Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis

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20

"Na, schaffst du's?"

Max O'Flaherty zuckte regelrecht zusammen. Er saß vor dem Computerbildschirm und drehte sich herum.

In der Tür stand Terry, Lee Kuans schöne Gespielin. Sie trug den knappsten Bikini, den man sich nur vorstellen konnte. Ein herausforderndes Lächeln spielte um ihre vollen Lippen. Sie ging auf den etwas verdutzten O'Flaherty zu.

"Hast du den Kerl gefunden, der sich 'The Virus' nennt?", fragte Terry und strich O'Flaherty über den Rücken.

O'Flaherty atmete tief durch. Seine Augen flackerten unruhig. Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet. Der Hausdiener Lee Kuans hatte ihm einen Espresso nach dem anderen gemacht, aber irgendwann würde ihn nicht einmal mehr diese geballte Ladung Coffein wachhalten.

"Was willst du?", fragte er.

"Ich möchte wissen, was das für ein Mann ist, der sogar Lee Kuan nach seiner Pfeife tanzen lässt!", meinte sie.

"Wer macht dich so sicher, dass 'The Virus' ein Kerl ist?", fragte O'Flaherty.

Sie zuckte die Schultern. "Instinkt", meinte sie. "Brauchst du ein bisschen Gehirn-Nahrung, um leichter vorwärts zu kommen?", fragte sie dann plötzlich.

O'Flaherty legte die Stirn in Falten.

Terry grinste, griff dann hinter den Bund ihres Bikini-Höschens und holte ein durchsichtiges Briefchen mit weißem Pulver hervor. Kokain. Sie warf es ihm hin. "Probier das mal..."

"Hey, cool bleiben! Ich habe keinen Bedarf an diesem Mist!"

"Du musst es ja wissen... Wenn ich das Zeug genommen habe, kann ich sogar ertragen, wenn Lee Kuan sich mit seinem Übergewicht auf mich wälzt..."

Sie drängte sich gegen ihn. Wie zufällig rutschte der Träger ihres Bikini-Oberteils ein Stück hinunter...

O'Flaherty begriff, was sie wollte. Sie war offenbar auf der Suche nach Abwechslung. Und da schien ihr beinahe alles recht zu sein.

Terry zuckte zusammen, als in der Tür plötzlich der breitschultrige Chinese mit den blondgefärbten Haaren auftauchte.

Seiner Leichenbittermiene war nicht anzusehen, was er dachte. Er wahrte sein maskenhaftes Gesicht. Ein kurzer Blick zu Terry, dann auf das Kokain-Briefchen - das war alles.

Terry zog sich von O'Flaherty zurück.

"Mister Lee Kuan erwartet Ihre Gegenwart", sagte der Chinese kalt.

O'Flaherty nickte, schluckte dann.

"Ich komme!", versprach er.

Er folgte dem Chinesen. Terry verzog schmollend das Gesicht.

Wenig später wurde O'Flaherty in einen opulent eingerichteten Raum geführt. Feinste Schnitzarbeiten kennzeichneten das Mobiliar. Kunstvoll mit Drachenfiguren verzierte Lampions hingen von der Decke.

Lee Kuan saß an einem Schreibtisch, an dessen Ecken sich Drachenköpfe befanden. In das Holz war ein kleiner Flachbildschirm eingelassen. Er diente als Schreibunterlage, man konnte aber auch eine Computeranzeige durch Druckpunkte bedienen. Eine Maus brauchte Lee Kuan nicht.

O'Flaherty bestaunte interessiert dieses Equipment.

Ein Video-Fenster war auf der Anzeige des Flachbildschirms geöffnet. Es zeigte Terry, bildschön in ihrem knappen Bikini, dessen Träger nun endgültig verrutscht waren. Sie hatte das Kokain-Briefchen wieder an sich genommen und versuchte etwas ungeschickt, es zu öffnen.

Lee Kuan verzog keine Miene.

Er bemerkte jedoch O'Flahertys irritiertes Gesicht.

