Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021

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11

Als Moeller am nächsten Tag ins Präsidium kam, war Simitsch nicht nur schon lange anwesend, sondern hatte seinem Kollegen auch alle Neuigkeiten voraus, die es in dem Fall gab. Da war erstmal das vorläufige Fachgutachten über die Brandursache. Es war jetzt amtlich, dass es sich um Brandstiftung gehandelt hatte. Das Feuer war an mehreren Stellen gleichzeitig ausgebrochen.

Ferdinand Sarow und seine Freunde waren inzwischen wieder auf freiem Fuß. Vorerst war ihnen nicht nachzuweisen, dass sie etwas mit dem Brand zu tun hatten.

"Das Dollste ist, dass einer der Dörner-Brüder aus der Versenkung aufgetaucht ist", meinte Simitsch dann und genoss dabei sichtlich das Erstaunen in Moellers Gesicht.

"Ach!"

"Tja, Moeller! Es handelt sich um Gerd Dörner. Er befindet sich zur Zeit auf Teneriffa. Die spanische Polizei hat Kontakt mit ihm aufgenommen. Dörner will so schnell wie möglich zurückkehren. Aber das ist dann nicht mehr unsere Sache."

"Wieso?"

"Weil die Kollegen vom Betrugsdezernat den Fall übernehmen."

"Aber..."

"Anordnung von oben. Außerdem ist doch niemand gestorben, oder?"

"Schon", musste Moeller zugeben.

"Ergo: kein Tötungsdelikt!"

"Es hätte aber um ein Haar einen Toten gegeben!"

"Moeller, sei froh, dass wir den Schlamassel los sind und aus dem bequemen Sessel heraus verfolgen können, wie die Sache ausgeht. Wird sicher knibbelig. Vier Meter mit Gutachten gefüllte Aktenschrankwand schätzungsweise!"

"Fünf Meter!", hielt Moeller dagegen.

Klaus Simitsch grinste. "Du hast mehr Dienstjahre und daher die größere Erfahrung, Moeller. Vermutlich hast du daher recht!"

Die Bürotür flog in dieser Sekunde auf. Brenner, ein Kollege von der Spurensicherung stand breitbeinig da. Das enge Sweatshirt betonte seinen fussballförmigen Bauch, dessen Form wiederum mit seinem braungebrannten, aber fast haarlosen Schädel korrespondierte.

"Auf geht's!", rief Brenner.

"Was gibt's denn?", fragte Moeller.

"Eine Leiche!", gab Brenner knochentrocken zurück und rieb sich unternehmungslustig die Hände.

Moeller wandte sich mit einem angriffslustigen Grinsen an Simitsch. "Klaus, hol doch schonmal den Wagen!"

12

Als es klingelte, hob Charly Wallmeier den Kopf.

"Telefon, woll?", meinte Jürgen, der Azubi, während Charly langsam nickte.

Charly erhob sich und blickte auf den aufgebockten VW.

"Zieh du die Reifen an", murmelte er und bewegte sich dann in Richtung des unansehnlichen Glaskastens, der dem Autohaus Feller als Büro diente.

Ein Büro, das seit einer Woche nicht besetzt war, weil die Bürokraft ein Kind bekam. Seitdem regierte im Autohaus Feller das vollkommene Chaos, zumal die Vorbereitungen für die Lüdenscheider Auto-Show auf Hochtouren liefen.

Es klingelte erneut.

Charly beeilte sich, riss die Tür auf, stolperte dann fast über die Rollen des Drehstuhls und war endlich am Ziel.

Er riss den Hörer von der Gabel und ächzte seinen Text herunter: "Hallo? Hier Autohaus Feller. Charly Wallmeier am Apparat. Sie wünschen?""

"Kann ich Herrn Feller mal sprechen?", krächzte es von der anderen Seite durch die Leitung.

Charly atmete erst einmal tief durch und versuchte dabei verzweifelt, die Stimme des Anrufers irgendwo einzuordnen.

