Weck den Buddha in dir

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Weck den Buddha in dir
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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Gewidmet allen Menschen von Lotos-Vihara,

in Dankbarkeit und Verbundenheit

Inhalt

Vorbemerkung

Weck den Buddha in dir!

Sich auf die Freude ausrichten

Mitgefühl mit sich selbst entwickeln

Sein lassen

Wege aus der Angst

Selbstvertrauen statt Selbstzweifel

Verzeihen

Geduld üben

Das Spürbewusstsein entdecken

Nachwort

Anhang

Sila – die Tugendregeln

Metta-Sutta

Meditationsanleitungen

Metta-Meditation: Bach

Metta-Meditation: Wünsche und Bedürfnisse

Übung: Wohlfühlort

Achtsamkeitsmeditation

Danksagung

Über den Autor

Das Lotos-Vihara-Meditationszentrum

Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem Buch spreche ich dich persönlich an. Ich habe dafür die »Du«-Form gewählt, denn ich empfinde sie als direkt und herzlich. Das »Sie« schafft leicht eine Distanz, die nicht gut zur spirituellen Praxis passt. Auch in meinen Vorträgen spreche ich meine Zuhörerinnen und Zuhörer mit »du« an und habe damit gute Erfahrungen gemacht.

Bei der Bearbeitung der Vortragstexte, die diesem Buch zugrunde liegen, habe ich großen Wert darauf gelegt, dass sie möglichst leicht verständlich sind – auch für Menschen, die mit dem Buddhismus bisher nicht vertraut sind. Mit Fachwörtern und manchen buddhistischen Ausdrücken bin ich sparsam und vorsichtig umgegangen. Wenn sie Verwendung finden, dann werden sie im Text erklärt.

Für einige Begriffe aus alten indischen Sprachen gibt es keine deutsche Übersetzung, die dem ursprünglichen Wort genau entsprechen würde. Diese Begriffe haben deswegen Eingang in den allgemeinen buddhistischen Wortschatz gefunden. Die meisten von ihnen stammen aus dem Pali, der Sprache, in der vor mehr als 2000 Jahren die Lehrreden des Buddha niedergeschrieben wurden, und der indischen Gelehrtensprache Sanskrit. Die beiden Sprachen sind ein ander sehr ähnlich. Folgende Wörter finden in diesem Buch Verwendung:

Dukkha ist ein zentraler Begriff im Buddhismus. Das Wort bedeutet Leiden in einem sehr umfassenden Sinne. Dazu gehört jede Form unangenehmer Geisteszustände, also zum Beispiel auch Unerfülltheit, Nervosität oder Angst. Dukkha erfahren wir in jedem Moment, in dem wir nicht vollkommen zufrieden und erfüllt sind.

Dana bedeutet Freigebigkeit, und zwar ebenfalls in einem sehr umfassenden Sinn. Das Wort steht für die Praxis, Menschen und andere Lebewesen zu unterstützen, wann immer wir können. Das kann durch materielle Gaben geschehen, aber ebenso, indem wir ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenken.

Sila bedeutet Tugend. Das Wort steht für das Bemühen, alles zu unterlassen, was uns selbst und anderen schadet, und stattdessen zu tun, was ihnen und uns selbst nachhaltig gut tut. (Zu Sila finden sich im Anhang weitere Erläuterungen.)

Dhamma ist der traditionelle Pali-Begriff für die Lehre des Buddha und entspricht dem Sanskrit-Wort Dharma.

Mit Sangha ist hier die Gemeinschaft buddhistisch Praktizierender gemeint.

Nicht zuletzt findet in diesem Buch auch der »bürgerliche Name« des Buddha Verwendung. In Pali lautet er Siddhatta Gotama. Ich verwende aber die geläufigere Sanskrit-Variante Siddhartha Gautama.

Weck den Buddha in dir!