"Terry kaut auf den Fingernägeln", meinte Lee Kuan ungerührt. "Andernfalls hätte sie keinerlei Probleme damit, so ein Briefchen zu öffnen..."

O'Flaherty schluckte. Er hat mich die ganze Zeit beobachtet!, wurde ihm klar. Aber von einem Mann wie Lee Kuan hatte er eigentlich nichts anderes erwarten können. Du warst zu blauäugig!, ging es ihm durch den Kopf. Es wäre besser gewesen, Lee Kuan niemals um Hilfe zu bitten...

Aber dazu war nun zu spät.

Jetzt steckte O'Flaherty in der Klemme.

"Ich habe gesehen, dass Sie meinen Besitz respektieren", sagte Lee Kuan dann.

"Sprechen Sie von Terry oder Ihrem Rechner-System?"

"Von beidem."

"Oh..."

"Was haben Sie herausgefunden, O'Flaherty? Ich hatte Ihnen eine Frist gesetzt..."

O'Flaherty schwitzte. "Sie stellen sich das zu einfach vor! Schließlich..."

Lee Kuan hob die Hand.

O'Flaherty schwieg unwillkürlich. Er wusste, dass eine einzige Laune dieses Mannes ihm den Kopf kosten konnte. Ein Menschenleben bedeutete Lee Kuan nichts. Andererseits fragte sich O'Flaherty mittlerweile, wie viel sein Leben noch wert sein mochte, wenn er seinen Auftrag erfüllt und für Lee Kuan nicht mehr wichtig war...

Ein kaltes Grab in einem preiswerten, mit Steinen beschwerten Plastik-Sack, tief unten, auf dem Grund des Hudson!, durchzuckte es O'Flaherty. Vermutlich war es das, was ihn erwartete.

"Ich habe meinen gnädigen Tag", sagte Lee Kuan. Er schnipste mit den Fingern, woraufhin der blonde Chinese ihm zwei lange Havannas gab. Eine davon reichte Lee Kuan an O'Flaherty weiter.

"Danke, ich rauche nicht."

"Sie verpassen was."

"Möglich."

"Sie wissen, dass Sie ein toter Mann sind, wenn Sie dieses Haus auch nur einen einzigen Schrittweit verlassen, Mister O'Flaherty?"

"Natürlich."

"Und Sie haben nichts vorzuweisen?"

"Eine Spur, Mister Lee Kuan. Sie betrifft den Server in Russland... Aber ich brauche einfach noch Zeit... und ich bin so verdammt müde. Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen, wie soll ich da einem Genie auf die Spur kommen?"

Lee Kuans Hand donnerte auf den Schreibtisch.

Mitten auf den Flachbildschirm. Das Bild zitterte etwas.

"Wissen Sie eigentlich, worum es hier geht - von Ihrem schäbigen Leben einmal abgesehen, O'Flaherty? Dieser Bastard, der sich 'The Virus' nennt, hat mir die Zugangsdaten zu den Pentagon-Rechnern für teures Geld verkauft! Aber sie waren wertlos! Der Pentagon hat vor kurzem sämtliche Codes geändert, das ganze Sicherheitssystem ist dort offenbar in trouble geraten... Ich will wissen, wer mich derart an der Nase herumgeführt hat... Schließlich habe ich meinerseits Kunden, die äußerst sauer reagieren können! Verdammt nochmal, es muss schnell gehen, O'Flaherty und wenn Sie das nicht begreifen, dann sind Sie Fischfutter..."

21

George Drake residierte im Dakota House in der Nähe des Central Parks. Eine noble Adresse. Ein Mietshaus mit Tradition. John Lennon hatte hier gewohnt und war vor dem Eingang erschossen worden. Und Roman Polanski hatte das Dakota House als Kulisse für 'Rosemaries Baby' benutzt.

Auf jeden Fall war es nicht ganz billig, sich hier einzumieten.

Drake empfing uns in einer gediegen eingerichteten Wohnung.

Die Einrichtung war in dunklem Holz gehalten und vermittelte den Eindruck von schlichter Eleganz. Seine Wohnung war auch gleichzeitig das Office der etwas undurchsichtigen Finanzfirma, die er betrieb. Aber außer einem Schreibtisch mit Computer und ein paar Aktenordnern schien Drake zur Führung dieser Firma nichts zu brauchen.