Aber es wollte ihm einfach kein Kunde einfallen zu dem sie gepasst hätte.

Auf jeden Fall klang sie recht unzufrieden - und das zusammen mit der Tatsache, dass der Mann den Chef sprechen wollte, konnte eigentlich nur Schlechtes bedeuten. Wahrscheinlich eine Reklamation oder so etwas.

Charly nutzte die nächsten zwei Sekunden, um sich innerlich zu wappnen.

"Hm... Den Chef?", meinte er gedehnt.

"Ja", meinte der andere mit frostigem Unterton.

Charly zuckte die Schultern.

"Also... Vielleicht kann ich Ihnen ja auch helfen, Herr... Wie war nochmal Ihr Name?"

Der Anrufer tat, als hätte er das Letzte nicht gehört.

"Ist Herr Feller da?", fragte er völlig ungerührt.

"Hören Sie..."

"Ja, oder nein?"

Die Stimme des Anrufers hatte den Klang von Metall und klirrendem Glas.

Charly schluckte.

Er gab sich geschlagen, obwohl der Chef ihm die ausdrückliche Order gegeben hatte, Anrufe möglichst von ihm fernzuhalten und selber zu erledigen.

"Also gut, ich seh mal nach...", knurrte er, legte den Hörer auf den unordentlichen Schreibtisch und lief mit zwei Sätzen zur Tür.

"Chef?" Nach kurzer Pause rief er zum zweiten Mal: "Chef?"

"Was ist?", echote irgendwo die genervte Stimme von Martin Feller persönlich.

"Ein Anruf!"

"Mach du das, ich hab zu tun!"

"Ich bin ihm nicht gut genug!"

In der Werkstatthalle ließ irgendjemand einen Schraubenschlüssel fallen, ein Geräusch ertönte, das an dem kahlen Beton mehrfach widerhallte.

"Ich komme!", rief Martin Feller.

Und Charly grummelte indessen halblaut vor sich hin: "Der Kunde ist eben König!" Dann ging er zum Telefon. "Hallo? Noch da?"

"Ja."

So ein arroganter Sack, ging es Charly dabei durch den Kopf. Aber so war das nun einmal, wenn man etwas verkaufen wollte: Immer freundlich sein, wenn es einem auch noch so sehr stank.

"Der Chef kommt sofort", kündigte Charly also mit einem geschäftsmäßig höflichen Tonfall an und damit schien der Kerl auf der anderen Seite zufrieden zu sein.

Jedenfalls erwiderte er nichts darauf und das hielt Charly für ein gutes Zeichen.

Die Tür ging auf und schlug dann mit einem scheppernden Geräusch wieder zu.

"Wer isses?", flüsterte Martin Feller.

Charly flüsterte ebenfalls.

"Keine Ahnung!"

"Wahrscheinlich der Bäumer!", vermutete Martin Feller.

"Dessen Wagen hätte schon letzte Woche fertig sein sollen!"

Charly grinste.

"Na, dann: Viel Vergnügen!"

Feller verzog das Gesicht und nahm den Hörer.

"Hallo?"

"Ich geh noch an den Wagen vom Röder, okay?", rief Charly dazwischen, während er sich zum Gehen wandte.

Martin Feller nickte knapp.

"Okay!"

Während Charly das Büro verließ und die Tür hinter zufallen ließ, murmelte Martin Feller in den Telefonhörer: "Autohaus Feller. Wer spricht da bitte?"

Pause.

Keine Antwort.

Durch den Hörer war nur das regelmäßige Atmen eines Menschen zu hören.

"Sind Sie noch dran?", fragte Feller ungeduldig. "Hier spricht Martin Feller. Was möchten Sie, bitte?"

Pause.

Nichts geschah. Aber auf der anderen Seite war jemand, daran konnte es keinen Zweifel geben.

Dann machte es klick.

