Ich höre, was die Seelen sprechen

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Ich höre, was die Seelen sprechen
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Das Buch

Als Kind lösten ihre Erzählungen über Gespräche mit den Seelen Verstorbener Erschrecken und Verwirrung aus. Vicki Monroe galt als "Spinnerin", misstrauisch beäugt von ihrer Umgebung – und die kleine Vicki beschloss zu schweigen.

Heute, gilt Vicki Monroe als eine der fähigsten "Seelen-Kommunikatorinnen" in den USA. Wissenschaftler, Zeitungen, TV- und Radiosender reißen sich um sie, der "Who is Who" zählt sie zu den 100 besten Medien der Welt. Denn Monroes Seelen-Botschaften, die sie in den sog. Readings einem neugierig-skeptischen Publikum vorträgt, überzeugen durch eines: Das Wissen der "Stimmen aus dem Jenseits" ist überaus persönlich, präzise bis ins Detail – und rundum nachprüfbar! Monroes Readings, denen kritische Beobachter einen Wahrheitsgehalt von weit über 90% zusprechen, lassen ein oft geschocktes, oft geläutertes Publikum zurück. Ein Reporter der "Portland Press": "Journalisten sind die größten Skeptiker. Aber man verlässt Vicki Monroe in voller Gewissheit. Selbst wenn nicht erklärbar ist, wie sie wissen kann, was sie weiß."

Die Autorin

Dr. Vicki Monroe, geb. 1962, ist Naturheilärztin. Als Kind wegen ihrer paranormalen Fähigkeiten ausgegrenzt, bricht sie 1998 ihr Schweigen und nutzt seitdem ihr Wissen als "Spirit Communicator" für ihre Patienten. In Ich höre, was die Seelen sprechen berichtet sie erstmals über ihre Erlebnisse aus der Welt "jenseits des Todes.

Dr. Vicki Monroe ist eine Seelenbotin, die in ihren öffentlichen Veranstaltungen im Radio und im Fernsehen die heilsame Botschaft verbreitet, dass das Leben unvergänglich ist. Sie gibt Privatsitzungen und Seminare auf der ganzen Welt.

Vicki Monroe

Ich höre,

was die Seelen sprechen

Selbst Skeptiker verlassen Vicki Monroe in voller Gewissheit.

Auch wenn nicht erklärbar ist, wie sie wissen kann, was sie weiß.

Übersetzt von Johanna Ellsworth


Inhaltsverzeichnis

Umschlag

Das Buch / Die Autorin

Titel

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Die Welt kann es nicht glauben

2 Der Tag, auf den die Seelen gewartet hatten

3 Der Anfang meiner Berufung

4 Eine Sitzung verändert mein Leben

5 Die vielen Gesichter des Zweifels

6 Wie ich lernte, meine Gabe richtig einzusetzen

7 Botschaften überbringen und Grenzen einhalten

8 Auftritte im Rundfunk

9 Live-Veranstaltungen auf der Bühne

10 Seelenbotschaften im Scheinwerferlicht

11 Häufige Fragen

12 Eine Gruppe von helfenden Seelen

13 Geburt und Tod

14 Meditation, um mit Seelen zu sprechen

15 Von »spukenden« Häusern

Impressum

Für meine Schwester Heather, die mich unendlich liebevoll führt. Selbst jetzt noch, nachdem sie von uns gegangen ist, bringt sie mich mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Humor zum Lachen!

Auch meinen geliebten Vater Charlie schließe ich in die Widmung mit ein. Mögen die Stadien, die du geliebt hast, und die Teams, die du bewundert hast, immer so große Sieger sein, wie du es für die Menschen warst, die du auf Erden gelehrt hast. Ich liebe euch beide sehr.

