Protestantismus in Spanien

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Protestantismus in Spanien
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Protestantismus in Spanien

Unterdrückung und Inquisition im 16. Jahrhundert


Impressum

© 1. Auflage 2021 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: unbekannt

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-280-7

Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de

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Inhalt

Titelblatt

Impressum

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Einleitung

Entstehung und erste Fortschritte des evangelischen Glaubens in Spanien

Begebenheiten vor der Reformation

Protestantische Kirchen in Kastilien und Andalusien

Erstes Autodafé zu Valladolid

Zweites Autodafé zu Valladolid

Erstes Autodafé zu Sevilla

Zweites Autodafé zu Sevilla

Verfolgungen der Protestanten in andern Städten Spaniens

Wirkungen des Einflusses der spanischen Inquisition auf die von dieser Monarchie abhängigen Länder

Nachrichten über einige andere Märtyrer Spaniens, welche für die Sache der protestantischen Glaubenslehre litten

Letzte Seite

Einleitung

Jahrhunderte hindurch hatten die Grabeshöhlen der spanischen Inquisition die Gräuel in dichter Finsternis verborgen, die sie im Namen der Religion der Menschenliebe verübt hatte.

Einem späteren Zeitalter war es vorbehalten, einen Teil des Schleiers zu lüften, der jene Schrecknisse umhüllte. Wirklich liefert uns die Geschichte selbst unter den rohesten Völkern kein Beispiel eines Volkes, bei dem der Religionsfanatismus eine finstere, grauenvollere Gestalt angenommen, wo Sektengeist und Priesterwut mit sinnlichster Bosheit gegen Andersdenkende gewütet hätte.

Der Leser findet in diesem Werke in einer gedrängten Übersicht die Geschichte der Freveltaten aufgezeichnet, welche man beging, das in Spanien aufgehende Licht des Evangeliums wieder auszulöschen, durch welches die römische Priesterschaft sich bedroht sah. Wenn solche jedes gefühlvolle und wahrhaft christliche Herz mit dem tiefsten Schmerze und Rührung erfüllen müssen; so wird sich auf der andern Seite die Seele bei dem Gedanken des Sieges erhoben fühlen, den das Licht des lauteren Evangeliums, den die Humanität und die menschlicheren Ansichten in Religionssachen über Bigotterie, Glaubenswut und sinnliche Gottesverehrung in beinahe allen christlichen Ländern der bewohnten Erde davongetragen haben.

Bereits im zwölften Jahrhundert hatte die Verdorbenheit des Papsttums und die Sittenlosigkeit des römischen Hofes und der Klerisei1 denselben Widersacher selbst mitten im Schoße der römischen Kirche erweckt, welche in öffentlichen Predigten dieselben zu rügen keinen Anstand nahmen. Es waren Seelen entstanden, die sich von der römischen Kirche losgesagt hatten, und in einfacheren, dem Geiste des Evangeliums entsprechenderen Formen ihren Gottesdienst feierten. Unter den Augen des Papsttums hatten sie sich in Italien bis nach Neapel ausgebreitet, sich als friedliche, betrieb- und duldsame Menschen bewahrt und sich so lange den Verfolgungen entzogen. Der Same der Reformationslehre war aber durch sie in Ländern ausgestreut worden, in denen die Priesterherrschaft ihren Thron aufgeschlagen hatte.

Nicht wenig zur Untergrabung des Ansehens des Papsttums trugen auch die Minnesänger jener Zeit durch ihre, in provenzalischer Sprache geschriebenen Spottlieder auf die Mönche bei, die in Italien, Frankreich und selbst bis in Spanien verbreitet, und vom Volk auf den Straßen abgesungen wurden. Was Wunder, wenn die Gemüter auf eine Reform im Kirchenwesen vorbereitet, wenn sie von den Einsichtsvolleren im Volke sehnlichst verlangt wurde? Was Wunder, wenn die Lehren der deutschen und englischen Reformatoren in diesen Ländern mit Begierde aufgefasst wurden, und sie bei hohen und niederen Ständen empfängliche Gemüter fand. Zum unzweideutigen Beleg hiervon mag der Umstand dienen, dass ein einziger Basler Buchhändler viele hundert Exemplare von den Schriften Luthers und anderer Reformatoren auf der Frankfurter Messe aufkaufte und über Paris nach Spanien schickte; dass, wie wir späterhin sehen werden, die italienischen Buchhändler einen fast wucherischen Handel mit diesen Schriften trieben.