Das Gespräch war zu Ende.

"Seltsamer Kauz", murmelte Martin Feller halblaut zu sich selbst. Es war nicht der erste Anruf dieser Art, den er bekam, und er begann sich zu fragen, was das zu bedeuten haben konnte.

Die Tür ging auf.

Jürgen kam herein, der schlaksige Azubi. Er kaute auf einem Kaugummi herum und das konnte Martin Feller auf den Tod nicht ausstehen. So eine Undiszipliniertheit, ging es ihm durch den Kopf. Zu unserer Zeit...

Aber wen interessierte das noch? Niemanden, wenn man ehrlich war. Aber Martin Feller stand heute nicht der Sinn nach Ehrlichkeit. Die war ein Luxus für bessere Tage.

Martin Feller blickte kurz auf.

"Was ist?

"Also, äh..."

"Kannst du nicht reden oder was?" Feller verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln und fügte noch hinzu: "Mit dem DING da zwischen den Zähnen ist das auch schwierig, was?"

"Hm."

"Und wenn ich jetzt ein Kunde wäre? Der wär' doch längst über alle Berge bei der Konkurrenz, ehe du das Scheißding so in deinem Rachen platziert hast, dass du was 'rauskriegst!"

Jürgen schluckte. Sein Adamsapfel wippte dabei auf und nieder.

Dann sagte er: "Sie sind aber kein Kunde, sondern nur der Chef, woll?"

"Wie wahr", seufzte Feller. Bei jüngeren Leuten zog er irgendwie immer den Kürzeren. Das war mit seinem Sohn so und auch mit Jürgen. Er hatte auch keine Ahnung, woran das lag. Es war einfach so.

Zu meiner Zeit...

Aber er hatte heute nicht die Energie, sich wirklich darüber aufzuregen. Ein lähmender Schatten lag schwer auf seiner Seele und drückte ihn nieder.

Jürgen machte mit dem Kaugummi im Mund eine Blase, ließ sie mit einem Knall platzen und meinte dann: "Ich fahre zur Pommes-Bude. Wollen Sie wieder ein halbes Hähnchen, wie immer?"

Feller schüttelte den Kopf. Er schien gedanklich abwesend zu sein und nur halb hinzuhören.

"Nein", murmelte er.

Jürgen runzelte die Stirn.

"Was dann?", fragte er.

"Nichts."

"Was?"

"Ich habe keinen Appetit."

Jürgen zuckte die Achseln und machte ein ungläubiges Gesicht.

"Sind Sie krank oder was?

"Hau schon ab und lass mich in Frieden!"

"Ist ja schon gut!"

Jürgen wandte sich um, steckte die Hände in die Taschen seines Blaumanns und ging hinaus.

Martin Feller sah ihm kurz nach.

Verdammter Mist!, dachte er dabei. So ein gottverdammter Mist!

Dann klingelte erneut das Telefon. Martin Feller fühlte sich wie elektrisiert. Wieder und wieder klingelte es. Feller spürte, wie ihm der Puls bis zum Hals schlug. Dann überwand er sich und griff doch nach dem Hörer.

 

"Ja?", sagte er.

"Martin, bist du es?"

Eine Frauenstimme. Barbara Wolfs Stimme. Martin Feller registrierte es mit Erleichterung.

"Warum dauert das denn so lange bei euch, verdammt nochmal?"

"Was ist los, Barbara?"

"Es ist etwas geschehen..."

13

Eine halbe Stunde brauchte Simitsch mit seiner vorsichtigen Fahrweise bis zur Listertalsperre, die vom Biggesee nur durch eine Staumauer getrennt wurde. Zusammen bildeten sie ein riesiges, einzigartiges Seensystem. Im Sommer kam Moeller des öfteren hier herunter, um Abends nach dem Dienst noch ein erfrischendes Bad zu nehmen. Und an schönen Sonn- oder Feiertagen war es manchmal so voll, dass man auf den dicht am Ufer entlanggeführten Straßen kaum noch einen freien Parkplatz finden konnte. Und wenn sich nach längeren Perioden der Trockenheit der Wasserstand etwas abgesenkt hatte, gab es hier sogar so etwas wie einen richtigen Strand.