Vorwort

Es begann an einem ganz gewöhnlichen Tag. Ich stand um sechs auf, machte die Kinder fertig für die Schule, räumte auf, duschte, zog mich an und verließ das Haus. Ich freute mich auf meine halbe Stunde Fahrt zur Arbeit. Als Ärztin und Mutter von vier Kindern ist das oft die einzige Zeit am Tag, die ich für mich habe. Ich genoss die Auszeit im Auto. Während ich den mitgenommenen Becher Kaffee trank, drehte ich am Radio, bis ich einen geeigneten Sender fand. Bald darauf hörte ich interessiert einer Frauenstimme zu. Sie erzählte von einer Seelenbotin, die sie als Gast in ihrer Radiosendung haben würde. Da ich ein Theologiestudium absolviert habe und mich darüber hinaus mit Spiritualität und Sozialwesen beschäftigt habe, interessierte mich das Thema sehr. Ich war schon immer fasziniert von spirituellen Dingen, und so klang diese Seelenbotin faszinierend für mich. Ich beschloss, mir die Sendung anzuhören, und wurde nicht enttäuscht. Sie klang aufrichtig und ehrlich. Ich kann es nicht erklären, doch ich konnte dies schon allein an ihrer Stimme hören, während sie Botschaften von Geistern im Jenseits wiedergab. Sie war so exakt, dass es schon unheimlich war, und als sie erwähnte, dass sie auch Gruppensitzungen macht, meldete ich mich noch am selben Tag dafür an. Es war eine einfache Handlung, die mein Leben von Grund auf verändert hat.

Ein paar Wochen später ging ich zu der Gruppensitzung mit der Seelenbotin Vicki Monroe. Sie war ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Mir begegnete eine attraktive Rothaarige von ungefähr vierzig mit strahlend blauen Augen. Sie entsprach nicht im Geringsten meiner Vorstellung, wie ein Mensch mit so einer Begabung aussehen könnte. Sie wirkt nicht wie eine Mutter oder Ehefrau. Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart auf Anhieb wohl, obwohl ich nicht jemand bin, der Fremden sofort vertraut. Ich bin eher vorsichtig in der Auswahl der Menschen, denen ich mich öffne. Für mich war dies also eine ungewöhnliche Erfahrung. Sie strahlte so viel Güte und Offenheit aus, dass mein natürliches Misstrauen sofort verschwand. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns vertraut waren, und ich spürte, dass ich nichts zu befürchten hatte.

Als Vicki sich von einem Gast an den nächsten wandte und an jeden persönliche Botschaften übermittelte, staunte ich über ihre Genauigkeit. Als ich an der Reihe war, verwandelte sich mein Erstaunen in den totalen Glauben an ihre Fähigkeiten. Sie wusste, dass ich Ärztin war. Sie kannte den Namen meines Praxisleiters. Sie konnte mir den Namen meiner Großmutter nennen und wusste, dass meine Großmutter eine gute Köchin gewesen war. Sie wusste auch, dass meine Tochter autistisch ist. Obwohl wir uns noch nie begegnet waren, schien sie alles über mich zu wissen. Sie sagte, dass sie all diese Informationen von meiner Großmutter Mary hatte, die vor zehn Jahren verstorben war. Ich hatte sie sehr geliebt und hörte nun gebannt zu, da Vicki anscheinend alles über sie wusste. Während der Gruppensitzung erwähnte sie, dass sie auch Einzelsitzungen abhält. Ich spürte das starke Verlangen, allein mit ihr zu reden. Am nächsten Tag machte ich einen Termin für eine Einzelsitzung zwei Monate später aus. Ich ahnte nicht, dass ein simpler Anruf und eine Sitzung mein ganzes Leben verändern würden!

