Sea of Flames

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Aus der Reihe: Sea of Flames #4
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Sea of Flames
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Svea Dunnabey

Sea of Flames

Furcht

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

Kapitel XX

Kapitel XXI

Kapitel XXII

Kapitel XXIII

Kapitel XXIV

Kapitel XXV

Kapitel XXVI

Kapitel XXVII

Kapitel XXVIII

Kapitel XXIX

Kapitel XXX

Kapitel XXXI

Kapitel XXXII

Kapitel XXXIII

Kapitel XXXIV

Kapitel XXXV

Kapitel XXXVI

Kapitel XXXVII

Kapitel XXXVIII

Kapitel XXXIX

Kapitel XL

Kapitel XLI

Kapitel XLII

Kapitel XLIII

Epilog

Impressum neobooks

Kapitel I

Blake

Ziellos fuhr ich durch die Stadt, fuhr immer wieder auf die Highways um Gas zu geben, das Adrenalin zu spüren, was mich ablenken sollte, um irgendwie meinen Kopf frei zu bekommen, doch das funktionierte nicht. Egal wie schnell und lange ich fuhr, egal wie sehr ich mich durch laute Musik ablenkte, es brachte rein gar nichts.

Immer wieder dachte ich an Evelyn, daran, dass sie schwanger war und automatisch auch an June. Millionen von Gedanken schossen durch mein Gehirn, wobei ich sie nicht greifen konnte, da sie sofort wieder verschwanden und sich mit einem neuen Gedanken abwechselten. Ich fühlte mich vollkommen überfordert und versuchte meinen Kopf abzustellen, doch das war vergebens.

Wenn es schon nicht mit lauter Musik und Adrenalin im Wagen zu machen war, dann vielleicht mit Alkohol, weswegen ich in der Nähe meiner Wohnung hielt und mich in eine Bar setzte. So konnte ich anschließend immerhin zu Fuß nach Hause gehen, als ich mir auch schon einen Whisky bestellte.

Heute Nachmittag war noch alles in Ordnung gewesen. Ich hatte mich auf meine Arbeit konzentrieren können, hatte einen neuen Vertrag abgeschlossen, hatte Lewis mit Dan zusammen zum Ausstatter begleitet, um einen Anzug für seine Hochzeit zu finden, hatte mit Evelyn telefoniert und mit ihr eine Art Telefonsex gehabt und jetzt?

Es hatte grade einmal zwei Minuten gedauert, ehe alles, was bisher gut lief in meinem Leben, zerbrochen war. Dass, was ich immer versucht hatte zu verhindern, was ich auf keinen Fall riskieren wollte, war nach hinten losgegangen. Evelyn war anscheinend schwanger und das von mir.

Egal, wie oft ich mir das selbst sagte, es klang falsch und ich wollte es nicht wahrhaben. Bei Kelly hatte ich immer die Angst gehabt, dass sie irgendwann nicht mehr verhüten würde, weswegen ich selbst darauf geachtet hatte und jedes Mal auf ein Kondom bestanden hatte, aber bei Evelyn...

Als wir uns kennenlernten war ich dermaßen triebgesteuert gewesen, dass ich meine Vorsicht über Bord geworfen hatte. Natürlich hatten wir über Verhütung geredet, wo sie mir versichert hatte, dass sie die Spirale benutzen würde und es somit keinen Grund für ein Kondom gäbe, da wir beide gesund waren, weswegen ich ihr vertraut hatte.

Vielleicht hätte ich zwischendurch nachfragen sollen, natürlich war es nicht nur ihre Schuld, allerdings war es einfacher die Schuld abzugeben. Außerdem hatte ich immer angenommen, dass Evelyn bei dieser Sache zuverlässig wäre, da sie selbst keine Kinder wollte und ich davon ausging, dass sie alles daran setzen würde, damit solch eine Situation nicht geschehen würde.

>> Ihr doppelter Whisky.<< sagte der Barkeeper und stellte mir das volle Glas auf den Tisch.

>> Danke.<<

Er nickte nur und ging wieder, um mich in Ruhe zu lassen, während ich das Glas nahm und den Whisky in meiner Kehle brennen ließ. Ein wenig ruhiger lehnte ich mich zurück und schloss kurz die Augen, um Kraft zu tanken.

