Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien 4.

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Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien 4.
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Thomas Ostwald

Revolution 1776 – Krieg in den Kolonien

Band 4 – Saratoga ist nicht das Ende!

Edition Corsar

Alle Rechte vorbehalten. Überarbeitete und ergänzte Ausgabe des

Romans „Auf unsers Carls Befehl“

© Edition Corsar Dagmar und Thomas Ostwald 2021 Braunschweig

1.

Um das sparsam brennende Feuer waren ein paar abenteuerlich aussehende Männer versammelt. Ihr Lagerplatz war günstig gewählt. Mitten im hier sehr dichten Wald befand sich eine kleine Quelle mit kristallklarem Wasser. Auf der Lichtung davor hatten sich diese Amerikaner auf dem nackten Erdboden ausgestreckt, um nach einem langen Marsch zu ruhen und sich eine Mahlzeit zuzubereiten. Alle trugen dunkelgrün eingefärbte Jagdhemden oder -röcke mit den auffallenden, doppelten Kragen. Um die Hüfte hielt ein Ledergurt in einer kurzen Scheide eine kleine Axt, daneben steckte ein kräftiges Messer in einer unverzierten Rohhautscheide. Ein paar von ihnen hatten kleine, schwarze Kappen auf den ungebürsteten Haaren, andere dagegen breitrandige, schwarze Filzhüte. Jeder hatte eine der langen Rifles in der Hand, dazu Pulverhorn und Kugeltasche umgehängt. Gespannt sahen die Männer ihrem Anführer entgegen, der eben sein Gespräch mit einem indianischen Krieger beendete und zu ihnen herüberkam.

„Man hat den Musketier erwischt!“, verkündete der breitschultrige Mann, dessen Gesicht von einem dichten, schwarzen Bart bedeckt war. Seine stahlblauen Augen musterten rasch die Männer, bevor er sich eine Feldflasche griff, die im Schatten einer Eiche lag. Gespannt starrten ihn alle an, während er mit kräftigen Schlucken das kaum noch kühle Wasser in sich hineinschüttete und dann das Wasser aus seinem Bart wischte, das ihm aus den Mundwinkeln gelaufen war.

„Ist nicht schade drum!“, brummte schließlich einer der Männer, und der Anführer schenkte ihm einen bösen Blick.

„Du redest Unsinn, Mate. Wenn er auch nicht der einzige war, der uns mit Nachrichten versorgte, so war der Deutsche doch eine Hilfe. Viel schlimmer aber, dass er unseren Abe einfach abgestochen hat.“

„Dieses Schwein!“, rief einer der Männer und griff unwillkürlich zum Messer.

„Er wird dafür büßen, denn auf Spionage steht der Tod. Viel wichtiger für uns ist aber, dass Betsy ihrer Tätigkeit weiter nachgehen kann, ohne entdeckt zu werden.“

Die Männer schwiegen und starrten zu Boden, bis sich ihr Anführer räusperte und sich an den ersten Sprecher wandte.

„Hör mal, Will, du sprichst doch auch noch deine Muttersprache perfekt, oder?“

„Sollte ich wohl meinen, John. Warum erkundigst du dich danach?“

„Vielleicht brauche ich dich in der nächsten Zeit für eine besondere Mission.“

Dabei deutete der Anführer hinüber zu einem einfachen Handkarren, auf dem allerlei Geräte und ein Tuchballen lagen.

„Als wir neulich die beiden Wachtposten bei dem zerstörten Fort Edward schnappten, haben wir die Uniformen geschont. Probier doch mal, ob dir eine davon passt!“

„Was – ich soll eine Uniform dieser … Männer anziehen? Warum, was hast du vor, Swamp Fox?“

Der Bärtige lachte laut auf.