Dann kam der Tag, an dem ich meinen Termin bei ihr hatte. Es war ein kalter, grauer Dezembermorgen. An der Haustür empfing mich Vickis Mutter und führte mich in ein gemütliches Zimmer, in dem ich auf Vicki wartete. Als sie den Raum betrat, war sie leger in Jeans und Pullover gekleidet, und wir kamen nach einer kurzen Begrüßung gleich zur Sache. Ich bin sicher, dass sie sich seit der Gruppensitzung nicht mehr an mich erinnern konnte. Dazwischen lagen zwei Monate, in denen sie vermutlich hundert andere Klienten zu Gesicht bekommen hatte. Wieder waren ihre Aussagen unglaublich akkurat. Ich konnte laut und deutlich meine Großmutter wiedererkennen. Vicki wusste, dass ich vier Kinder habe, von denen drei aus Übersee sind und von uns adoptiert wurden. Sie wusste auch, dass ich seit zwanzig Jahren mit demselben Lebenspartner zusammen bin. Weiterhin wusste sie von den Personalproblemen in meiner Praxis. Doch das Erstaunlichste war, dass sie von einer verstorbenen Freundin wusste, die viel zu früh von uns gegangen war. Dory war mit siebenunddreißig an Dickdarmkrebs gestorben. Vielleicht war sie die beste Freundin, die ich je gehabt habe. Sie war auch Ärztin und mir ein paar Jahre in der Ausbildung voraus, und sie hatte mir gezeigt, wie man eine richtige Ärztin wird. Sie brachte mir Güte, Mitgefühl und praktisches Denken bei. Sie war mein Vorbild, und als sie starb, war ich völlig verzweifelt. Ich hatte nie gewusst, dass ich so um jemanden weinen könnte wie um sie. Sie war zehn Jahre vor der Begegnung mit Vicki gestorben und ich vermisste sie immer noch Tag für Tag. Intuitiv schien Vicki all das zu wissen. Sie schien die Leere zu spüren, die Dorys Tod in meinem Leben hinterlassen hatte. Freundlich und sanft versicherte sie mir, dass Dory immer noch jeden Tag bei mir war und über mich wachte.

 

Am Ende der Sitzung fragte Vicki mich, ob ich in meiner medizinischen Praxis neue Patienten aufnehmen würde. Ich bejahte das und sie wurde meine Patientin. Es schmeichelte mir, dass sie mich darum gebeten hatte. Ich verließ ihr Haus in einem Gefühl der Verbundenheit, doch ich hatte Angst, daran zu glauben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine so begabte und erfolgreiche Frau wie sie Freundschaft mit einer einfachen Landärztin wie mir schließen wollte. Ich konnte nicht ahnen, dass auch sie nach jemandem suchte, der die Leere in ihrem Leben auffüllen würde, die durch einen zu frühen Verlust entstanden war.

Von dem Augenblick an, als ich Vickis Haus verließ, dachte ich ständig an diese Sitzung. Alles, was sie gesagt hatte, klang wahr. Zum ersten Mal spürte ich, dass meine Gefühle und Wahrnehmungen einen Sinn ergaben. Sie hatte viele Emotionen und intuitive Eingaben bestätigt, die ich zwar immer gefühlt, jedoch nie zuvor verstanden hatte. Ich hatte endlich das Gefühl, jemandem begegnet zu sein, dessen Weltansicht ich teile. Seit ich Dory verloren hatte, die mein Steuerrad und mein Kompass gewesen war, hatte ich mich wie eine Fremde auf dieser Erde gefühlt. Das Gefühl konnte ich nie jemandem wirklich erklären. Doch obwohl ich Vicki kaum kannte, war mir, als wären wir uns auf einer ganz tiefen Ebene begegnet. Doch Zweiflerin die ich bin, hatte ich Angst, ihr das zu sagen. Ich wollte zwar ihre Freundin sein, aber ich ging nicht davon aus, dass sie auch meine Freundin sein wollte.

Ein paar Wochen später, während ich immer noch über meine Sitzung nachdachte, schickte ich ihr eine E-Mail. Ich erwartete im Grunde keine Antwort. Vicki schien mir viel zu beschäftigt zu sein. Doch schon am nächsten Tag kam ihre Antwort. Wieder schickte ich ihr eine E-Mail und sie schrieb zurück. Bald darauf chatteten wir regelmäßig. Zuerst tauschten wir nur freundliche, belanglose Alltäglichkeiten aus, doch dann kamen wir rasch auf tiefsinnigere Themen zu sprechen. Wir tauschten uns über das Leben, Mutterschaft und Spiritualität aus. Wir diskutierten Liebe, Kinder, Arbeit und Politik. Wir staunten über unsere vielen Gemeinsamkeiten. Beide haben wir vier Kinder und eine langjährige Partnerschaft. Beide lieben wir Gartenarbeit und Italien, vor allem die Toskana.