Ein Einsatzwagen der Polizei parkte am Straßenrand. Das war kurz hinter einer Kurve, und Simitsch musste ziemlich hart in die Eisen treten. Er quetschte den Volvo so dicht wie möglich an die Leitplanken und stellte den Motor ab. "Ihr müsst auf meiner Seite aussteigen", meinte er an Moeller und Brenner gewandt. Moeller seufzte.

"Es bleibt einem auch nichts erspart..."

Durch die Bäume warf er einen Blick über den schmalen, langgezogenen See. Das Wasser glitzerte in der Sonne. Eine leichte Brise wehte von den gegenüberliegenden Bergen herunter, an deren Hängen sich schmucke Blockhäuser und ein Campingplatz befanden.

Sie stiegen aus.

Über eine bröckelige Treppe gingen sie hinab zum steinigen Strand, an den der Tote gespült worden war.

Moeller ließ den Blick umherschweifen und sog die frische Luft ein. Wenn die Leiche auf der anderen Seite angespült worden wäre, hätten wir den Fall erst mit einiger Verzögerung auf dem Schreibtisch gehabt!, ging es ihm durch den Kopf. Denn der See war gleichzeitig die Kreisgrenze. Hier Märkischer Kreis, drüben Kreis Olpe.

Was, wenn ein Angler den Toten genau in der Mitte aus dem Wasser gefischt hätte?, dachte er. Eine Frage, mit der ein Klaus Simitsch sich intensiv befasst hätte...

Moeller wandte sich der Leiche zu, konnte aber nur die Beine sehen, weil Simitsch, Brenner und zwei Uniformierte sich über den Toten beugten.

Moeller betrachtete die Slipper, die der Tote trug. Die Absätze waren schiefgelaufen.

Oben, auf der Straße hielt ein Wagen. Jemand stieg aus und wenig später kletterte der Gerichtsmediziner die Böschung herunter. Simitsch und Brenner erhoben sich. Jetzt erst sah Moeller die Leiche zur Gänze.

Das bleiche, aufgequollene Gesicht von Norbert Wolf blickte ihn starr und ausdruckslos an.

Mitten in der Stirn hatte er ein kleines, rundes Einschussloch.

"Der Tote liegt noch nicht lange im Wasser!", stellte der Gerichtsmediziner nach kurzer Untersuchung fest. "Vielleicht seit Mitternacht... Alles andere können Sie in meinem Gutachten nachlesen."

"Wer hat den Toten entdeckt?", fragte Moeller.

"Ein Spaziergänger", meldete sich einer der Uniformierten zu Wort. "Er wohnt hier ganz in der Nähe. Wir haben seine Aussage aufgenommen."

Moeller nickte düster.

Jetzt ist es zweifellos UNSER Fall!, ging es ihm durch den Kopf. Denn niemand konnte ernsthaft bestreiten, dass hier ein Tötungsdelikt vorlag. Dieser Dummkopf!, dachte Moeller ärgerlich und meinte den Toten damit. Er hätte reden sollen, der blöde Hund!

14

Als Simitsch und Moeller wieder im Präsidium waren, warfen sie eine Münze. Der Verlierer musste der Witwe die schlechte Nachricht überbringen. Moeller verlor. Und so fuhr er nochmal nach Wettringhof, während Simitsch den wichtigen Schreibkram erledigte.

Als Moeller dann eine Viertelstunde später vor dem Haus in der Timbergstraße parkte, in dem Wolfs wohnten, sah er wieder den kleinen dicken Jungen. Diesmal rupfte er gerade die Geranien aus einem Vorgarten.

Moeller starrte ihn an.