Drake betrachte gelassen unsere Dienstausweise.

"Sie haben Glück, dass Sie mich hier antreffen", meinte er. "Ich bin nicht viel zu Hause..." Er deutete auf eine Sitzecke. "Nehmen Sie Platz. Ich nehme an, der Tod von Vonda McDaniel führt sie hier her..."

Ich nickte. "Das ist richtig." Wir setzten uns. Drake blieb zunächst stehen.

"Ich habe aus der Zeitung davon erfahren..."

"Vonda McDaniels hat an der Ecke Bedford/Seventh Avenue einen Mann erschossen und wurde wenig später von ihrem Komplizen umgebracht..."

"Nun, so detailliert war das in den Medien bislang noch nicht zu finden..."

Drake ließ sich jetzt in einen schlichten Sessel fallen, schlug die Beine übereinander. Er wirkte nervös.

"Sie hatten eine Beziehung zu Miss McDaniels", stellte ich fest.

"Eine kleine Affäre. Mehr würde ich dazu nicht sagen."

"Trotzdem hätten sie sich bei der Polizei melden können."

Drake lächelte überlegen. "Ich? Warum hätte ich das tun sollen? Es tut mir leid, aber meiner Ansicht nach gibt es keinerlei sachdienliche Hinweise, die ich Ihnen geben könnte. Außerdem - ich wollte nicht in diese Angelegenheit hineingezogen werden."

"In welche Angelegenheit?", hakte ich nach.

"Die Umstände, unter denen Vonda ums Leben kam sind ja nun wirklich alles andere als normal", meinte er. "Ich bin im Finanzbusiness tätig. Wie sagte doch ein erfolgreicherer Kollege als ich es bin so schön? Das Kapital ist wie ein scheues Reh... Ich muss sehr vorsichtig sein, was das Auftauchen meines Namens in den Medien angeht. Einmal im falschen Zusammenhang erwähnt und es vertraut einem niemand mehr Geld an."

"Vielleicht erklären Sie uns Ihr Geschäft mal", verlangte Milo Tucker. Ich ließ inzwischen etwas den Blick schweifen. In einem Zeitungsständer befanden sich ein paar Computerzeitschriften sowie eine Ausgabe der New York Times.

Ich vermisste das Wall Street Journal.

Drake reagierte reserviert auf Milos Frage.

"Mein Geschäft funktioniert schlicht und einfach so, dass ich Aktien zu einem möglichst niedrigen Preis erwerbe und zu einem möglichst hohen wieder verkaufe. Das ist schon alles... Wenn Leute mir ihr Geld anvertrauen, versuche ich so viel wie möglich daraus zu machen. Vom Gewinn bekomme ich meinen Anteil."

Unsere Innendienstler hatten noch nicht allzuviel über Drake in Erfahrung bringen können. Er war ziemlich unauffällig, was sein Geschäftsgebaren anging. Jedenfalls gehörte er nicht zu dem Personenkreis windiger Geschäftsleute, die in Verdacht standen, mit Geldwäsche zu tun zu haben. Verbindungen zur Unterwelt waren uns auch nicht bekannt. Aber das musste natürlich letztlich nichts heißen.

 

Drake lockerte sich seine Krawatte. Der gut sitzende Zweireiher musste maßgeschneidert sein.

"Ich bin kein sehr expressiver Mensch und was die Äußerung von Gefühlen in der Öffentlichkeit angeht eher zurückhaltend. Dadurch könnte bei Ihnen der Eindruck von Gefühlskälte entstehen. Aber ich versichere Ihnen, dass Vondas Tod mir sehr nahe geht. Auch wenn unsere Beziehung eher flüchtig war..."

"Vondas Schwester hatte offenbar einen anderen Eindruck", stellte ich fest.

"Rita?", Drake lächelte mild. "Ja, ich erinnere mich an sie. Ich glaube, wir haben uns mal in Miami gesehen."