Ich wusste, dass ich nur kurz hier bleiben konnte, weil ich gleich noch den Vertrag fertig stellen musste, dass ich sowieso viel Arbeit aufholen musste, was vielleicht auch gar nicht schlecht war. Umso mehr konnte ich mich von meinem Privatleben ablenken.

Um nicht in meine Wohnung gehen zu müssen, da dort etliche Bilder von Evelyn in meinem Arbeitszimmer hingen, holte ich die Unterlagen und meinen Laptop aus meinem Wagen und arbeitete kurzerhand in der Bar, die immer leerer wurde, da es auch schon zwei Uhr nachts war.

Zudem hatte ich einen Tisch ergattert, der in einer kleinen Nische lag, wobei es sowieso sehr ruhig war, da die meisten Personen direkt an der Bar saßen und leise miteinander sprachen. Eine Stunde später hatte ich alles wegen Mr Kyles erledigt und Dan und Lewis eine Kopie des Vertrages als Mail geschickt.

Da es schon drei Uhr nachts war, bezahlte ich und ging zu Fuß nach Hause, was nicht weit war. Meinen Laptop und alle Unterlagen hatte ich wieder in den Wagen getan, da es in Strömen regnete. Nach wenigen Metern war ich schon vollkommen durchnässt, doch das war mir egal.

Träge schleppte ich mich zu meiner Wohnung, wobei meine Schritte immer kleiner und ich dadurch immer langsamer wurde. Was wäre, wenn Evelyn in der Wohnung wäre und auf mich warten würde? Was, wenn sie mit mir reden wollen würde? Was würde ich ihr sagen?

Ich hatte keine Ahnung, was ich ihr sagen sollte, was ich wollte, was wir machen sollten. Ich hatte einfach noch keine Antworten gefunden, keine Entscheidungen treffen können, da ich noch Zeit brauchte und ich hoffte, dass sie das verstehen würde.

Vielleicht schlief sie ja auch schon und ich könnte mich, bevor sie aufwachte, wieder herausschleichen, doch auch das war mehr als falsch. Wir waren ein Paar, waren verheiratet und sollten darüber reden, doch das war für mich bei diesem Thema mehr als schwierig.

Schließlich stand ich vor dem Gebäude, ging nach einem kurzen Zögern hinein und begrüßte den Portier.

>> Guten Abend Mr Humphrey.<< erwiderte er freundlich und nickte mir zu.

>> Wissen Sie, ob meine Freundin schon zu Hause ist?<< fragte ich nach, damit ich mich während der Fahrt nach oben schon darauf einstellen könnte.

>> Tut mir Leid, aber ich habe erst vor wenigen Minuten meine Schicht angefangen, weil mein Kollege sich nicht gut fühlte.<<

 

>> Kein Problem, danke.<< tat ich es ab, während ich innerlich tief durchatmete und zu den Aufzügen ging. Nervös drückte ich auf den Knopf und verspannte mich immer mehr, je näher ich meinem Stockwerk kam.

Noch nie hatte ich mich unwohl gefühlt, oder Angst gespürt, wenn ich nach Hause gekommen war und nicht wusste, ob Evelyn da wäre. Bisher hatte ich es immer gehofft, da ich ihre Anwesenheit über alles genossen hatte, doch seit heute Abend hatte sich das geändert.

Vorsichtig und leise öffnete ich die Tür, betätigte die kleine Lampe auf dem Tisch, um sie nicht durch zu viel Licht zu wecken, falls sie da war. Anschließend ging ich leise ins Schlafzimmer und atmete erleichtert auf, als ich sah, dass das Bett verlassen und leer war. Nachdem ich auch noch die anderen Räume überprüft hatte, ließ ich mich erleichtert aufs Sofa sinken und atmete beruhigt auf.

Doch dann wich meine Erleichterung einer starken Sorge, da ich nicht wusste, wo Evelyn war. Ob sie wohl bei Robert war? Bestimmt, da sie sich so gut verstanden, was jedoch bewirkte, dass ich auf einmal eifersüchtig wurde. Warum musste sie sich unbedingt mit ihm so gut verstehen?

Anstatt über Evelyn und ihre Schwangerschaft nachzudenken, verdrängte mein Kopf es und verrannte sich stattdessen in einer starken Eifersucht, in irgendwelchen Szenarien darüber, was sie grade mit Robert machte, weswegen ich vor Wut und Adrenalin in meinen Fitnessraum ging und den Boxsack bearbeitete.

