Der direkte ZEN-Weg zur Befreiung

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Der direkte ZEN-Weg zur Befreiung
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Das vorliegende Buch ist die erweiterte Fassung des gleichnamigen Hörbuches, das im Hörbuchverlag steinbach sprechende bücher erschienen ist.

Viele Hörer haben in ihren Briefen den Wunsch geäußert, diesen Text auch in Buchform lesen zu können, um sich noch intensiver mit seiner tiefen Weisheit auseinanderzusetzen.

Dieser Wunsch hat dazu geführt, den Text, zusätzlich mit Zen-Meister Zenshos ausführlicher »Einführung in das Wesen und die Praxis des Zen«, jetzt auch als Buch zu veröffentlichen.

eBook (1. Auflage Printversion August 2015)

© EchnAton Verlag Diana Schulz e.K.

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Umschlaggestaltung: Michel Schmidt

Foto Rückseite: Verena Maus

Zeichnungen: Zensho W. Kopp

Druckoptimierung (Printversion): Reinhard Zanella

Typografie und Satz (Printversion): Torsten Zander

Lektorat: Verena Beau, Nikolai Bonstedt

ISBN Printversion: 978-3-937883-70-0

ISBN E-Book: 978-3-937883-73-1

www.echnaton-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

Einführung in das Wesen und die Praxis des Zen

Das augenblickliche Erfassen der Wirklichkeit

Das Schwert der Weisheit

Der Selbst-Geist ist Buddha

Koan-Praxis

Am Abgrund des Nichts

Der Meister

Satori – die große Erleuchtung

1. Kapitel: Die Suche nach der Wahrheit

Der innere Ruf

Stillschweigendes Erkennen

2. Kapitel: Die große Vertrauenserweckung

Innere Wandlung

Das Vertrauen des Herzens

3. Kapitel: Die Unmittelbarkeit des Zen

Begrenzte Blickwinkel

Vergänglichkeit

4. Kapitel: Das Wirken des Einen Geistes

Berührtwerden vom Ewigen

Hingabe an das Ewige

5. Kapitel: Das Aufgeben aller Täuschungen

Keine Lehren

Grenzenlose Befreiung

6. Kapitel: Die Weisheit des Loslassens

Nicht-Tun

Der lachende Buddha

7. Kapitel: Der ursprüngliche Zustand des Geistes

Allumfassende Ganzheit

Das Licht unseres wahren Seins

8. Kapitel: Die nicht-unterscheidende Klarschau

Annehmen und Verwerfen

Harmonischer Wandel

9. Kapitel: Weder Sein noch Nichtsein

Gegensätzlichkeit

Befreiung von Konzepten

10. Kapitel: Jenseits von Leben und Tod

Angst vor dem Sterben

Befreiung vom Ich-Wahn

11. Kapitel: Die große Befreiung

Mystisches Sterben

Der König und sein Papagei

12. Kapitel: Zen – die Weisheit des Nicht-Suchens

Suchen, ohne zu suchen

Zielorientiertheit

13. Kapitel: Der wahre Zen-Geist

Falsche Meditationspraxis

Wahre Zen-Praxis

14. Kapitel: Die Heiterkeit des Geistes

Hier und jetzt ist die Ewigkeit

Der Hund im Spiegelsaal

15. Kapitel: Das innere Schweigen vor dem Unendlichen

Unaussagbares Geheimnis

Rankengewirr

16. Kapitel: Zen – der Weg der persönlichen Erfahrung

Den Augenblick erfassen

Kraftvolle Lehrmethode

17. Kapitel: Das Schwert der nicht-unterscheidenden Weisheit

Die Unmittelbarkeit des Zen

Folge mir »jetzt« nach

18. Kapitel: Das augenblickliche Erfassen der Wahrheit

Die Gans in der Flasche

Projektionen

19. Kapitel: Die strahlende Wirklichkeit des Geistes

Jenseits von Reden und Schweigen

Der Donner der Stille

Glossar

Kontaktadresse

Weitere Titel des Meisters Zensho W. Kopp im EchnAton Verlag:

.