„Wie ich schon sagte – eine Sonderaktion. Wenn es gut geht, kostet es mich nur meinen Bart. Wenn nicht …“

Er machte eine schnelle Handbewegung mit der flachen Hand über seine Kehle, und Will schluckte vernehmlich. Aber alle Umstehenden grinsten ihn nur herausfordernd an, und schließlich zuckte der die Schultern, ging hinüber zu dem Handkarren und holte eine blaue Musketieruniform aus dem Ballen heraus.

* * *

Die Braunschweiger marschierten am 11. August unter Führung des Oberstleutnants Baum von Fort Miller ab. Seine Einheit bestand aus 200 Dragonern, 40 Mann leichter Infanterie, 60 Kanadiern, 140 Indianern und 100 Mann vom Brey-mann’schen Corps. Dazu kamen zwei Geschütze mit Mannschaft unter Leutnant Bach vom Regiment Hessen-Hanau. Kaum waren die Soldaten losmarschiert, kam Bourgoyne persönlich angeritten und gab den Befehl, nicht erst nach Manchester, sondern direkt nach Bennington zu marschieren. Man überquerte den Battenkill und marschierte auf Cambridge zu.

Hauptmann Schottelius hatte einen Teil seiner Jäger wieder in die bewährten Gruppen eingeteilt und ließ sie zusammen mit den Indianern vorausgehen, um das Gelände zu erkunden. Für Sergeant Eggeling war es inzwischen schon wie eine Gewohnheit, dass seine Männer zusammen mit Kriegern des Grauen Bären und Running Elk loszogen. Bislang gab es keinerlei Probleme innerhalb dieser seltsamen Waffenbrüderschaft. Zwar lagerten die Indianer stets etwas abseits vom Armeelager, aber man besuchte sich gegenseitig und saß gemeinsam an den Feuern zusammen. Wäre nicht für viele das Verständigungsproblem, hätten echte Freund-schaften entstehen können. Umso unverständlicher sollte für alle Soldaten das spätere Verhalten der Indianer sein.

Friedrich Oberbeck kehrte mit seiner Gruppe zurück. Diesmal war ihr Sergeant bei Hauptmann Schottelius geblieben und koordinierte die eingehenden Meldungen der Gruppen.

„Starke Truppenbewegungen vor uns, Sarge!“, meldete der Oberjäger. „Da braut sich etwas zusammen bei Bennington.“

„Grund zur Besorgnis, Oberbeck? Wie schätzen Sie die Lage ein?“

„Gelände ist unübersichtlich, sehr waldreich und mit vielen Hügeln. Man kann größere Marschkolonnen erst spät ausmachen. Und da gibt es noch ein Magazin, das wir uns ansehen sollten.“

„Interessant, wir berichten gleich dem Hauptmann und überlegen gemeinsam, was wir mit dem Magazin machen.“

Der Sergeant ging zum Zelt ihres Kompaniechefs und machte Meldung, während der Oberjäger in bequemer Haltung neben ihm stand. Friedrich hatte sich angewöhnt, in jeder Lage abzuschalten und seinen Körper zu entspannen. In diesen kurzen Augenblicken nach einem anstrengenden Einsatz oder längerem Marsch sammelte er rasch wieder Kräfte und kam Dank dieser Technik mit wenig Schlaf aus. Mit seiner lässigen Haltung hätte er allerdings, wie auch seine Kameraden, überall bei Vorgesetzten Anstoß erregt. Nicht so jedoch bei Major von Barner oder Hauptmann Schottelius. Die Offiziere der leichten Infanterie kannten und schätzten ihre Jäger. Sie genossen einen Sonderstatus, der allerdings bei vielen anderen Neid hervorrief.

Eggeling hatte seine kurzen Ausführungen beendet, und Schottelius wandte sich direkt an den Jäger.

„Das Magazin wird von Miliz bewacht. Die Männer machen keinen sehr motivierten Eindruck.“

Der Hauptmann zog seine Augenbrauen hoch, und Oberbeck musste grinsen.

