Trotz Depressionen ein erfolgreiches Leben

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Trotz Depressionen ein erfolgreiches Leben
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Trotz Depressionen ein erfolgreiches Leben

1. Auflage, erschienen 5-2021

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Wilfried Zaube

Layout: Romeon Verlag

ISBN: 978-3-96229-819-7

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

WILFRIED ZAUBE

Trotz Depressionen

ein

erfolgreiches Leben

Wie sie ihrem Leben wieder einen neuen Sinn geben können

Inhalt

1. Kindheit und Jugendzeit

2. Berufsausbildung und Bullenkloster

3. Wohngemeinschaft und Weiterbildung

3.1 „44“ – für immer unvergesslich

3.2 Endlich etwas nachholen

3.3 Ming eeste Fründin

4. Erster Job als Taxifahrer

5. Hochschulstudium – erste Anzeichen einer beginnenden schrecklichen Krankheit

5.1 Eine ernst zu nehmende Überraschung

6. Erster Job nach dem Studium

7. Ausbruch der Krankheit

7.1 Mein erster Besuch bei einem Psychiater/Neurologen

8. Notwendiger Klinikaufenthalt

9. Ein neuer beruflicher Anlauf

9.1 Ein entscheidender beruflicher Wendepunkt

9.2 Ein Job auf Lebenszeit

10. Die Krankheit schlägt erneut zu

11. Eine einzigartige Therapie

12. Die Krankheit ist erst einmal besiegt

12.1 Beginn einer Dauertherapie

13. Eine erneute berufliche Veränderung

14. Weitere Herausforderungen

14.1 Ein neuer Job innerhalb des Unternehmens

14.2 Eine enorme private Veränderung

14.3 Schnelle berufliche Erfolge bleiben zunächst aus

15. Die Krankheit schleicht sich zurück

16. Räumliche Veränderung

17. Zehn Jahre ein fast normales Leben

18. Ein neues, bleibendes Zuhause

19. Erste Signale, die nichts Gutes verheißen

20. Burn-out – was ist das denn?

21. Eine sehr lange Auszeit

22. Ein beruflicher Neustart

22.1 Eine aufreibende Zeit

22.2 Eine neue Chefin

23. Das aktive Berufsleben endet

24. Ein scheinbar ruhiger Lebensabschnitt beginnt

24.1 Schwierige Monate

24.2 Eine unerwartete wirkungsvolle Hilfe

24.3 Eine mögliche Unterstützung

24.4 Schlimmer geht immer!

25. Eine weitere Therapieform

26. Eine sehr schöne familiäre Veränderung

27. Psychische Stabilität stellt sich ein

28. Erfolg vor dem Sozialgericht

29. Zwei Unfälle innerhalb von zwei Monaten

30. Trotz Depressionen ein erfolgreiches Leben

Warum ich dieses Buch für Sie geschrieben habe

Obwohl ich im Münsterland geboren bin, wo die Menschen oft als sture Westfalen angesehen werden, habe ich die rheinische Lebensweise recht schnell gemocht.

Die Rheinländer sind als offene, tolerante und herzliche Menschen bekannt. Wenn du zum Beispiel im Urlaub auf eine Gruppe Kölner(innen) triffst, dann bist du nicht mehr einsam, weil du schnell dazugehörst. Die menschlichen Eigenschaften habe ich lieben gelernt und meinen Mitmenschen auch vorgelebt. Wenn du als ein „Junge aus dem Leben“ bezeichnet wirst, ist das für einen Westfalen eine hohe Anerkennung. Die Menschen in deinem Umfeld schätzen dich, weil du angenehm im Umgang bist, stets ein offenes Ohr für andere hast und fast immer gut drauf bist. Ja, ich hatte viel Spaß an der Freud.

Bis zu meinem 26. Lebensjahr befand ich mich meistens auf der Sonnenseite des Lebens.

Doch dann zogen plötzlich und unerwartet dunkle Wolken auf. Mein Gefühlsleben änderte sich auf eine Art und Weise, die ich nicht zuordnen konnte. Aus Freude wurde Trauer. Positives kehrte sich in Negatives um. Was war nur mit mir geschehen?