Wenn man seinen Geist jählings in die unergründliche Tiefe entsinken lässt,

die Verstand und Denken niemals zu erreichen vermögen,

wird man den absoluten, strahlenden Einen Geist erschauen.

So erlangt man Befreiung vom Kreislauf von Geburt und Tod.

Zen-Meister Ta-hui (12. Jh.)

Vorwort

Die in diesem Buch in ihrer Direktheit außergewöhnlich klaren Aussagen sind erfüllt von der tiefen Weisheit des Zen. Sie bergen in sich solch eine geistige Strahlkraft, dass sie uns in unserem Allerinnersten berühren.

Hierbei wird oft die Logik unseres festgefügten Verstandesdenkens erschüttert und es eröffnet sich uns die Möglichkeit, die für unseren Verstand unfassbare Wahrheit intuitiv zu erfassen.

Auf zeitgemäße und erfrischend unkonventionelle Weise lehrt Zen-Meister Zensho ein vollkommen freies Zen, das an keine bestimmte Form gebunden ist. So finden sich in diesem Buch neben den vielen Zen-Zitaten auch mehrere Zitate aus dem indischen Vedanta und der christlichen Mystik.

Das Besondere an Zenshos Lehrmethode ist, dass er ohne beschönigende Umschweife direkt auf den Punkt kommt und auf das Wesentliche verweist. So sind auch seine aufrüttelnden Worte in diesem Buch eine totale Rebellion gegen unseren konditionierten Verstand. Denn sie zertrümmern unsere ganzen festgefügten Konzepte und alle unsere liebgewonnenen Illusionen. Mit zenistischer Konsequenz wird alles hinweggefegt, damit wir fähig werden, zur Befreiung des Geistes jenseits unserer begrenzten Verstandeslogik zu gelangen und den Zustand reiner Bewusstheit zu erfahren.

Von der ersten bis zur letzten Seite des Buches geht es Zensho insbesondere um unsere Erweckung aus dem alltäglichen Schlummer der Gewohnheiten, der uns am unmittelbaren Erleben der Wirklichkeit hindert. So sagt Zensho:

Grundlegend im Zen ist deshalb die Verwirklichung von absoluter Bewusstheit jetzt-hier, von Augenblick zu Augenblick, wo wir auch sind und bei allem, was wir tun. Die Wahrheit des Zen ist einfach und unmittelbar. Sie zeigt sich gerade in den allergewöhnlichsten Dingen des Alltags.

 

Die Wirklichkeit, die wir suchen, ist stets gegenwärtig – gerade in diesem Augenblick! Im Trinken eines Glases Wasser oder beim Binden der Schnürsenkel – offenbart sich das Geheimnis und Wunder des Zen. Dies ist aber nur für denjenigen nachvollziehbar und erfahrbar, der vollkommen gegenwärtig aus dem unmittelbaren Augenblick heraus die Dinge erlebt.

Ein wunderbares Beispiel hierfür findet sich in Zenshos mit großer Spontaneität und absoluter Bewusstheit gezeichneten Bildern in diesem Buch, die auf unmittelbare Weise den Geist des Zen zum Ausdruck bringen. Zen ist eine reine Sache der Erfahrung. Deshalb warnen uns alle großen Meister des Zen immer wieder davor, Zen zum Gegenstand logischer, verstandesmäßiger Spekulation zu machen. Denn wir können die Wahrheit des Zen nicht als ein Konzept, nicht als eine Lehre oder Philosophie erlernen.

Aus diesem Grund werden theoretische Darlegungen der buddhistischen Lehre im Zen mit einem Finger verglichen, der auf den Mond zeigt. Wenn wir den Mond sehen wollen, dann dürfen wir jedoch nicht bei der Betrachtung des Fingers, der auf den Mond zeigt, hängen bleiben in der irrtümlichen Annahme, er sei der Mond. Vielmehr müssen wir uns von dem Finger lösen und den Mond selbst anschauen.

Mit brillanter Klarheit weist uns Zensho den Weg zur Befreiung von unserem blockierenden Denkzwang und unseren konditionierten Gefühls- und Verhaltensmustern, die uns die wahre Sicht verdunkeln und unser Leben leidvoll und unfrei machen.