Vermutlich gibt es auch in deinem Leben Zeiten, da geht alles ganz leicht. Die Menschen mögen dich, du erlebst Wertschätzung, du hast Erfolg. Selbst wenn etwas schief geht, wirft dich das nicht aus der Bahn. Du kannst es lächelnd wegstecken und weitergehen. Du bist in Einklang mit dir und deinem Leben. In solchen Zeiten denkst du: »Jetzt endlich hab ich’s!«

Aber dann, wie durch eine geheimnisvolle Kraft, erlebst du wieder das genaue Gegenteil. Alles scheint sich gegen dich verschworen zu haben. Du fühlst dich beschwert und kraftlos, ächzt unter deinem vollen Terminkalender und der Hausarbeit, die nie aufhört.

Vielleicht fällst du durch eine Prüfung oder wirst an deinem Arbeitsplatz kritisiert. Dauernd scheint jemand etwas an dir auszusetzen zu haben. Du fühlst dich von den Menschen um dich herum nicht ernst genommen und erlebst häufig Verletzungen.

Du kannst dein eigenes Leben nicht mehr richtig leiden und lehnst dich dagegen auf. Und die Angst ist wieder da. Die Angst vor der Zukunft, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder eines lieben Menschen. Kurz: Du erlebst wieder Zeiten, in denen du dich nicht erfüllt fühlst und deine innere Stimme sagt: »So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt.«

Meistens meinen wir genau zu wissen, was uns Schwierigkeiten macht: Natürlich ist der Chef schuld. Der Partner, der sich nicht um uns kümmert. Die beste Freundin, die nicht zuhört. Und dann sind da noch die Raten für das neue Auto. Wie sollen wir da glücklich sein? Woher die Leichtigkeit nehmen?

Der Buddha hat von den »acht weltlichen Winden« gesprochen, denen wir ausgesetzt sind wie dem Wetter. Es handelt sich um vier Gegensatzpaare, vier der Winde sind angenehm, die anderen vier unangenehm: Wir können uns über (materiellen) Gewinn freuen oder haben Verluste zu beklagen. Wir machen angenehme oder schmerzhafte Sinneserfahrungen. Wir werden beachtet – oder wir werden ignoriert. Und schließlich bekommen wir Lob und Anerkennung – oder wir werden kritisiert oder schlecht gemacht.

Jeden Menschen treffen diese Aufwinde und Abwinde zu verschiedenen Zeiten, aus verschiedenen Richtungen Oft kontrolliert die Außenwelt unsere Innenwelt.und mit verschiedener Stärke. Bis zu einem gewissen Grad können wir sie beeinflussen, aber wir werden sie nie kontrollieren können. Viel eher kontrollieren sie uns. Wenn wir mit Schwierigkeiten zu tun haben, klagen wir über die Last, die uns das Leben auferlegt, oder versuchen die Situation zu verändern. Irgendwann widerfährt uns dann plötzlich Gutes. Wir bekommen den begehrten Job, werden befördert, verlieben uns oder … setze ein, was immer du dir vielleicht gerade wünschst. Plötzlich geht es uns gut. Die Welt ist wieder in Ordnung.

Mit anderen Worten: Wir leben ein Leben wie auf einer Wippe – mal hoch, mal runter. Unsere Stimmungen und Gefühle sind dabei abhängig vom äußeren Geschehen und unserem Körper. Wir lassen zu, dass die Außenwelt unsere Innenwelt bestimmt, und glauben, dass wir im Außen Erfüllung finden könnten.

Die Wurzeln dieser Außenorientierung reichen zurück in die frühe Kindheit. Als du ein Baby warst, wurden deine körperlichen Bedürfnisse von deiner Mutter gestillt. War sie ein liebevoller Mensch, ging es dir gut. Gelernt hast du dabei: Erfüllung kommt von außen. Dabei hatte das Außen schon damals nur Vergängliches zu bieten.