Vielleicht würde die Reformation unterblieben sein, oder doch einen großen Stoß erhalten haben, wenn die römische Curie einige Nachgiebigkeit gezeigt, wenn sie die Kirchenverbesserung aus sich selbst hätte hervorgehen lassen; allein vielleicht war es Wille der Vorsehung, dass sie nichts von ihrer zeitlichen Macht und ihrem weltlichen Vorteile aufgeben; dass sie in Verstocktheit in ihrer Verderbtheit beharren, und mit Feuer und Schwert ihr moralisch gesunkenes Ansehen zu erhalten suchen, dass durch den hierdurch entstandenen Zwiespalt der Forschungsgeist weiter aufgeregt und die Meinung geläutert werden sollte.

Ob Spanien bestimmt ist, einer größeren Erleuchtung entgegen zu gehen? Dieses ist eine Aufgabe, deren günstige Lösung der Kampf selber erwarten lässt, in welchem jetzt das Licht mit der Finsternis, der freie Geist des Menschen mit der Mönchsherrschaft und dem Despotismus dort liegt. Genug, dass die Macht des Fanatismus gebrochen, dass das Ansehen der römischen Hierarchie vor der Gewalt der Meinungen und der Hellern Einsicht, selbst in jenen Staaten gesunken ist, in denen sie den menschlichen Geist noch vor wenigen Jahrzehnten gefesselt hielt, dass das Vorurteil unter dem Einfluss der Zeit schwindet, und wenn auch der weichlichere Süden seine Bewohner noch längere Zeit durch die Bande eines der Sinnlichkeit zusagenderen Kultus befangen halten sollte, doch unter dem Schutze weiser und toleranter Regierungen, der Protestant und der Katholik, zu einem Ziele strebend, sich bald in allen Landen die Bruderhand reichen werden, „Wie jeder sich den Dienst erkor“.

Weitere Fortschritte in der gebrochenen Bahn dürfen wir vielleicht nun durch die Einwirkung politischer Reformen erwarten.

Entstehung und erste Fortschritte des evangelischen Glaubens in Spanien

In diesem Augenblicke, wo Spanien in Unwissenheit versunken, vom Aberglauben beherrscht, die Beute aller Arten von Verbrechen ist, kann nichts gleichgültig sein, was auf die Religionsgeschichte dieses unglücklichen Landes einiges Licht zu werfen fähig ist.

Wir halten uns demnach versichert, durch die Erzählung der Art und Weise, wie die Reformation in diesem Teile der Halbinsel zu den Zeiten Luthers und Calvins ihren Anfang nahm, und durch welche Mittel es der Inquisition gelang, solche zu unterdrücken, Interesse zu erwecken. Die Abscheulichkeiten dieses entsetzlichen Tribunals können wir nicht oft genug dem Gedächtnisse zurückführen; denn hierdurch lernen wir desto lebhafter den unschätzbaren Wert der Aufklärung und der Freiheit fühlen.

Auf welcher Stufe des Glanzes und der Wohlhabenheit würde sich nicht das heutige Spanien befinden, wenn die Ungeheuer, welche den Zügel der Regierung in diesem Lande führten, nicht die Fackel des Evangeliums ausgelöscht, nicht durch Gewalttaten und Verbrechen, vor denen die Menschheit schaudert, jene Menschen hätten umbringen lassen, die mit heiligem Eifer einzig dahin trachteten, die wahre Religion des göttlichen Sohnes zu verbreiten.

Leider haben jene schrecklichen Übel, welche dieses Land heimsuchen und die ohne Zweifel auf höhere Fügung einer waltenden Vorsehung seit so lange alle Quellen seines Wohlstandes vertrocknen, weder einen großen Teil seiner Bevölkerung, noch auch diejenigen belehrt, welche an der Spitze des Volkes stehen. Sie scheinen für den heilsamen Einfluss der Aufklärung und der Wahrheit nicht empfänglicher, noch geneigter geworden zu sein, andern jene Gewissensfreiheit zu gewähren, die ein, jedem Menschen schon bei seiner Geburt verliehenes, unveräußerliches Recht ist. Noch heutigen Tages fehlt ihnen weiter nichts, als die Macht und die Gelegenheit, jene Blutgerüste wieder aufzurichten und im neunzehnten Jahrhundert jene schrecklichen Trauerspiele zu erneuern, welche das sechzehnte entehrt haben.