Immer wieder schlug ich darauf ein, stellte mir vor, dass es Robert wäre, dem ich eine verpasste und spürte wie meine Schläge immer stärker wurden, bis ich nach zwei Stunden vollkommen erschöpft aufgab und ins Bad ging, wo ich mich schnell abduschte.

Anschließend legte ich mich ins leere Bett, sah auf Evelyns leere Seite und zog ihr Kissen, das noch stark nach ihr duftete, zu mir. So gerne wollte ich sie in meinen Armen spüren, wollte sie küssen und sie spüren, weil ich sie brauchte und ohne sie nicht leben konnte. Wieder dachte ich daran, dass sie von mir schwanger war und konnte meine Angst davor nicht leugnen.

So sehr ich es auch versuchte, ich schaffte es nicht meine Gedanken auszuschalten und einzuschlafen. Immer wieder dachte ich daran, was dieser eine Satz für mich, für Evelyn und für uns beide als Paar bedeutete, welche Möglichkeiten und Entscheidungen es gab, was mich fertig machte.

Ohne es zu wollen, dachte ich wieder an June, was zwar schon Ewigkeiten her zu sein schien, was jedoch jetzt präsenter denn je war. All die Jahre hatte ich es erfolgreich unterdrückt, es in die hinterste Ecke meines Gehirns geschoben, doch nun war es zurück und ich konnte nichts dagegen tun.

Als Evelyn mir davon erzählt hatte, wie sehr sie sich damals über die Schwangerschaft ihrer Mutter und ihre Geschwister dabei gefreut hatte, konnte ich das nur zu gut nachempfinden, da es mir damals nicht anders gegangen war.

Ich war immer der Jüngste in der Familie gewesen, das Nesthäkchen mit Geschwistern, zu denen ich aufblicken musste, aber dann erfuhr ich, dass meine Mutter schwanger war und bald ein Kind mehr im Haus wäre, was die Rolle als Nesthäkchen einnehmen würde.

Ich konnte es kaum erwarten und fieberte dem Termin immer stärker entgegen, bis es schließlich so weit war und ich endlich meine neue Schwester im Krankenhaus besuchen durfte. Ich wusste noch, wie aufgeregt ich gewesen war und wie fröhlich und glücklich, als mein Vater die Tür öffnete und ich diese kleine Puppe im Bettchen neben meiner Mutter liegen gesehen habe.

Auch wenn ich nur ihr Bruder gewesen war, war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Meine Mutter begrüßte ich nur flüchtig, da ich ab dem Punkt, wo ich June gesehen hatte, nur noch Augen für sie gehabt hatte. Vielleicht legte dieser Moment auch den Grundstein für meine spätere Karriere in der Branche des Personenschutzes.

Denn ab diesem Tag passte ich auf sie auf, wie auf niemanden sonst zuvor. Sobald June einmal weinte oder schrie, war ich zur Stelle und sah nach, was los war. Ich spielte stundenlang mit ihr, drehte immer wieder das Mobile an, sang ihr Lieder vor und spielte für sie den albernen Clown, damit sie lachte und glücklich war.

Ich hasste es in die Schule zu gehen, weil ich dann nicht für sie da sein konnte und nie wusste, wie es ihr ging, weswegen ich nach dem Unterricht so schnell ich konnte nach Hause rannte. Ich liebte dieses kleine Mädchen wirklich abgöttisch, weswegen ich schon als kleiner Junge wusste, dass ich später einmal ganz viele eigene Kinder haben wollte.

Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als Vater zu werden und mich um meine Kinder zu kümmern. Sie abends in den Schlaf zu singen, sie zu füttern, natürlich auch sie zu wickeln, mit ihnen zu kuscheln, sie zu beruhigen, sie zum Lachen zu bringen und mit ihnen Quatsch zu machen. Wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich es als Kind wirklich nicht erwarten endlich groß zu sein.

Und jetzt saß ich hier. Erwachsen. Verheiratet. Meine Frau schwanger und das mit meinem Kind und ich konnte mich nicht weniger darüber freuen. Hätte man mir das damals gesagt, hätte ich denjenigen ausgelacht und ihm den Vogel gezeigt.