Trotzdem versuchst du weiterhin, deine Bedürfnisse über die Sinne in der Außenwelt zu stillen. Dauerhafte Erfüllung ist nicht im Vergänglichen zu finden.Die Bedürfnisse sind mittlerweile feiner und verzweigter, und du erlebst täglich vielerlei Sinneskontakte. Sie alle sind von verschiedenen Bedingungen abhängig und vergänglich. So machst du bei dem Versuch, deine Sehnsucht zu stillen, immer wieder die Erfahrung von Verlust und Enttäuschung. Doch deine Sehnsucht ruft nach dauerhafter Befriedung. Du strebst nach Erfüllung bis zu deinem letzten Tag.

Bei meiner Arbeit als Frauenarzt in Berlin-Kreuzberg erlebe ich häufig, wie Patientinnen plötzlich in große Schwierigkeiten geraten. Manchen muss ich mitteilen, dass ihr Kind in ihrem Bauch gestorben ist oder dass es behindert sein wird. Andere erfahren von mir, dass sie an Krebs erkrankt sind. Und wieder andere erzählen mir, dass der Vater ihres ungeborenen Kindes das Weite gesucht hat und sie nun alleine dastehen.

Es gibt – vereinfacht gesagt – zwei Arten von Reaktionen auf solche Hiobsbotschaften. Die einen Menschen geraten ins Wanken, erleben große Angst und fühlen sich ihrer Situation hilflos ausgeliefert. Die anderen kommen nach einer kurzen Phase der Irritation schnell wieder ins Gleichgewicht. Sie erleben sehr bewusst, was ihnen geschieht, können es akzeptieren und besonnen darauf reagieren.

 

Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Reaktionen habe ich mich gefragt: »Was zeichnet Menschen aus, die auch in schwierigen Situationen nicht den Halt verlieren? Was trägt, Eine Kraftquelle hilft, Schwierigkeiten standzuhalten. Sie sollte unabhängig sein von äußeren Bedingungen.wenn’s drauf ankommt?« Ich fand heraus, dass solche Menschen über Kraftquellen verfügen. Bei den meisten haben diese mit spiritueller Praxis zu tun: »Ich bin gläubig«, antworteten sie mir auf meine Nachfrage, »Im Gebet komme ich zur Ruhe.« Oder: »Ich meditiere.« Auch die Verbindung mit der Natur ist für manche eine wertvolle Hilfe.

Was zeichnet eine Kraftquelle aus? Das Wichtigste: Sie muss möglichst jederzeit zugänglich sein und sollte möglichst wenig von äußeren Faktoren abhängen. Eine Urlaubsreise kann mir zwar helfen, Kraft zu schöpfen – aber wenn ich schwer erkranke oder finanziellen Ruin erlebe, bleibt mir bestenfalls die angenehme Erinnerung. Wenn ich meine Kraft aus der Gartenarbeit schöpfe, dann aber plötzlich auf einer Intensivstation liege, ist mir der Zugang zur Kraftquelle nicht möglich. Für manche Menschen ist auch der Körper eine Kraftquelle, sie trainieren ihn im Fitnessstudio und sind stolz auf ihn. Aber der Körper wird mit der Zeit zwangsläufig seine Kraft verlieren, er wird altern und krank werden. Sehr viele Menschen sagen mir: Meine Familie ist meine Kraftquelle. Es ist natürlich schön, aus dem Familienleben Kraft zu schöpfen, aber was ist, wenn die Familie bei einem Unfall ums Leben kommt? Dann ist im selben Moment die Kraftquelle gestorben, die ich jetzt so dringend bräuchte.

Meine Patientinnen, die in ihren Krisen gut zurechtkamen, hatten ihre Kraftquellen schon vorher gefunden. Die Kraftquellen gehörten ganz selbstverständlich zu ihrem Leben. Nur deswegen hatten sie Zugriff darauf, als es hart auf hart kam. Wir alle tun gut daran, die leichteren Zeiten im Leben zu nutzen, um unsere Kraftquellen zu erschließen und den Weg dorthin zu ebnen, damit sie stets gut erreichbar sind.

Der Weg nach innen beginnt damit, dass wir im Alltag häufiger innehalten. »Wer innehält, erhält innen Halt«, heißt es im Tao Te King, dem Weisheitsbuch des Taoismus. Anders formuliert: Innehalten ermöglicht dir, dich aus äußeren Aktivitäten zurückzuziehen und zu verstehen, was in dir geschieht. So kannst du Gefühle rechtzeitig erkennen, Verhaltensmuster durchschauen und die Stärke entwickeln, die in dir liegt.

