Mut zum Rollentausch

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Mut zum Rollentausch
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Österreich feiert sich international als fortschrittlichen Wirtschaftsstandort, aber die Rollenverteilung von Frauen und Männern ist erzkonservativ. Das beschert uns im Vergleich mit anderen europäischen Ländern unter anderem eine der größten Einkommensscheren und in der Folge Altersarmut von Frauen. Zahlen und Fakten in diesem Buch belegen das.

Frauen in Toppositionen und Männer in Väterkarenz sind (nach wie vor) mutige Pionier*innen in unserer Gesellschaft. Die fünfzig für dieses Buch geführten Interviews – darunter etwa mit der ehem. EU-Staatssekretärin Brigitte Ederer, der jungen Publizistin Ingrid Brodnig, dem Journalisten Hans Bürger, dem Investmentbanker Jörg Asmussen und der ehem. Ministerin Maria Rauch-Kallat – zeigen, dass mehr Gleichberechtigung möglich ist und alle davon profitieren: die Kinder, die Frauen und die Männer.

Coach Verena Florian weist anhand der Erzählungen auf die vielen Möglichkeiten hin, wie Frauen und Männer beruflich und mit der Familie ihren eigenen Weg gehen können, jenseits von traditionellen, sozial konstruierten Rollenbildern.

VERENA FLORIAN

Mut zum Rollentausch

50 beruflich erfolgreiche Frauen und Männer in Väterkarenz erzählen

FALTER VERLAG

© 2019 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.

1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9

T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at, W: www.falter.at

Coverillustration: P. M. Hoffmann

Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Vervielfältigung!

ISBN ePub: 978-3-85439-653-6

ISBN Kindle: 978-3-85439-646-8

ISBN Printausgabe: 978-3-85439-634-5

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2019

INHALT

Cover

Über das Buch

Titel

Impressum

Einleitung

Methode

Die Rechnung geht auf

Frauen sind Mütter – und sonst nichts?

Die neuen Männer: Väter in Karenz

Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht alle an – nicht nur die Mütter

Mythos Rabenmutter: Wir sind Rabeneltern – und das ist gut so

Pionier*innen: Neue Lebensentwürfe als Vorbilder für die anderen

Frauen und Geld

Was will ich wirklich?

Der Fixstern am Horizont der Wünsche

Folge deiner eigenen Spur – bleib dir treu

Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung

Mut! Traut euch! Niemand klopft an eure Tür, geht selbst!

Mach deine Sache gut und rede davon! Leistung zeigen

Aufstehen und weitergehen

Gläserne Decken

Die Quote: Anreiz zur Änderung

Netzwerken – und wie!

Bewertungen von Frauen und Männern

Gestaltungsmacht erreichen

Unternehmerin sein

Der 360-Grad- oder Panoramablick der Frauen: Segen und Fluch zugleich

Selbstfürsorge für Frauen und Männer

Spiele und ihre Regeln

Tipps und Anregungen

Der Weg nach oben

Literatur

Kurzbiografien

Autorenbiografie

Dank

Endnoten

EINLEITUNG

In diesem Buch sind Geschichten von Pionier*innen zu lesen, die Neuland betreten in unserer Gesellschaft. Sie erzählen von Frauen in Führungspositionen und Männern in Väterkarenz. Es hat viel Mut gebraucht, um das ihnen zugeteilte, traditionelle, tief eingeprägte Rollenbild zu verlassen. Sie sind dieses Wagnis eingegangen. Willkommen im 21. Jahrhundert!

Die dreißig Interviews mit Vorständinnen, Vorstandsvorsitzenden, Managerinnen und Unternehmerinnen weisen interessante und ähnliche Grundmuster auf: Alle diese Frauen sind erfrischend authentisch und vor allem: Sie sind Frauen geblieben, auch wenn sie alle von den Schwierigkeiten in Männerwelten und von der Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie berichteten. Sie haben oft mehr Leistung bringen müssen, um auf sich aufmerksam zu machen, um gläserne Decken zu durchbrechen, aber zwei Leitmotive haben sie angetrieben: der Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit und der Wille, Gestaltungsmacht zu erlangen.

Und dann passierte etwas ganz Wunderbares: Viele dieser Frauen beginnen, einmal an den Schalthebeln der Macht angelangt, das System von innen zu verändern: Sie schaffen menschenfreundlichere Arbeitsbedingungen, erlauben Männern, in Väterkarenz zu gehen. Dabei gibt es viel mehr Ermöglicher*innen, als wir glauben! Sie holen bewusst Frauen in höhere Entscheidungsebenen, wenn die das wollen.