Der tragische Tod von June hatte alles kaputt gemacht. Hatte mich und meine Zukunft zerstört. Sie hatte mir so viel bedeutet, hatte mir so viel gegeben, hatte nichts Schlimmes getan, immerhin war sie erst ein paar Monate alt gewesen und trotzdem hatte sie nicht weiter leben dürfen.

Obwohl es inzwischen schon fast 25 Jahre her war, unsere Familie nie über sie sprach und ich die Erinnerungen gut verstaut hatte, war es, als wäre es gestern gewesen.

Wie ich aufgewacht war und mich gewundert hatte, dass June mich noch nicht mit ihrem Gebrabbel aufgeweckt hatte. Wie ich irritiert zu ihrem Bettchen ging und sie schlafen sah. Wie ich ihren Schlafsack öffnete und direkt spürte, wie kalt sie war. Wie ich immer wieder ihren Namen sagte und hoffte, sie würde die Augen aufmachen. Wie ich mich über ihre bläuliche Hautfarbe wunderte.

Wie ich sie auf den Arm nehmen wollte und spürte, wie kalt und steif sie war. Wie ich ihre Atmung kontrollierte und erschrak. Wie ich meine Eltern und Geschwister rief, schrie, schluchzte und immer verzweifelter wurde. Wie Tränen in mir aufstiegen und ich das Ganze nicht wahrhaben wollte. Wie meine Mutter ins Zimmer kam und mich erschrocken und entsetzt ansah. Wie auch die anderen kamen und alle versuchten June aufzuwecken.

Wie ich einige Schritte zurückging. Wie ich schluchzte. Wie ich mich zusammenrollte und alle dabei beobachtete, wie sie versuchten zu helfen. Wie sie June versuchten wiederzubeleben. Wie die Sanitäter kamen und ebenfalls versuchten June zurückzuholen. Wie ich einen Sanitäter beobachtete, der nach einer gefühlten Ewigkeit nur noch mit dem Kopf schüttelte. Wie die Zeit still stand.

Wie meine Mutter daraufhin anfing zu schreien, zu weinen und zu schluchzen. Wie unser Kindermädchen sie aus dem Zimmer holte und sie versuchte zu beruhigen. Wie June immer noch da lag, als ob sie schlafen würde, angeschlossen an alle möglichen Maschinen mit denen sie versucht hatten, sie wieder zurückzuholen. Wie Ava sich vor mich setzte und mich in den Arm nahm.

Wie June abgeholt wurde. Wie wir das Gespräch beim Bestatter hatten. Wie wir ihren Sarg und ihre Blumen aussuchten. Wie wir die Trauerfeier planten. Wie wir ein Kleid für sie kauften, damit sie besonders schön auf der Trauerfeier aussehen würde. Wie sich meine Mutter einen offenen Sarg wünschte.

Wie wir zur Kirche fuhren. Wie uns alle mitleidig ansahen. Wie mich alle in den Arm nahmen und drückten. Wie alle mir immer wieder sagten, dass wir für unsere Eltern stark sein müssten. Wie wir uns in die erste Reihe setzten. Wie der Priester seine Rede begann.

Wie er davon erzählte, dass alles im Leben seinen Sinn hätte und dass auch Junes Tod einen Sinn gehabt hätte. Wie wichtig dieser Tod doch wäre, damit wir alle verstünden, dass wir nur Gäste auf dieser Welt seien. Wie gut es ihr doch ginge, wo sie jetzt beim Allmächtigen wäre.

Wie ich immer wütender wurde. Wie ich meine Fäuste ballte. Wie ich den Priester anschrie. Wie ich schluchzte. Wie mein Vater mir eine Ohrfeige verpasste. Wie Ava mich mit sich nach draußen zog. Wie sie mich beruhigte und in den Arm nahm. Wie wir nach Hause gingen und mein Wunsch Vater zu werden mit June gestorben und begraben worden war.

Das alles wollte und konnte ich nie wieder mitmachen, weswegen eigene Kinder für mich undenkbar waren und doch war Evelyn nun schwanger. Egal, wie sehr ich Kinder liebte und gerne eigene gehabt hätte, konnte ich die Angst nicht ertragen, dass es sterben könnte und ich eines Morgens wieder das gleiche durchmachen würde wie vor 25 Jahren.