 

Allein die Christen dürfen selbst auch an Spanien nicht verzweifeln. Mögen sie nicht aufhören, für seine Bekehrung und geistige Befreiung die inbrünstigsten Gebete zum Himmel emporzurichten.

Wenn man den Zustand des Verfalls dieser Nation betrachtet, die einst die reichste und mächtigste von Europa, heute zu Tage so herabgesunken ist, dass die Weltgeschichte kein Beispiel einer schimpflicheren Erniedrigung darbietet; so sollte es fast scheinen, dass der Gerechtigkeit eine hinlängliche Genugtuung geworden sei, und dass die christliche Liebe sich eine tröstlichere Zukunft versprechen dürfe, indem sie sich des köstlichen Samens, der in dieses, durch die Leiden so vieler Märtyrer des protestantischen Glaubens geheiligte und mit ihrem Blute besprengte Land ausgestreut worden, so wie der sichern Verheißungen und der unendlichen Barmherzigkeit desjenigen erinnert, „der seinen Sohn in die Welt geschickt hat, nicht um die Welt zu verdammen, sondern dass die Welt durch ihn selig werde.“

Begebenheiten vor der Reformation

Die Morgenröte jenes belebenden Lichtes, welches im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts so gewaltig und mit solchem Glanz hervorbrach, ließ auch einige ihrer Strahlen auf die Finsternis fallen, welche die von der Inquisition beherrschten Länder umhüllte. Man hätte hoffen sollen, dass das beständige und regelmäßige Fortschreiten jenes Lichtes endlich diese dichte Finsternis zu durchdringen vermocht hätte; allein kaum hatte man seinen ersten Schimmer wahrgenommen, als Menschen, die eine mächtige Klasse im Staate bildeten und die nur dem Aberglauben und der Unwissenheit des Volkes die Ehrenstellen und das Ansehen verdankten, deren Besitz sie sich ausschließlich angemaßt hatten, die Vorurteile der Nation gegen die neuen Ideen aufregten, die so viele Unruhe bei ihnen erweckten.

Schon einige Zeit vor der Erfindung der Buchdruckerkunst hatte man in Spanien mit der Zerstörung der literarischen Werke begonnen. Jene Scheiterhaufen, wo die Flammen so oft die kostbarsten hebräischen und arabischen Manuskripte verzehrten, waren für den unwissenden Spanier ein ergötzliches Schauspiel, es waren Werke, die in den Sprachen zweier verabscheuten Nationen geschrieben waren, eine Betrachtung, die allein hinlänglich war, um sie zur Vernichtung zu verurteilen.

Mit Wohlgefallen sahen auch die Geistlichen ihrerseits die Zerstörung griechischer, lateinischer und kastilianischer Werke, welche voraussetzen lassen konnten, dass es noch andere Wissenschaften, als diejenigen gäbe, welche sie lehrten. Im Jahre 1434 wurde die Bibliothek Heinrichs von Arragonien, Marquis von Villena, eines mit der königlichen Familie verwandten Großen, unter dem Vorwand verbrannt, dass sie Bücher über die Zauberei enthalte.

Johann II., König von Kastilien, befahl einem Dominikanermönche, welcher Hofmeister seines Sohnes, des Prinzen von Asturien, war, darauf zu sehen, dass solche vollständig verbrannt werde; allein dieser Vorsicht ungeachtet entgingen einige Bände, selbst mit Bewilligung des damit beauftragten Mönchs, den Flammen. ‒ Im Jahre 1490 wurde eine große Menge Bibeln, und über sechstausend Bände derselben Gattung, wie solche bei dem Tode des Marquis von Villena verbrannt worden waren, unter dem Vorwand, dass sie Zaubereien oder ketzerische Auslegungen enthielten, zerstört. Die Ehre dieser Gewalthandlung gebührt dem Generalinquisitor Torquemada, dessen Befehle in einem zu Salamanca auf dem St, Stephansplatze gefeierten Autodafé2 vollzogen wurden1.

