Revolution 1775 - Krieg in den Kolonien 2.

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Revolution 1775 - Krieg in den Kolonien 2.
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Thomas Ostwald

Revolution 1776 – Krieg in den Kolonien

Band 2 – Unter Indianern und Milizen

Edition Corsar

Alle Rechte vorbehalten.

Überarbeitete und ergänzte Ausgabe des

Romans „Auf unsers Carls Befehl“

© Edition Corsar Dagmar und Thomas Ostwald 2021 Braunschweig

1.

„Indianer! Die Roten kommen!“

Dieser Ruf ging wie ein Lauffeuer von Zelt zu Zelt, durch das gesamte riesige Militärlager. Die Wachtposten hatten eine Gruppe Indianer gemeldet, und jetzt wollte sie jeder sehen. Es waren schließlich die ersten, die sie überhaupt zu Gesicht bekamen, und deshalb drängte sich alles, was dienstfrei hatte, vor den Stabszelten.

General Riedesel und seine Offiziere waren vor die Zelte getreten, um die indianischen Verbündeten zu begrüßen.

Es waren gut vierzig Mohawk-Krieger, die stolz und aufrecht durch die Zeltreihen schritten, ohne auch nur links oder rechts zu sehen. Sie wurden angeführt von einem großen, kräftigen Mann, der einen roten Uniformrock trug. Sein Kopf war bis auf einen kleinen Schopf kahlgeschoren, wie auch bei den anderen. Der breite, muskulöse Oberkörper zeichnete sich deutlich unter der weit geöffneten Uniform ab. Sonst trug er keinerlei Schmuck, keine Kette, kein Silberstück in den Ohren oder der Nase, wie sie viele seiner Begleiter aufwiesen. Schlichte, dunkelblaue Leggins und ein Lendenschurz bildeten den Rest seiner Kleidung. Im Arm hielt er eine britische Muskete, das Pulverhorn hing ihm von der Schulter, in einem geschlungenen Wollgürtel steckten Messer und Axt.

Er ging mit gemessenem Schritt auf die versammelten Offiziere zu, blieb direkt vor dem General stehen und sah ihm prüfend ins Gesicht. General Riedesel zögerte keinen Moment und streckte ihm die Hand entgegen.

„Herzlich willkommen, Chief. Eure Krieger wurden mir bereits angekündigt, ich bin erfreut, dass Ihr so schnell kommen konntet.“

Das Gesicht des Indianers verriet mit keiner Miene, was er von seinen neuen Verbündeten hielt. Seine dunklen Augen hatten blitzschnell die Offiziere gemustert, gleichzeitig streckte er dem General die Hand entgegen.

„Grauer Bär grüßt den General. Wir sind gekommen, mit euch zu kämpfen gegen die American.“

Mit kräftiger, kehliger Stimme hatte der Mohawk diese englischen Worte gesprochen. Auf ein Zeichen wurden von den Ordonanzen die klappbaren Feldstühle geholt, der General und sein Gast setzten sich. Die Offiziere standen um die beiden, die übrigen Indianer bildeten einen Halbkreis um die Gruppe und setzten sich einfach ins Gras.

General Riedesel hatte die Krieger prüfend betrachtet und sofort festgestellt, dass ihre Bewaffnung in sehr schlechtem Zustand war. Neben ihren traditionellen Messern und Äxten hatten nur wenige Gewehre. Dabei handelte es sich um alte Musketen, zum großen Teil in einem bedauernswerten Zustand.

Nach den ersten Worten musste ein Dolmetscher vermitteln. Die Indianer verstanden natürlich kein Deutsch, dafür aber recht gut englisch und französisch. Der Graue Bär erwies sich als überaus intelligenter Redner, pries die Vorzüge der Briten und Deutschen und verkündete, dass man gemeinsam gute Beute machen würde. Während der Reden saßen seine Krieger wie Statuen aus Bronze unbeweglich und lauschten. Die Offiziere musterten sie möglichst unauffällig, was die Indianer nicht weiter zu beachten schienen. Keiner der Mohawk konnte älter als Anfang Zwanzig sein, obwohl sich das schlecht einschätzen ließ. Die Männer waren gut genährt und wirkten, wenn sie sich bewegten, kraftvoll und geschmeidig.