Wir hatten damals alle Mittel gehabt, waren reich gewesen, hatten alle gesundheitlichen Tests machen lassen, meine Eltern waren gesund gewesen und hatten ein gesundes Kind zur Welt gebracht und dennoch hatte all das nichts gebracht. Evelyn war gesund, ich war gesund, auch wir hatten Geld, konnten alle Tests machen, konnten noch so vorsichtig sein und dennoch könnte ich nicht sicher sein, dass es nicht doch wieder passierte.

Vollkommen hilflos und hin und hergerissen wälzte ich mich immer wieder im Bett herum, sah wie die Minuten verstrichen, wie die Sonne langsam wieder aufging, wie die Lichter in den einzelnen Wohnungen anderer Hochhäuser angeschaltet wurden und ich immer noch nicht geschlafen hatte.

Mein Körper und meine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe, weswegen ich es gegen sechs Uhr schließlich aufgab und wieder aufstand. Träge schleppte ich mich in mein Bad, machte mich frisch, wobei es mich nicht mit neuem Leben weckte, weswegen ich es mit einem doppelten Espresso versuchte, was jedoch auch nichts brachte.

Ausgelaugt fuhr ich nach unten und ging zu der Bar von gestern, um mein Auto dort abzuholen und schließlich in die Firma zu fahren, wo ich mich hoffentlich besser ablenken konnte.

Kapitel II

Evelyn

>> Du Wichser, ich mach dich fertig!<<

>> Verpiss dich du Hure!<<

>> Verpissen? Du kannst mich mal!<<

>> Lass mich in Ruhe... Hau ab! Ich stech dich ab, wenn du dich nicht endlich verpisst!<< schrie der Typ von nebenan wieder, woraufhin ich eine Tür hörte, die wenige Sekunden später zugeschlagen wurde. Es dauerte keine zwei Sekunden, ehe sie wieder aufging und ich die beiden wieder schreiend und brüllend streiten hörte.

Seufzend stand ich von meiner Matratze auf, streckte mich und ging ins Bad, um mich schnell zu duschen. Wieder hatte ich nur wenige Stunden Schlaf bekommen, der dann auch noch vollkommen unruhig gewesen war. Immer wieder hatte ich an Blake gedacht, daran, dass er sich seit vier Tagen nicht mehr bei mir gemeldet hatte und ich nicht wusste, woran ich bei ihm war.

Natürlich konnte ich verstehen, dass er schockiert war und das er Zeit benötigte, doch dass es so lange dauern und er mich komplett ignorieren würde, hätte ich nicht gedacht. Bisher hatte er mich immer in seiner Nähe gebraucht und gewollt, doch das war anscheinend Vergangenheit.

Seufzend schob ich meine Enttäuschung beiseite, trocknete mich ab und zog mir schnell etwas über, da ich mich in wenigen Minuten mit Charly und Emily im Park traf. Maggie kümmerte sich währenddessen um Ben im Krankenhaus, dem es aber weiterhin gut ging, was alle erleichtert hatte.

So schnell ich konnte, rannte ich nach unten und raus aus dem Haus, um diese üble Gegend hinter mir zu lassen. Nach zehn Stationen mit dem Bus stieg ich aus und ging den Rest zu Fuß, da ich noch Zeit hatte, bis ich eine Bank sah und hineinging. Bisher hatte ich Blake das Geld für die Begleichung der Schulden und die 10.000 Dollar, die er mir geliehen hatte, nicht zurückgezahlt, weswegen ich schnell hineinging.

Mein Gehalt war bereits auf dem Konto und da ich sein Geld so gut wie gar nicht angerührt hatte, überwies ich ihm jeden einzelnen Cent zurück und legte noch den aktuellen Zinssatz drauf, damit er hoffentlich wütend wurde, da mich seine Ignoranz so fertig machte.

Zufrieden verließ ich die Bank wieder und ging die restlichen Meter zu unserem Treffpunkt, als ich Charly und Emily auch schon entdeckte.

>> Emily.<< rief ich lauter, woraufhin sie sich umdrehte und nach mir suchte. Um ihr ein wenig zu helfen, begann ich zu winken und rief weiterhin ihren Namen, bis sie mich sah und auf mich zulief. Glücklich über ihr Strahlen hob ich sie hoch und drückte sie an mich, als auch Charly zu mir kam.