Hierbei lässt er auch anhand vieler Zitate die alten chinesischen Zen-Meister, die mit ihren paradoxen Worten und Handlungen unseren Verstand aus den Angeln heben, selbst zu Wort kommen.

So wird zum Beispiel ein Ausspruch von einem alten Meister oder oft auch ein Mondo – ein Dialog zwischen Meister und Schüler – aus der klassischen Zen-Literatur aufgegriffen und von Zensho erhellend durchleuchtet.

Diese klärenden Erläuterungen bieten den wesentlichen Schlüssel zum Verständnis der Aussagen.

Ohne diese Erläuterungen von einem Meister, der sich in der gleichen erleuchteten Bewusstseinsdimension befindet wie diese alten chinesischen Meister, bliebe uns der tiefe Sinngehalt dieser Aussagen verschlossen – insbesondere der jener »schlagfertigen« Dialoge zwischen Meister und Schüler, in denen oftmals handgreiflich das festgefahrene Denken des Zen-Schülers zerschlagen wird.

Eine äußerst wertvolle Bereicherung für dieses Buch ist Zen-Meiser Zenshos ausführliche Einführung in »Das Wesen und die Praxis des Zen«, die dem Leser eine komprimierte Zusammenfassung der Zen-Praxis vermittelt.

Wir spüren in diesem sehr lebendigen Zen-Buch mit Zenshos ausdrucksstarken Zeichnungen, die den Geist des Zen atmen, die Verwirklichung und Freiheit eines der bedeutendsten Weisheitslehrer unserer Zeit. Er besitzt die besondere Gabe, die tiefe Wahrheit des Zen auf zeitgemäße Weise zu vermitteln.

Zenshos Sprache ist erfrischend lebensnah und von einer erstaunlichen Klarheit, die uns verwandelt und befreit.

Er weist uns auf einfache Weise den Weg zur Verwirklichung unseres wahren Seins, der sich mitten im Alltag unserer modernen Welt praktizieren lässt.

All diejenigen, die jedoch glauben, sich auf dem spirituellen Weg vom alltäglichen Leben abgrenzen zu müssen, werden in diesem Buch schnell eines Besseren belehrt. Denn Zenshos direkter Zen-Weg zur Befreiung ist »radikal empirisch«. Er ist kein Weg weltflüchtiger, elitärer Abgeschiedenheit, sondern führt mitten durch die Welt hindurch.

Mai, 2015

Zen-Zentrum Tao Chan, Wiesbaden

Kommentar zu den Zeichnungen

Das Einmalige und besonders Wertvolle der in diesem Buch gesammelten Zeichnungen ist, dass sie bildgewordene Offenbarungen eines erleuchteten Bewusstseins sind. Fernab von aller traditionellen Gebundenheit geht der Zen-Meister und Künstler Zensho W. Kopp vollkommen eigene Wege, indem er seine Bilder nicht wie sonst in der Zen-Kunst allgemein üblich mit schwarzer Tusche, sondern mit dem Bleistift zeichnet.

Zenshos Zeichnungen, die den wahren Geist des Zen atmen, sind sichtbar gewordene Reflektionen aus seinem Allerinnersten. Seine künstlerische Ausdrucksweise entspricht jener der chinesischen und japanischen Zen-Maler, die mit wenigen Strichen und oft geradezu ungestümem Pinseleinsatz das Wesentliche auszusagen wussten.

Zenshos spontane Malweise wie auch die abstrakten Formen seiner Zeichnungen bringen den Geist des Zen auf eine Weise zum Ausdruck, wie es Worte nicht vermögen. Einen Eindruck davon gewinnt man auch in seinem 2011 im Schirner Verlag erschienenen Bildband »Im Farbenrausch des Göttlichen«.

So fühlen wir, dass uns in den subtilen Spannungsverhältnissen seiner Zeichnungen – zwischen Linie und der weißen Fläche des Hintergrundes, zwischen Form und Formlosem – etwas Unfassbares berührt.