Auf ein Zeichen des Generals trat jetzt eine Gruppe Musketiere heran, die in den Armen Bündel mit neuen Armeegewehren trugen. Sie wurden auf Decken abgelegt.

„Der Graue Bär ist ein mächtiger Krieger. Er wird noch mächtiger sein, wenn er diese Gewehre annimmt, die ihm der Herzog von Braunschweig schenkt!“, verkündete der General.

Jetzt zeigte sich erstmals eine Regung im Gesicht des Indianers. Seine Augen leuchteten, als die Gewehre vor ihm abgelegt wurden.

„Sag dem Herzog, dass wir Brüder sind. Mit diesen guten Waffen werden wir die Amerikaner nicht zur Ruhe kommen lassen. Eure Feinde sind unsere Feinde.“

Einer der Offiziere hatte ihm eine Jägerbüchse in die Hand gegeben, und mit geschickten Bewegungen untersuchte er das Schloss. Seine Finger zogen den Hahn auf, betätigten den Abzug und ließen den Hahn behutsam wieder auf die Pfanne zurück. Der Mohawk war sichtlich von dieser kurzen Waffe und ihrem gezogenen Lauf beeindruckt. Er sah in die Mündung, fuhr mit dem Finger hinein und nickte. Seine Krieger erhielten die gewöhnlichen Musketen mit glattem Lauf.

„Gutes Gewehr. Wir sind sehr zufrieden.“

Die erste Unterredung war beendet. Die Indianer schlugen ihr Lager in der Nähe auf. Sie sollten in den nächsten Tagen gemeinsam mit den Jägern den Feind und seine Stellungen auskundschaften. Außerdem sollten einige von ihnen gemeinsam jagen, um etwas Abwechslung auf den Speiseplan der Soldaten zu bringen.

* * *

Sie hatten sich unter den Zweigen des Waldrandes geduckt und konnten von hier aus den Verlauf der unbefestigten Straße überblicken. Jetzt deutete der Mohawk auf einen entfernten Punkt.

Im gleißenden Sonnenlicht blinkten Waffen, die Umrisse eines Fuhrwerks wurden erkennbar, Reiter begleiteten ihn.

„Ein Versorgungszug“, sagte Eggeling halblaut und gab das ausgezogene Monocular an Friedrich. Die Jäger hatten sich zusammen mit den Indianern am Waldrand verteilt und geschickt jede natürliche Deckung genutzt.

„Worauf warten wir, Sergeant? Holen wir uns das Zeug!“

Arnold schob sich neben den Unteroffizier, aber der schüttelte den Kopf.

„Heute nicht. Wir beobachten und überwachen nur. Eine solche Gelegenheit wird es immer wieder geben. Noch wissen wir zu wenig über die Stärke der Amerikaner im Fort.“

Der kastenförmige Wagen war jetzt deutlich erkennbar. Sechs Maultiere zogen ihn und wurden von dem Kutscher immer wieder angetrieben. Der Weg stieg jetzt kräftig an und führte dann in einem Bogen vom Waldrand weg auf die leichten Hügel. Dort arbeiteten die Amerikaner verbissen am Wiederaufbau eines kleinen Forts. Die Jäger hatten den Platz aus der Ferne beobachtet. Aber zwischen Wald und Palisadenzaun lag eine zu große freie Fläche, um unbemerkt dichter heranzukommen.

Die Männer erkannten deutlich die Reiter, die offensichtlich erschöpft waren und unter der starken Hitze litten. Sie mussten schon einen langen Weg hinter sich haben, und hielten sich nur noch mit Mühe im Sattel.

Dann überschlugen sich die Ereignisse so schnell, dass keiner der Soldaten hinterher mehr sagen konnte, wie es eigentlich passiert war.