Im Jahre 1502 befahlen Ferdinand und Isabella den Präsidenten der Kanzleien, so wie allen höheren Gliedern der Geistlichkeit, über alles, was auf die Untersuchung, die Zensur, den Druck, die Einführung oder den Verkauf von Büchern Bezug habe, die strengste Aufsicht zu führen. In dem Maße demnach, wie sich die Besorgnisse der römischen Kirche vermehrten, verdoppelten sich auch die Gefahren und Schwierigkeiten, womit diejenigen Menschen umringt wurden, welche ihr Leben, frei von dem Zwang irgend eines bestehenden Systems, der Entdeckung der Wahrheit zu weihen wünschten. Man konnte die Tätigkeit der Geister jedoch nur bis auf einen gewissen Grad beschränken. Das Studium der gelehrten Sprachen war eine Lieblingsbeschäftigung der höheren Geistlichkeit geworden. Die erste Ausgabe einer Polyglottenbibel verdankt man dem Kardinal Cisneros, der ohne Zweifel weit entfernt war, die Folgen dieser Neuerung vorauszusehen. Es konnte nicht fehlen, dass die Erforschung der Schrift in der Originalsprache bei den Spaniern die nämlichen Zweifel erweckte, die hierdurch bei den Gelehrten anderer Nationen entstanden waren, und so wurde in Spanien der Same der Reformation durch Mittel ausgestreut, die jenen ganz ähnlich waren, welche im Norden von Europa bald eine so reiche Ernte vorbereiteten.

Unter dem fünften Generalinquisitor fingen die Meinungen der Reformatoren an, sich in Spanien immer mehr zu verbreiten. Die Geschichte jener Zeit überliefert uns die Namen mehrerer berühmter Opfer, die auf den bloßen Argwohn hin, dass sie Luthers Lehre angenommen hätten, unter den Händen der furchtbaren Inquisition bluteten.

Unter ihnen befand sich der ehrwürdige Johann von Avila, der Apostel von Andalusien genannt. Da er das Evangelium mit Einfachheit predigte, ohne jene Streitfragen, welche die papistischen Theologen jener Zeit in Bewegung setzten, in seine Kanzelreden einzumischen; so vereinigten sich die neidischen Mönche, um Pläne zu seinem Verderben zu schmieden, und er ward in die Gefängnisse des heiligen Offiziums geworfen. ‒ Johann von Vergara und sein Bruder Bernhardin, zwei in der Literaturgeschichte Spaniens berühmte Männer, wurden gefangengenommen und eingekerkert, weil Johann, der eine ausgebreitete Kenntnis der hebräischen und griechischen Sprache besaß, Fehler in der Übersetzung der Vulgata bemerklich gemacht hatte. ‒ Es gelang den Mönchen ebenfalls, Alphons Virués, einen in den orientalischen Sprachen sehr bewanderten Priester, festnehmen zu lassen. Er war dem Kaiser durch seine Predigten sowohl, wie durch die vertrautesten Verhältnisse, in denen er mit ihm gestanden hatte, sehr wohl bekannt; allein nichts desto weniger hatte Virués vier Jahre hindurch alle Schrecknisse eines geheimen Gefängnisses zu erdulden, und man würde Ursache haben, sich darüber zu wundern, dass Karl V. fortfuhr, die Inquisition zu beschützen, wenn der Hass nicht bekannt wäre, den er gegen die Protestanten hegte. Da die Vermehrung der in Umlauf gesetzt werdenden Bücher eins der wirksamsten Mittel zur Verbreitung einer Lehre ist, so wurden hiergegen die strengsten Maßregeln genommen.

Im Jahre 1521 schrieb der Papst an die Gouverneure der Provinzen Kastiliens, dass sie die Einführung der als ketzerisch verdammten Bücher verhindern sollten, und im nämlichen Jahre ließ Adrian, damals Großinquisitor, und kurze Zeit nachher selbst Papst, an die verschiedenen Inquisitoren den Befehl ergehen, sich aller Werke dieser Art zu bemächtigen, welche eingeführt worden sein könnten.