"Sie haben dort eine Kawasaki gekauft", sagte ich.

Sein Gesicht veränderte sich. Falten bildeten sich auf seiner Stirn.

"Ich war bisher gerne bereit, auf Ihre Fragen zu antworten, Agent Trevellian. Aber langsam habe ich das Gefühl, dass sie sich allzu sehr auf mein Privatleben konzentrieren!" Er hob das Kinn. "Jedenfalls wüsste ich nicht, was eine Kawasaki mit Vonda oder dieser Schießerei Ecke Bedford/ Seventh Avenue zu tun hat!"

"Vondas Komplize..."

"...ihr späterer Mörder!"

"Ja, genau. Der fuhr eine Kawasaki! Wo ist Ihre Maschine?"

"Ich verliere schnell den Spaß an solchen Spielzeugen..."

"Sie haben sie weiter verkauft, Mister Drake. Das haben unsere Innendienstler inzwischen herausbekommen. Und zwar an einen gewissen Bruce Levonian. Sagt Ihnen der Name was?"

Drake atmete tief durch. Er stand auf, ging zum Fenster, von wo aus man einen hervorragenden Blick auf den Central Park hatte. Dann rieb er sich die Augen. "Ich brauchte hin und wieder einen Leibwächter. Dafür hatte ich Mister Levonian ab und zu engagiert."

"Wie lernten Sie ihn kennen?"

"Durch Vonda. Als er von meiner Kawasaki hörte, wurde er ganz wild darauf. Bei einer Motorradtour brauchte ich einen Begleiter. Bruce war wie geschaffen dafür. Ich habe ihm die Maschine dann für einen günstigen Preis überlassen. Schließlich habe ich schon zwei Harleys und habe ja auch nur einen Hintern, um darauf zu sitzen..."

"Vonda hatte ein umfangreiches Computer-Equipment. Interessieren Sie sich auch dafür?"

"Ich verfolge die Börsen-Kurse im Internet. Sonst lässt mich das kalt. Ich kenne mich auch nicht besonders gut damit aus. Und das in Wall Street der traditionelle Parketthandel immer mehr gegenüber dem Internethandel mit Wertpapieren an Bedeutung verliert, gefällt mir gar nicht."

"So jung und schon so konservativ?", fragte ich.

Drakes Lächeln wirkte gezwungen.

"So bin ich eben."

Ich holte ein Foto von Desmond E. Cole hervor, legte es auf den Tisch.

"Kennen Sie diesen Mann?"

Er drehte sich vom Fenster weg, näherte sich dann zögernd und ergriff schließlich das Bild. Nach einer Sekunde schüttelte er den Kopf. "Nein. Wer soll das sein?"

"Desmond E. Cole, der Mann, den Vonda erschossen hat."

"Nie gehört."

"Er benutzte auch andere Namen."

"Tut mir leid, ich denke, Sie verschwenden mit mir nur Ihre Zeit, Agent Trevellian."

Mit einem zwiespältigen Gefühl verließen wir das Dakota House.

"Der Kerl sieht aus, wie einer, der schon mit dem goldenen Löffel geboren wurde!", meinte Milo. "Kaum dreißig und leidet unter dem Problem, zu viele Rennboote und Motorräder zu besitzen, so dass er guten Kumpels mal eben eins dieser Spielzeuge preisgünstig überlassen kann..."

"Neidisch, Milo?"

"Ich weiß nicht."

"Du hast eben die falschen Freunde. Alles nur arme Staatsdiener..."

Wir setzten uns in den Sportwagen, den wir ganz in er Nähe abgestellt hatten.

"Auch wenn ich ihn nicht ausstehen kann: Ich glaube, dieser Drake ist keine Spur, die uns weiterbringt", meinte Milo.

"Er kannte Vonda McDaniels und Bruce Levonian", gab ich zu bedenken. "Und er fand es nicht nötig, sich nach allem, was geschehen ist, bei der Polizei zu melden."

"Aber das ist auch schon alles, was er auf dem Kerbholz hat, Jesse."

Ich seufzte hörbar. "Leider ja."