Nach einiger Zeit stellte ein Psychiater die Diagnose: „Schwere Depressionen“. Damit sind wir erst einmal nicht allein. Jedem von uns können im Verlauf seines Lebens Dinge passieren, die zu einer psychischen Störung führen. Hinzu kommen unsere Angehörigen und engste Freunde, die gewissermaßen an dieser Krankheit mitleiden. In Deutschland basieren circa 42 Prozent aller neuen Erwerbsminderungsrenten auf der Diagnose „Psychische Störungen“. Ein Drittel der Deutschen werden irgendwann in ihrem Leben psychisch erkranken. Kein schöner Trost für uns. Doch die Zahlen zeigen, wie diese Krankheit sich in der gesamten Gesellschaft breitmacht und den Betroffenen das Leben erschwert.

Es wurde zunehmend dunkler in meinem Leben.

•Wie bin ich 40 Jahre damit umgegangen?

•Wie konnte ich zumindest zeitweise wieder auf der Sonnenseite sein?

 

•Was hat mir konkret dabei geholfen?

Im Folgenden möchte ich Ihnen über meine persönlichen Erfahrungen erzählen, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken und bis auf den heutigen Tag andauern.

Ein bewegtes und erfolgreiches Leben – trotz Depressionen

Lebensbericht eines chronisch psychisch Kranken mit wertvollen Hinweisen für Betroffene im Alltag

1. Kindheit und Jugendzeit

Ich bin am 05.07.1956 im südlichen Münsterland geboren. Dabei habe ich das Licht der Welt nicht in einem Kreißsaal erblickt, sondern es war eine Geburt im Hause meiner Großeltern. Meine ersten fünfzehn Lebensjahre waren leider nicht in einem funktionierenden Familienleben gebettet. Die so oft beschriebene Nestwärme war weitestgehend nicht vorhanden. Das lag im Wesentlichen daran, dass meine Eltern eine katastrophale Ehe führten. Bis ich mein Elternhaus im Alter von 15 Jahren verließ, kann ich mich hauptsächlich nur an Zank und Streit, begleitet von diversen Handgreiflichkeiten, erinnern. Es waren zeitweise traumatische Erlebnisse. Meine drei Geschwister und ich waren dabei mit Sicherheit die Leidtragenden. Was für Auswirkungen diese schrecklichen Erlebnisse auf uns Kinder im späteren Leben haben sollten – wer weiß das schon so genau?

Die ersten Lebensjahre haben Kinder in der Regel kein Erinnerungsvermögen. Bis zum Schulalter bin ich regelmäßig für mehrere Wochen oder gar Monate bei den väterlichen und mütterlichen Großeltern herumgereicht worden. Während dieser Zeit wurde die Ehe meiner Eltern zum ersten Mal geschieden. Als ich in die Schule kam, wohnten wir in einer recht einsamen Gegend im Sauerland. Damals gab es noch die sogenannten Zwergschulen. Acht Schuljahre mit zwei Lehrern. Die Schuljahre bestanden aus sechs bis acht Kindern. Der Unterricht erfolgte zeitlich verschoben. Heute kaum vorstellbar, dass es einmal ein derartiges Schulsystem gegeben hat.

Das zweite Schuljahr habe ich dann nicht mehr im Sauerland erlebt, wir wohnten mittlerweile wieder bei den Großeltern. Meine Eltern waren zum zweiten Mal verheiratet. Mein Vater arbeitete als Bergmann. In den 60er-Jahren begann im Ruhrgebiet das erste Zechensterben. Deswegen sind wir 1967 in die Aachener Gegend gezogen. Dort gab es noch hochmoderne Zechen, die noch viele Jahre Steinkohle förderten. Hier verbrachte ich die nächsten vier Jahre meines aufregenden Jugendlebens. Ich habe im Fußballverein, beim SV 07 Setterich, gespielt. Als linker Verteidiger war ich nie der große Ballkünstler. Dabei sein war schon damals alles. Es ging im Wesentlichen um die klasse Gemeinschaft.

Wir hatten uns einen Partykeller eingerichtet. Die Bee Gees waren gerade hochaktuell. Mit den Mädels ging es auch so langsam los. Aus heutiger Sicht doch immer noch recht harmlos.