„Ich meine, sie lümmeln sich herum. Ein paar von ihnen geben sich den Anschein, Wachtposten zu sein, der Rest langweilt sich.“

„Wie viel Mann brauchen Sie, Oberbeck?“

Der Oberjäger grinste noch breiter.

„Vielleicht zwanzig, Herr Hauptmann. Running Elk ist mit seinen Männern vor Ort.“

„In Ordnung. Wann sind die Männer bereit?“

„Sofort. Wenn wir gleich aufbrechen, sind wir noch vor Einbruch der Dunkelheit am Magazin.“

„Also, Abmarsch, meine Herren. Wünsche bon fortune!“

Die beiden kehrten zu den Zelten zurück, und Friedrich hatte gerade Zeit, seine Anna kurz in die Arme zu schließen, als die Gruppe auch schon angetreten war.

„Was für ein verrücktes Leben!“, flüsterte Anna ihm ins Ohr, als er sie an sich drückte. „Komm gesund wieder, ich brauche Dich!“

Friedrich antwortete nicht, küsste sie und strich ihr liebevoll über das Haar. Dann drehte er sich um und ging zur Gruppe. Niemand hatte auch nur das Gesicht verzogen, obwohl alle das Paar beobachten konnten. Längst hatten sich die Jäger daran gewöhnt, dass Friedrich und seine Frau auch in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschten. Zu kurz war die Zeit, die sie gemeinsam verbringen konnten. Nur der kleine Erich seufzte einmal tief auf und dachte an die hübsche Frieda, die beim Fourier arbeitete und ihm seit einiger Zeit sehr zugeneigt war.

Jeder hatte seinen prallgefüllten Ranzen übergeworfen, der die persönlichen Dinge enthielt. Die schmale Tasche aus Kalbsfell musste nicht nur die Ersatzwäsche aufnehmen, sondern auch noch einiges vom Proviant. Die Knappsäcke aus Leinen, sonst bei allen Truppen für den Proviant mitgeführt, waren bei den Jägern verpönt. Die lange, schmale Tasche, die in ihrer Form an einen Futtersack erinnerte und den man Pferden umband, wurde deshalb auch oft Hafersack genannt. Grenadiere, Musketiere und Artilleristen führten sie mit sich, und oft zeugten die Fettspuren auf der Außenseite deutlich von ihrem Inhalt. Die Jäger lehnten alles ab, was sie bei ihren Sondereinsätzen in der Bewegung hinderte. Das ging so weit, dass sie sich sogar meistens zu fünft nur eine Wasserflasche teilten.

Als Friedrich hinter Eggeling in seinen gewohnten Laufschritt verfiel, war er froh, dass ihn nur wenig behinderte. Der Ranzen sprang zwar bei jedem Schritt hoch und schlug gegen die Hüfte zurück, aber er war weich und verursachte keine Beschwerden.

Die Entfernung war richtig berechnet. Eben verschwand die Sonne zwischen den Bäumen, als sie in der Nähe des Magazins eintrafen. Jetzt war besondere Vorsicht geboten, überall konnten sie auf feindliche Soldaten treffen.

„Wir haben uns eine Viertel Meile von hier an der Biegung des Baches verabredet“, meldete Friedrich seinem Sergeant. „Running Elk wird dort zumindest ein paar Männer zurücklassen, um uns zu informieren.“

„Das passt ja hervorragend. Wie weit ist es von dort zum Magazin?“

„Höchstens noch eine halbe Stunde. Wir werden da eintreffen, wenn der Mond bereits aufgegangen ist.“

„Wir haben Vollmond, das könnte die Sache begünstigen. Also vorwärts, Jäger!“ Eggeling gab per Handzeichen und mit gedämpfter Stimme seine Befehle. Die Jäger zogen sich in Schützenlinie auseinander und hatten kaum den Bach erreicht, als sie auch schon die Mohawk bei sich hatten. Wie aus dem Nichts gewachsen standen sie plötzlich vor ihnen.