„Wir haben jegliche Flexibilität. Du überlegst dir, was du von deinem Leben willst. Und alles andere bauen wir drum herum.“ (Thea R.) 1

Das sagte eine Managerin zu einer Frau, die ein Kind bekommen hat und zögert, eine interessante Stelle anzunehmen, in der die Bereichsleiterin sie unbedingt haben will. Die ganze Geschichte dazu ist im Kapitel „Mut! Traut euch!“ zu lesen.

Angesichts von viel zu wenig Frauen in Führungspositionen und immer noch großen Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern, gerade in Österreich und in Deutschland, ist aber davon auszugehen, dass es noch viel mehr Ermöglicher*innen braucht, um Gleichheit zwischen Frauen und Männern herzustellen. Aber die Frauen, die ich interviewt habe, zeigen auch, dass es auch auf uns selbst ankommt, dass wir selbst, Frauen und Männer, viel dazu beitragen können, diese Ungleichheiten zu beseitigen.

Frauen und Männer sind Verbündete: in der Familie, wenn Kinder da sind und sie sich die wertvolle, aber unbezahlte Arbeit zu Hause gerecht aufteilen; und in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und in der Politik, wenn sie gemeinsam den Herausforderungen unserer Zeit begegnen. Im Kapitel „Die Rechnung geht auf“ zeige ich, dass gemischte Teams messbar erfolgreicher sind als homogene Teams.

Zwanzig Interviews habe ich mit Männern geführt, die in Väterkarenz gegangen sind. Ihre Schilderungen zeigen, dass auch sie an gläserne Decken stoßen: In Österreich wagt nur jeder fünfte Mann, der ein Kind hat, Karenzzeit in Anspruch zu nehmen, um beim Kind sein zu können. Er ist auf den guten Willen der Arbeitgeberin, des Arbeitgebers angewiesen und muss dann oft noch damit zurechtkommen, dass mit der Väterkarenz das größere Gehalt in der Familie wegfällt. Dennoch haben es die interviewten Männer darauf ankommen lassen, aus zwei Motiven: weil sie das Aufwachsen ihrer Kinder miterleben wollten und weil sie die mit Kindern einhergehende Verantwortung fair mit ihren Partnerinnen teilen wollten. Auch sie sind Ermöglicher. Jeder Mann, der in Väterkarenz geht, ist ein Ermöglicher für eine Frau. Ihre Erzählungen sind im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“ zu lesen. Es ist eine gute Nachricht für Frauen, die Beruf und Kinder vereinbaren wollen: Es gibt viel mehr Männer, die gerne bei den Kindern bleiben und in Väterkarenz gehen würden, als wir ahnen. Das ist die Chance für Frauen, auch mit Kindern interessante Jobs zu behalten und ein besseres Einkommen zu haben.

 

Alle Interviewpartner*innen begrüßten meine Initiative, dieses Buch zu schreiben. Sie stellten sich gerne als Role Models zur Verfügung. Ich habe die Art und Weise beschrieben, wie sie ihre Rolle anlegen, diese steht im Zentrum der Betrachtung, nicht die Persönlichkeit der Gesprächspartner*innen. Daher ist es auch kein Problem, dass einige von ihnen nicht namentlich genannt werden wollten. Dafür haben sie mir aber für dieses Buch Dinge erzählt, die sie sonst öffentlich wahrscheinlich nicht preisgeben würden. Manche von ihnen entpuppten sich als richtige Feminist*innen, was sie von sich aber wahrscheinlich nicht behaupten würden.

Eine Vorständin sagte mir:

„Mir gefällt das so gut, dass Sie auch die Männer miteinbeziehen. Das ist so wichtig, weil es läuft ab einem gewissen Punkt ins Leere, wenn wir nur versuchen, unser Verhalten als Frauen zu verändern. Die Gesellschaft ist ja ein Miteinander. Und wenn sich auf der Männerseite einstellungsmäßig nichts ändert, werden wir sehr viel Gegenwind für unsere Bemühungen haben.“ (Teresa I.)

Die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen. Die Entscheidungen, die uns alle angehen, werden aber immer noch mehrheitlich von Männern getroffen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen.

Warum erreichen nur so wenige Frauen eine Machtposition und warum ist der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern so groß? Diese Frage zieht sich durch das gesamte Buch, dass sie berechtigt ist, wird durch grafisch aufbereitete Zahlen und Fakten verdeutlicht.

