte er irgendetwas. Eine Waffe vielleicht, mit der er sich gegen Levonian verteidigen konnte.

"Was wollen Sie?", fragte er.

"Am Leben bleiben", sagte Levonian. "Geld habe ich ja schon genug... Sie wollten mich töten lassen - und diesem Spuk kann ich nur ein Ende bereiten, wenn ich Ihnen zuvorkomme und Sie umbringe, Drake!"

"Vielleicht könnten wir uns auch anders einigen..."

"Ich traue Ihnen nicht..."

"Wie es scheint, habe ich Sie unterschätzt, Levonian. Könnte sein, dass ich genau so einen Partner wie Sie gebrauchen könnte... Sie haben einen Koffer voll Geld, aber wie weit kommt man damit? Ich mache Geschäfte im großen Stil. Das Knacken der Pentagon-Rechner ist nur die Spitze des Eisbergs. Allerdings könnte mir die Sache jetzt Ärger machen."

Levonian grinste.

"Ist das FBI Ihnen auf den Fersen? Wenn ich ich mit Ihnen fertig bin, wird er nicht viel von Ihnen finden..."

"Nein, es liegt nicht am FBI."

"Ach, nein?"

"Einer meiner Kunden. Um genauer zu sein: Der Kunde, dem ich die Pentagon-Daten verkauft habe ist ziemlich unzufrieden, weil dem Verteidigungsministerium aus unerfindlichen Gründen plötzlich einfiel, alle Codes zu ändern. Jetzt denkt er, dass ich ihn bescheißen wollte..."

"Ich habe nicht viel Mitleid mit Ihnen..."

"Sie bekommen das Dreifache von dem, was in Ihrem Koffer ist, wenn Sie mir den Kerl vom Hals schaffen. Da Sie Belmonte und seine Leute ausgeschaltet haben und die Sache drängt, bin ich jetzt etwas in der Bredrouille - daher der hohe Preis..."

Levonian schien einen Augenblick darüber nachzudenken.

Drake fuhr indessen fort: "Gehen wir doch ins Esszimmer. Hier ist es so ungemütlich. Und dann denken Sie mal darüber nach."

"Wie heißt der Mann?"

"Lee Kuan."

Levonian pfiff durch die Zähne.

"Die große Nummer aus Chinatown."

"Hinter ihm steht der chinesische Geheimdienst."

Drake drehte sich um. Levonian folgte ihm in den Esszimmer.

"Einen Drink, Mister Levonian?"

"Damit Sie mir etwas hineinmixen? Kommt nicht in Frage."

"Sie misstrauen mir immer noch."

"Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Ihre Eifersucht plötzlich verraucht sein soll..."

Levonian zuckte die Achseln. "Vonda ist tot. Wir sollten beide in die Zukunft blicken."

"Ihre Gelassenheit überrascht mich."

Drake griff unter sein Jackett. Der Schalldämpfer von Levonians Waffe zuckte etwas nach oben. Er drückte ab. Die Kugel fuhr in die Sessellehne. "Keine Bewegung!"

"Ich wollte nur einen Kugelschreiber und mein Scheckheft herausnehmen", sagte er.

"Dann aber schön langsam..."

Nacheinander holte er Scheckheft und Kugelschreiber hervor. "Wenn Sie Lee Kuan liquidiert haben, bekommen Sie noch einmal dasselbe", sagte Drake, während er den Scheck ausstellte.

Er reichte ihn Levonian.

Dieser grinste zynisch, blickte auf die eingetragene Zahl und lächelte dann zynisch. "Ich werde Lee Kuan nicht töten", sagte er. "Sondern Sie!"

Levonian richtete die Schalldämpfer-Waffe auf sein Gegenüber, zielte.

Im selben Moment riss Drake den Kugelschreiber hoch, betätigte einen winzigen Schalter daran. Eine Spezialanfertigung. Es gab einen Knall. Aber die Wohnungen im Dakota House waren gut isoliert. Noch bevor Levonian abdrücken konnte, traf ihn das Projektil. Mit ungläubigem Staunen in den Zügen, sackte Levonian in sich zusammen.

Drake steckte die kugelschreiberförmige Pistole wieder ein.

Jetzt musst du die Nerven behalten, ging es ihm durch den Kopf. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Das Problem mit Levonian war eine Kleinigkeit gegenüber dem, was ihm bevorstand, wenn Lee Kuan auf seine Spur kam.

27

Wir kamen noch gerade rechtzeitig am Dokata House an, um George Drake zu erwischen. Sein Wagen stand am Straßenrand.

Drake klappte den Kofferraum zu, ließ nervös den Blick schweifen. Als er uns entdeckte, hatte er es auf einmal sehr eilig, sich hinter das Steuer seines schweren Mercedes zu klemmen.