Ein Schuss krachte, und der Kutscher stürzte mit einem Aufschrei vom Bock. Pferde scheuten und bäumten sich plötzlich auf. Die Amerikaner versuchten, hinter dem Kastenwagen Deckung zu finden, als in rascher Folge weitere Schüsse vom Waldrand krachten.

Friedrich griff völlig gelassen in die mit einem Griff geöffnete Patronentasche vor seinem Bauch, zog eine Papierpatrone heraus, riss sie mit den Zähnen auf und schüttete das Pulver in den Lauf. Im nächsten Augenblick hatte er die Kugel hinuntergestoßen, das Pulver auf die Pfanne gegeben, erneut angelegt und geschossen. Der Reiter kippte lautlos nach hinten aus dem Sattel und krachte in den Staub. Friedrich schenkte ihm keine weitere Beachtung, sondern lud erneut. Er wusste, dass er den Mann direkt in den Kopf getroffen hatte.

Beißender Pulverrauch hatte sich am Waldrand ausgebreitet und nahm die Sicht. Die Jäger rückten bereits vor, Sergeant Eggeling erreichte den Kampfplatz zuerst, hinter ihm Friedrich und ein Mohawk.

Vorsichtig, mit schussbereiter Waffe, näherten sie sich dem Fahrzeug. Aber hier lebte niemand mehr, jede Kugel hatte tödlich getroffen. Die Maultiere zerrten ängstlich in ihrem Geschirr und ruckten mit dem Gespann trotz festgestellter Bremse immer ein Stück vor. Die reiterlosen Pferde standen neben den Toten, schnaubten leise, ihre Flanken bebten.

Als der Sergeant die Lage überblickt hatte, sicherten die Jäger bereits den Kampfplatz vorschriftsmäßig. Sie hatten eine auseinandergezogene Kette gebildet und beobachteten besonders den Weg zum Fort hinunter.

Friedrich Oberbeck warf einen scheuen Blick auf die Toten. Das waren die ersten Revolutionäre, die er so nah erlebte. Sie sahen kaum anders aus als sie, waren zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt und hatten alle wettergebräunte Gesichter. Ihre unterschiedliche Uniformierung wies sie als Milizsoldaten aus. Zwei trugen blaue, drei braune Uniformröcke, die drei anderen hatten gefranste Baumwolljacken mit doppeltem Kragen an. Ein Mann war barfuß, einer hatte Lederschuhe, die anderen Holzpantinen. Grotesk verkrümmt lagen sie, wie sie getötet wurden. Einige auf dem Gesicht, die anderen auf dem Rücken, mit weit aufgerissenen Augen, offenem Mund. Der Jäger wandte sich ab und schluckte. Das unangenehme Gefühl, das in ihm seit dem Schusswechsel aufgestiegen war, versuchte er zu ignorieren.

Eggeling löste die Plane etwas und schlug sie zurück.

„Das lässt sich sehen, Leute. Scheint in erster Linie ein Waffentransport zu sein. Aber verdammt, Oberjäger, wie konnte das passieren? Wer hat geschossen?“

Friedrich zuckte die Schulter.

„Ich habe nach dem ersten Schuss sofort gefeuert. Aber ich kann nur sagen, dass dieser Schuss seitlich von mir abgegeben wurde.“

„Verdammt, da waren doch nur die Mohawk, wie kommen die dazu ...“

Er sah sich mit wildem Blick um und entdeckte einen der Indianer, der sich gerade mit einem Messer in der Hand über einen der Toten beugte.

 

„Was machst Du, Kanaille?“, schrie er den Mann an und sprang im selben Augenblick auf ihn zu. Der Mohawk hatte den Haarschopf des Toten gefasst und schwang eben sein Messer, als ihn der Sergeant anstieß. Erstaunt sah er ihn an.

„Die Toten werden nicht verstümmelt, verstanden?!“, bellte der Sergeant in seinem gewohnten Befehlston. Der Indianer verstand zwar seine Worte nicht, erkannte wohl aber die Bedeutung. Er zuckte nur mit der Schulter und wollte eben erneut das Messer ansetzen, als mit einem satten, klatschenden Geräusch eine Kugel zwischen ihm und dem Sergeanten in das Holz des Wagens einschlug.