Es ist leider immer noch eine Tatsache, dass Einkommen, Vermögen und Arbeit zwischen Frauen und Männern ungleich verteilt sind: Frauen verdienen viel weniger und besitzen weniger Kapital als Männer. Umgerechnet auf das Jahr bedeutet das, dass Frauen ab Mitte Oktober kein Geld mehr bekommen, aber einen Monat länger als Männer arbeiten, weil sie nach wie vor den Großteil der notwendigen und wertvollen, aber unbezahlten Pflege- und Hausarbeit verrichten.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 schreibt die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen vor. 2015 wurden von allen UN-Mitgliedsstaaten die Ziele für nachhaltige Entwicklung, Sustainable Development Goals (SDGs), beschlossen; bis 2030 sollen sie realisiert sein. Laut Ziel fünf soll bis dahin Geschlechtergleichstellung erreicht werden und alle Frauen und Mädchen sollen zur Selbstbestimmung befähigt sein. Angesichts der aktuellen Zahlen zur Gleichberechtigung ist das ein ambitioniertes Ziel. Österreich und Deutschland sind im Vergleich mit den anderen EU-Ländern Schlusslichter, was die Verteilung der Einkommen zwischen Frauen und Männern betrifft. Dass sich Frauen und Männer in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft die Macht gerecht teilen, die Einkommensschere zwischen ihnen geschlossen wird, Männer für ihre Kinder im gleichen Ausmaß in Karenz gehen wie Frauen und die wertvolle unbezahlte Arbeit fair aufgeteilt ist – das werden vielleicht erst unsere Urenkel*innen erleben. Wie traurig! Mehr dazu im Kapitel „Die Rechnung geht auf“.

Was mich allerdings wirklich nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass wir immer noch über dieselben Dinge reden müssen, die schon unsere Mütter gefordert haben, zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei der Recherche bin ich mir manchmal vorgekommen, als schriebe ich ein Buch über eine längst vergangene Zeit. Leider ist es aber so, dass die Forderungen unserer Mütter immer noch aktuell sind.

Gleichberechtigung ist gesellschaftlich relevant, das Private ist politisch, wenn es darum geht, die unbezahlte Arbeit im privaten Bereich der Familie fair aufzuteilen. Denn den Frauen, die die Hauptlast der unbezahlten Arbeit tragen, droht dadurch ganz konkret Altersarmut. Das ist nicht nur ungerecht, es ist ein sozialer Missstand in unserer Gesellschaft. Das weise ich mit Zahlen in den Kapiteln „Frauen und Geld“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht alle an – nicht nur die Mütter“ nach.

Der Wandel findet zwar statt, aber viel zu langsam. Modernisierungskonflikte entstehen dort, wo Veränderung auf lang bestehende, einzementierte Strukturen trifft: Die Tatsache, dass viele Frauen langsam an gesellschaftlicher Gestaltungsmacht gewinnen und in die oberen Etagen des Managements drängen und immer mehr Männer gerne den Familienpart übernehmen, erzeugt Reibung. Doch werden Frauen immer noch viel zu selten in die Vorstandsetagen gelassen – die Zahlen dazu sind nachgerade erschreckend – und Männer müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten, wenn sie auch nur erwähnen, in Väterkarenz gehen zu wollen. Dabei wäre der Rechtsanspruch, ja die Verpflichtung zur Väterkarenz für alle Männer ein Schlüssel zu mehr Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft. Das zeige ich im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“.

Der Mann arbeitet und die Frau kümmert sich um die Kinder, das ist nach wie vor das Familienmodell, das in unserem Kulturkreis allgemein bekannt, gewohnt und akzeptiert ist. Alles andere entspricht nicht einer „normalen“ Familie: Um diese Heteronormativität zu relativieren, habe ich auch queere Paare mit Kindern interviewt. Wie diese Menschen damit umgegangen sind und wie sie die traditionellen Rollenbilder für Frauen und Männer am Ende doch wieder eingeholt haben, erzähle ich im Kapitel „Frauen sind Mütter – und sonst nichts?“.

Und wenn eine Frau bereit ist für die Topposition, dann stößt sie auf ein Hindernis, das durch die gesamten Führungsetagen, aber auch in andere Bereiche der Wirtschaft wabert: den Unconscious Bias, die unbewusste Voreingenommenheit. Eine Managerin dazu:

„Ab einer bestimmten Ebene ist die Vorstellung von Führung männlich. Und ich glaube, das ist noch nicht einmal bewusst.“ (Thea R.)