Die Formen scheinen entmaterialisiert zu entschweben, um im leeren Grund der transzendenten jenseitigen Sphäre aufgehoben zu sein. So ist der leere Bildgrund in Zenshos Gemälden weitaus mehr als nur der unbemalte Teil des Bildes.

Der leere Grund wird in der Zen-Malerei mit dem leeren Grund des Seins identifiziert und steht für die form- und eigenschaftslose Leere, Shunyata. Dieser leere Grund ist jene absolute Wirklichkeit, die durch die Transparenz aller Formen und Farben und somit durch alle Erscheinungen hindurchleuchtet.

Hier zeigt sich auch die tiefe Bedeutung des Aussparens und Leerlassens in Zenshos Bildern. Die Reduktion der Erscheinungen auf ihre Wesenheit ist der Kern seines künstlerischen Schaffens. Es befasst sich nicht mit den sinnlich wahrgenommenen Erscheinungen, sondern mit jener absoluten Wirklichkeit, die hinter allem liegt. Diese allerhöchste Wirklichkeit wird in der Zen-Malerei durch das Kreissymbol »Enso« zum Ausdruck gebracht. Es ist eines der bekanntesten Symbole des Zen, das wir in Zenshos Zeichnungen immer wieder finden.

In seinen von atmosphärischer Klarheit geprägten Zeichnungen drückt sich so die Schau eines spirituellen Meisters aus, der in seinem Erwachen zur Wirklichkeit des Seins die allem zugrundeliegende Harmonie und Ganzheit des Universums erfahren hat.

Versunken in die stille Betrachtung dieser Bilder, eröffnet sich uns ein neuer, ungeahnter Zugang zur Wirklichkeit unseres wahren Seins. Denn was der Künstler und Mystiker in seine Bilder hineingab, strömt aus ihnen hervor und fließt mit unwiderstehlicher Macht in unseren Geist über.

Zen-Meister Zenshos Zeichnungen in diesem Buch sind wahre Meisterwerke künstlerischen Schaffens.

Und wer sich auf diese in den Bereich des Sichtbaren getretenen Offenbarungen des Unsichtbaren einlässt, der lässt sich damit zugleich auf jene Wirklichkeit ein, aus der sie hervorgetreten sind.

Mai, 2015

Edward Duvernoy

Einführung in das Wesen und die Praxis des Zen
Das augenblickliche Erfassen der Wirklichkeit

Das wesentliche Anliegen des Zen ist das Erwachen zur Wirklichkeit unseres wahren Seins. Es verweist stets mit äußerstem Nachdruck auf den Einen Geist als unser ursprüngliches, wahres Wesen und ist zugleich eine vollkommen praktische, ganz auf die Wirklichkeit des Hier und Jetzt ausgerichtete Lehre. Die Methode seiner geistigen Vermittlung ist verblüffend einfach und unmittelbar direkt. Deshalb lässt Zen alles überflüssige Drum und Dran beiseite und verweist nur auf die absolute Wirklichkeit, die sich jetzt-hier offenbart.

Zen ist die Essenz und der Höhepunkt des gesamten Buddhismus. Obwohl es ursprünglich aus dem Buddhismus hervorgegangen ist, hat es sich sehr schnell vom traditionellen Buddhismus abgewandt.

Denn Zen interessiert sich nicht im Geringsten für die hohen philosophischen Spekulationen buddhistischer Gelehrsamkeit. Ganz im Gegenteil – es ist vielmehr darum bemüht, konsequent mit dem diskursiven Verstandesdenken zu brechen, das stets bestrebt ist, alles, was in den Bereich des Unergründlichen gehört, zu definieren und somit zu begrenzen.

Deshalb sagt der chinesische Zen-Meister Ying-an (12. Jh.):

Die Wahrheit des Zen kann man nicht durch Vorträge, Debatten und Erörterungen erlangen.

Wenn du irgendwann plötzlich das Licht deines Geistes umwendest und alle Täuschungen durchschaust, wirst du das wahre Selbst erblicken.