 

„Running Elk, wie ist die Lage?“

„Alles ruhig, die Amerikaner sind arglos wie Kinder. Wir werden über sie kommen wie der Adler aus der Luft.“

„Gut so. Wie viel Männer hast du bei dir?“

„Zweimal zehn sind beim Magazin und warten auf uns. Wir werden gute Beute machen.“

Running Elk hatte die Jäger mit fünf anderen Mohawk erwartet. Ohne weitere Verzögerung brach die Gruppe auf und durchquerte ein dunkles Waldstück. Dann ging es über weite Maisfelder. Sergeant Eggeling sah sich ständig aufmerksam um.

„Kein ideales Gelände, was, Sarge?“, raunte Friedrich zu ihm herüber.

„Kann man wohl sagen. Was mir aber noch mehr Sorge macht, ist der Mond. Wir sind ja meilenweit erkennbar!“

Friedrich gab nur ein zustimmendes Grunzen von sich und konzentrierte sich wieder auf die Umgebung. Da gab Eggeling ein Zeichen, und gleich darauf gingen die Jäger in die Hocke. Die Mohawk schienen wieder verschwunden zu sein. Angestrengt spähte Friedrich durch die Maispflanzen, die zu dieser Jahreszeit bereits kräftig und dicht zusammenstanden. Nichts war zu erkennen, und Friedrich wollte gerade zu Eggeling huschen, als ein Laut an sein Ohr drang.

Der Oberjäger war sich nicht schlüssig, was er vor sich hatte. Was war das? Ein Plätschern oder Rauschen? Gab es in diesem riesigen Maisfeld Wasser? War ein Tier vor ihm oder ein Mensch? So sehr er sich auch anstrengte, er konnte nichts mehr ausmachen. Ein leichter Wind bewegte die Halme, das Mondlicht fiel bleich und grell auf die Szenerie vor ihm. Auf der einen Seite erkannte er den dunklen Wald, vor ihm zeichneten sich in einiger Entfernung die Umrisse von Häusern ab. Den Blick zu anderen Seite hemmte das Maisfeld.

Auch Eggeling hatte gelauscht, jetzt ging er behutsam in gebückter Haltung weiter. Nach nur wenigen Schritten blieb er erneut stehen, ging in die Hocke und winkte Friedrich zu. Der Oberjäger war im gleichen Augenblick an seiner Seite.

„Etwas bewegt sich im Feld!“, raunte der Sergeant, und deutete auf eine Stelle. Jeder Halm zeichnete sich deutlich im Mondlicht ab, vor dem dunklen Hintergrund konnten die Männer erkennen, dass im Feld Bewegung war, die nicht vom Wind herrührte. Aber kein Laut drang zu ihnen herüber.

Friedrich sah zurück und erkannte die anderen Jäger, die in kurzen Abständen voneinander ebenfalls am Feldrain hockten und ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Feld richteten.

Plötzlich rauschte es unmittelbar neben Friedrich, die Halme schwankten stärker, und als er zurücksprang und gleichzeitig die Büchse hochriss in der Erwartung eines Angreifers, taumelte eine grün gekleidete Gestalt aus dem Mais.

„Einer von uns!“, schoss es Friedrich durch den Kopf, aber gleichzeitig erkannte er seinen Irrtum. Der Mann taumelte ein paar Schritte auf ihn zu, die Augen weit aufgerissen, den Mund zu einem stummen Schrei verformt. Dann brach er in die Knie, ruderte mit den Armen in der Luft, und ein Schwall Blut schoss ihm aus dem Mund. Friedrich sah die große, klaffende Wunde am Hals und hatte die Waffe wieder schussbereit, als rings um ihn sich Kampflärm erhob. Schrille Angriffsschreie der Indianer mischten sich mit Schüssen, aber noch immer war kein weiterer Gegner zu erkennen.