"Unsere Innendienstler haben sich die Finger auf ihren Computern wundgehackt, um etwas über diesen Drake herauszufinden. Aber ganz offensichtlich ist nichts an ihm dran!"

"Aber an Zufälle glaube ich auch nicht, Milo! Dieser Kerl muss doch mehr wissen, als er sagt! So wie der gemauert hat..."

"Man muss auch verlieren können, Jesse!"

"Wem sagst du das!"

22

Bruce Levonian schwang sich über die Mauer, die den schmucken Bungalow in Riverdale umgab. Riverdale, das war die gutbürgerliche Seite der Bronx. Verfallende Straßenzüge, wie sie aus dem Süden dieses Stadtteils bekannt waren, gab es hier nicht. Stattdessen Bungalows an breiten Alleen.

Bruce Levonian hatte die Automatik mit Schalldämpfer in der Rechten.

Er umrundete den Bungalow. Dahinter befand sich ein Swimming Pool.

In geduckter Haltung pirschte er sich heran.

Ein breitschultriger Kerl im dunklen Anzug tauchte auf.

Aber er begriff die Situation nicht schnell genug. Ehe der Kerl sein Jackett aufgeknöpft und nach seiner Waffe gegriffen hatte, legte Bruce Levonian bereits an und drückte ab.

Das Schussgeräusch war nicht lauter als ein kräftiges Niesen.. Ein Ruck ging durch den Körper des Bodyguards. Er taumelte zurück, hielt sich den Bauch. Das Geschoss hatte Jackett und Hemd aufgerissen und außerdem die Hand durchschlagen. Es blutete. Aber unter dem Hemd kam etwas Graues hervor. Kevlar. Offenbar bestand die massige Gestalt des Bodyguards doch nicht nur aus Muskeln. Mit der blutigen Rechten versuchte der Kerl dann, doch noch seine eigene Waffe hervorzureißen. Eine Beretta. Bruce Levonian ließ ihm keine Chance. Sein zweiter Schuss traf den Leibwächter am Kopf. Er sackte zusammen und fiel ins Rosenbeet.

Mit wenigen Sätzen war Levonian bei der Terrasse.

Ein dicker, kahlköpfiger Mann saß dort vor einem Espresso.

Mit am Tisch saß noch ein deutlich Jüngerer. Bruce Levonian schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Er war hager und dunkelhaarig. Sein Griff ging wie automatisch unter das graue Schurwolljackett. Aber er erstarrte mitten in der Bewegung, als er in den Schalldämpfer von Bruce Levonians Automatik blickte.

Der Dicke blieb ruhig, wartete erst einmal ab.

Bruce Levonian trat näher.

"Einer von Ihnen muss Eddie Belmonte sein!" Er deutete auf den Dicken. "Die Beschreibung passt auf Sie!"

"Was wollen Sie?", fragte der Dicke.

"Sie vermitteln Leute für's Grobe nicht wahr? Leute, wie diesen Joss und die andere Pfeife, die mich umlegen sollten. Foltern und umlegen, um präzise zu ein."

"Sie sind Levonian", stellte Belmonte fest. Er nahm seelenruhig einen Schluck aus der Espresso-Tasse. Dass er so ruhig blieb, gefiel Levonian nicht. Es ließ ihn befürchten, dass dieser Mann noch einen Trumpf in der Hinterhand hatte.

Bruce ging auf den Dunkelhaarigen zu, setzte ihm den Schalldämpfer an den Kopf und riss das Jackett zur Seite. Mit der Linken holte Bruce einen Revolver hervor. Er steckte ihn ein. "Wer ist dieser Mann?"

"Jemand, der mich eigentlich vor Leuten wie Ihnen schützen sollte", sagte Belmonte.

Levonian drückte ab. Der Dunkelhaarige sackte im Sessel zusammen. "Sie werden 'ne Weile ohne Schutz auskommen müssen!"

"Sie machen mich ärgerlich", erwiderte Belmonte. "Gutes Personal ist schwer zu bekommen!"