Dies ist das ursprüngliche, lebendige Zen des augenblicklichen Erfassens der Wirklichkeit, wie es von den großen chinesischen Meistern in der Zeit der Hochblüte des Zen praktiziert wurde. Es hebt sich ab durch seine radikale Unabhängigkeit und lehrt auf erfrischend lebendige Weise einen direkten Weg zur Befreiung, der an keine bestimmte Form gebunden ist. Eines der wesentlichen Merkmale des Zen ist die besondere Art der Übertragung außerhalb aller buddhistischen heiligen Schriften und Worte.

Denn alles unterscheidende Verstandesdenken ist für die Anhänger des Zen-Buddhismus ein grundsätzliches Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung.

Deshalb bietet Zen auch keine bestimmte Lehre und keine fertigen Antworten. Es entzieht sich unserer Vernunft und widersetzt sich jeder begrifflichen Bestimmung.

Daher erklärte Boddhidharma, der legendäre erste Patriarch des Zen aus dem 6. Jahrhundert:

Meine Lehre dringt unmittelbar direkt in des Menschen Herz. Daher ist sie einzigartig und nicht verstrickt in Worte und kanonische Vorschriften; sie ist die unmittelbare Weitergabe des echten Siegels.

Zen kann man nicht lernen, nicht studieren. Denn es lässt sich nicht durch die begrenzte Einseitigkeit des ich-zentrierten Verstandes begreifen. Diejenigen, die Zen erlernen wollen, sind schon von Anfang an auf dem falschen Weg. Man kann den Zen-Buddhismus noch so ausgiebig studiert haben und alles darüber wissen. Doch was nützen all die leeren Worte, wenn man sein eigenes, wahres Wesen nicht erkennt?

Zen führt uns über die Welt des Intellekts hinaus zu einer Wirklichkeit, die schon immer da war, lebendig, allgegenwärtig und frei von Abstraktionen.

Der Gebrauch der Logik des unterscheidenden, begrifflichen Denkens zur Ergründung der letzten Wahrheit ist in den Augen des Zen Unwissenheit.

Denn sich auf das verstandesmäßige Begreifen zu verlassen bedeutet, das innere Licht unseres wahren Selbst daran zu hindern, sich zu entfalten.

Der wahre Selbst-Geist, neben dem nichts anderes existiert, ist die »leere«, strahlende Natur des Seins. Dieser Geist ist seinem Wesen nach ohne Substanz und allgegenwärtig. Er ist unsere absolute Wirklichkeit, die sich »jetzt-hier« offenbart. Alles, was als die vielfältigen Formen vor unseren Augen erscheint, ist die Widerspiegelung dieses Einen Geistes.

Es gibt keine Existenz und keine Nicht-Existenz der Phänomene. Erscheinung und Wirklichkeit durchdringen einander vollständig. Dies ist die zentrale Botschaft des Zen.

Deshalb heißt es auch im Mahaprajnaparamita-Hridaya-Sutra, kurz »Herz-Sutra« genannt, das täglich in den Zen-Klöstern rezitiert wird: »Form ist Leere und Leere ist Form«. Ein intuitives Verständnis dieser »Nur-Geist-Lehre«, mit einem unerschütterlichen Glauben an die ursprüngliche Reinheit des Geistes, gilt im Zen als unerlässliche Voraussetzung zur Erleuchtung.

Alles ist ein allumfassendes Ganzes, das alles in sich beschlossen hält. Deshalb gibt es im Zen auch keine Trennung zwischen heilig und gewöhnlich, denn es unterscheidet nicht zwischen spirituellem Leben und aktivem Leben. Die ganze Welt, das ganze Universum, alles ist heilig, nichts, was nicht heilig wäre, und dies heißt letztlich: »Nichts ist heilig.« Mit den Worten von Bodhidharma, als Antwort auf die Frage, was das Heiligste in der Welt sei: »Offene Weite – nichts von heilig!«

Zen ist eine reine Angelegenheit der persönlichen Erfahrung. Deshalb will und muss es gelebt werden, überall und zu jeder Zeit, in jedem einzelnen Augenblick des Tages, denn der gegenwärtige Augenblick umfasst alles, die ganze Fülle des Seins. Wenn wir den gegenwärtigen Augenblick versäumen, versäumen wir das wirkliche Leben, denn wir versäumen die allgegenwärtige göttliche Wirklichkeit.