Der Mann vor Friedrich fiel mit einem gurgelnden Laut nach vorn auf das Gesicht und blieb still liegen. Der Oberjäger warf noch einen flüchtigen Blick auf ihn, ehe er an der Stelle das Maisfeld betrat, an der er den Mann gesehen hatte. Überall wurde jetzt geschossen, und Friedrich erkannte am Klang die Büchsen der Jäger. Er hörte, wie dicht neben ihm jemand durch das Maisfeld brach und zielte in die Richtung, als er den nackten Oberkörper eines Indianers erkannte. Im nächsten Augenblick war der Krieger vorüber und schien sich auf einen unsichtbaren Feind zu stürzen.

Friedrich wirbelte der Kopf. Was war hier los? Hatten sich die Mohawk lautlos an den Feind herangeschlichen? Wo war der Feind? So angestrengt er auch durch den Mais spähte, er konnte nur schemenhafte Gestalten ausmachen. Schießen war hier ausgeschlossen, denn Freund und Feind konnte er nicht unterscheiden.

Behutsam, Schritt für Schritt, ging der Jäger vor. Er spürte neben sich die Bewegungen der Kameraden, hätte aber nicht sagen können, wer dort ging. Jeden Augenblick darauf gefasst, von einem Gegner angegriffen zu werden, waren seine Sinne äußerst angespannt. Zu seinem Ärger schoben sich jetzt auch noch ein paar dunkle Wolken vor die helle Mondscheibe, und das Licht wurde diffus. Schnelle, hastige Schritte brachen vor ihm durch das Maisfeld. Dort schienen sich mehrere Personen zu nähern, und Friedrich hockte sich auf ein Knie ab, die Waffe schussbereit erhoben. Er spürte das Holz warm und vertrauenerweckend, als er den Schaft in die Schulter zog und visierte. Ganz ruhig atmete er durch und wartete ab, bis der Kopf des Gegners sich gegen den Hintergrund abzeichnete.

Friedrich erkannte deutlich die Umrisse eines dunklen Dreispitzes, und sein Finger suchte den Stecher. Als der Mann vor ihm stand, zögerte der Jäger fast einen Moment zu lange. Erneut hatte er für Sekundenbruchteile geglaubt, dass einer der anderen Jäger vor ihm auftauchte. In der unsicheren Beleuchtung sah er eine dunkelgrüne Uniform und rote Aufschläge. Instinktiv zuckte er zur Seite, als der Mann mit einer langen Klinge nach ihm schlug. Noch in der Bewegung hatte er abgedrückt. Im krachenden Schuss hörte er unmittelbar den Aufschrei und drehte sich in einer halben Rolle von der Stelle weg. Der Mann schlug neben ihm auf den Boden, und gleichzeitig entdeckte Friedrich den nächsten Gegner. Er kam in geduckter Haltung auf ihn zu, versuchte, sich zwischen den Halmen zu verstecken.

Es war keine Zeit zum Laden, und Friedrich sprang den Mann an, riss ihn um und schlug ihm den Gewehrkolben auf den Kopf. Dann sprang er über ihn und hatte den nächsten direkt vor sich. Er riss den Hirschfänger heraus und spürte eine rupfende Bewegung an seinem Ärmel. Die lange Klinge bohrte sich dem Mann tief in den Bauch, seine Angriffsbewegung hatte ihn direkt hineinstürzen lassen. Friedrich befreite sich rasch von dem Sterbenden und war auf den nächsten Angriff gefasst, aber er erfolgte nicht. Als er lauschte, konnte er von den anderen Kämpfern nichts mehr hören. Schüsse waren nach den ersten Salven nicht mehr in sein Bewusstsein gedrungen, und er nahm an, dass überall im Nahkampf gerungen wurde.