Im Jahre 1523 wurde der Befehl erneuert und der Präfekt von Guipúzcoa beauftragt, den Inquisitionsbeamten allen Vorschub zu leisten, um sich dessen Ausführung zu versichern.

Zu verschiedenen Zeiten wurden andere, auf denselben Zweck hinzielende Maßregeln ergriffen, und durch alles unterstützt, was der Fanatismus barbarisches erfinden konnte.

Allein alles dieses diente nur, die Unwirksamkeit der bereits angewendeten Mittel und das Bedürfnis zu beweisen, das die Geister fühlten, sich Bücher zu verschaffen, die geeignet waren, den Verstand zu erhellen und das Herz zu rühren.

1 Auf diese Weise zündete die Inquisition, gleichsam zum Hohn alles religiösen Gefühls und des Schicklichen, auf dem nämlichen Platze, welcher den Namen des Urmärtyrers des Christentums trug, ihre Scheiterhaufen an, um diese Hinterlassenschaft des Märtyrerglaubens zu vernichten, und diejenigen zu verbrennen, welche es wagten ihrem ruhmwürdigen Beispiele zu folgen.

Protestantische Kirchen in Kastilien und Andalusien

Es liegt in den Begebenheiten, welche den evangelischen Glaubenslehren in Spanien ihre erste Entwicklung gaben, etwas so Sonderbares, dass, wenn der Erfolg günstiger gewesen wäre, sich Spaniens Protestanten einigermaßen der Einwirkung eines Wunders zu Gunsten ihrer Kirche hätten rühmen können.

Wahrscheinlich waren die ersten Spanier, welche die Meinungen der Reformatoren annahmen, Franziskanermönche; denn man sieht Clemens VII. den General und die Provinzialen des Minoritenordens des heiligen Franz von Assisi durch eine Bulle vom 8. Mai 1526 ermächtigen, diejenigen ihrer Geistlichen, welche die neue Lehre angenommen haben, nach zuvor abgelegtem Eide, auf immer darauf verzichten zu lassen, im Beichtstuhle zu absolvieren. Allein gewiss scheint es zu sein, dass die Reformation zu Sevilla die ersten Proselyten machte, die einen wahren Eifer und sich in ihrem Glauben entschieden zeigten. Der erste Urheber dieser Revolution war weder ein Gelehrter noch ein Geistlicher.

Rodrigo von Valera, aus Lebrixa, einer alten Stadt in der Umgegend von Sevilla gebürtig, hatte seine Jugend in allen Zerstreuungen und in allem Flattersinn hingebracht, durch welche sich der spanische Adel lange Zeit auszeichnete. Eine oberflächliche Kenntnis der lateinischen Sprache war die einzige Frucht seiner ersten Erziehung, und ein leidenschaftlicher Hang zu den Weibern, den Pferden und zum Putze die einzige Beschäftigung seines Lebens gewesen. Er hatte zu Sevilla, das damals auf dem höchsten Gipfel seiner Blüte stand, seinen Lieblingsaufenthalt gewählt, und auch hier machte sich Rodrigo, obgleich von einer Menge junger Leute umgeben, die sich alle durch ihre Geburt und ihr Vermögen auszeichneten, durch seine Galanterie und seine einnehmenden Manieren bemerkbar. Plötzlich verschwand er jedoch von der Bühne der Belustigungen und Torheiten, die er so lange durch seine Gegenwart verherrlicht und belebt hatte; und dennoch hatte weder sein Vermögen eine Verminderung, noch seine Gesundheit einen Nachteil erlitten. Der frohsinnige, leichtfertige Valera kannte bald keine andere Beschäftigung mehr, als sich den ganzen Tag in sein Zimmer einzuschließen und eine lateinische Bibel, die einzige in Spanien erlaubte Übersetzung, zu lesen und wieder zu lesen. Wenn er seine weltliche Laufbahn mit der Kirche und dem Beichtstuhle vertauscht gehabt hätte, so würde diese unter den Spaniern sehr gewöhnliche Umwandlung kein großes Aufsehen erregt haben. Allein dass er sich zu einer gänzlichen Zurückgezogenheit verdammte, sich sogar aller religiösen Übungen enthielte, und dem Gottesdienste beizuwohnen versäumte, um über einem Buche zu brüten, welches zu öffnen die Geistlichen selbst sich nur selten die Mühe nahmen, darüber war es nicht leicht, sich einen Aufschluss zu geben.