Das Schwert der Weisheit

In der unmittelbaren Gegenwart des Jetzt befinden wir uns in der zeitlosen Ewigkeit des Seins. Deshalb müssen wir den gegenwärtigen Augenblick hellklar bewusst und stets neu erfahren, indem wir uns ganz auf ihn einlassen – frei von allen Vorstellungen und Konzepten.

Wir müssen die Wahrheit des Zen wirklich ganzheitlich erfahren und mit unserem ganzen Sein innerlich aufnehmen und erleben. Doch da wir das unaussprechliche, tiefe Geheimnis des Zen mit unserem Denken nicht erfassen können, bedürfen wir der wortlosen Einweihung durch einen erleuchteten Meister, damit sich unser inneres Auge der Erkenntnis öffnet. Dies geschieht in der Tradition des Zen in einer direkten, geheimen Übertragung von Herz-Geist zu Herz-Geist. Deshalb sagt der chinesische Zen-Meister Huang-po (9. Jh.):

 

Es gibt kein Verständnis durch Worte, sondern nur eine Übertragung von Geist zu Geist.

In ihrer kraftvollen, direkten Art der Vermittlung ermahnen die Meister des Zen ihre Schüler immer wieder, nicht an Worten zu haften, weil die höchste Wahrheit nicht ausgesagt werden kann, nie ausgesagt worden ist und nie ausgesagt werden wird. Denn die höchste Wahrheit ist dynamisch und lebendig, während unsere Begriffe statisch und tot sind.

Deshalb fordert uns Zen auf, unseren Geist von allem – was es auch sei – zu befreien und uns nicht auf irgendwelche künstlichen Methoden zum Erlangen der Wahrheit zu verlassen. Folgen wir also dieser Auffassung und ergreifen wir das Schwert der nicht-unterscheidenden Weisheit und zerschlagen wir jetzt, in diesem Augenblick, die Fesseln unserer verstandesmäßigen Interpretationen. Mit den kraftvollen Worten des chinesischen Zen-Meisters Shüeh-tou (11. Jh.):

Wo das Schwert der Weisheit herniedersaust, verlieren Sonne und Mond ihr Leuchten, und Himmel und Erde verlieren ihre Farbe. Durch diese Erfahrung platzen die Wänste der Teufel, und es öffnet sich dir das Auge der transzendenten Weisheit.

Zen ist keine Angelegenheit des Lernens, sondern vielmehr eine des Verlernens. Es ist eine Rückkehr zum Ursprung unseres wahren Seins. Das heißt: Wir müssen unser ganzes illusorisches Wissen und unsere bisher angesammelten Kenntnisse über Zen und Buddhismus vollkommen hinter uns lassen, wenn wir die unvergleichliche Erleuchtung erlangen wollen. Man mag diesen Lehren allenfalls einen hinführenden, vorbereitenden Wert zugestehen.

Doch in den Augen der großen alten chinesischen Zen-Meister wie Lin-chi, Ma-tsu, Hui-neng und Huang-po waren alle Schriften des traditionellen Buddhismus nur wertloses Papier. So sagt auch der chinesische Zen-Meister Yung-chia (8. Jh.):

Unmittelbar die Wurzel abschneiden, das ist das Siegel des Buddha. Um das Aufsammeln von Blättern und die Suche nach Zweigen kümmere ich mich nicht.

Wenn wir also die tiefe Wahrheit des Zen wirklich erfahren wollen, müssen wir uns direkt auf sie einlassen und es vermeiden, dass uns Begriffe und Vorstellungen von der Wirklichkeit trennen. In der Sprache des Zen: »Wo nichts gesucht wird, ist der ungeborene Selbst-Geist gegenwärtig.« Deshalb geben Zen-Meister keine langen Erklärungen ab und definieren auch nichts, denn definieren heißt Grenzen setzen.

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