Und der Kleine starrte zurück.

"Ey, was guckste, du Asi!"

Von irgendwoher war das Klappen einer Tür zu hören. Der kleine Dicke wandte den Kopf. So unbeholfen wie ein zu fett geratenes Kaninchen hoppelte er dann davon, so schnell er konnte.

Barbara Wolf erwartete Moeller an der Tür.

"Mein Mann ist nicht da"!, sagte sie. "Tut mir leid."

"Ich möchte zu Ihnen, Frau Wolf. Kann ich hereinkommen?"

Sie rieb nervös die Handinnenflächen gegeneinander. Dann zuckte sie die Schultern.

"Ja, sicher."

"Danke."

Moeller folgte ihr ins Wohnzimmer. Zu seiner Überraschung traf er dort auf ein bekanntes Gesicht.

"Herr Feller!", stieß Moeller hervor. Feller trug den Kittel seines Autohauses. Irgendetwas musste wichtig genug gewesen sein, um mitten während der kostbaren Arbeitszeit eines Unternehmers einen Besuch abzustatten. Moeller reichte ihm die Hand. Fellers Händedruck war überhart. Einer, der zeigen will, wer der Boss ist, dachte Moeller. Aber er registrierte noch etwas anderes. Martin Feller hatte feuchte Hände.

"Sie scheinen hier ja eine Art Dauergast zu sein, Herr Feller..."

"Sagte ich Ihnen nicht bereits, dass Nobbi und ich gute Freunde sind. Unsere Frauen sind auch befreundet. Wir sind auch schon zusammen im Urlaub gewesen und..." Er brach plötzlich ab.

Irgendwie hatte Moeller das Gefühl erwartet worden zu sein.

Und das gefiel ihm nicht.

"Ich muss Ihnen leider mitteilen, Frau Wolf, dass Ihr Mann tot aufgefunden wurde", brachte Moeller seine traurige Pflicht dann möglichst schnell hinter sich. Er hasste solche Momente. Aber er fand trotzdem, dass er so etwas besser konnte als Leute wie Simitsch. Und dass, obwohl man ihm so etwas in seiner Ausbildung nie beigebracht hatte.

"Was?", entfuhr es Barbara. Sie schüttelte stumm den Kopf. "Das kann nicht wahr sein!"

"Es ist leider so!"

"Was genau ist passiert?", mischte sich jetzt Martin Feller ein. Sein Tonfall hatte etwas Drängendes. Eine Note, die Moeller nicht gefiel.

"Er wurde erschossen", sagte Moeller. "Man hat seine Leiche am Ufer der Listertalsperre gefunden. Frau Wolf, wann haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesehen?"

Moeller fiel auf, dass sie erst Martin Feller anblickte, bevor sie schließlich schleppend antwortete.

"Gestern Abend" sagte sie.

"Wann genau?"

"Es war schon recht spät, vielleicht zehn Uhr, da meinte er plötzlich, er wollte nochmal raus!"

"Was heißt das, nochmal raus?"

"Ich dachte an eine Kneipentour. Er sagte: Schatz, mach dir keine Sorgen, es wird spät, du kannst schonmal schlafen."

"Und Sie haben dann schonmal geschlafen?"

"Ja."

"Und heute morgen? Ihr Mann war nicht da, hat Sie das nicht gewundert?"

"Ja, schon. Ich hab mir Sorgen gemacht. Deswegen habe ich auch Martin angerufen!" Wieder sah sie sich fast hilfesuchend zu dem Gebrauchtwagenhändler um. Dann begann sie plötzlich hemmungslos zu schluchzen. "Ich kann nicht mehr...", murmelte sie. "Mein Gott, wer tut so etwas?"

"Das möchte ich gerne herausfinden, Frau Wolf. Aber dazu brauche ich Ihre Hilfe!"