Nachdem er sich einige Monate lang dem Studium der heiligen Schrift gewidmet hatte, von welcher St. Paulus sagt: „Sie dient uns zur Lehre, zur Überzeugung, zur Besserung und zum Unterricht in der Gerechtigkeit“, schien Valera den Umgang mit Geistlichen zu suchen, und sich Freunde unter ihnen machen zu wollen. Einer der ausgezeichnetsten Männer dieser Klasse war Johann Gil, bekannter unter dem Namen des Doktors Egidius. Kanonikus und Prediger an der Hauptkirche zu Sevilla, verdankte er die Verleihung dieser Würde der einstimmigen Einwilligung des Bischofs und des Kapitels, als einem Tribute, den man seiner Überlegenheit zollte. Der gelehrte Kanonikus hatte bisher mehr als Theologe, als in der Eigenschaft eines Kanzelredners die Bewunderung auf sich gezogen, allein seit seinem Umgang mit Valera hatten seine Predigten einen ganz verschiedenen Charakter angenommen. Statt trockener Abhandlungen, statt müßiger Erörterungen, waren sie kraft- und salbungsvolle Reden geworden, durch welche er sich mühte, die Vernunft zu überzeugen und das Herz zu rühren; mit einem Worte, Egidius wurde bald der besuchteste Prediger Sevillas.

Dass diese Veränderung das Werk Valeras war, konnten diejenigen, welche den ungeheuren Abstand kannten, welcher den Laien in Hinsicht des Wissens und der Talente von seinem Freunde trennte, nicht einmal argwöhnen, und dennoch war nichts wahrer, als dieses; denn Gott hatte sich die Unmündigen dieser Welt ersehen, um die Weisen zu verwirren. Valera hatte einen großen Teil der Schrift auswendig gelernt, und sich daraus ein theologisches System gebildet, welches mit dem der Reformatoren des Nordens Ähnlichkeit gehabt zu haben scheint. „Diese Bücher“, sagte er zu Egidius, „welche bisher die Grundlage eurer Kenntnisse gewesen sind, diese Bücher taugen nichts; vergeblich werdet Ihr auf der Kanzel die hieraus gezogenen Prinzipien auseinandersetzen, man wird ihnen keinen Geschmack abgewinnen. Nehmt die Bibel zur Hand und denkt Tag und Nacht darüber nach, dies ist das einzige Mittel, einen soliden Unterricht zu erlangen und Euch in der wahren Lehre zu bestärken.“ ‒ Egidius befolgte den Rat Valeras und wünschte sich später Glück, diese neue Methode befolgt zu haben. Es gehörte nichts weniger als die heißeste Liebe zur Wahrheit dazu, einen Menschen zu einem solchen verwegenen Unternehmen zu bewegen, wie dasjenige war, die protestantischen Lehren unter den Augen der Inquisition selbst zu verbreiten, welches Tribunal damals, wegen der Erbitterung Karls V. gegen die deutschen Lutheraner doppelt zu fürchten war. Allein es gab keine Gefahr, welche fähig gewesen wäre, den eifrigen und unternehmenden Valera abzuschrecken. Mit Hintansetzung seiner persönlichen Sicherheit und seines Rufes trat er auf den besuchtesten Plätzen der Stadt auf, und hielt an alle, welche stehen bleiben wollten, ihm zuzuhören, ermahnende Anreden, über die Notwendigkeit, die Schrift zu studieren und sie zur einzigen Richtschnur ihres Glaubens und ihrer Lebensweise zu machen. Man hatte ihn anfänglich im Verdacht einiger Verstandesverrücktheit, und unter dem Schutze dieser Voraussetzung war es ihm möglich geworden, eine Zeitlang den Klauen der Inquisition zu entgehen. Allein es lag in dieser Deutung seines Benehmens zu viel Menschliches, als dass das heilige Tribunal lange hierbei hätte stehen bleiben sollen, und Valera wurde unverweilt in ein einsames Gefängnis gesperrt. ‒

 