Weil das Taschengeld immer sehr knapp war, wenn es überhaupt welches gab, habe ich in jungen Jahren immer schon gearbeitet. Ob es in der Gärtnerei oder auf dem Bau war, Geld für die Kirmes war immer vorhanden. Zu Hause wurde ich als ältester Sohn immer hart in diverse Hausarbeiten eingespannt. Deswegen bin ich heute im Kartoffelschälen und anderen grundlegenden Hausarbeiten unschlagbar. Es gab noch keine Spülmaschine, diese Funktion übernahm ich auf Dauer. Von Kind an hart zu arbeiten, hat mich bestimmt für mein späteres Leben geprägt.

2. Berufsausbildung und Bullenkloster

Kurz vor Ende des neunten Schuljahres in der Hauptschule habe ich ein zweiwöchiges Schülerpraktikum begonnen, um den Arbeitsmarkt besser kennenzulernen. Das war damals eine neue Einrichtung des Schulministeriums. Ich habe mich dabei für eine kleine Bäckerei/Konditorei entschieden. Dort frühmorgens angekommen, begann für mich als 15-Jähriger ein völlig fremder Tagesablauf. Um fünf Uhr auf der Matte stehen und dann um 14.00 Uhr Feierabend.

Eines hat mir sofort sehr gefallen: dass es jeden Morgen ein ausgiebiges gemeinsames Frühstück gab, mit knusprigen warmen Brötchen und leckeren Brotaufstrichen. Tagsüber konnte ich mich dann an meinen geliebten Puddingteilchen erfreuen. Ich fand alles so großartig, dass ich bereits nach zwei Wochen einen Lehrvertrag als Bäcker/Konditor angeboten bekommen habe.

Kurz danach musste ich wegen widriger Umstände kurzfristig Geld verdienen, um einen von mir verursachten Schaden auszugleichen. Eine jugendliche Dummheit, die mir sehr unangenehm ist und auf die ich deswegen hier nicht näher eingehen möchte. Dennoch sollte es sich für meine Zukunft positiv auswirken.

Mithilfe eines sehr netten Lehrerehepaares fand ich eine Aushilfsstelle in einem Chemielaboratorium einer großen Kokerei in unserer Nachbarstadt. Das war für mich wieder eine völlig andere Welt. Ich tauschte Backstube, Backofen und Kuchenbleche gegen Pipetten, Erlenmeyerkolben und feine Messgeräte aus. Das Umfeld, die praktische Arbeit und die einzelnen Arbeitsabläufe haben mich derart fasziniert und positiv beeinflusst, dass ich nach vier Wochen Arbeitseinsatz fest entschlossen war, einen Beruf in einem Laboratorium zu erlernen.

Daraufhin habe ich mich nur einige Wochen vor Bewerbungsschluss bei der Bayer AG in Leverkusen beworben. Überraschenderweise erhielt ich eine Einladung für einen ganztägigen Test in Leverkusen. Mannomann, war das aufregend! Ich fuhr dorthin und bestand den Test nach einem schweißtreibenden Tag. Das Unternehmen hat mir danach eine Ausbildungsstelle zum Chemielaborjungwerker angeboten. Was für eine Perspektive! Als junger Spund endlich von zu Hause weg, raus aus der Provinz – hinein in das Großstadtleben. Darüber hinaus war ich einfach nur happy, von zu Hause wegzukommen, weil die Ehe meiner Eltern schon länger kriselte und bald danach auch geschieden wurde. Im August 1971 zog ich von zu Hause aus. Leverkusen sollte für viele Jahre meine zweite Heimat werden. Ich wohnte in einem Lehrlingsheim (auch Bullenkloster genannt) mit 50 weiteren Auszubildenden zusammen.

Dieses Umfeld war nun etwas völlig Neues für mich. Raus aus dem geteilten Kinderzimmer mit meinen beiden Brüdern in ein eigenes Zimmer mit Etagendusche und Etagentoilette. Direkt am ersten Tag nach dem Eintreffen wurden die vorher gesammelten Bilder der damals bekannten Musik- und Popgruppen an die Wände gehängt. Schön bunt und dekorativ sah es aus – das war vorher zu Hause selbstverständlich unmöglich gewesen. In dieser Einrichtung gab es jetzt deutlich mehr Freiheiten, allerdings lernte ich in kleinen Dingen auch, Verantwortung zu übernehmen.