„Amerikaner!“, kam der Alarmruf eines Jägers, im gleichen Augenblick wurde das Feuer erwidert. Offensichtlich war eine Gruppe aus dem Fort dem Transport entgegengeeilt. Die Schüsse mussten selbst auf diese Entfernung gehört worden sein.

Die Jäger verteilten sich um den Wagen und gaben zwei Salven auf den anrückenden Feind ab. Die Wirkung war auch hier verheerend. Die Gewehre der Amerikaner trugen kaum über eine so weite Entfernung, von sicheren Schüssen konnte überhaupt nicht die Rede sein. Umso sicherer jedoch waren die Salven der Jäger, und die Amerikaner zogen sich schleunigst wieder zurück.

„Klaus, Arnold, Erich, sofort auf den Wagen und weg hier!“, kommandierte Friedrich. Sergeant Eggeling hatte ihm nur kurz zugenickt und sich bereits auf die Ladefläche geschwungen, Friedrich folgte ihm.

Die Bremse wurde gelöst, die Peitsche knallte, und die durch die Schüsse erneut nervös gewordenen Mulis zogen an. Arnold hatte die Zügel genommen und lenkte in einem kleinen Bogen auf den Weg zurück, dann ließ er die Tiere galoppieren.

Niemand sah sich nach den Indianern um. Sie waren völlig frei in ihren Bewegungen und konnten sich den Soldaten anschließen oder getrennt von ihnen zum Lager zurückeilen.

In wilder Fahrt erreichten die Jäger mit ihrem Gefährt den Waldrand, fanden einen Einlass zwischen den Bäumen und jagten in atemberaubender Fahrt zwischen den oft dicht stehenden Bäumen und Büschen hindurch.

Arnold stand auf dem Bock, die Zügel in der einen Hand, die Peitsche in der anderen. Der Dreispitz war ihm vom Kopf gerissen, die langen braunen Haare lösten sich aus dem Zopf. Er war in seinem Element.

Prasselnd schlugen Zweige und Äste gegen die Plane, auf der die Jäger lagen und sich bemühten, nicht den Halt zu verlieren. Sie wurden hin- und her geschleudert, in wilder Fahrt trieb Arnold die Tiere immer wieder an. Endlich hatte er eine Lichtung erreicht und bremste das Fuhrwerk ab.

„Hohoo! So ist es recht, meine Guten, brav gelaufen!“

Er stellte die Bremse fest und wickelte die Leinen auf. Die Maultiere standen mit fliegenden Flanken, weit geblähten Nüstern und Schaum vor dem Maul.

„Donnerwetter, ich lebe noch!“, ließ sich Klaus vernehmen und rappelte sich aus dem Fuhrwerk hoch. Auch die anderen folgten ihm. Der Sergeant und sein Oberjäger standen schon auf dem weichen Waldboden und sahen sich um. Eggeling warf einen Blick auf den Kompass.

„Hier geht es weiter, in südwestlicher Richtung liegt das Camp. Wir werden wohl mit dem Fuhrwerk einen halben Tag benötigen. Alles absitzen, Zeit für eine Pause. Wir rasten eine halbe Stunde, die Tiere sind sonst am Ende und wir bringen das Fuhrwerk nicht mehr zurück. Alles in Ordnung, Oberbeck?“

Der Sergeant hatte beobachtet, wie der Oberjäger einmal prüfend um das Fuhrwerk gegangen war und auch an den Rädern rüttelte.

„Jawohl, Sergeant. Alles heil geblieben.“

„In Ordnung. Rundumsicherung einnehmen. Wir wollen vor Überraschungen sicher sein.“

Wortlos verteilten sich die Männer so über die Lichtung, wie sie es gelernt hatten. Jeder fand ausreichend Deckung unter den Bäumen und hatte freies Schussfeld vor sich. Die Jäger ließen auch in ihrer Aufmerksamkeit während ihres kargen Essens nicht nach. Alle hatten Brot und ein Stück Fleisch in ihrem Fellranzen.