 

>> Hi Eve.<< begrüßte er mich sanft, nahm mich in den Arm, nachdem ich Emily wieder heruntergelassen hatte und drückte mich an sich.

>> Hi Charly. Schön dich endlich mal wieder grinsen zu sehen.<<

>> Mhm. Seit es Ben besser geht und er wirklich Fortschritte macht, bin auch ich wieder ein wenig beruhigter.<< bestätigte er mir, während wir zum Spielplatz gingen und uns an einen Tisch im angrenzenden Café setzten. Charly gab Emily noch ihre Förmchen für die Sandkiste, ehe er zu mir kam und wir uns etwas zu Trinken und etwas zum Frühstücken bestellten.

>> Hat Emily schon ihren Bruder gesehen?<< fragte ich ihn und beobachtete sie dabei, wie sie Eiskugeln aus Sand formte.

>> Nur von Bildern, weil sie nicht mit auf die Intensivstation darf, aber das reichte ihr auch.<<

>> Irgendwann kommt er auf eine Frühchen-Station und dann kann sie ihn auch sehen.<<

>> Mhm, aber erst mal müssen wir uns wieder um sie kümmern, weil sie die letzten Tage, oder auch Wochen viel zurückstecken musste.<< bemerkte er und sah wehmütig zu Emily, die ihn anstrahlte und ihm einen Sandkuchen brachte. Zur gleichen Zeit wurde sein Kaffee und mein Orangensaft gebracht, als auch Emily ihr Wasser bekam und sie sofort einen Schluck trank.

Wehmütig sah ich zu ihr, dachte an den Krümel in mir drinnen und daran, wie es wäre mit Blake an diesem Tisch zu sitzen, zu reden, während unser Kind nebenbei in der Sandkiste spielte. Es war ein schöner Gedanke, einer mit dem ich mich immer mehr anfreunden konnte, doch sprach ich dabei nur für mich.

>> Eve?<< fragte Charly plötzlich und sah mich nachdenklich an.

>> Süße, was ist mit dir los? Beim letzten Mal standst du schon so neben dir, wolltest nicht drüber sprechen, was ich dir da noch habe durchgehen lassen, aber jetzt sitzt du hier und du siehst immer noch schrecklich aus, total müde und fertig, also was ist los?<< hakte Charly sanft nach und sah mich dabei durchdringend an.

>> Nichts, es ist alles in Ordnung.<<

>> Dann würdest du nicht so aussehen, also?<< drängte er und ließ nicht locker, was ich schon von ihm kannte, weswegen ich nachgab.

>> Ich habe mich vor vier Tagen, als ich aus dem Krankenhaus von euch kam, mit Blake gestritten...<< wich ich ihm aus, da es immerhin der Wahrheit entsprach.

>> Sag jetzt bitte nicht, dass ihr euch schon wieder getrennt habt.<<

>> Nein, jedenfalls glaube ich das nicht, aber immerhin herrscht seitdem absolute Funkstille.<< seufzte ich und trank einen Schluck meines Orangensafts, der schön kühl war und mich erfrischte.

>> Worum ging es denn?<< seufzte er und versuchte relativ neutral zu bleiben, was ihm jedoch nicht gelang.

>> Ich komme schon klar Charly.<< versuchte ich ihn abzuwürgen, doch das ließ er anscheinend nicht zu. Böse und wütend funkelte er mich an, dass mir mehrere Schauer über den Rücken liefen.

>> Hör auf damit! Ich habe dir noch nie diese Mauer zugelassen, also rede mit mir!<< setzte er mich unter Druck, weswegen ich mich zurücklehnte und mir eine Träne wegwischte, bevor sie meine Wange herunterlaufen konnte. Es dauerte einige Sekunden, in denen ich meine Gefühle so gut es ging unter Kontrolle brachte, was jedoch mehr als schwierig war, da sich auch langsam die Hormone bemerkbar machten. Charly ließ mir jedoch Zeit und sah mich lediglich besorgt an, da ich sonst eher selten nah am Wasser gebaut war.

>> Süße, du kannst mir alles sagen.<< redete er mir noch einmal gut zu, wobei ich das wusste.