Als er mitten im Feld eine flache Mulde ausmachte, hockte er sich hinein und lud mit raschen, routinierten Bewegungen seine Waffe. Griffbereit lag der Hirschfänger vor ihm, um einem plötzlich Angriff begegnen zu können. Dann schüttete er das Pulver auf die Pfanne, schloss den Deckel und war schussbereit. Friedrich schob den Hirschfänger zurück in die Lederscheide. Rasch orientierte er sich am Stand des Mondes und schlug die Richtung zum Weg ein. In einiger Entfernung machte er die Umrisse eines Gebäudes aus, das ihm die grobe Richtung gab. Gleich darauf hatte er den Weg erreicht. Friedrich wollte das Feld umgehen und sich der Stelle nähern, wo sie das Magazin vermuteten.

Jeder Schritt erforderte jetzt seine ganze Aufmerksamkeit, und Friedrich spürte, wie ihm der Nacken kribbelte. Er verfluchte die Situation, in der er den Gegner nur ahnen konnte und nicht wusste, wo seine Kameraden waren. Rufen war ihm zu gefährlich, und lieber war er auf sich allein gestellt, als dem Gegner seine Position zu verraten.

Das Magazingebäude warf lange, dunkle Schatten, die bis zu niedrigen Büschen reichten. Friedrich verzögerte seinen Schritt, denn hier gab es zahlreiche Stellen, die dem Feind Deckung boten. Aber es war wieder alles still um ihn, wie ein Spuk schien der Kampflärm verweht zu sein. Erst jetzt beachtete er das Brennen im linken Arm, das ihn auf unangenehme Weise an eine Schnittverletzung erinnerte. Beim Abtasten des Ärmels fand er die schrinnende Stelle, die mit Blut und Wolle von der Montur bereits verklebt war. Dadurch abgelenkt, ahnte er die Bewegung hinter sich mehr, als sie zu sehen, und ließ sich einfach fallen.

Der Mann, der über ihn stolperte, fluchte in englischer Sprache, und versuchte, sich rasch aufzurichten. Jetzt war Friedrich über ihm und machte ihn mit einem Kolbenhieb kampfunfähig. Auch dieser Gegner trug eine dunkelgrüne Uniform, so viel war bei der Beleuchtung erkennbar. Aber der Schnitt war merkwürdig fremd, und auch die übrige Ausrüstung des Mannes identifizierte ihn einwandfrei als amerikanischen Soldaten. Der Jäger konnte sich nicht lange mit ihm beschäftigen und eilte zur Gebäudewand, als es seitlich aufblitzte. Die Kugel schlug in die Wand vor ihm, und Friedrich lag platt auf der Erde.

Verdammt! Waren diese Kerle denn überall? Zwei weitere Schüsse fielen und schlugen so dicht neben ihm in die Hauswand, dass er sich rasch mit zwei Rollbewegungen weiterdrehte, um die schützenden Schatten zu erreichen. Friedrich presste sich auf den Boden, und als er den nächsten Schuss aufblitzen sah, schoss er zurück, wechselte sofort seinen Standort und lag jetzt dicht an der Hauswand. Erneut herrschte Stille, und Friedrich lud seine Waffe liegend. Als sich danach noch immer nichts regte, erkundete er seine Umgebung. Dabei hatte er festgestellt, dass das Magazin aus massiven Balken bestand und auf seiner Seite keinerlei Fenster aufwies.

Friedrich kroch zu einem Gebüsch, das ihm Deckung bis zum Maisfeld bot. Ein kratzendes Geräusch ließ ihn in der Bewegung erstarren. Es kam vom Haus hinter ihm, und wieder kribbelte sein Nacken.

‚Jetzt sitzt du zwischen zwei Feuern, denn man hat dich im Haus bemerkt!‘, zuckte ihm der Gedanke durch den Kopf. Abwartend beobachtete er den Feldrand vor sich. Alles blieb ruhig. Beim Blick hinter sich konnte er jedoch zwischen den Schatten eine Bewegung ausmachen. Dann erkannte er die Indianer, die sich dort zum Feldrand hinüberschoben. Um nicht für einen Feind gehalten zu werden, vermied er jede Bewegung und lag völlig erstarrt. Dann waren die Indianer vorüber, und plötzlich krachten mehrere Schüsse vom Feldrand. Friedrich hörte, wie die Kugeln klatschend in das Holz hinter ihm fuhren, und im nächsten Augenblick erfüllten schrille, gellende Schreie die Luft.