Levonian packte die Leiche des Dunkelhaarigen beim Kragen und riss sie aus dem Sessel heraus. Dann ließ er sich selbst darin nieder.

Belmonte sah seinem Gegenüber in die Augen.

"Nehmen Sie's nicht persönlich, dass ich Ihnen zwei Leute auf den Hals gehetzt habe... So ist das Geschäft. Das kennen Sie doch. Ganz unerfahren in dem Job sind Sie ja auch nicht, wie man so hört... Nur, dass ich das alles in größerem Maßstab aufgezogen habe. Es gibt immer Leute, die ein Problem haben und ich bin derjenige, der ihnen den unvergleichlichen Service bietet, dieses Problem so geräuschlos wie möglich zu entsorgen..."

"Ihre Leute habe ich erledigt", sagte Bruce Levonian.

"Dachte ich mir. Sonst wären Sie nicht hier."

"Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben, mich dieser Behandlung zu unterziehen, Mister Belmonte?"

"Das wissen Sie nicht?"

"Ich weiß nur, das er sich 'The Virus' nennt."

"Mehr weiß ich auch nicht. Die Befehle kommen per Email. Das Honorar in bar per Kurierdienst..."

"Das waren Ihre Leute an der Ecke Bedford/Seventh Avenue."

"Sie sind ihnen in die Parade gefahren, als wir versucht haben, diesen Cole auszuschalten. Sie und diese Vonda... Sie müssen ihn die ganze Zeit verfolgt haben..."

"Genau wie Ihre Leute!"

Bruce Levonian hob den Lauf seiner Waffe, richtete sie so aus, dass sie genau zwischen die Augen des Dicken zielte.

"Ich bin das Gequatsche leid."

"Was glauben Sie, wie es mir geht. Zumal ich ein Problem habe, seid Sie meine Jungs ausgeschaltet haben."

"Ach, ja?"

"Die sollten eigentlich den Geldkoffer wiederbesorgen. Und ich kann 'The Virus' jetzt kaum erklären, wo der geblieben ist!"

"Wenn das Ihre einzige Sorge ist..." Bruce Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. "Ich zähle bis drei, dann kenne ich die Identität von 'The Virus', oder Sie haben keinen Kopf mehr, Belmonte."

"Ich sagte Ihnen doch...

"Ich habe gehört, was Sie gesagt haben. Aber ich glaube Ihnen nicht!"

"Denken Sie, ich bin der Einzige, der für 'The Virus' arbeitet? Er hat ein regelrechtes Imperium aufgebaut. Ein Imperium, von dem kaum jemand etwas weiß. Anders als die großen Syndikate, die man sonst so kennt. Niemand weiß, wer 'The Virus' ist und das ist sein Erfolgsgeheimnis. Vielleicht ein übermütiger Freak in Petersburg, der sich mit Computern auskennt und sich seinen Anteil vom großen Geldkuchen abschneiden will. Oder ein unscheinbarer, pickeliger Student an der Columbia, der keine Freundin und daher einfach zuviel Zeit hat..."

Bruce Levonian schoss.

Die Kugel fuhr Belmonte in die Schulter.

Der Dicke stöhnte auf, sah Levonian mit weit aufgerissenen Augen an.

"Ich habe gesagt, dass ich das Gequatsche leid bin", knurrte er.

"Sie sind verrückt", stöhnte Belmonte. Erst jetzt schien ihm klar zu werden, dass jedes Verhandeln zwecklos war. Er presste die Hand auf seine Wunde. Das Blut rann ihm zwischen den Fingern hindurch. "Wenn Sie mich töten, dann haben Sie überhaupt keine Spur von 'The Virus'..."

Bruce Levonian feuerte erneut. Die Kugel zischte dicht am Kopf des Dicken vorbei, streifte das Ohr. Das Blut rann ihm den Hals hinunter. "Ich wollte immer schonmal wissen, ob ein Mensch mit zwanzig Kilo Übergewicht mehr Kugeln verträgt als so ein dünner Hering wie der da!" Und dabei deutete Bruce Levonian mit dem Schalldämpfer auf die Leiche des Dunkelhaarigen.