>> Ich weiß...<< schluchzte ich und verlor den Kampf gegen eine Träne, die mir Charly sofort wegwischte, während ich tief durchatmete und versuchte meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

>> Ich bin schwanger...<< flüsterte ich nach einigen Augenblicken erstickt, bevor ich all meinen Mut zusammennahm und ihn ansah. Charly blickte mich schockiert an, wusste nicht so recht, ob er sich freuen oder besorgt sein sollte, ob er mich umarmen oder auf Abstand bleiben sollte, bis er eine Entscheidung getroffen hatte, mir liebevoll über den Oberarm strich und mich besorgt ansah.

>> Und du hast es ihm vor vier Tagen gesagt?<<

>> Ja und daraufhin hat er mich stehen lassen und ist abgehauen und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.<<

>> So ein elendiger, mieser, widerlicher, ätzender, beschissener...<<

>> Charly!<< unterbrach ich ihn, da er ihn nicht beleidigen sollte und ich nicht wusste, ob Emily es nicht hören würde. Er nickte nur, atmete tief durch und dachte einige Sekunden nach, ehe er mich wieder ansah.

>> Wie stehst du dazu? Von Blake will ich jetzt mal nichts hören. Wie stehst du zu eurem Kind?<<

>> Um ehrlich zu sein... Ich habe keine Ahnung. Eigentlich wollte ich keine eigenen, wollte unbedingt Karriere machen und mein Leben genießen, hatte Angst das ich genauso wie damals fühlen würde, als...<< antwortete ich, bis mir auffiel, dass er nichts von meiner früheren Schwangerschaft wusste, weswegen er mich auch irritiert ansah.

>> Das wusstest du ja noch gar nicht... Ich war schon mal schwanger.<<

>> Was? Wann und von wem?<<

>> Vor fast fünf Jahren von Adam.<< gestand ich ihm und sah in sein schockiertes Gesicht, sah die Sorgenfalten auf seiner Stirn, weswegen ich einfach weitersprach.

>> Es war schrecklich damals. Von einem Vergewaltiger schwanger zu sein. Sein Kind im Bauch zu tragen, an die Tat erinnert zu werden, immer wieder an ihn erinnert zu werden, was ich nicht ertrug.<<

>> Also hast du es abgetrieben?<< hakte Charly nach, woraufhin ich nickte und an damals dachte.

>> Ja und das konnte mir gar nicht schnell genug gehen. Es fühlte sich komplett falsch an schwanger zu sein und alles in mir sträubte sich dagegen. Ich ekelte mich regelrecht davor, davor was in meinem Bauch war, weswegen ich dachte, dass es nicht nur am Kindsvater und den Umständen liegen könnte, sondern daran, dass ich einfach generell keine Kinder haben wollte. Dass ich auch bei einer erneuten Schwangerschaft so reagieren würde...<<

>> Und hast du diese Gedanken? Erträgst du es grade nicht schwanger zu sein? Möchtest du es abtreiben? Möchtest du lieber Karriere machen?<<

>> Nein... Jedenfalls ist es nicht so extrem wie damals, aber auch nicht 100 Prozent positiv. Ich bin hin und her gerissen. Auf der einen Seite möchte ich es bekommen, weil ich meine Karriere nicht mehr als Mittelpunkt meines Lebens ansehe, sondern mich selbst. Weil es das Kind eines Mannes wäre, den ich liebe, weil ich Kinder liebe und es mein eigen Fleisch und Blut wäre. Aber auf der anderen Seite möchte ich auch arbeiten, meine Karriere voran treiben, mich noch ein wenig an die erste Stelle packen, nachdem ich das jahrelang nicht konnte und ich habe Angst. Angst es alleine groß ziehen zu müssen, schon wieder. Angst, dadurch Blake zu verlieren. Angst überfordert zu sein. Angst, dass ich versage...<< erklärte ich ihm, wobei ich zum Ende hin immer mehr flüsterte, da es mich so mitnahm. Charly spürte es anscheinend, da er näher zu mir rückte, meine Hände nahm und mich liebevoll ansah.

>> Eve... Ich kann deine Ängste verstehen, aber ich weiß auch, was für eine starke Person du bist. Du hast schon zwei Kinder groß gezogen und das so toll. Warum solltest du es dieses Mal nicht schaffen und wie gesagt, es wäre dein eigenes Kind. Und deine Karriere könntest du auch mit deinem Kind erreichen, könntest dir weiterhin Zeit für dich nehmen, da du ja keine Nebenjobs mehr bräuchtest. Es bedeutet ja nicht das Ende der Welt, wenn du dich für dein Kind entscheidest...<< beruhigte er mich, als sich sein Blick auf einmal verdunkelte und sein Druck an meinen Händen stärker wurde.