"Sie sehen doch, dass Barbara jetzt nicht weiter belastbar ist!", fuhr Feller dazwischen. Moeller ignorierte ihn. Er fragte: "Haben Sie eine Ahnung, was Ihr Mann mitten in der Nacht an der Listertalsperre wollte?"

"Nein."

"Wer sagt Ihnen, dass er dort ermordet wurde?", mischte sich Feller wieder ein.

"Wir haben seinen Wagen dort in der Nähe am Straßenrand gefunden. Könnte es sein, dass er sich mit jemandem treffen wollte?"

"Ich weiß es nicht", murmelte Barbara Wolf tonlos. Sie blickte Moeller an. "Ich stehe Ihnen ein anderes Mal gerne zur Verfügung, aber jetzt bin ich wirklich völlig am Ende."

"Ich verstehe", murmelte Moeller.

"Ich bringe Sie zur Tür", sagte Feller.

"Danke, aber ich finde schon allein hinaus", erwiderte Moeller.

Feller wartete, bis der Kripobeamte gegangen war. Als die Wohnungstür ins Schloss fiel, wandte er sich an Barbara.

"Ich muss jetzt wieder in die Firma. Die Jungs machen sonst nur Blödsinn, wenn ich nicht da bin!"

"Martin, ich will jetzt die Wahrheit wissen! Was steckt dahinter?"

"Ich weiß nicht mehr als du, Barbara!"

15

Das Autohaus Feller lag an der Weststraße in City-Nähe. Ein günstiger Platz, wenn es auch langsam ein bisschen eng wurde.

Aber an eine Erweiterung war nicht zu denken. Die Gegend war einfach zu dicht bebaut. Das Geschäftszentrum am Sternplatz und das Freizeitbad waren in unmittelbarer Nähe.

Und zudem hatte die Werkstatt eine Hanglage. Aber das hatte fast jeder in Lüdenscheid. Die Einfahrt war sehr steil. Ein Testgelände für Handbremsen.

Martin Feller sprang aus dem Wagen und blickte sich um.

Seine Leute machten gerade Pause, als Feller missgelaunt die Werkstatt betrat. Charly Wallmeier erkannte das sofort.

Irgend eine ziemlich dicke Laus war dem Chef über die Leber gelaufen. Aber solange Jürgen, der Azubi dabeistand, würde Feller keine Silbe darüber reden.

"Du holst uns noch ein Bier, woll Jürgen?", fragte Charly Wallmeier kauend an Jürgen gewandt.

Jürgen verzog das Gesicht und knurrte etwas Unverständliches. Dann murrte er: "Warum muss eigentlich immer ich das Bier holen?"

Charly blickte auf. Will wohl den Aufstand im Gemüsegarten proben, der Kleine!, schoss es ihm durch den Kopf.

Dann sagte er ziemlich gallig: "Weil du der Lehrling bist. Deshalb."

"Auszubildender heißt das", knurrte Jürgen. Aber das klang schon ziemlich kleinlaut.

"Was auch immer. Jedenfalls holst du das Bier. Ob als Auszubildender oder als Lehrling. Hauptsache, du brauchst nicht den ganzen Tag und bist vor Feierabend noch zurück. Hast du mich verstanden?"

"Ja, ja..."

Jürgen zog mit schlurfenden Schritten ab. Als er weg war, wandte sich Charly an Martin Feller.

"Sag mal, Chef, war das der Bäumer heute Mittag?"

Aber der Chef schien mit den Gedanken meilenweit entfernt zu sein. Er brauchte volle zwei Sekunden, um zurückzukehren.

"Was?" Er blickte Charly verständnislos an. "Wovon sprichst du eigentlich?"

"Na, von dem Anruf."

Feller starrte ins Leere.

"Nein", murmelte er.

"Ach, wirklich nicht? Ich hätte darum gewettet!"

"Da hättest du verloren."

"Wer war's denn? Klang wie so'n arroganter Sack. Aber wenn du sagst, dass es der Bäumer nicht war... Also, die Stimme klang jedenfalls ganz ähnlich, woll!"