Ich parkte direkt hinter ihm, musste hart bremsen, um nicht die Stoßstange seines Mercedes zu touchieren. Wir ließen die Türen aufspringen, rannten los. Drake hatte schon den Motor gestartet.

Milo drückte ihm den Ausweis gegen die Beifahrerscheibe.

Er ließ das Fenster herunter.

"Was möchten Sie? Wir haben uns ausführlich unterhalten und ich dachte, es sei alles geklärt, was mich betrifft."

"Da wäre noch eine Kleinigkeit."

"Dann machen Sie es schnell, ich habe einen geschäftlichen Termin."

"Den werden Sie absagen müssen. Machen Sie bitte den Motor aus."

Der Griff meiner Rechten ging zur SIG in meinem Gürtelholster.

Drake überlegte eine Sekunde lang. Dann nickte er.

"Also gut..."

"Steigen Sie bitte aus."

"Bin ich etwa verhaftet?"

"Wir haben die Leiche eines Mannes namens Max O'Flaherty gefunden."

Sein Gesicht wurde starr. Er stieg aus. Ich folgte ihm, als er den Mercedes umrundete. Auf dem Bürgersteig angekommen blieb er stehen. Seine Hände waren tief den Hosentaschen vergraben. "Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund, um mich hier festzuhalten!"

"Natürlich. Ich dachte, Sie wären vielleicht gerne dabei, wenn Ihre Wohnung durchsucht wird."

"Meine Wohnung?", entfuhr es ihm. "Sie müssen verrückt sein. Haben Sie überhaupt einen Durchsuchungsbefehl?"

"Den werden die Kollegen mitbringen, die wir alarmiert haben. Im Übrigen ist Gefahr im Verzug und dann kann so ein Papier auch nachgereicht werden."

"Sie sind verrückt..."

"Und Sie sind 'The Virus', Mister Drake. Zumindest war O'Flaherty dieser Meinung."

Drake erstarrte. Milo öffnete den Kofferraum. Einige Koffer befanden sich dort. "Hatten Sie eine längere Reise vor, Mister Drake?", fragte Milo.

"Vermutlich sage ich besser keinen Ton mehr ohne Anwalt..."

Milo zog einen der Koffer etwas hervor.

Er öffnete ihn.

Sein Gesicht veränderte sich. Er wurde blass.

"So etwas hast du noch nicht gesehen", murmelte er.

Ich schob Drake vor mir her, bis wir alle drei einen Blick darauf hatten. Im Koffer befanden sich sorgfältig in Cellophan eingepackte Leichenteile...

"Bevor Sie uns das hier erklären, sollten Sie bedenken, dass von nun an jede Aussage, die Sie machen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann, Mister Drake", stellte ich klar.

"Schließen Sie den Kofferraum", sagte Drake fast flüsternd. "Das ist Bruce Levonian. Er drang in meine Wohnung ein und versuchte mich umzubringen. Es war Notwehr."

Milo schloss den Kofferraum.

"Das soll Ihnen jetzt noch jemand glauben?"

"Ich musste die Leiche unauffällig verschwinden lassen. Aber um sie in den Koffern zu verstauen, musste ich sie zerteilen."

Unsere Unterhaltung wurde jäh unterbrochen Eine dunkle Limousine brauste die Straße entlang.

Die dunklen Seitenscheiben wurden heruntergelassen.

 

Die Mündungen von MPis schoben sich heraus.

"Vorsicht! Auf den Boden!", rief ich. Ein wahrer Geschosshagel knatterte in unsere Richtung, stanzte Löcher in den Mercedes. Ich duckte mich, riss die SIG heraus, musste aber erst einmal in Deckung gehen.

Milo gab Drake einen kräftigen Stoß, riss ihn mit zu Boden. Aber es war zu spät. Drake schrie auf. Er hatte eine Kugel abbekommen. Er presste die Hand gegen den Oberkörper.

Das blütenweiße Hemd unter seinem blauen Zweireiher färbte sich rot.

Ich tauchte aus meiner Deckung hervor, als der Geschosshagel nachließ, feuerte meine SIG ab. Dabei zielte ich auf die Reifen der Limousine.

Milo verständigte inzwischen über Funk den Notarzt. Ich rannte zum Sportwagen, riss die Tür auf und startete.

Ziemlich grob fädelte ich mich in den Verkehr. Die Limousine bog in den Central Park West ab. Ich setzte das Rotlicht auf das Dach. Aber das half mir auch nicht viel weiter. An der nächsten Ampel staute sich der Verkehr. Die Limousine verschwand in einer Seitenstraße, während mein Sportwagen zwischen mehreren Fahrzeugen eingekeilt war. Immerhin hatte ich mir die Nummer gemerkt. Die telefonische Abfrage wenig später ergab jedoch, dass das Kennzeichen falsch war.