Meine größte Überraschung kam, als Vicki mir verriet, dass auch sie einen Menschen verloren hat, der ihr sehr nahe stand. In ihrem Fall war es ihre Schwester Heather. Ihre Beziehung zu Heather ähnelte der engen Beziehung, die ich zu Dory hatte. Vicki liebte und vermisste Heather immer noch. Dorys Tod hatte eine Leere in meinem Herzen hinterlassen, die ich füllen musste. Wir hatten beide eine Leere in unserem Leben, die wieder gefüllt werden musste. Nachdem Vicki und ich stundenlang darüber gesprochen hatten, stellten wir fest, dass wir geistige Schwestern sind und uns genau im richtigen Augenblick unseres Lebens gefunden haben. Wir brauchten beide die Unterstützung, den Rat und die Liebe einer Schwester. Auch wenn wir ein erfülltes Leben mit liebevollen Partnern, Kindern und Freunden hatten, so spürten wir doch, dass eine Speiche im Rad fehlte. Wir hatten das Gefühl, im anderen das gefunden zu haben, wonach wir all die Jahre gesucht hatten.

Durch die Offenbarung, dass wir Schwestern sind, kam die Sicherheit, dass Dory und Heather unsere Begegnung und unsere Freundschaft arrangiert hatten. Noch immer wachten unsere geliebten Verstorbenen über uns, beschützten und sorgten für uns. Das Universum hatte uns beiden im richtigen Augenblick genau das gegeben, was wir brauchten. In den nächsten Monaten wurden Vicki und ich sehr enge Freunde. Wir wissen oft, was der andere denkt oder fühlt. Wir verbringen sehr viel Zeit damit, gegenseitig schallend über unseren Humor zu lachen. Wir unterstützen einander in schweren Zeiten und teilen unsere Freude in glücklichen Zeiten. Wie Schwestern teilen wir uns die Last des Lebens, wenn sie zu schwer scheint. Wir können uns gegenseitig alles anvertrauen und – was das Wichtigste ist – wir haben uns lieb, wie nur Schwestern sich lieben können.

Vicki sagte einmal zu mir: »Blut bedeutet nichts. Die spirituellen Verbindungen, die man knüpft, zählen.« Anders ausgedrückt besteht die Familie – ob Blutsverwandte oder Wahlverwandte – aus den Menschen, die einen lieben und unterstützen. Es ist unwichtig, ob man dieselben Eltern, denselben Namen oder die gleichen Gene teilt. Wichtig ist nur, dass Seelen sich verbinden und füreinander sorgen. Ich werde in diesem Leben und danach für meine Schwester Vicki sorgen. Unsere Seelen sind für immer miteinander verbunden, und ich weiß, dass ich nie mehr wie eine Fremde durchs Leben gehen werde. Ich liebe dich, Schwester!


Dies ist ein Bericht, den Dr. Elisabeth Delprete, M. D. für dieses Buch zur Verfügung gestellt hat. Dr. Delprete praktiziert seit einigen Jahren als Ärztin im Bundesstaat Maine und nahm an einem von Dr. Monroes Seminaren teil. Später machte sie einen Termin für eine Einzelsitzung bei Dr. Monroe aus.


1

Die Welt kann es nicht glauben

Wie engelsgleich kam ich doch her!

Wie strahlend hell ist alles hier!

Als ich inmitten seiner Schöpfung angekommen bin,

Ach, wie haben wir ihren Glanz gekrönt!

Die Welt ist seiner Ewigkeit so nah,

in der meine Seele schon mal ging,

Und alles, was mein Auge sah,

Sprach mich an.

Thomas Traherne


Es gibt wohl niemanden, der sein Lebensziel von Anfang an kennt. Das Leben ist eine Reihe von Erlebnissen, eine Blaupause, die wir selbst entwerfen. Unsere Seele haben sie schon entworfen, bevor wir in dieses und alle früheren Leben geboren wurden.

In meinem Fall dauerte es einige Zeit, mich an das Wissen zu gewöhnen, dass ich die Seelen Verstorbener sehen kann. Mir wurde nur langsam klar, dass dies keine Eigenschaft ist, die jedem gegeben ist. Es war etwas, das ich in den ersten zwölf Lebensjahren auf schwierige und peinliche Weise herausfand – und das nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Familie.