Gegen 22.00 Uhr ging der Heimleiter durch alle Zimmer, um zu schauen, ob auch alle brav anwesend sind und insbesondere keine weiblichen Gäste an Bord waren. Er forderte auch immer wieder zur baldigen Bettruhe auf. Im Speiseraum gab es eingeteilte Küchen- und Reinigungsdienste, an denen sich jeder Bewohner beteiligen musste. Für mich war das keine große Sache, weil ich als ältester Sohn schon in jungen Jahren zu Hause im Haushalt immer mit ranmusste. Dennoch war es eine gute Schulung für alle Bewohner, sich für die Gemeinschaft einzusetzen, und auch eine gute Grundlage für den späteren Schritt nach der Zeit im Lehrlingsheim.

Mit dem abendlichen Ausgang am Wochenende war es dann auch nicht so arg spannend. Erstens fehlte mir die notwendige Kohle und zweitens mussten die unter 18-Jährigen um 22.00 Uhr im Wohnheim sein. Nur die Älteren unter uns bekamen Schlüssel ausgehändigt. Ich hatte eines der wenigen Zimmer mit Balkon und einem angrenzenden Baum. Deswegen wurde mein Zimmer von den älteren Bewohnern nachts regelmäßig als Türöffner und Durchgangsbereich in ihre eigenen Zimmer missbraucht. Selbstverständlich mit ausdrücklicher Schweigepflicht. Damenbesuch auf den Zimmern war sowieso ein No-Go. Dennoch wurden bei geschickter Vorgehensweise in diesem Hause die ersten interessanten sexuellen Erfahrungen gemacht. Und das, obwohl ich jederzeit mit dem Aufkreuzen des Heimleiters rechnen musste, der ja über einen Generalschlüssel verfügte. Ja, in der Tat, es waren manchmal aufregende, mit Stress behaftete Abende und Nächte.

Das Abendessen wurde in großen Essenskübeln mit dem Taxi aus einem anderen Lehrlingsheim gebracht. Es war gegenüber Muttis Küche allzu oft gewöhnungsbedürftig oder halt nicht immer unbedingt genießbar. Deswegen wurde mindestens einmal pro Woche auswärts Pommes rut/wieß der Vorzug gegeben. Gyros war gerade im Kommen – doch zu teuer für einen auswärtigen Auszubildenden. Wegen dieses Vorgehens wurde später durch einen Arzt bei mir Vitaminmangel und Unterernährung festgestellt – das waren aus heutiger Sicht noch recht gute Zeiten!

Eine sehr nachhaltige Lebenserfahrung war, dass meine älteren Mitbewohner in einer Leverkusener Gaststätte an einem gemütlichen gemeinsamen Abend mir zunächst einige Kölsch ausgaben – das war ja recht nett von denen. Damals kostete das Kölsch gerade mal 50 Pfennig – also 0,25 Euro. Wie dann immer so ein feuchtfröhlicher Abend verläuft. Na ja, dann haben sie mir eine Kippe angeboten. Ich hasste das Zeug, weil mein Vater so intensiv rauchte, dass regelmäßig neu tapeziert werden musste. Der gute Mann hat in seinem Leben locker ein Einfamilienhaus durch den Kamin gebracht und dann noch der ständige Gestank. Nein, ich wollte das überhaupt nicht. Doch der Alkoholpegel, der sich mittlerweile eingestellt hatte, und der intensive Gruppenzwang führten dazu, dass ich letztendlich doch an so einem Stängel inhalierte. Das Ergebnis war, mir wurde derart kotzübel, dass ich danach nie wieder im Leben eine Kippe angerührt habe.

Im zweiten Jahr haben wir dann im Keller des Lehrlingsheimes einen Partyraum einrichten dürfen. Für unseren Heimleiter schon eine Revolution. Für uns junge Burschen ein Highlight. Eine Theke und Discjockey-Hochsitz. Jeden Samstag duften wir bis 22.00 Uhr dort feiern und Externe einladen. Kölsch durfte auch getrunken werden. Mädchen waren auch willkommen – selbstverständlich unter strenger Aufsicht. Während dieser Zeit entdeckte ich meine Vorliebe dafür, Musik aufzulegen. Die Gäste mit der richtigen Musik zum richtigen Zeitpunkt auf die Tanzfläche zu bringen, hat mir dann bis ins hohe Alter sehr viel Freude bereitet. Hier wurde der Grundstein für spätere Aktivitäten in dieser Richtung gelegt.