Sein Freund Egidius, dessen Orthodoxie noch nicht verdächtig geworden war, stellte sich zu seiner Verteidigung ein; ein sehr gefährlicher Freundschaftsdienst, wenn man die Heftigkeit des Eifers erwägt, von welchem der Gefangene beseelt war. Valera ergoss sich in heftigen Ausfällen gegen die Inquisitoren, die er der Blindheit und Unwissenheit beschuldigte, ohne die mindeste Vorsicht zu gebrauchen, um seine Grundsätze zu verhehlen oder zu bemänteln. Er wurde zweimal eingesperrt und ihm zweimal der Prozess gemacht. Sein erstes Urteil beraubte ihn seines Vermögens, und das zweite seiner Freiheit für immer. Er wurde alle Sonntage in einem Sanbenito3 oder entehrenden Büßerkleide nach der Kirche von St. Salvador geführt, um dort die Messe und eine Predigt zu hören, welche er oft zu unterbrechen pflegte, um dem Prediger zu widersprechen.

Die Inquisitoren entschlossen sich endlich, ihn in ein Kloster an der Mündung des Guadalquivir einzusperren, und hier starb er, alles Umgangs mit menschlichen Wesen beraubt, in einem Alter von ungefähr fünfzig Jahren. Sein Sanbenito wurde in der Hauptkirche Sevillas aufgehängt, wo dasselbe ein Gegenstand der Neugierde vieler Menschen wurde, welche die darüber angebrachte Inschrift anzog, besagend, dass dieses Sanbenito das erste sei, das man von einem Menschen gesehen habe, der nicht allein als Ketzer, sondern auch als falscher Apostel verurteilt worden wäre.

Dieses im Jahr 1540 über jenen Unglücklichen gefällte endliche Urteil konnte den Eifer seiner Freunde nicht erkalten machen. Egidius lebte in der engsten Vertraulichkeit mit Constantin Perez und Vargas, zwei Priestern von seltenen wissenschaftlichen Kenntnissen und exemplarischen Sitten, welche einst seine Schulkollegen auf der Universität zu Alcalá de Henares gewesen waren. Ihre Gesellschaft wurde öfters durch Valeras Vermittlung vermehrt, dessen in den verschiedenen Quartieren der Stadt zerstreut wohnende Proselyten sich endlich einander kennen gelernt hatten. Die Bekehrung des Doktors Arias, wegen der außerordentlichen Weiße seiner Haare der weiße Doktor genannt, zur protestantischen Glaubenslehre begann der zu Sevilla entstehenden Kirche jenes Gefühl ihrer Stärke zu geben, welches ihr die Menge der durch ihr Wissen ausgezeichneten Personen, die sie bereits in ihrem Schoße zählte, natürlicher Weise einflößen musste.

Mit Überwindung einer ihm angeborenen Zaghaftigkeit, die ihn während der nachherigen Verfolgungen zu dem gehässigsten zweideutigen Benehmen verleitete, teilte Arias damals einem der Geistlichen seines Konvents seine neuen religiösen Ideen mit. Dieser Mensch wirkte seinerseits nach und nach auf jeden Einzelnen seiner Klosterbrüder, bis die ganze Klostergemeinde ohne Ausnahme des Priors4 die Lehre der Reformation angenommen hatte. Diese heimlichen Protestanten waren größtenteils Menschen von ausgezeichneten Verdiensten, die, einer hohen Achtung genießend, vorzüglich durch den Beichtstuhl den ausgebreitetsten Einfluss in der Stadt ausübten. Man kann sich leicht vorstellen, bis zu welchem Grade dieser Einfluss durch die Gegenwart einer immer obschwebenden Gefahr geschwächt werden musste; allein nichts desto weniger reichten ungefähr zehn Jahre hin, um zwei protestantische Kirchen, die eine in Sevilla und die andere in Valladolid, zu stiften.

An der Spitze der protestantischen Kirche zu Sevilla stand Egidius, ihr Stifter. Über achthundert Personen, die sich darin hatten aufnehmen lassen, wurden zur Epoche ihrer gänzlichen Vertilgung gefangen genommen und in die Gefängnisse geworfen. Isabella von Baena, eine Dame von hoher Abkunft, hatte ihr Haus zur Ausübung des neuen Gottesdienstes hergegeben.