Ich selbst habe eine schwere Krankheit erlebt und kenne finanzielle Sorgen aus eigener Erfahrung. »Wer innehält, erhält innen Halt.«Familiäre Konflikte sind mir nicht unbekannt und auch in unserer buddhistischen Gemeinschaft in Berlin erlebe ich manchmal Unverständnis und persönliche Enttäuschung. All diese Situationen begreife ich als wichtige Momente der Praxis. Ich finde meine Kraft beim Buddha und seiner Lehre.

Der Buddha bedeutet für mich vollkommene Klarheit, grenzenlose Liebe und annehmende Gelassenheit. Die Anlagen zu diesen Qualitäten finden sich in jedem Menschen. Die Lehre des Buddha bietet eine unvergleichliche Anleitung, sie zu entwickeln – zeitlos und für jeden praktikabel. Auch du kannst den Buddha in dir wecken!

Aus meinen Erfahrungen entstand im Lotos-Vihara- Meditationszentrum ein Vortragszyklus zum Thema Kraftquellen. Schülerinnen und Schüler haben die darin geschilderten Anregungen als hilfreich empfunden. So haben wir uns schließlich entschieden, aus diesen Vorträgen ein Buch zu machen. Dieses Buch hältst du nun in den Händen. Möge es dir dabei helfen, die unerschöpfliche Kraft in dir selbst zu erschließen.

Sich auf die Freude ausrichten

Im Buddhismus ist oft von Freude die Rede. Freude ist ein Zustand, in dem Leid kaum oder gar nicht spürbar ist. Freude können wir dementsprechend erleben, wenn wir das Leiden auflösen. Darauf zielt die Lehre des Buddha. Er hat es ganz klar formuliert: »Ich lehre nur eines, früher wie heute: das Leiden und das Ende des Leidens.«1

Jeder von uns hat schon Freude erlebt und sie wieder verloren. Vielleicht gehörst du zu den vielen Menschen, die glauben, Freude habe mit bestimmten Umständen zu tun, mit Ereignissen und Erlebnissen. Möglicherweise hast du aber auch von spirituellen Lehrern gehört, die versichern: »Freude ist möglich, ohne dass etwas Erfreuliches geschieht. Einfach nur, weil wir die Freude bereits in der Tiefe in uns tragen.« Dieses Potenzial zu entdecken bedeutet nicht nur große Erleichterung, sondern wir erschließen uns so auch eine wichtige Kraftquelle. Freude macht uns stark und unternehmungslustig. Der Buddha empfiehlt uns sehr, uns um Freude zu bemühen, denn sie ist eine wichtige Grundlage unserer spirituellen Entwicklung.

Leider fällt es uns immer wieder schwer, dieses Potenzial auszuschöpfen. Ein durch und durch freudvolles Leben ist für die meisten Menschen schwer vorstellbar. Wir sehen auf unsere vielfältigen Schwierigkeiten und kämpfen dagegen an, so gut wir können. Vielleicht empfinden wir sie als Pech oder als Strafe oder wir glauben, sie durch Ungeschicklichkeit selbst verschuldet zu haben. Schwierigkeiten können uns lähmen und bedrücken. Doch sie können uns auch bewusster werden lassen und eine ganz neue Perspektive ermöglichen.

Schwierigkeiten als Signal nehmen

Siddhartha, der später zum Buddha, zum Erwachten, wurde, machte sich auf den Weg, weil er erkannt hatte, dass er wie alle Menschen altern, krank werden und sterben würde. Alter, Krankheit und Tod sind Götterboten.Ohne diese schmerzhafte Erkenntnis hätte er nicht begonnen zu praktizieren und wäre nicht erleuchtet worden. Nachdem er zum Buddha geworden war, hat er deshalb Krankheit, Alter und Tod als Götterboten bezeichnet, die uns eine wichtige Botschaft überbringen.