Wie schon erwähnt, verfügte ich nur über ein geringes Taschengeld, weil das Lehrlingsheim natürlich auch Geld gekostet hat. Demnach war nicht viel mit Ausgehen. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich zum Beispiel intensiv mit theoretischen chemischen Zusammenhängen, wie dem Aufbau von Struktur- und Summenformeln, zu beschäftigen. Das Lehrfach Chemie war ja vorher in der Hauptschule absolut nicht mein Ding gewesen. Ich musste mich schon ziemlich reinhängen. Gegenüber meinen Mitauszubildenden habe ich viel Zeit im Wohnheim verbringen müssen. Einen Vorteil hatte es: Ich lernte hier gut Skat spielen, was ich noch heute regelmäßig sehr gern tue.

Die Ausbildung, fand, so wie heute, im Block statt sowie in der Berufsschule und in wechselnden Produktionsstätten mit angeschlossenen Laboratorien. Ich weiß es noch genau, mein erster Betreuer hat mir das Umgehen mit dem Rechenschieber beigebracht. Für die heutige Zeit undenkbar. Die junge Generation weiß nicht, was ein Rechenschieber darstellt. Einfache Taschenrechner waren gerade erst auf dem Markt. Da ich auch nicht gerade ein Mathegenie war, hat er mir erst einmal den einfachen Dreisatz und Prozentrechnen zu Gemüte geführt – eine sehr nachhaltige Erfahrung. Deswegen beherrsche ich bis heute im täglichen Leben diese Grundrechenarten immer noch sehr sicher. Dafür bin ich ihm immer noch äußerst dankbar.

Während der praktischen Ausbildung und der Berufsschule lernte ich einem bemerkenswerten Menschen kennen. Er wor ne echt kölsche Jung us Köln Weidenpesch (bekannt durch die Pferde-Galopprennbahn). Wir trafen uns meistens in der Mittagspause. Da gab es in der Regel nur ein Thema. Denn er war ein eingefleischter Eishockeyfan – konkret vom Kölner Eishockeyclub. Zu dieser Zeit ging es um die Neuausrichtung der deutschen Eishockeyklubs und zum ersten Mal sollten die Klubs auch spezielle Namen erhalten. Die Kölner sollten ab 1972 künftig „Kölner Haie“ heißen.

Mein guter Freund wollte mich immer zu einem Spiel mitnehmen. Doch ich hatte einfach kein Interesse an diesem Sport. Im Fernsehen kannst du kaum den Spielverlauf verfolgen, geschweige einen Torschuss sehen. Doch er war sehr hartnäckig. Ich bin dann irgendwann einfach ihm zuliebe mal mit gegangen.

Doch ich war beim ersten Mal im Eisstadion mehr als erstaunt, nein, eher fasziniert. Das Geschehen auf dem Eis, der schnellste Mannschaftssport der Welt. Ich fand das einfach genial. Von dem ersten Besuch an war ich regelmäßig im Eisstadion. Die Kölner Haie haben mich – bis heute – mein ganzes Leben begleitet und haben mir in tiefen depressiven Stunden Freude, Ablenkung und neuen Auftrieb gegeben. Die Kölner Haie sollten im späteren Verlauf meines Lebens eine Therapieform für meine Depressionen sein.

 

Tipp:

Oft ist es gar nicht so einfach, etwas zu unternehmen, was Freude macht und damit zur Ablenkung führt. Etwas noch Unbekanntes auszuprobieren und sich von anderen „mitnehmen“ zu lassen, kann zu einem angenehmen Erfolgserlebnis führen und ein positives Gefühl auslösen.

Die Berufsausbildung in einem Weltunternehmen und das Arbeiten in einem Chemielabor waren für mich die richtige Entscheidung. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Nach dem erfolgreichen Abschluss mit sehr guten Noten bin ich dann in das Angestelltenverhältnis übernommen worden.

Zu dieser Zeit habe ich mit drei Mitbewohnern das Lehrlingsheim verlassen und mit noch zwei weiteren Freunden ein ganzes Haus gemietet. Damit wurden in meinem Leben die Weichen ein weiteres Mal neu gestellt. Ab dem Jahr 1973 sollten spektakuläre Jahre in einer Wohngemeinschaft beginnen.

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