An einem kühlen Herbsttag spielte ich mit einer Freundin auf dem Schulhof. Gegenüber voneinander baumelten wir vom Barren und wetteten kichernd, wer von uns sich am längsten festhalten könnte. Plötzlich bemerkte ich einen Mann, der hinter meiner Freundin stand. Sie hatte mir vor kurzem erzählt, dass ihr Großvater krank sei und sie ihn nicht besuchen dürfte.

Als Kind glaubte ich noch, dass jeder das sehen könnte, was ich sah und dachte mir nichts dabei, den Mund aufzumachen und ihnen zu sagen, was ich sah und hörte. »Dein Großvater ist hier, um von dir Abschied zu nehmen«, sagte ich deshalb zu meiner Freundin. Ich war froh, ihr mitteilen zu können, dass sie sich jetzt keine Sorgen mehr um ihn machen musste. »Er sagt, solange du ihn brauchst, wird er dich beschützen. Und wenn du mit ihm reden willst, kann er dich in deinen Träumen besuchen.«

Ich war in diesem Augenblick so glücklich für sie, dass mir nicht auffiel, dass meine Freundin aufgehört hatte am Barren hin und her zu schwingen. Sie stand auf dem Boden und starrte zu mir herauf. »Solche Sachen darfst du nicht sagen«, meinte sie heftig. »Er ist nicht tot. Du bist ja bloß gemein und ich will nicht mehr deine Freundin sein!«

Ich sprang vom Barren herunter und sah sie mit großen Augen an. Ich verstand nicht, warum meine Botschaft sie so verstört hatte. Ich hatte doch nur das getan, was alle tun können, oder? Ihr stiegen die Tränen in die Augen, und bevor ich es erklären konnte, rannte sie zur Pausenaufseherin und erzählte ihr, was ich gesagt hatte. Daraufhin wurde meine Freundin ins Schulgebäude gebracht, während man mich auf dem Hof stehen ließ. Der Großvater war immer noch da und hatte die Arme um mich gelegt. Er sagte: »O je, Kleine, du hast nichts Unrechtes getan! Eines Tages wird sie begreifen, was du für sie getan hast. Aber du musst verstehen, dass nicht alle Menschen das können, was du kannst. Sie können die Seelen, die von einer Welt in die andere übergehen, nicht sehen. Du musst versuchen, deine Fähigkeit so gut es geht für dich zu behalten. Irgendwann, wenn die anderen dafür bereit sind, werden sie deine Botschaften hören wollen.« Dann kniete er sich hin und umarmte mich, doch ich dachte nur an meine Freundin. Was für seltsame Dinge hatte der Mann zu mir gesagt! Es klang, als wollte er mir einreden, ich sei ein Monster und anders als meine Klassenkameraden. Ich konnte nur den Kopf schütteln, während mir die Tränen aus den Augen strömten. Er wischte sie weg und verschwand. Ich blieb allein zurück und fühlte mich einsam und verwirrt.

Unseren Schuldirektor hatte ich noch nie gemocht wegen all der Gerüchte, dass er sehr streng und hart sein konnte. Nun bekam ich natürlich Angst. Frierend und wie betäubt wartete ich, bis die Pausenglocke klingelte. Dann reihte ich mich in die Schlange ein, die zurück ins Schulgebäude ging. Ich stand bei meiner Klasse und hoffte, nicht in sein Büro gerufen zu werden. Dabei überlegte ich besorgt, was meine Freundin wohl verraten haben könnte. Dann betrat ich das Klassenzimmer, hängte meinen Mantel auf und setzte mich. Kurz darauf schallte es über die Sprechanlage: »Würde Vicki Chadbourne bitte in das Büro des Direktors kommen?« Meine Lehrerin, die ich sehr mochte, sah mich erstaunt an und winkte mich an ihr Pult. »Ist alles in Ordnung, Vicki? Kannst du allein hingehen?« Ich nickte, doch sie kannte mich zu gut. Also nahm sie mich an der Hand und trug der Klasse auf, im Geschichtsbuch weiter zu arbeiten, bis sie in einer Minute wiederkäme.