In unserem Zentrum in Berlin gibt es eine Meditationsgruppe von Menschen mit Krebserfahrung. Bei manchen von ihnen liegt die Krankheit bereits etwas zurück, sie haben Therapien abgeschlossen und es geht ihnen gesundheitlich wieder viel besser.

Sie alle berichten, dass sie die Erfahrungen, die sie aufgrund ihrer Krankheit gemacht haben, nicht mehr missen wollen. Sie haben sie als Bereicherung erlebt. Diese Menschen haben erkannt, dass ihr Krebs ihnen etwas sagen wollte – dass sie etwas lernen konnten, was ihr Leben zum Positiven verändert hat. In der Krankheit lag ein Sinn, den sie in der Situation selbst vielleicht noch nicht erkennen konnten.

Krankheiten als Botschaften zu sehen ist ein radikaler Wechsel der Perspektive, denn normalerweise betrachten wir sie als Störenfriede, als Strafe, Fluch oder Unglück. Sie kommen über uns, und wir versuchen, sie möglichst schnell wieder loszuwerden. Wie begegnest du aber einem Götterboten? Mit Wut, Abwehr oder Ignoranz? Ein Bote kommt zu uns, um eine wichtige Nachricht zu überbringen. Wir tun gut daran, ihn einzulassen und zu hören, was er zu sagen hat.

Wenn wir schwere Krankheiten erleben, werden wir uns möglicherweise unserer Verletzlichkeit und Vergänglichkeit bewusst und setzen uns mit dem Tod auseinander. Der Götterbote führt uns zu einem tieferen Verständnis vom Wesen des Körpers und des Geistes. Er erinnert uns daran, dass dauerhaftes Glück nicht über sinnliche Freude zu erreichen ist, unter anderem weil uns ein intakter Körper und seine Sinne nur begrenzte Zeit zur Verfügung stehen.

Wir beginnen uns zu fragen: »Wenn das Leben begrenzt ist – was möchte ich damit anfangen?« So führt uns die Krankheit zu der Frage, ob wir in unserem Leben die richtigen Prioritäten setzen. Was hat für uns wirklich einen Wert? Wer oder was trägt uns, jetzt, da wir Halt so dringend benötigen? Wie sieht es in unserem Leben aus mit Liebe, Wärme, Zufriedenheit? Haben wir uns bisher genug darum gekümmert?

Wie Krankheiten lassen sich auch andere Schwierigkeiten als Götterboten betrachten. Statt dich mit Händen und Füßen gegen sie zu wehren, kannst du dich fragen: »Was kann ich lernen aus dieser Trennung, diesem Verlust, dieser Enttäuschung?« Versuch einmal, nicht unmittelbar mit Kampf und Krampf zu reagieren, sondern akzeptiere die gegenwärtige Situation – wenigstens für einen Moment.

Akzeptanz ist der Schlüssel zum Verständnis. Was du nicht akzeptierst, kannst du nicht verstehen – das ist ein Naturgesetz. Die gegenwärtige Situation anzunehmen ist außerdem immer unmittelbar mit Erleichterung verbunden. Statt dich in inneren Kämpfen zu verzehren, richte dich aus auf das, was dich tragen und dir Kraft geben kann.

Lob der Freude

Die Vorzüge der Freude sind offenkundig: Freudige Menschen sind freundlicher, aufgeschlossener, hilfsbereiter – weniger mit sich selbst beschäftigt. Wenn du dich also um mehr Freude kümmerst, bedeutet das nicht, dass du dich auf einen Egotrip begibst, sondern es kommt allen zugute, mit denen du zu tun hast.

Freude öffnet, verbindet, steckt an. Und sie ermöglicht dir und anderen Entwicklung. Es ist darum wichtig, sich in allen Lebenssituationen auf Freude auszurichten – auch in Zeiten, in denen Schwierigkeiten dominieren. Die Freude ist schon von vielen klugen und bekannten Menschen gepriesen worden:

• »Freude ist Nahrung für den Geist«, sagt der thailändische Meditationsmeister Buddhadasa.