Die Dämmerung brach während der Rast herein, und der Sergeant drängte zum Aufbruch. Er wollte den Weg zwischen den Bäumen nicht verlieren, der zwar noch gut erkennbar, aber oft kaum breit genug für das Fahrzeug war. Als der Mond aufging, konnten sie ihren Weg leichter fortsetzen. Es war eine der zahlreichen Straßen zwischen den Ansiedlungen. Allerdings bestand diese Straße aus einem unbefestigten, holperigen Pfad, für den einige Bäume gefällt waren. Trotz des kalten Mondlichts, das zwischen die Bäume fiel, war es noch immer ein Risiko, ein so schweres Gefährt zwischen den zahlreichen Schlaglöchern und Wurzeln hindurchzulenken.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie das Militärcamp kurz vor dem Morgengrauen. Eggeling ließ den Wagen direkt vor das Zelt von Hauptmann

Schottelius fahren. Der Offizier trat heraus, kaum dass die Tiere standen. Er überflog die Gruppe und erkannte die Situation sofort.

„Na, Sergeant, ein wenig Beute gemacht? Ein Willkommensgeschenk der Revolutionäre?“

Der Offizier schmunzelte, als die Männer vor ihm antraten und Eggeling seine Meldung machte.

„Die Indianer, sagen Sie? Potztausend, denen werde ich mal ein wenig auf den Zahn fühlen müssen. Eigenmächtigkeiten dieser Art gefallen mir überhaupt nicht.“ Schottelius sah nachdenklich zu dem in der Ferne erkennbaren Lager der Mohawk. Aus einer Rindenhütte schlängelte sich eine dünne, blaue Rauchlinie in den Himmel.

„Disziplinlose Burschen, Herr Hauptmann. Sie wollten die Amerikaner skalpieren!“

„Schlechte Gewohnheiten verbreiten sich rasch, Sergeant. Aber daran müssen Sie sich gewöhnen. Das ist seit dem letzten großen Krieg so üblich geworden, als sowohl die Franzosen wie auch die Engländer Prämien für die Skalps zahlten.“

Er drehte sich zum Wagen und hob die Plane an. Dann nickte er den Jägern zu. „Scheint sich ja um eine ganze Waffenlieferung zu handeln. Fahrt den Wagen drüben zum Fourier und lasst ihn abladen. Er soll eine Liste erstellen und mir so bald wie möglich vorlegen. Sergeant, Sie begleiteten mich zu den Indianern. Die Männer haben dienstfrei und sollen sich ausruhen. Ich brauche sie bald wieder.“

Damit grüßte er kurz und knapp, drehte sich um und stapfte durch die Zeltgasse zum Lager der Indianer. Sergeant Eggeling beeilte sich, ihm zu folgen.

Im Lager der Mohawk hatten sich auch einige Frauen eingefunden, die ihren Kriegern gefolgt waren. Es gab zwei Rindenhäuser, die aber rasch errichtet waren und kaum Schutz vor schlechter Witterung boten. Andere hatten Kanus herumgedreht und auf die Paddel gestützt. Unter diesem primitiven Dach schliefen sie einfach in eine Decke gewickelt.

Als die Soldaten bemerkt wurden, traten mehrere Krieger aus einem der Rindenhäuser. Schottelius erkannte unter ihnen auch den Grauen Bär, der seine auffällige rote Uniform abgelegt hatte und nur den Lendenschurz mit Leggins trug. Sein breiter, muskulöser Oberkörper wies mehrere Narben auf. Zwei Kupferarmbänder an den Oberarmen, eine Kette mit einem Bären aus Speckstein und eine aus dem Resthaar hängende Feder gaben ihm heute ein kriegerischeres Aussehen als bei seinem Eintreffen im Lager.

Er lud die beiden Soldaten ein, sich zu setzen, und Schottelius folgte der Aufforderung ohne weiteres. Der Sergeant warf dem Indianer einen finsteren Blick zu, dann folgte er dem Beispiel.