Im Kapitel „Mut! Traut euch! Niemand klopft an eure Tür, geht selbst!“ fasse ich die Aussagen von Frauen zusammen, die es bis ganz nach oben geschafft haben. Sie erklären hier, was frau tun kann, um den Weg durch das Labyrinth und durch gläserne Decken nach oben zu finden – wenn sie will. Denn das ist die Erkenntnis aus den Erzählungen dieser Frauen: Viele Frauen müssen dazu überredet werden, einen Job mit mehr Verantwortung zu übernehmen. Und einige Sackgassen im Labyrinth haben wir Frauen selbst in unseren Köpfen. Wir sind aber durchaus in der Lage, diese zu vermeiden. Mehr dazu in den Kapiteln „Mach deine Sache gut und rede davon! Leistung zeigen.“ und „Gläserne Decken“.

Immer mehr Frauen machen sich selbstständig und gründen ein Unternehmen. Auch bei ihnen ist das durchschnittliche Einkommen im Vergleich zu dem der Männer wesentlich geringer. Mehr dazu im Kapitel „Frauen und Geld“. Praktisch alles, was hier beschrieben wird, gilt auch für Unternehmerinnen, ich beleuchte auch immer deren spezifische Situation. Von meinen Interviewpartner*innen ist ein Drittel selbstständig – darunter zwei Männer. Mehr darüber im Kapitel „Unternehmerin sein“.

Wohlgemerkt: Es geht mir nicht darum, dass alle Frauen Karriere machen und alle Männer in Karenz gehen sollen. Es geht mir nicht um Gleichmacherei der Geschlechter. Es geht mir auch nicht um Selbstoptimierung mit dem Ziel, sich den Normen der Wirtschaft und der Gesellschaft anzupassen. Jeder Mensch ist einzigartig, ist mit einem unverwechselbaren Set an Fähigkeiten und Talenten auf die Welt gekommen. Die Welt braucht jedes einzelne dieser Talente. Meine ernst gemeinte Botschaft an Frauen und Männer lautet: Macht das, was ihr gerne tut, denn dann seid ihr am besten. Lasst euch nicht durch sozial konstruierte Rollen, die euch euer Geschlecht oder andere Merkmale aufzuzwingen versuchen, einschränken. Mehr dazu im Kapitel „Was will ich wirklich“. Dabei können Frauen in Führungspositionen auf ihre Art weiblich bleiben. Und Männer sollen auf ihre Art Mann sein können, wenn sie ihr Baby im Tragetuch tragen. Die Menschen, die ich für dieses Buch interviewt habe, zeigen, dass Lebens- und Arbeitsformen jenseits von Rollenklischees möglich sind.

Die Themen, die in diesem Buch besprochen werden, ergaben sich aus den Erzählungen meiner Interviewpartner*innen. Keines davon ist von mir vorgegeben oder vorher konzipiert worden. Mehr über die Vorgehensweise im Kapitel „Methode“.

Oft ist in diesem Buch die Rede von „den Männern“, die es so und so machen, und „den Frauen“, die es anders machen. Ich will Stereotype und Rollenklischees nicht noch verstärken. Ich gebe aber wieder, was mir Frauen in Führungspositionen berichtet haben, und da hat sich die Erzählung der Unterschiede von Frauen und Männern durch alle Interviews gezogen. Eine Gesamtschau ergibt, dass es offensichtlich so ist, dass sich Frauen und Männer in vielen Fällen unterschiedlich verhalten und auch unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten mitbringen. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Es sind aber genau diese Unterschiede unter den Menschen, die gemischte Teams so erfolgreich machen.

Dieses Buch möchte Mut machen. Diese Erzählung zieht sich durch das gesamte Buch. Es zeigt Wege, wie Frauen, die das wollen, beruflich weiterkommen und unabhängig werden können. Aus den Interviews mit Frauen, die es ganz nach oben geschafft haben, können sie vieles für sich mitnehmen.

Und dieses Buch bringt die Erfahrungswelten von Männern nahe, die in Väterkarenz gegangen sind und das als Bereicherung empfunden haben, obwohl sie dadurch einige unangenehme Konsequenzen zu tragen hatten, was nicht sein sollte.

Von den scheinbar kleinen Herausforderungen des täglichen Lebens bis zu den großen Herausforderungen der Menschheit auf dieser Erde: Am besten können wir sie gemeinsam bewältigen, mit unseren unterschiedlichen Fähigkeiten und Herangehensweisen, Frauen und Männer, Junge und Erfahrene, Menschen verschiedener Kulturkreise.