Es war der unangenehmste Weg, den ich je zurückgelegt hatte. Die warme Hand meiner Lehrerin hielt tröstend meine kalte Hand. Ich war froh, dass sie mitkam und wurde ruhiger, während wir auf das Büro zugingen. »Was immer es ist, ich bin sicher, es wird in Ordnung kommen«, sagte sie. Ich hatte meine Zweifel daran.

Wir wurden sofort in das Vorzimmer eingelassen, und meine Lehrerin wurde gebeten, zurück ins Klassenzimmer zu gehen, da die Sache nicht sie betraf. Während ich ihr hinterher schaute, schnürte sich meine Kehle vor Panik zu und mein Magen verkrampfte sich. Meine einzige Verbündete war weggeschickt worden. Nun war ich allein. Ich wartete im Vorzimmer; es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Die Sekretärin beobachtete mich mit seltsamem Blick.

Schließlich öffnete sich die Tür zum Zimmer des Direktors. Ich sprang auf, als ich meine Freundin aus seinem Büro kommen sah. Wieder versuchte ich, ihr zu erklären, dass es mir Leid tat, sie so zu erschrecken. Doch hinter ihr tauchte ihre Mutter auf und brachte mich mit einem Wink zum Schweigen. »Ich finde, du hast genug Unheil angerichtet, Vicki. Ich möchte nicht, dass du weiterhin mit ihr redest. Ich weiß zwar nicht, was für einen schlimmen Streich du ihr gespielt hast, aber wir hatten gerade einen Todesfall in der Familie. Es war grausam von dir, ihr das zu sagen, ohne dass sie es wusste!«

Sie liefen hastig an mir vorbei. Ich spürte ihre Wut und Trauer. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. »Vicki Chadbourne, bitte eintreten«, sagte eine Stimme aus dem Büro. »Und mach die Tür hinter dir zu.« Voller Angst spähte ich hinein. Ich wünschte mir sehnlichst, dass irgendjemand mir zu Hilfe käme.

Der Direktor stand hinter seinem Schreibtisch und kam mir vor wie ein Riese. Ich schluckte und setzte mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bevor er anfing zu sprechen. »Ich kenne dich zwar noch nicht, Vicki, aber ich habe gehört, du seist ein nettes Mädchen. Was hat dich dazu gebracht, solche schrecklichen Sachen zu einer Mitschülerin zu sagen, die deine Freundin ist?« Dann wandte er sich mir zu und schaute mich fragend an. Meine Angst legte sich ein wenig und ich konnte ihm in die Augen sehen. Ich erzählte ihm, was ich gesehen und erlebt hatte. Während er hinter dem Schreibtisch auf und ab ging, hörte er mir aufmerksam zu. »Passiert dir das oft, dass du Verstorbene siehst?«, fragte er. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Am liebsten hätte ich laut heraus geschrien: »Ja, schon seit ich denken kann!« Ich erinnerte mich an den Altar in der Kirche, den ich im Alter von drei Jahren gesehen hatte, aber den hatten doch auch alle anderen sehen können! War ich wirklich verrückt? Bildete ich mir alles nur ein? Was stimmte nicht mit mir?

Zögernd versuchte ich, die Wahrheit zu sagen, ohne in noch größere Schwierigkeiten zu geraten. Ich fürchtete auch, dass alle Mitschüler es erfahren würden. Ich wusste, dass sich an unserer kleinen Schule ein Gerücht in Windeseile verbreiten konnte. Doch ich hatte gehofft, es so lange wie möglich für mich behalten zu können. Ich unterdrückte das Zittern in meiner Stimme, während ich sagte: »Ich sehe Leute, aber ich weiß nicht warum. Ich habe sie nicht gerufen, aber sie tauchen dauernd auf. Und dann soll ich jemandem, den sie lieb haben, überbringen, dass es ihnen gut geht. Ich hab gedacht, ich würde meiner Freundin helfen. Ich wusste nicht, dass es sie zum Weinen bringen würde. Ich wollte sie nicht zum Weinen bringen! Ich habe ihr bloß die Wahrheit gesagt!«

 

Nun hatte ich es getan. Ich hatte die Wahrheit ausgesprochen. Ich konnte mich nun zurücklehnen und mein Schicksal akzeptieren. Der Direktor ging aus dem Zimmer, und ich wartete, während er mit jemandem telefonierte. Ich konnte hören, dass es meine Mutter war. Gott sei Dank! Meine Mutter hatte schon immer von meiner Fähigkeit gewusst. Sie hatte noch nie ein negatives Wort darüber verloren und mich immer Ernst genommen. Ihre Liebe und Ermutigung waren wundervoll. Ich dankte Gott für meine Mutter. Wenn mir jemand zu Hilfe kommen konnte, dann war sie es.