Schottelius konnte sich nicht nur ausgezeichnet englisch unterhalten, er verstand auch einige der indianischen Dialekte leidlich und beherrschte ein paar Wortwendungen.

„Der Graue Bär ist ein großer Krieger,“ begann der Offizier, und der Indianer zeigte eine erste Regung in seinem sonst maskenhaft erstarrten Gesicht.

„Seine Männer sind mutig und schießen gut.“

Für einen Moment sah ihn der Indianer verwundert an, dann hatte sein Gesicht wieder den stoischen Ausdruck angenommen.

„Der Graue Wolf hier an meiner Seite ist auch ein großer Krieger.“

Der Hauptmann deutete auf den Sergeant, der jetzt ebenfalls verblüfft auf die Worte seines Vorgesetzten reagierte. „Und er kennt seit vielen Jahren die Art, wie der weiße Mann kämpft. Deshalb ist er eine wichtige Hilfe für mich. Wenn ich nicht bei meinen Kriegern bin, vertritt er mich. Er weiß, wann ein Kampf gut ist und wann nicht.“

Schottelius schwieg und sah den Mohawk ernst an.

„Grauer Bär ist mit seinen jungen Männern sehr unzufrieden. Sie sind wild auf den Kampf und wollen Skalps erbeuten. Wenn wir mit den Grünröcken kämpfen, werden sie gehorchen. Niemand wird schießen, bevor es Grauer Wolf sagt.“

Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt. Der Offizier hatte zu ihm gesprochen wie zu seinesgleichen. Der Mohawk hatte sein Gesicht vor seinen Kriegern bewahrt. Als die beiden Soldaten jetzt aufstanden, streckte der Indianer als erster seinen Arm vor.

Schottelius ergriff stumm den Unterarm des Indianers, der den Gruß auf gleiche Art erwiderte. Dann salutierten die beiden Soldaten, drehten sich auf dem Absatz um und gingen ins Lager zurück. Kein Wort fiel zwischen den beiden Männern, bis sie vor dem Offizierszelt eingetroffen waren.

„Kaffee, Sergeant?“

„Halten zu Gnaden, Herr Hauptmann, aber das ist eine ausgezeichnete Idee.“

Der Sergeant war über die ungewöhnliche Einladung erfreut.

„Setzen Sie sich hierher. Es gibt neue Einsatzbefehle für die Jäger.“

Ein Ordonanzsoldat brachte zwei Zinnbecher, randvoll mit starkem, heißen Kaffee. Er stellte sie den beiden auf einen kleinen Klapptisch vor dem Zelt. Eine Weile nippte der Sergeant an seinem Kaffee, dann legte sein Vorgesetzter eine Karte auf den Tisch. Mit einem kleinen Kompass beschwerte er eine Seite und erläuterte seinem Sergeanten die Pläne für den nächsten Jägereinsatz.

* * *

General-Major Riedesel hatte schwere Sorgen. Eben hatte ihm eine Ordonanz den neuesten Krankenstand gemeldet. Die sehr heißen Tage und kalten Nächte verursachten schon seit einer Woche eine Krankheitswelle, die alle Dienstgrade und alle Regimenter erfasst hatte.

Wieder warf er einen Blick auf die vor ihm liegende Liste, als Major von Barner und Hauptmann Schottelius gemeldet wurden. Erfreut begrüßte er die Offiziere seiner leichten Infanterie.

„Major von Barner, Hauptmann Schottelius, Sie sind wahre Lichtblicke an diesem düsteren Morgen. Setzen Sie sich her zu mir.“

Mit einer ausholenden Handgebärde wies der General auf die bereitstehenden Stühle.

„Herr General!“

Die Offiziere blieben in ihrer starren Haltung vor dem Kommandeur der deutschen Truppen stehen.

„Na, was, meine Herren! Stehen Sie doch bequem!“

„Herr General, die Jäger haben bei Ihrem gestrigen Gefecht eine bedeutende Entdeckung gemacht!“, meldete der Major kurz und knapp, ohne seine Haltung zu verändern. Mit einem Schritt Abstand von ihm hatte sich auch der Hauptmann in der grünen Jägeruniform nicht gerührt.