Die Kirche zu Valladolid hatte dieselbe Entstehung, wie jene zu Sevilla. Augustin Cazalla, ihr Gründer, Kanonikus von Salamanca, einer der Kapläne und Prediger des Königs, war zu Alcalá de Henares zu jener Zeit erzogen worden, wo Egidius, Perez und Vargas auf dieser Universität studierten. Was die religiöse Verbindung beweist, in welcher die Protestanten der beiden Hauptstädte Kastiliens und Andalusiens miteinander standen, ist dies, dass der erste Gebrauch, den Egidius nach einer langen Gefangenschaft, welche ihm die Ketzerei, deren man ihn verdächtig hielt, zugezogen hatte, von seiner wiedererlangten Freiheit machte, der war, dass er seinen Freund Cazalla besuchte. Eine große Anzahl Frauen zu Valladolid, unter denen sich viele Damen von Stande befanden, waren zur protestantischen Lehre übergetreten. Die Versammlungen wurden in dem Hause der Eleonora von Vivero, der Mutter Cazallas, gehalten.

Wie zu den Zeiten unsres Herrn und Heilands, hatten auf diese Weise die christlichen Frauen die Ehre, der werdenden Kirche eine Freistätte darzubieten. Es war bei Martha und Maria zu Bethanien, wo Jesus seine Freunde und Jünger versammelte. Es war das Haus der Maria, der Mutter des Johannes, wo mehrere beieinander waren, um ihr Gebet zu verrichten, in welches sich Petrus, nach seinem wunderbaren Entkommen aus dem Gefängnisse zu Jerusalem, begab; und Lydia war es, welche Paulus nach seiner Befreiung aus den Kerkern der Philipper, um eine gastliche Aufnahme ansprach. Ebenso fanden die ersten reformierten Christen Spaniens Tempel und Freistätte bei Isabella und Eleonora. Die Inquisition, ließ in ihrer höllischen Wut diese Bethäuser niederreißen und die Gebeine derjenigen verbrennen, die sie Gott geweiht hatten; allein ihre Namen sind darum nicht minder in Ehren gehalten, und ihr Ruhm wird ewiglich bestehen.

Schwerlich findet man in den Jahrbüchern der Religionsgeschichte einen Zug, den man über die heldenmütige Hingebung und die Verachtung aller Gefahren setzen könnte, welche die spanischen Protestanten an den Tag legten.

Man sah jenen Verfolgungsgeist, welchen die Nation, während ihres langen Kampfes gegen die Mauren, sich zu eigen gemacht hatte, gegen sie kehren. Kaiser Karl V. hatte im Laufe mehrerer Jahre alle Streitkräfte seiner weitläufigen Staaten aufgeboten, um die Reformation in Deutschland zu bekämpfen, und das Blut, welches die Spanier in diesem Kriege vergossen hatten, erhöhte den Grad der lebhaften Teilnahme, den sie an der Vernichtung der Neuerer nahmen. Man machte sich einerseits eine Ehre daraus, der Inquisition alle diejenigen zu überliefern, welche man im Verdacht hielt, die ketzerischen Grundsätze zu verbreiten und auf der andern Seite wurde das gemeine Volk durch niedere Habsucht zu einem Spionwesen angetrieben, das dem Angeber einen Teil der Hinterlassenschaft des Verurteilten zusicherte. Man konnte also auf die Entdeckung wie auf ein unvermeidliches Unglück rechnen.

Egidius war das erste Opfer, auf welches der Verdacht der Ketzerei fiel. Er wurde wegen verschiedener, in seinen Predigten aufgestellter Sätze, in Hinsicht der Rechtfertigung durch den Glauben, des Fegefeuers, der Ohrenbeichte, der Bilderverehrung, der Reliquien und Anrufung der Heiligen, als Lutheraner angeklagt. Um ihn desto sicherer zu verderben, suchten seine Feinde Waffen gegen ihn in der mutvollen und großmütigen Verteidigung, welche er im Jahr 1540 für seinen Freund Rodrigo von Valera unternommen hatte. Dieser fromme Mann, dieser ausgezeichnete Prediger wurde im Jahr 1550 in die Gefängnisse der Inquisition geworfen. Er benutzte die Zeit seiner Gefangenschaft dazu, um eine Verteidigung aufzusetzen, deren Freimütigkeit die Heftigkeit des ihn bedrohenden Gewitters nur vermehrte.

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