Ich wünsche ihnen allen den Mut, jenseits von gesellschaftlichen Rollenklischees und sozialer Beobachtung Wege zu suchen, die ihnen entsprechen. Es gibt so viele Möglichkeiten, das zu tun, zum Wohle aller.

METHODE

Das Herzstück dieses Buches sind Zitate aus über fünfzig Interviews mit Frauen in Führungspositionen und Männern in Väterkarenz.

Als gelernte Historikerin (Mag.a phil., Universität Graz) bin ich mit der Methode der Oral History, der mündlichen Geschichte, vertraut. Im Wesentlichen besteht sie aus der Führung von Interviews mit Menschen aus bestimmten Bereichen, die für die Untersuchung von Interesse sind. Das Gesagte wurde transkribiert und nicht wesentlich überarbeitet, so dass die aufgeschriebenen Erzählungen sehr authentisch sind. Es ist die Absicht dieses Buches, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die etwas tun, was immer noch ungewöhnlich, aber von gesellschaftlichem Interesse ist. Denn wenn mehr Menschen den Mut hätten, Ungewöhnliches zu tun, gäbe es mehr Gleichberechtigung in dieser Gesellschaft, so meine These.

Von November 2016 an führte ich dreißig Interviews mit Frauen in Führungspositionen, der zweiten Managementebene, mit Vorständinnen und Vorstandsvorsitzenden oder Unternehmerinnen. Es waren Frauen darunter, die schon Ministerinnenposten innehatten. Ihr Wunsch, anonym zu bleiben, brachte es mit sich, dass ihre Kurzbiografien zum Teil nur sehr allgemein gehalten werden konnten. Denn in manchen Branchen gibt es so wenige Frauen in Führungspositionen, dass sie bei näheren Angaben gleich erkennbar wären. Deshalb werden alle Frauen aus der Finanzwirtschaft, deren Zitate anonym bleiben sollen, als Vorständinnen beschrieben, obwohl zwei von ihnen Vorstandsvorsitzende sind.

 

Die Hälfte der Frauen, die ich interviewt habe, sind selbstständige Unternehmerinnen. Das Alter der Frauen liegt zwischen Mitte zwanzig und siebzig Jahren.

Es war die leichtere Übung, Interviews von Frauen in Führungspositionen für dieses Projekt zu bekommen. Ich erhielt nur Zusagen. Zwar wurde das Treffen in den übervollen Terminkalendern von den Assistentinnen manchmal mehrfach verschoben, aber immer kam es zustande. Ich bin den Interviewpartnerinnen sehr dankbar, dass sie mir oft mehr als geplant von ihrer kostbaren Zeit schenkten. Den Frauen war es offensichtlich wichtig, die mit ihrer Rolle als weibliche Führungspersönlichkeiten verbundenen Erfahrungen weiterzugeben.

Nicht so einfach war es, Männer zu finden, die schon einmal in Väterkarenz gegangen waren. Einige der Frauen, die ich interviewt hatte und deren Männer in Väterkarenz gegangen waren, wollten mir diese mit dem Hinweis, ihre Privatsphäre wahren zu wollen, nicht für ein Interview vermitteln. Grundsätzlich hatte ich bei den Vätern den Eindruck, dass sie sich freuten und sogar richtig stolz waren, von ihren Erfahrungen als Vater in Karenz berichten zu können.

Ergänzt werden die Erzählungen der Frauen und Männer mit vielen statistischen Quellen, vor allem von der Statistik Austria, für internationale Vergleiche von Eurostat, dem europäischen Pendant zur Statistik Austria, und von der OECD.

Die Reihenfolge der Kapitel ergibt sich aus der Gewichtung, die die Frauen und Männer den Themen beimaßen. So kommt es, dass zum Beispiel dem Willen der Frauen zur Unabhängigkeit und dem Thema „Traut euch“ breiter Raum gegeben wird. Tatsächlich sprachen alle Interviewpartnerinnen darüber, dass Frauen im beruflichen Kontext mehr Mut haben sollten, den nächsten Schritt zu wagen. Die unterschiedlichen Fähigkeiten von Frauen und Männern wurden von den Frauen immer wieder angesprochen. Das soll nicht als „Biologismus“ verstanden werden. Die Frauen in Führungspositionen sprachen aber wiederholt von ihrer Beobachtung, dass gemischte Teams aus Frauen und Männern bessere Ergebnisse erzielten, eben weil Frauen und Männer oft unterschiedliche Wahrnehmungen haben und anders agieren.