Aufmerksam betrachtete der große, kräftige General die Offiziere. Sein Gesicht war gerötet, und er hatte trotz des leichten, kühlenden Windes, der heute Morgen über das Lager strich, den obersten Hemdknopf geöffnet. Auch er litt unter der Hitzewelle, ließ sich das aber sonst nicht anmerken. Er war ein alter, erfahrener Offizier mit vielen leidvollen Erlebnissen aus dem Siebenjährigen Krieg. Major von Barner und sein Jägerhauptmann waren ihm seit dieser Zeit vertraut.

Wenn diese beiden Offiziere so früh am Morgen ihren General aufsuchten, hatte das etwas Besonderes zu bedeuten.

Erneut wies der General auf die Stühle, und diesmal folgten sie seiner Einladung.

„Die Wagenladung bestand aus neuen Brown-Bess-Musketen englischer Fertigung. Dass wir sie den Rebellen fortgenommen haben, ist erfreulich, aber sie werden dadurch nicht aufgehalten. Die Magazine von Ticonderoga, Fort Crown und wie sie alle heißen, waren gut gefüllt.“

Der General wusste selbstverständlich bereits, was die Jäger erbeutet hatten. Erwartungsvoll sah er den Major an.

„In den Fässern fanden wir Schwefel und Salpeter.“

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Generals.

„Interessant. Das bedeutet, dass die Rebellen ihr Pulver selbst herstellen. Und wir können davon ausgehen, dass sie keine großen Vorräte besitzen. Dieser Verlust wird sie härter getroffen haben als der Verlust der Musketen.“

„Hauptmann Schottelius schlägt vor, dass seine Einheit zum Fort der Rebellen vorrückt und die Lage erkundet.“

„Einverstanden, Major. Stellen Sie fest, wie stark dieser Gegner ist und wie umfangreich die Befestigungen schon sind. Und vor allen Dingen: Sehen Sie sich die Pulvervorräte an!"

 

Bei seinen letzten Worten lächelte Riedesel erneut. Die beiden Offiziere sprangen auf, salutierten und meldeten sich ab.

Innerhalb von einer halben Stunde hatte eine Abteilung Jäger das Lager verlassen. Grauer Bär schloss sich ihnen mit fünf Kriegern an.

Bei Einbruch der Dunkelheit lagerten sie an einem kleinen Bach. Aus Sicherheitsgründen verzichtete man auf ein Feuer, obwohl die Kälte bereits deutlich spürbar wurde. Nach Einteilung der Wachen wickelten sich die anderen in ihre Decken und versuchten, so gut wie möglich zu schlafen.

Als Eggeling seine Männer weckte, war es gegen drei Uhr morgens. Schnell wurde alles zusammengepackt, die Decken gerollt und auf den Ranzen geschnallt, dann war die Gruppe marschfertig. Die Indianer erwarteten sie bereits. Auf ein Zeichen des Sergeanten eilten sie voraus und waren wenig später mit der Dunkelheit zwischen den Bäumen verschmolzen.

Friedrich war nicht besonders glücklich, dass der Sergeant die Mohawk vorausschickte. Er hielt sie noch immer für unzuverlässige Verbündete, die nur auf die nächste Gelegenheit warteten, um Beute für sich zu machen.

Der alte Unteroffizier hatte aber rasch die Vorteile erkannt, die die Indianer den Jägern boten. Sie kannten das Terrain, in dem sie sich bewegten. Sie waren gewöhnt, einen Feind zu beschleichen. Wo die Jäger oft im dichten Unterholz Probleme mit ihren Uniformen und Dreispitzen hatten, glitten die Mohawk hindurch. Deshalb war es für Eggeling selbstverständlich, sie als Späher vorauszuschicken. Schottelius hatte ihm zudem eingeschärft, ihrem Anführer Grauer Bär Freiheiten zu lassen. Er war Verbündeter, kein Soldat. Für den Sergeanten war das der heikelste Punkt.

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