Die Indianer hatten den Feind mit einer Bewegung provoziert und nutzten jetzt die Ladepause, um die kurze Strecke bis zum Maisfeld zu überwinden. Als sie zwischen den Halmen verschwanden, raschelte es heftig im Feld. Gleich darauf waren nur noch ihre Schreie zu hören. Erneut wurde es schlagartig still, dann kamen Gestalten am Maisfeld entlang, zwar vorsichtig, aber doch zügig. Erleichtert erkannte Friedrich jetzt Arnold, dann die anderen Jäger. Noch bevor sie sich über die Gestalt vor ihnen wundern konnten, hatte er sie angerufen.

„Holla, ihr Maisjäger, alles in Ordnung?“

„Friedrich, Gottseidank! Ja, wir haben die Rebellen! Verflucht schlaue Burschen, aber sie haben nicht mit den Mohawk gerechnet.“

„Ich habe einige von ihnen erwischt und hatte Glück. Für einen Moment glaubte ich, Jägeruniformen gesehen zu haben!“

Friedrich war erleichtert, dass der nächtliche Spuk beendet war. Das war kein ehrlicher Kampf, bei dem man umeinander schlich wie die Raubtiere und keiner wusste, wo der nächste Gegner plötzlich herkam.

Die Jäger verteilten sich um das Magazin und sicherten das Gelände. Noch immer konnten Feinde in der Nähe sein, die auf ihre Gelegenheit warteten. Dann kam Sergeant Eggeling mit den letzten Soldaten aus dem Maisfeld, gefolgt von Running Elk und seinen Mohawk.

„Ein interessanter Gegner, was, Oberbeck?“

Eggeling war in bester Stimmung. „Sind wohl die berühmten Green Mountain Boys. Na ja, kamen sich mächtig schlau vor, sich im Maisfeld zu verstecken. Dummerweise waren die Mohawk schon lange auf diese Idee gekommen. Sie haben den meisten von ihnen die Kehle durchgeschnitten, ehe sie überhaupt wussten, was geschah.“

„Was jetzt, Sarge, brechen wir das Magazin auf?“

„Natürlich, wir wollen schließlich sehen, was diese Burschen so eifrig bewacht haben. Oberbeck, Sie kommen mit Ihrer Gruppe mit, der Rest sichert den Platz.“

Sie traten an das große Tor auf der Rückseite des Gebäudes. In wenigen Minuten waren die Verriegelungen aufgebrochen, und die Jäger traten ein. Sie hatten sich schnell Kienfackeln aus dünnen Stämmen geschlagen und angezündet.

„Vorsicht, hier drüben lagert Pulver!“, warnte der Sergeant die Männer.

„Mehl, Zucker, Salz in Fässern. Dort drüben gepökeltes Fleisch und eine Menge von diesen gefransten Jacken, die die Rebellen so lieben“, meldete Erich, nachdem er sich kurz umgesehen hatte.

 

„Das können wir gut verwenden, um ...“

Eine Salve krachte, gleich darauf noch eine, und die Männer stürzten aus dem Magazin. Ein Jäger kam mit großen Sprüngen heran und meldete dem Sergeanten:

„Eine ganze Armee Rebellen im Anmarsch, Sarge. Zu viele, um sie aufzuhalten.“

„Wer hat geschossen?“

„Wir zuerst. Wir haben die Vorhut vorbeigelassen und sie dabei erwischt. Aber in dem Tal vor uns marschieren etwa eintausend Mann, Sarge, und das ist eine reguläre Armee. Nicht, dass mir das Sorgen machen würde, aber ich denke, unsere Munition könnte knapp werden.“

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