Feller atmete tief durch. Meine Güte, musste der denn immer tiefer in der Sache herumbohren?, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf.

Er sah Charly ins Gesicht.

"Können wir nicht über etwas anderes reden?"

"Klar."

"Na, also!"

"Aber ich versteh das nicht..."

"Da gibt's nichts zu verstehen!"

Charly verdrehte die Augen. Er war wirklich erstaunt. So kannte er den Chef gar nicht, und er hatte geglaubt, ihn wirklich gut zu kennen.

Lange, korrigierte er sich. Ich kenne ihn schon ziemlich lange.

Aber gut?

Er war sich nicht mehr sicher.

Trotzdem machte er einen letzten Versuch. Das konnte er ruhig riskieren, glaubte er.

"Was machst du denn für ein Geheimnis draus? Wer war's denn nun? Man wird ja richtig neugierig! Ich habe den Wagen vom Bäumer nämlich heute extra fertig gemacht, weil ich angenommen habe, dass er es gewesen ist!"

"Er war's aber nicht! Kapiert?", brauste Martin Feller plötzlich auf. Seine Nerven schien blank zu liegen.

"Meine Güte", meinte Charly erstaunt. "Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen! So kenn ich dich ja gar nicht!"

Martin Feller machte nur eine wegwerfende Handbewegung und sah zur Seite.

"Vergiss es!"

"Nun sag schon... Sind wir nun Freunde oder was?"

Feller wurde etwas ruhiger.

Er sagte in gedämpftem Tonfall: "Sicher sind wir Freunde."

 

Charly schlug ihm auf die Schulter.

"Na, also!"

"Ach komm! Der Anruf war nicht so wichtig!"

Aber Charly ließ nicht locker.

"Wer war's denn nun? Mir kannst es doch sagen! Wir kennen uns doch schon eine Ewigkeit, also was soll das Versteckspiel! Auch wenn's was Unangenehmes ist!"

Charly war sich eigentlich ziemlich sicher, dass es etwas Unangenehmes sein musste. Fragte sich nur, wie unangenehm.

Und falls es die Firma betraf, dann betraf es auch Charly Wallmeier. Schon deswegen hatte er ein Recht darauf nachzuhaken, so fand er.

Ein paar Augenblicke lang sagte keiner der beiden Männer ein Wort.

Schließlich murmelte Martin wenig überzeugend: "Es war irgend so ein Idiot."

Charly legte die Stirn in Falten und kratzte sich hinter dem Ohr. Er begriff nicht ein einziges Wort.

"Wieso?", fragte er.

"Er hat sich nicht gemeldet."

"Überhaupt nicht?"

Feller schüttelte den Kopf. "Er hat nur geatmet, der blöde Hund. Und dann aufgelegt."

Charly zuckte die Achseln, nahm seine Zigaretten hervor und zündete sich eine an.

"Was soll's!", meinte er leichthin. "Da wollte dich jemand ärgern! Ich würde das nicht so ernst nehmen."

Martin Feller antwortete fast tonlos. Und Charly spürte instinktiv, dass sein Chef Angst hatte.

"Er hat das schon dreimal gemacht", presste Feller heraus. "Bisher immer abends, wenn ich zu Hause bin. Und jetzt zum ersten Mal in der Firma."

Charly pfiff durch die Zähne.

"Hast du in letzter Zeit mal jemandem böse auf die Füße getreten?"

"Nein."

"Überleg mal!"

"Jedenfalls nicht, das ich wüsste!"

Charly versuchte heiter zu wirken.

"Vielleicht einer, der mit dem Auto nicht zufrieden war, das du ihm angedreht hast!"

"Quatsch!", erwiderte Feller.

"Naja..."

"Ich fahre heute früher nach Hause. Du schaffst das hier auch alleine, oder?"

"Sicher, Chef!"

"Okay."