• »Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium«, heißt es in Friedrich Schillers Ode An die Freude. Ludwig van Beethoven hat sie in seiner 9. Sinfonie erklingen lassen. Elysium kommt aus der griechischen Mythologie und bedeutet: Insel der Seeligen, Heiligen, Todlosen.

• »Freude ist so wichtig wie die Tränke für die Kuhherde«, sagt der Buddha. Mit anderen Worten: Freude ist unverzichtbar.

Viele medizinischen Studien zeigen: Freude und Humor sind gesund. Keine einzige Studie belegt: Freude ist ungesund oder schadet. Wenn Freude aufkommt, geht die Einengung durch das Ego zurück. Wir sind offener, erleben uns als stimmig, ausgeglichen und voller Selbstvertrauen. Dies trägt auf einfache Weise zu Gesundheit und Wohlbefinden bei und stärkt die Selbstheilungskräfte.

Vor nicht allzu langer Zeit starb die älteste Frau der Welt, eine Holländerin, mit 117 Jahren. Zum 116. Geburtstag fragte sie jemand, wie sie das mache, so alt zu werden. Ihre Antwort: »Es ist eigentlich ganz einfach. Man darf nur nicht aufhören zu atmen.«

Blockaden erkennen und lösen

Auch du kannst mehr Freude in dein Leben bringen, indem du dich entschließt, dich aktiv darum zu kümmern. Um mehr Freude zu erleben, gilt es zunächst darauf zu achten, womit du Freude in dir blockierst.

Manche Menschen glauben, angesichts des vielen Leidens in ihrem Umfeld oder in der Welt dürften und könnten sie sich nicht freuen. Hinter dieser Haltung steckt nach Einschätzung von Psychologen oft subtile Selbstablehnung. Wenn es dir auch so geht, frage dich einmal, wie du anderen Menschen eher helfen kannst: Indem du ihnen mitleidig, traurig und jammernd entgegentrittst? Oder eher, wenn du ihnen zuversichtlich, in deiner Kraft, mit einem freudigen Gesichtsausdruck begegnest?

Manche Menschen neigen dazu, Anlässe zur Freude zu verkleinern oder zu entwerten. Damit blockieren sie ebenfalls die Freude, und zwar in sich selbst wie in anderen.

Auch die Neigung, sich zu vergleichen, reduziert Freude. Da die meisten Menschen sich vorrangig Vergleichen dämpft Freude.mit solchen Menschen vergleichen, die mehr zu haben scheinen – zum Beispiel mehr Geld, Ansehen, Beliebtheit oder Glück – schaffen sie selbst die Bedingungen für ihre Unzufriedenheit. Vergleichendes Konkurrieren lässt keinen Raum für Freude, ebenso wenig kann Freude entstehen, wenn man andere abwertet, um selbst besser dazustehen.

Wenn du die Strukturen durchschaust, mit denen du Freude blockierst, kannst du dich wieder der Ausgangsfrage zuwenden: »Wie kann ich mehr Freude in mein Leben bringen?«

Freude lässt sich nicht verordnen. Es hilft nichts, sich zur Freude zwingen zu wollen, zum Beispiel mit Gedanken wie »Ich sollte mich mehr freuen«. Ein erster Schritt zu mehr Freude kann stattdessen sein, öfter innezuhalten und die innere Atmosphäre zu spüren. Annehmendes Spüren entzieht negativen Gedanken die Macht.

Sicher, wenn ein lieber Mensch gegangen oder eine schwere Krankheit in dein Leben getreten ist, kannst du dich nicht freuen. Jetzt gilt es, schmerzhafte Gefühle bewusst zu spüren, sie anzunehmen und ihnen Raum zu geben. Dies führt zu Erleichterung – eine gute Voraussetzung für Freude, die dann zu einem späteren Zeitpunkt eintreten kann. (Wie du dabei genau vorgehen kannst, wird in den folgenden Kapiteln noch ausführlich beschrieben.)