>> Und Blake, dieser...<<

>> Charly bitte. Er hat seine Gründe.<<

>> Welchen Grund könnte es geben, seine Freundin sitzen zu lassen, nachdem sie ihm erzählt hat, dass sie ein Kind von ihm erwartet?<< fragte er mich zornig und machte keinen Hehl daraus, was er grade über ihn dachte.

>> Weil er selbst überfordert ist... Er hat Angst und zwar noch wesentlich mehr als ich. Er hatte mit acht Jahren eine kleine Schwester bekommen, die er über alles geliebt hatte, die bei ihm im Zimmer schlief und auf die er aufpasste und die dann nach einigen Monaten am plötzlichen Kindstod verstarb. Er war derjenige, der sie morgens gefunden und versucht hatte, sie zu wecken. Derjenige der herausfinden musste, dass sie gestorben war... Er hat einfach Angst, dass auch sein Kind sterben könnte und dagegen kann er nichts tun, egal wie vermögend er ist und wie stark er aufpasst.<< klärte ich ihn auf, damit er auch Blakes Sicht verstand. Ich wusste, dass Blake kein schlechter Mensch war und mich niemals einfach so sitzen lassen würde. Doch die Situation, die Erinnerungen und die Gefahr, dass es sich mit seinem eigenen Kind wiederholen könnte, sorgten dafür, dass er sich zurückzog.

>> Um ehrlich zu sein... Früher hätte ich wahrscheinlich gesagt, dass er sich nicht so anstellen und einfach seinen Mann stehen sollte, aber seit Ben auf der Welt ist. Die Angst, dass er es nicht schaffen könnte... Zu sehen, wie alles von einer auf die andere Sekunde vorbei sein könnte... Nichts tun zu können, während dieser kleine Mensch da liegt und kämpft und als Eltern so hilflos zu sein, während einem das Herz zerreißt, weil man diesen kleinen Menschen schon so sehr liebt... Diese Angst wünsche ich keinem... Wirklich niemandem und wenn er schon jemanden verloren hat, dann kann ich diese Angst nur all zu gut verstehen. Nach der Sache mit Ben könnte ich mir nicht vorstellen noch ein drittes Kind mit Maggie zu bekommen, weil ich das nicht noch einmal schaffen würde. Diese Angst ist so stark, wobei es ja bei uns noch gut ausgegangen ist, aber wenn Ben wirklich gestorben wäre... So etwas ist zu heftig...<< pflichtete er Blake bei, was ich niemals für möglich gehalten hätte.

>> Ich habe ihn mit Kindern gesehen. Er war es, der den Tag mit Emily geplant hatte, der extra für den Tag eine Limousine und einen Kindersitz gemietet hatte, damit wir sie im Auto mitnehmen konnten, der im Aquarium alles organisiert hatte, damit wir nicht anstehen mussten, der mit ihr und allen anderen Kindern, die wir bisher kennengelernt haben, herumgealbert hatte.... Das war alles er, nicht ich. Sobald die Kinder größer sind, ist es kein Problem für ihn und er hat Spaß mit ihnen und ist ausgelassen, spielt und albert mit ihnen herum, genießt die Zeit, aber so lange sie unter einem Jahr alt sind, lähmt ihn seine Angst und er ist dann zu nichts fähig.<<

>> Verstehe.<< seufzte Charly und sah kurz zu Emily, die nach ihrem Papa gerufen hatte, da sie seine Bestätigung haben wollte, dass sie die besten Kuchen der Welt backte.

>> Blake braucht noch Zeit. Wahrscheinlich zerbricht er sich die ganze Zeit über den Kopf und da enge ich ihn jetzt nicht ein. Wenn er so weit ist, wird er zu mir kommen. Das hoffe ich jedenfalls.<< seufzte ich und fragte mich innerlich, wann es so weit wäre. Wann würde ich auf ihn zugehen, weil ich nicht mehr warten könnte? Nach wie vielen Tagen, Wochen oder Monaten? Immerhin waren schon vier Tage ohne ein Lebenszeichen vergangen.