Ich sprang auf, als der Direktor wieder das Büro betrat. Er ließ die Tür zuknallen und sein Gesicht war rot angelaufen. Ich ließ mich wieder auf den Stuhl sinken. »Deine Mutter hat den Quatsch, den du vorhin fabriziert hast, auch noch bestätigt! Sie behauptet, du hättest schon immer Verstorbene gesehen. Sie sagt, sie hätte den Fehler gemacht, dir nicht zu sagen, dass nicht jeder so etwas sehen kann.« Er starrte mich an und fragte: »Siehst du in diesem Augenblick jemanden hinter mir?«

Noch bevor ich die Frage bejahen konnte, sah ich eine hübsche junge Frau – seine Tochter – hinter ihm stehen. Doch er schnitt mir das Wort ab. »Genau das dachte ich mir! Du erfindest diesen Blödsinn, um Aufmerksamkeit zu erringen. Du kannst keine Toten sehen, das ist unmöglich. Was du deiner Freundin angetan hast, ist grausam. Da es keinen Grund dafür gibt, bin ich gezwungen, dich drei Tage von den Pausen auszuschließen.«

Ich seufzte, doch mir war klar, dass die Strafe viel schlimmer hätte sein können. Ich wusste, dass andere zuhörten, wenn meine Mutter die Wahrheit sagte, auch wenn sie nicht ihre Meinung teilten. »Du wirst dich bei der Familie deiner Freundin schriftlich entschuldigen. Ich brauche eine Abschrift für meine Unterlagen.« Dann schickte er mich zurück in mein Klassenzimmer. »Und verliere kein weiteres Wort darüber, verstanden?« Ich schüttelte den Kopf und ging schnurstracks zur Tür. »Vicki, wenn du dir weiterhin einbildest, Verstorbene zu sehen, wirst du ein sehr einsames Leben führen und oft zum Arzt gehen müssen. Das ist der falsche Weg, um Aufmerksamkeit zu bekommen«, sagte er zum Abschluss. Ich nickte und ging zu meiner Klasse zurück.

An diesem Tag konnte ich es kaum erwarten, bis endlich Schulschluss war. Dabei hatte der Tag wie jeder andere begonnen. Ich sprang aus dem Schulbus und rannte in unser Haus. Wie immer wartete meine Mutter schon auf mich. Ihre herzliche Umarmung ließ mich hoffen, dass alles bald vergessen sein würde. Ich wollte nie wieder jemanden sehen müssen, den ich nicht sehen wollte. Ich ahnte nicht, dass dies erst der Anfang meiner Begegnung mit den Verstorbenen war.

Die Schule wurde leichter, als ich gelernt hatte, mich unter Kontrolle zu halten. Ich war eine durchschnittliche Schülerin, die festgestellt hatte, dass das Zusammensein mit anderen viel mehr Spaß machte als Geometrie. Ich war die ganzen vier Jahre auf der Highschool die Anführerin der Cheerleaders. Meine beste Freundin allerdings war meine Schwester, denn der Altersunterschied zwischen ihr und mir betrug nur elf Monate. Keiner unserer Freunde erfuhr jemals von meiner spirituellen Fähigkeit oder dem Zwischenfall mit meiner früheren Freundin auf dem Schulhof. Ich behielt alles für mich und glaubte, die Fähigkeit zu verlieren, wenn ich sie nicht beachtete. Noch nicht einmal meine Geschwister wussten, dass ich ein großes Geheimnis vor der Welt versteckte. Ich hoffte und betete, dass niemand es je herausfinden würde.